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BFH-Urteil vom 11.3.2009 (XI R 71/07) BStBl. 2010 II S. 209
1.
Ob der Leistungsempfänger ein Grundstück i.S. des § 9 Abs. 2 UStG 1993
ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht
ausschließen, richtet sich nach der zutreffenden umsatzsteuerrechtlichen
Beurteilung und nicht nach einer davon abweichenden Steuerfestsetzung
gegenüber dem Leistungsempfänger.
2.
Die Überlassung von Sportanlagen eines Betreibers an Nutzer dieser
Sportanlagen fällt regelmäßig nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12
Buchst. a UStG 1993, sondern stellt eine einheitliche steuerpflichtige
Leistung dar.
3.
Das den Betreibern von Sportanlagen in § 27 Abs. 6 UStG 1999 eingeräumte
Wahlrecht ist eine Billigkeitsregelung, die sich nicht auf § 9 Abs. 2 UStG
1993 und die Frage auswirkt, ob der Leistungsempfänger das Grundstück für
steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze verwendet.
4.
Die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes lassen es nicht zu, dass dem Steuerpflichtigen das
erlangte Recht auf den Abzug von Vorsteuerbeträgen durch eine
Gesetzesänderung rückwirkend genommen wird.
UStG 1993 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 2;
UStG 1999 § 27 Abs. 6; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. b.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
6. Juli 2006 16 K 134/03
Sachverhalt
I.
Der Revisionskläger ist
Insolvenzverwalter des während des Revisionsverfahrens in Insolvenz
gegangenen Klägers. Er hat das Verfahren aufgenommen.
Der Insolvenzschuldner, der
Steuerpflichtige (W), errichtete in den Streitjahren 1993 und 1994 eine
Sporthalle mit Tennis-, Badminton- und Squashplätzen, Sauna, Solarien,
Restaurant, Foyer, Umkleide- und Technikräumen, die er mit Vertrag vom
1. Dezember 1993 an die Sport- und Freizeitanlage X GmbH (GmbH) verpachtete.
Zwischen ihm und der GmbH bestand keine Organschaft.
W, der ursprünglich die im
Zusammenhang mit der Errichtung der Sporthalle angefallenen Vorsteuern in
dem Verhältnis aufgeteilt hatte, in dem die GmbH ihre Umsätze gegenüber den
Endnutzern als steuerfrei bzw. steuerpflichtig behandelt hatte, reichte im
Jahr 1996 berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein, in
denen er die Verpachtungsumsätze in voller Höhe als steuerpflichtig
behandelte und sämtliche im Zusammenhang mit der Errichtung der Sporthalle
angefallenen Vorsteuern abzog.
Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 1997 vertrat der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) demgegenüber die Auffassung, dass
die Umsätze aus der Vermietung der Sporthalle in einen steuerfreien Teil für
die Überlassung der Grundstücksanteile und in einen steuerpflichtigen Teil
für die Überlassung der Betriebsvorrichtungen und dementsprechend auch die
Vorsteuerbeträge aufzuteilen seien. Danach seien die Verpachtungsumsätze zu
26,13 % steuerfrei und die Vorsteuern aus den Baukosten für das Restaurant,
die Sauna und die Solarien, die Fitness-, Gymnastik- und Verkaufsräume voll
abzugsfähig. Die verbleibenden Baukosten seien im Verhältnis der
steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen (73,87 % zu 26,13 %) zu
verteilen. Eine Option hinsichtlich der steuerfreien Umsätze sei nicht
möglich, weil das Grundstück insoweit nichtunternehmerischen Zwecken diene.
W legte gegen die gemäß
§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten und weiterhin unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide vom 2. Juli 1997 Einsprüche
ein und beantragte im Hinblick auf anhängige Gerichtsverfahren das Ruhen des
Verfahrens.
Mit Einspruchsentscheidung
vom 14. Februar 2003 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Es
vertrat die Auffassung, dass das die bisherige Rechtsprechung ändernde
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 2001 V R 97/98 (BFHE 194, 555,
BStBl II 2001, 658), wonach die Überlassung von Sportanlagen regelmäßig
nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) falle, nicht für die Verpachtung von
Sportanlagen durch den Eigentümer an einen Betreiber gelte. Nicht
einschlägig sei auch die BFH-Entscheidung vom 21. Juni 2001 V R 96/98
(BFH/NV 2001, 1618), weil im Streitfall die GmbH von der seit 2002 geltenden
Übergangsregelung des § 27 Abs. 6 UStG 1999 Gebrauch gemacht und nur ihre
Umsätze aus der Überlassung von Betriebsvorrichtungen als steuerpflichtig
behandelt habe.
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage ab. Die Vorsteuern aus den Rechnungen, die die Errichtung der
Tennis-, Squash- und Badmintonplätze zum Gegenstand hätten, seien von der
GmbH zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet worden, weil sie
diesbezüglich von dem Wahlrecht nach § 27 Abs. 6 UStG 1999 Gebrauch gemacht
habe.
W habe auch keine
einheitliche steuerpflichtige Leistung erbracht. Zwar sei aufgrund neuerer
Rechtsprechung (BFH-Urteil in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658; Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 18. Januar 2001
Rs. C-150/99 - Stockholm Lindöpark -, Slg. 2001, I-493) die Überlassung von
Sportanlagen an Sportanlagennutzer als einheitliche Leistung
steuerpflichtig. Dies gelte aber nicht im Verhältnis des Eigentümers der
Sportanlage zum Betreiber.
Mit der Revision wird
gerügt, das FG habe zu Unrecht die Rechtsgrundsätze der neueren
Rechtsprechung nicht auf das hier streitige Zwischenmietverhältnis
angewandt. Wie der EuGH entschieden habe, sei die Überlassung von kompletten
Sportanlagen eine über die bloße Nutzung von Grundstücken bzw. Gebäuden
hinausgehende Dienstleistung. Dem entspreche der Leitsatz des BFH-Urteils in
BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, wonach die Überlassung von Sportanlagen
regelmäßig nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG
1993 falle und sich damit die höchstrichterliche Rechtsprechung geändert
habe. Es gäbe keine Gründe, weshalb das nicht auch für das
Nutzungsverhältnis zwischen Investor und Betreibergesellschaft gelten solle.
Auch hier handele es sich um ein Leistungsbündel aus der Überlassung von
Gebäude und Betriebsvorrichtungen, das nicht künstlich aufgespalten werden
dürfe. Auf die Wirksamkeit der Option komme es daher gar nicht mehr an.
Der Revisionskläger
beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer 1993 um
224.218 DM (114.640,84 €) und die Umsatzsteuer 1994 um 37.823 DM
(19.338,59 €) herabzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des
FG ist aufzuheben und der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die für die Errichtung der Sporthalle in
Rechnung gestellte Umsatzsteuer ist gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 als
Vorsteuer abziehbar. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des
Vorsteuerabzugs sind entgegen der Auffassung des FG nicht erfüllt.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1993 ist
vom Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen sowie
für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung
steuerfreier Umsätze verwendet.
Gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993 ist
die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei.
Der BFH hat mit Urteil vom 17. Dezember
2008 XI R 23/08 (zur Veröffentlichung bestimmt) zur langfristigen Vermietung
einer Turnhalle an eine Schule entschieden, die Umsätze seien in eine
steuerfreie Grundstücksvermietung und eine steuerpflichtige Vermietung von
Betriebsvorrichtungen aufzuteilen.
Soweit danach die Umsätze im Streitfall
teilweise steuerfrei waren, hatte W jedenfalls wirksam auf diese
Steuerbefreiung verzichtet.
a) Nach § 9 Abs. 1 UStG 1993 kann der
Unternehmer einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993 steuerfrei
ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen
Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird.
Gemäß § 9 Abs. 2 UStG 1993 in der für das
Streitjahr 1993 geltenden Fassung ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung
bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchst. a
UStG 1993) nur zulässig, soweit der Unternehmer nachweist, dass das
Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken
dient oder zu dienen bestimmt ist. Diese Einschränkung der
Verzichtsmöglichkeit gilt nach dem Zweck der Vorschrift aber nicht, wenn die
Nutzungsüberlassung an den Leistungsempfänger auf der Endstufe
steuerpflichtig ist (vgl. BFH-Urteile vom 21. April 1993 XI R 55/90, BFHE
172, 141, BStBl II 1994, 266; Abschn. 148 Abs. 6 Satz 1 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 1992).
Dieser Auslegung entsprechend bestimmt § 9
Abs. 2 UStG 1993 in der für das Streitjahr 1994 geltenden Fassung
ausdrücklich, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung nur zulässig ist,
soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze
verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht
ausschließen.
b) Im Streitfall hat W - wie zwischen den
Beteiligten unstreitig ist - seinen Verzicht auf die Steuerfreiheit der
Pachtumsätze erklärt (§ 9 Abs. 1 UStG 1993). Der Verzicht war auch nicht
nach § 9 Abs. 2 UStG 1993 in der im jeweiligen Streitjahr geltenden Fassung
ausgeschlossen und damit wirksam. Denn die Betreiberin der Sporthalle führte
in den Streitjahren ausschließlich Umsätze aus, die bei zutreffender
rechtlicher Qualifizierung steuerpflichtig waren.
Der BFH hat mit Urteil in BFHE 194, 555,
BStBl II 2001, 658 unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung
entschieden, die Überlassung von Sportanlagen falle regelmäßig nicht unter
die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993, sie sei also
umsatzsteuerpflichtig. Dieses Urteil beruht auf den Grundsätzen, die der
EuGH in dem Urteil Stockholm Lindöpark in Slg. 2001, I-493 zur Auslegung des
Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und der Annahme einer
einheitlichen Leistung aufgestellt hat.
Für die Entscheidung der Frage, ob der
Leistungsempfänger das Grundstück i.S. des § 9 Abs. 2 UStG 1993
ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht
ausschließen, ist entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift auf die
zutreffende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des tatsächlich
verwirklichten Sachverhalts und nicht auf eine etwa davon abweichende
Steuerfestsetzung gegenüber dem Leistungsempfänger abzustellen. Da die
Entscheidung des EuGH in der Rs. Stockholm Lindöpark in Slg. 2001, I-493 und
die darauf beruhende Änderung der Rechtsprechung des BFH mit Wirkung für die
Vergangenheit gelten ("ex tunc"), hat der Sporthallenbetreiber in vollem
Umfang steuerpflichtige Umsätze ausgeführt. Dies hatte zur Folge, dass die
Option des W nicht nach § 9 Abs. 2 UStG 1993 ausgeschlossen war.
Dass sich die zutreffende rechtliche
Beurteilung ggf. erst nach Ablauf der Streitjahre herausstellt, vermag daran
nichts zu ändern. Der Steuerpflichtige hat ein Recht darauf, dass eine
später gewonnene höchstrichterliche Rechtsauffassung zu seinen Gunsten auch
auf seinen Fall angewendet wird, soweit der ihm gegenüber ergangene
Umsatzsteuerbescheid rechtzeitig angefochten worden oder nach § 164 Abs. 2
AO noch änderbar ist. Beides trifft im Streitfall zu.
c) Zu einem anderen Ergebnis führt auch
nicht, dass durch das Gesetz zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für
die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen vom 1. September 2002 (BGBl I
2002, 3441) den Betreibern von Sportanlagen ein Wahlrecht eingeräumt worden
ist. Nach dem durch dieses Gesetz eingefügten Abs. 6 des § 27 UStG 1999
können Umsätze aus einer Nutzungsüberlassung von Sportanlagen bis zum
31. Dezember 2003 in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und in eine
steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen aufgeteilt werden.
Von dieser Möglichkeit einer Aufteilung hat die Betreiberin im Streitfall
Gebrauch gemacht.
Dies wirkt sich jedoch nicht auf § 9 Abs. 2
UStG 1993 und die Frage aus, ob der Leistungsempfänger das Grundstück für
steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze verwendet. Denn es handelt sich
bei § 27 Abs. 6 UStG 1999 nicht um eine Vorschrift, die § 4 Nr. 12 Buchst. a
UStG 1993 ändert, sondern um eine - über den ohnehin nach § 176 AO
bestehenden Vertrauensschutz hinausgehende - Billigkeitsregelung zugunsten
der Betreiber von Sportanlagen in Reaktion auf die Änderung der bisherigen
Rechtsprechung durch das Urteil in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658.
Durch die in den §§ 163, 227 AO
vorgesehenen Billigkeitsmaßnahmen der Verwaltung werden Billigkeitmaßnahmen
durch gesetzliche Übergangsregelungen nicht ausgeschlossen (vgl. Frotscher
in Schwarz, AO, § 163 Rz 44). Dem Charakter des § 27 Abs. 6 UStG 1999 als
Billigkeitsregelung steht entgegen der Auffassung des FA auch nicht
entgegen, dass der Finanzausschuss berichtet hat, die Fraktionen hätten den
Weg einer Gesetzesänderung beschritten, weil dies den vielfältigen Fragen
anlässlich der Rechtsprechungsänderung angemessener Rechnung trage als die
Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen. Damit wird lediglich auf die
Alternative (Billigkeitsmaßnahme im Einzelfall statt allgemeiner
Billigkeitsregelung in Gesetzesform) hingewiesen, nicht aber ausgesagt, dass
die gesetzliche Übergangsregelung keine Billigkeitsregelung darstellt.
Der Zweck des § 27 Abs. 6 UStG 1999
beschränkt sich darauf, dass Steuerpflichtige sich weiterhin auf die frühere
Rechtsauffassung berufen können, wenn es für sie vorteilhaft ist (vgl.
BTDrucks 14/9543, S. 4). Die Vorschrift bezweckt nicht, Steuerpflichtigen
eine Rechtsposition rückwirkend zu entziehen, die ihnen aufgrund der -
geänderten - Rechtsprechung des BFH zusteht. Auch wenn der Wortlaut des § 27
Abs. 6 UStG 1999 eine andere Auslegung zuließe, wäre der Anwendungsbereich
der Norm im Wege der teleologischen Reduktion auf die Umsätze des
Anlagenbetreibers zu beschränken.
d) Aber selbst dann, wenn § 27 Abs. 6 UStG
1999 entsprechend der Rechtsauffassung des FA so verstanden würde, dass
damit § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993 rückwirkend geändert werden sollte,
wäre der Klage stattzugeben. In diesem Fall verstieße § 27 Abs. 6 UStG 1999
in einer den W belastenden Weise gegen das Gemeinschaftsrecht, so dass die
Vorschrift nicht anzuwenden wäre. Denn nach dem EuGH-Urteil Stockholm
Lindöpark in Slg. 2001, I-493 stehen Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m und
Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung
entgegen, die die Zuververfügungstellung von Räumen und anderen Anlagen
sowie die Überlassung von Geräten oder anderen Einrichtungen für die
Ausübung von Sport und die Körperertüchtigung einschließlich der von
Einrichtungen mit Gewinnstreben erbrachten Dienstleistungen allgemein von
der Mehrwertsteuer befreit. Dementsprechend hat die Bundesregierung nach dem
Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 zutreffend
darauf hingewiesen, dass bei einem Festhalten an der bisherigen Regelung
durch ein entsprechendes Gesetz ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht
vorläge (vgl. BTDrucks 14/9325, S. 2). Nationale Vorschriften, die zu Lasten
eines Steuerpflichtigen gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen, sind nicht
anwendbar (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April
1987 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223; EuGH-Urteil vom 9. März 1978 Rs.
C-106/77 - Simmenthal -, Slg. 1978, 629; BFH-Urteil vom 16. April 2008
XI R 73/07, BFHE 221, 484).
Darüber hinaus läge auch ein Verstoß gegen
die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der
Rechtssicherheit vor. Diese Grundsätze lassen es nicht zu, dass dem
Steuerpflichtigen das erlangte Recht auf Abzug von Vorsteuerbeträgen durch
eine Gesetzesänderung rückwirkend genommen wird (vgl. EuGH-Urteile vom
8. Juni 2000 Rs. C-396/98 - Schlossstraße -, Slg. 2000, I-4279; vom 11. Juli
2002 Rs. C-62/00 - Marks & Spencer -, Slg. 2002, I-6325). Entgegen der
Auffassung des FA würde bei der von ihm für zutreffend gehaltenen Auslegung
des § 27 Abs. 6 UStG 1999 dem Steuerpflichtigen eine Rechtsposition
entzogen. Denn daraus, dass - wie bereits oben ausgeführt - die Entscheidung
des EuGH in der Rs. Stockholm Lindöpark in Slg. 2001, I-493 und die darauf
beruhende Änderung der Rechtsprechung des BFH mit Wirkung für die
Vergangenheit gelten ("ex tunc"), folgt, dass die Option des W nicht nach
§ 9 Abs. 2 UStG 1993 ausgeschlossen war. Eben deshalb, weil die - ggf.
geänderte - Rechtsprechung des BFH oder des EuGH auch mit Wirkung für die
Vergangenheit gelten, hatte das Einspruchsverfahren des W beim FA im
Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren V R 97/98 gemäß § 363 AO
geruht. Die günstige Rechtslage, die für W aufgrund der Rechtsprechung des
BFH in dem Urteil in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 eingetreten war,
konnte der Gesetzgeber ihm aus Gründen der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes nicht rückwirkend entziehen.
Die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gelten auch für den Fall einer
Einschränkung des Optionsrechts. Der EuGH hat mit Urteil vom 29. April 2004
Rs. C-487/01, C-7/02 - Gemeente Leusden und Holin Groep - (Slg. 2004,
I-5337) ausgesprochen, dass der nationale Gesetzgeber nach Art. 13 Teil C
der Richtlinie 77/388/EWG zwar die Möglichkeit hat, ein Optionsrecht wieder
aufzuheben, mit der Folge, dass Vorsteuerbeträge nach Art. 20 der Richtlinie
77/388/EWG zu berichtigen sind. In einem solchen Fall haben aber die
Mitgliedstaaten die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu beachten (Randnr. 57,
m.w.N.).
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