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BFH-Beschluss vom 7.10.2009
(VII R 45/07) BStBl. 2010 II S. 205
Wer keine abgeschlossene
Berufsausbildung erhalten hat, kann zur Steuerberaterprüfung auch dann nicht
zugelassen werden, wenn er durch seine in praktischer Berufstätigkeit
erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen über eine für die Prüfung und die
spätere Tätigkeit als Steuerberater ausreichende "Vorbildung" verfügt.
StBerG § 36.
Vorinstanz: FG
Berlin-Brandenburg vom 14. November 2007 12 K 2439/04 B (EFG 2008, 412)
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) möchte zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden.
Er hat im Januar 2006 die Prüfung als Bilanzbuchhalter bestanden und zuvor
Rechtswissenschaft studiert, das Staatsexamen jedoch nicht abgelegt.
Aufgrund seiner in verschiedenen Übungen erbrachten studienbegleitenden
Prüfungsleistungen hat ihm die Universität Freiburg bescheinigt, dass er die
Orientierungs- sowie die Zwischenprüfung bestanden habe und in das zwölfte
Fachsemester des Studienganges einzustufen sei.
Bereits während seines
Studiums hatte der Kläger ein - später in eine GmbH, deren Geschäftsführer
der Kläger wurde, umgewandeltes - Unternehmen gegründet. Darüber hinaus
wirkte er nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in verschiedenen
Unternehmen sowie bei Verbänden "im steuerlichen Bereich".
Den 2004 vom Kläger
gestellten Antrag auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung hat die damals
zuständige Behörde abgelehnt, weil der Kläger nicht über die notwendige
Vorbildung verfüge. Das dem Kläger bescheinigte Bestehen der Zwischenprüfung
sei weder als Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf noch
als eine andere gleichwertige Vorbildung anzusehen.
Die deswegen erhobene Klage
hat das FG durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 412
veröffentlichte Urteil abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des
Klägers, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird:
Der Kläger habe zwar nicht
gemäß § 36 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) ein
rechtswissenschaftliches oder wirtschaftswissenschaftliches Studium
absolviert und auch nicht i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG die Prüfung für
einen kaufmännischen Ausbildungsberuf bestanden. § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG
lasse jedoch eine Zulassung zur Prüfung auch bei einer "anderen
gleichwertigen Vorbildung" zu und zeige mit dieser Wortwahl, dass der
vollständige Abschluss einer Ausbildung durch Prüfung nicht erforderlich
sei. Dies sei aus grundrechtlicher Sicht auch konsequent, da gerade der Fall
des Klägers zeige, wie groß die Diskrepanz zwischen einer abgeschlossenen
Berufsausbildung und der von ihm nachgewiesenen beruflich bedingten
Vorbildung sei. Ein geprüfter Einzelhandelskaufmann, der unter Umständen
lediglich die Filiale eines Supermarktes geleitet habe, könne (nach
entsprechender Berufstätigkeit) zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden,
wohingegen der Kläger mit einer umfangreichen Berufserfahrung, die im
Wesentlichen von seiner Unternehmereigenschaft und den damit verbundenen
profunden steuerlichen Kenntnissen geprägt sei, eine derartige Voraussetzung
nach der Rechtsauffassung der Senatsverwaltung nicht erfülle.
Zu Unrecht schließe das FG
aus den übrigen in § 36 StBerG aufgeführten Tatbeständen, dass eine
"Vorbildung" nur durch ein Abschlusszeugnis nachgewiesen werden könne. Das
FG setze voraus, dass der fehlende Kaufmannsgehilfenbrief schlechterdings
durch keine andere Voraussetzung ersetzt werden könne; das widerspreche
jeglicher Lebenserfahrung, weil der Kaufmannsgehilfenbrief keine zwingende
Berufszugangsvoraussetzung sei und eine Vielzahl beruflicher Positionen ohne
dessen Vorlage ausgeübt werden könne. Das FG habe zudem die fachspezifische
Berufserfahrung des Klägers von 20 Berufsjahren völlig unberücksichtigt
gelassen.
Es sei zwischen dem
Interesse an einer ordnungsgemäßen Steuerrechtspflege und der Freiheit der
Berufswahl abzuwägen. Entscheidend für die Wahrung des öffentlichen
Interesses sei dabei die Steuerberaterprüfung, während das zusätzliche
Kriterium des § 36 StBerG "andere gleichwertige Vorbildung" eine geringere
Bedeutung habe. Insoweit müssten die Vorbildungskriterien "entsprechend weit
ausgelegt werden". Die Ausbildung des Klägers sei deutlich anspruchsvoller
als die in § 36 StBerG zugelassenen Ausbildungsgänge. Es sei
unverhältnismäßig, als Vorbildung im Sinne der Vorschrift nur eine
abgeschlossene Ausbildung anzusehen.
Die Senatsverwaltung an
deren Stelle zum 1. Juli 2009 die Steuerberaterkammer als Beklagte und
Revisionsbeklagte getreten ist (§ 157a Abs. 3 StBerG), ist der Meinung, die
vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten, zumal in seinem eigenen Unternehmen,
könnten mit einem kaufmännischen Ausbildungsabschluss schon deshalb nicht
gleichgesetzt werden, weil für diese Tätigkeiten eine kaufmännische
Vorbildung nicht vorgeschrieben gewesen sei. Zudem sei es der
Finanzverwaltung ohne Vorlage von Abschlusszeugnissen nicht möglich zu
beurteilen, ob eine vergleichbare Vorbildung vorhanden sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die
Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für
erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten
Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Urteil des FG entspricht
dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
Nach § 36 Abs. 1 und 2 StBerG
setzt die Zulassung zur Steuerberaterprüfung - neben der Ausübung einer
praktischen Tätigkeit für eine bestimmte Zeit und abgesehen von der hier
nicht interessierenden Alternative des § 36 Abs. 2 Nr. 2 StBerG - in allen
Alternativen voraus, dass der Zulassungsbewerber eine (gleichsam
theoretische) Berufsausbildung erhalten hat, nämlich entweder ein
Hochschulstudium (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StBerG) oder eine kaufmännische
Berufsausbildung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative StBerG) absolviert, eine
Ausbildung als Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirt erhalten (§ 36 Abs. 2
Nr. 1 3. Alternative StBerG) oder "eine andere gleichwertige Vorbildung"
(§ 36 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative StBerG) erworben hat. Dass auch diese
andere gleichwertige Vorbildung in einem Berufsausbildungsgang erworben sein
muss und nicht etwa lediglich auf den durch praktische Berufstätigkeit
erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten beruhen kann, wird daran deutlich,
dass § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG, der im Fall des Klägers allein in Betracht
kommt, schon seinem Wortlaut nach auch für eine "andere gleichwertige
Vorbildung" verlangt, dass der Prüfungsbewerber nach "Abschluss der
Ausbildung" zehn Jahre berufstätig gewesen ist, ebenso wie bei der folgenden
3. Alternative des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG verlangt wird, dass die
praktische Berufstätigkeit eines geprüften Bilanzbuchhalters oder
Steuerfachwirts auf einer "erfolgreich abgelegten Prüfung", mithin einer
theoretischen Ausbildung zu diesem Beruf beruht.
Es fehlt nach Wortlaut und
Systematik der Vorschriften des § 36 Abs. 1 und 2 StBerG jeder vernünftige
Anhaltspunkt für die Annahme, zur Steuerberaterprüfung könne auch zugelassen
werden, wer keinerlei abgeschlossene Berufsausbildung erhalten hat, wenn er
nur durch die in praktischer Berufstätigkeit erworbenen Kenntnisse und
Erfahrungen über eine für die Prüfung und die spätere Tätigkeit als
Steuerberater ausreichende "Vorbildung" verfügt. Nach der klaren und
eindeutigen Konzeption des StBerG steht die Steuerberaterprüfung vielmehr
auf steuerlichem Gebiet lediglich angelernten Personen ohne abgeschlossene
Berufsausbildung nicht offen.
Diese gesetzliche Regelung
ist nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zu beanstanden. Dieses
Grundrecht gewährleistet zwar dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für
die er sich geeignet glaubt, zur Grundlage seiner Lebensführung, also zum
Beruf zu machen. Einschränkungen des Grundrechts sind aber aus Gründen des
Gemeinwohls zulässig; sie stehen allerdings unter dem Gebot der Wahrung des
Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen
deshalb nicht weiter gehen, als die sie legitimierenden öffentlichen
Interessen - hier: das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden
Steuerrechtspflege und der Schutz des Publikums vor zur Steuerberatung nicht
hinreichend qualifizierten Personen (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht -
BVerfG -, Beschluss vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301) - es
erfordern.
Den Beruf des Steuerberaters
als Ausbildungsberuf (mit Zusatzprüfung nach langjähriger Berufstätigkeit)
auszugestalten, liegt indes im Rahmen der Gestaltungsfreiheit, die der
Gesetzgeber bei der Ausgestaltung subjektiver Berufszugangsvoraussetzungen
in Anspruch nehmen kann; deren Grenzen wären nur dann überschritten (vgl.
schon Beschluss des BVerfG vom 17. Juli 1961 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97),
wenn die Auffassung des Gesetzgebers, die Steuerberatung müsse besonders
qualifizierten, beruflich in einem einschlägigen Ausbildungsgang
vorgebildeten Personen vorbehalten werden, offensichtlich fehlsam wäre. Die
Annahme des Gesetzgebers, es sei erforderlich, Gefahren vorzubeugen, die für
die Steuerrechtspflege und den Steuerbürger von fachlich zur Steuerberatung
ungeeigneten Personen ausgehen könnten, ist indes ebenso wenig
offensichtlich fehlsam, wie es die Grenzen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit als zur Abwehr einer solchen Gefahr ungeeignetes oder
unverhältnismäßiges Mittel überschreitet, von angehenden Steuerberatern
neben Berufserfahrung und in einer Prüfung nachzuweisenden steuerlichen
Kenntnissen zu verlangen, dass sie eine fachlich einschlägige
Berufsausbildung genossen haben. Solchen Gefahren wird zwar nicht in erster
Linie durch das Erfordernis des erfolgreichen Abschlusses einer bestimmten
Berufsausbildung, sondern dadurch begegnet, dass die Bestellung zum
Steuerberater regelmäßig die Ablegung der Steuerberaterprüfung voraussetzt.
Denn das für den Steuerberater erforderliche steuerliche Fachwissen wird im
Rahmen der in § 36 Abs. 1 und 2 StBerG genannten Ausbildungsgänge in der
Regel nicht oder doch nicht in ausreichendem Umfang vermittelt. Gleichwohl
ist eine solche erste Berufsausbildung geeignet, die fachliche Grundlage für
die spätere Aneignung der theoretischen und praktischen steuerlichen
Fachkenntnisse zu legen, die der Steuerberater benötigt (vgl. Urteil des
erkennenden Senats vom 28. August 1990 VII R 25/89, BFHE 162, 159, BStBl II
1991, 154).
Die Entscheidung des
Gesetzgebers, auf steuerlichem, kaufmännischem oder sonstigem
wirtschaftlichen Gebiet lediglich angelernten Personen den Zugang zur
Steuerberaterprüfung - und damit den Zugang zum Beruf des Steuerberaters -
zu verwehren, ist auch nicht deshalb, wie offenbar die Revision meint, zu
beanstanden, weil gemessen an den hohen Anforderungen der
Steuerberaterprüfung die durch eine Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf
erworbenen theoretischen Kenntnisse nicht besonders ins Gewicht fallen mögen
und Prüfungsbewerber, die auf dem durch § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG eröffneten
Berufsweg die Zulassung als Steuerberater anstreben, einen großen Teil der
für eine solche Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen
nicht in ihrer ursprünglichen Berufsausbildung als Kaufmann,
Bilanzbuchhalter, Steuerfachwirt oder durch eine andere, einer
kaufmännischen Ausbildung gleichwertige Ausbildung, sondern durch ihre
langjährige praktische Berufstätigkeit erworben haben werden. Denn abgesehen
davon, dass Bewerber, die eine solche Berufsausbildung genossen haben, dem
Kläger zumindest etwas an theoretischer Fundierung der angestrebten
Tätigkeit als Steuerberater voraus haben, konnte der Gesetzgeber - worauf
die Senatsverwaltung mit Recht sinngemäß hingewiesen hat - dem Umstand
Bedeutung beimessen, dass der Abschluss einer solchen Berufsausbildung für
die Zulassungsbehörde leicht überprüfbar ist und übrigens zudem die
Vermutung rechtfertigt, dass die im Anschluss daran ausgeübte berufliche
Tätigkeit an den Prüfungsbewerber Anforderungen stellte, die seiner zuvor
genossenen Berufsausbildung entsprachen, während sich im Allgemeinen allein
aufgrund einer praktischen Tätigkeit für bestimmte Arbeitgeber oder gar für
ein eigenes Unternehmen nicht klar und eindeutig feststellen lässt, ob der
Prüfungsbewerber die erforderliche "Vorbildung" für eine erfolgversprechende
Teilnahme an der Steuerberaterprüfung und für eine spätere Tätigkeit als
Steuerberater besitzt.
In der Regel wird zudem dem
angehenden Steuerberater ohne weiteres zugemutet werden können, zunächst
eine der in § 36 StBerG aufgeführten oder eine andere vergleichbare
Berufsausbildung zu durchlaufen. Aber auch wo dies auf Schwierigkeiten
stößt, weil die Möglichkeit, Steuerberater zu werden, erst spät ins
Blickfeld kommt, kann der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen für
verpflichtet gehalten werden, durch eine § 36 StBerG ergänzende
"Öffnungsklausel" für atypische Fälle wie den des Klägers - trotz der
Schwierigkeiten deren verwaltungsmäßigen Vollzugs - solchen Spätberufenen
den Zugang zum Beruf trotz Fehlens einer entsprechenden Ausbildung zu
ermöglichen.
Der Kläger kann schließlich
die Zulassung zur Steuerberaterprüfung auch nicht etwa deshalb beanspruchen,
weil er während seines rechtswissenschaftlichen Studiums an Übungen
teilgenommen hat, weil die erfolgreiche Teilnahme daran offenbar überprüft
und weil aufgrund dieser Umstände von der Universität ein (offenbar
fiktives) Bestehen einer Orientierungs- und Zwischenprüfung bescheinigt
worden ist. Denn ungeachtet der Vergleichbarkeit der in universitären
Übungen erbrachten Prüfungsleistungen mit der Abschlussprüfung eines
Berufsausbildungsganges und ungeachtet auch der vom FG nicht näher
erörterten Prüfungsgegenstände und ihrer Gleichwertigkeit mit einer
kaufmännischen Ausbildung bedarf es keiner näheren Ausführung, dass ein
solches abgebrochenes Hochschulstudium, wie es der Kläger betrieben hat,
keine abgeschlossene Berufsausbildung in dem Sinne ist, wie sie § 36 Abs. 1
und 2 StBerG fordert.
Die Revision ist daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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