| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 17.12.2008 (XI R 23/08) BStBl. 2010 II S. 208
Die
Umsätze aus der langfristigen Vermietung eines Turnhallengebäudes an einen
Verein, der steuerfreie Leistungen ausführt, sind gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1
Buchst. a UStG 1999 steuerfrei, wenn abgesehen von der Überlassung von
Betriebsvorrichtungen keine weiteren Leistungen ausgeführt werden.
UStG 1999 § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1; FGO § 118 Abs. 2;
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. b.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 11. April
2008 1 K 2094/05 U (EFG 2008, 1337)
Sachverhalt
I.
Strittig ist zwischen den
Beteiligten, ob bei einer langfristigen Vermietung einer Turnhalle
Vorsteuerbeträge auch insofern abgezogen werden können, als diese die
Herstellungskosten des Gebäudes betreffen.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein. Er ist
Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er in mehreren Bauabschnitten
verschiedene Gebäude zum Betrieb einer Schule errichtete. Mit Mietvertrag
vom 1. Juni 1992 vermietete er das Grundstück und - jeweils ab
Bezugsfertigkeit - die noch zu errichtenden Gebäude an den Verein "X e.V."
(Verein). Dieser betreibt dort eine Schule. Der Mietvertrag wurde auf eine
Dauer von 25 Jahren fest geschlossen und kann von den Vertragsparteien
frühestens zum 1. Juni 2017 gekündigt werden.
In den Jahren 2001 und 2002
errichtete der Kläger auf dem Grundstück eine Turnhalle, die er ab
1. Oktober 2002 zu einem monatlichen Mietzins von 7.113,83 € zuzüglich
Umsatzsteuer an den Verein vermietete. Die ihm im Streitjahr 2002 im
Zusammenhang mit der Errichtung der Turnhalle in Rechnung gestellte
Umsatzsteuer in Höhe von 85.118,92 € machte er in vollem Umfang als
Vorsteuer geltend.
Anlässlich einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, die
Überlassung des Turnhallengebäudes an den Verein stelle eine nach § 4 Nr. 12
Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfreie
Grundstücksvermietung dar, die den Vorsteuerabzug ausschließe. Ein Verzicht
auf die Steuerbefreiung sei nicht möglich, weil der Verein das
Turnhallengebäude nicht ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger
Umsätze verwende. Nur soweit die geltend gemachten Vorsteuern auf die
steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen entfielen, sei ein
Vorsteuerabzug in Höhe von 10.255,58 € möglich. Eine Minderung der Steuer um
die - zu Unrecht - für die Überlassung des Turnhallengebäudes erhobene
Steuer, komme erst nach Vorlage entsprechend berichtigter Rechnungen in
Betracht.
Dieser Auffassung folgend
versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) mit
Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 29. April 2004 den Abzug von Vorsteuerbeträgen
aus der Herstellung der Turnhalle insoweit, als diese nicht die
Betriebsvorrichtungen betrafen.
Einspruch und Klage
hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die
Umsätze aus der langfristigen Vermietung des Turnhallengebäudes an den
Verein in eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie
Grundstücksvermietung und eine steuerpflichtige Vermietung von
Betriebsvorrichtungen aufzuteilen seien. Ein Verzicht auf die Steuerfreiheit
sei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeschlossen, weil der Verein als
Leistungsempfänger das Grundstück zur Ausführung von nach § 4 Nr. 21
Buchst. a UStG steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätzen
verwende. Das Urteil ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte
2008, 1337.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung führt er im
Wesentlichen aus, es liege eine einheitliche Leistung vor, die nicht unter
die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG falle und daher
nach den allgemeinen Vorschriften zu besteuern sei. Der Vorsteuerabzug werde
hierdurch nicht - auch nicht teilweise - ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie den Bescheid über
Umsatzsteuer 2002 vom 29. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 27. April 2005 dahingehend abzuändern, dass weitere Vorsteuerbeträge in
Höhe von 74.863,34 € zum Abzug zugelassen werden.
Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
zu Recht entschieden, dass die streitgegenständlichen Vorsteuerbeträge nicht
abziehbar sind.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von
anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als
Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom
Vorsteuerabzug jedoch ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen, die
Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für
die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung von
steuerfreien Umsätzen verwendet.
Im Streitfall ist die Vermietung des
Turnhallengebäudes eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie
Grundstücksvermietung. Der Vorsteuerabzug ist daher gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ausgeschlossen. Daran
ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger neben der Überlassung des
Turnhallengebäudes dem Verein noch Betriebsvorrichtungen zur Verfügung
stellte. Denn auch dies führt nicht zu einer steuerpflichtigen
Grundstücksüberlassung. Diese wäre nur dann steuerpflichtig, wenn sie Teil
einer steuerpflichtigen einheitlichen Leistung wäre. Das ist aber nicht der
Fall.
1. Eine einheitliche Leistung liegt vor,
wenn mehrere Leistungen so aufeinander abgestimmt sind, dass sie aus Sicht
eines Durchschnittsverbrauchers ihre Selbständigkeit verlieren und
wirtschaftlich etwas selbständiges "Drittes" bilden oder wenn es sich um
eine Haupt- und eine Nebenleistung handelt (vgl. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04 -
Levob Verzekeringen und OV Bank -, Slg. 2005, I-9433, Randnrn. 19 bis 22,
sowie Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 30).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der EuGH
im Urteil vom 18. Januar 2001 Rs. C-150/99 - Stockholm Lindöpark - (Slg.
2001, I-493) zur Besteuerung von Sportanlagen Stellung genommen. Danach ist
es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass die Zurverfügungstellung von
Räumen für die Ausübung von Sport oder die Körperertüchtigung unter
besonderen Umständen eine Vermietung eines Grundstücks darstellen und damit
in den Anwendungsbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. b der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern fallen
kann (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493, Randnr. 22).
Jedoch sind die Dienstleistungen, die mit
Sport und Körperertüchtigung zusammenhängen, möglichst als Gesamtheit zu
würdigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Betreiben einer Sportanlage
im Allgemeinen nicht nur die passive Zurverfügungstellung des Grundstücks,
sondern außerdem seitens des Dienstleistenden eine Vielzahl geschäftlicher
Tätigkeiten wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung,
Zurverfügungstellung anderer Anlagen u.Ä. umfasst. Sofern nicht ganz
besondere Umstände vorliegen, kann die Vermietung des Grundstücks daher
nicht die ausschlaggebende Dienstleistung darstellen (vgl. EuGH-Urteil in
Slg. 2001, I-493, Randnr. 26, konkret zur Vermietung eines Golfplatzes;
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194,
555, BStBl II 2001, 658).
Der EuGH weist ferner darauf hin, dass die
Zurverfügungstellung einer Sportanlage gewöhnlich nach Gegenstand und Dauer
der Benutzung beschränkt sein könne. Insoweit ergebe sich aus seiner
Rechtsprechung, dass die Dauer der Grundstücksnutzung ein Hauptelement eines
Mietvertrags bilde (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493, Randnr. 27).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die
Vermietung des Turnhallengebäudes samt Betriebsvorrichtungen an einen
einzigen Vertragspartner jedenfalls keine einheitliche Leistung, die
steuerpflichtig ist. Sie ist mit den Umsätzen des Betreibers einer
Sportanlage, der eine Vielzahl von unterschiedlichen Leistungen erbringt,
nicht vergleichbar. Vielmehr gäbe hier die steuerfreie Grundstücksvermietung
der Leistung des Klägers das Gepräge.
Der Mietvertrag war auf die Dauer von
15 Jahren und damit langfristig geschlossen. Die Mietdauer ist - wie
dargestellt - aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ein geeignetes
Kriterium, um eine selbständige Vermietungsleistung von einer einheitlichen
sonstigen Leistung abzugrenzen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 18. November
2004 Rs. C-284/03 - Temco Europe -, Slg. 2004, I-11237, Randnr. 20, m.w.N.).
Die Grundstücksüberlassung beschränkte sich
auch nicht auf die Zeiten, in denen in der Turnhalle tatsächlich Sport
ausgeübt wurde, sondern das Gebäude stand dem Verein ununterbrochen und
ausschließlich zur Verfügung. Die Leistung des Klägers bestand allein in der
"passiven" Zurverfügungstellung des Turnhallengebäudes und der darin
befindlichen Betriebsvorrichtungen.
Sofern der Kläger ausführt, im Streitfall
würden neben der Überlassung des Turnhallengebäudes samt
Betriebsvorrichtungen Leistungen wie z.B. Wartung, Hausmeister usw. in nicht
unerheblichem Umfang erbracht, hat das FG derartige Leistungen nicht
festgestellt. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an den vom FG festgestellten
Sachverhalt gebunden; Verfahrensrügen hat der Kläger nicht erhoben.
Der Senat kann offenlassen, ob die
Vermietung des Turnhallengebäudes und der Betriebsvorrichtungen entsprechend
der Auffassung des FG und des FA unter Berücksichtigung von § 4 Nr. 12
Satz 2 UStG als zwei selbständige Leistungen zu qualifizieren sind und das
FA für die Betriebsvorrichtungen zu Recht einen anteiligen Vorsteuerabzug
gewährt hat (vgl. zur Einschränkung des sog. Aufteilungsgebots Klenk in
Sölch/ Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 12 Rz 19). Denn selbst wenn abweichend von
der Ansicht des FG eine einheitliche Leistung anzunehmen wäre, wäre diese
jedenfalls steuerfrei. Die steuerfreie Grundstücksvermietung wäre als die
Hauptleistung und die Überlassung der Betriebsvorrichtungen als
untergeordnete Nebenleistung anzusehen (vgl. zur einheitlichen
Vermietungsleistung auch BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BFHE 221,
310). Diese Frage ist aber nicht entscheidungserheblich, weil das FA dem
Kläger einen anteiligen Vorsteuerabzug gewährt hat und eine sog. Verböserung
im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässig ist.
|