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BFH-Urteil vom 25.6.2009 (IX R 42/08) BStBl. 2010 II S. 220
1.
Gewährt ein nicht unternehmerisch beteiligter Aktionär der AG ein Darlehen,
so führt dies nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung
(Anschluss an BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl II
2008, 706).
2.
Der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen,
Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) im Zusammenhang mit Einkünften
aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG ist jedenfalls dann nicht nach § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine
Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat.
EStG § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 Satz 1, § 17,
§ 20 Abs. 1 Nr. 1.
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 23. Juli
2008 2 K 2628/06 (EFG 2008, 1602)
Sachverhalt
I.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war an der X GmbH von April 1993 bis Oktober
1997 zu mindestens 1 % beteiligt, von Oktober 1997 bis Januar 1998 wegen
einer Kapitalerhöhung zu unter 1 % sowie danach wieder zu mindestens 1 %.
Sie hatte im April 1993 Stammeinlagen mit der Verpflichtung zur Zahlung
eines Aufgelds übernommen und sich gleichzeitig zur Gewährung von Darlehen
verpflichtet, die ab Auszahlung mit 8 % bzw. 10 % zu verzinsen und
einschließlich Zinsen spätestens fünf Jahre nach Auszahlung zur Rückzahlung
fällig sein sollten. Hinsichtlich der Zins- wie
Darlehensrückzahlungsansprüche erklärte sie einen Rangrücktritt. Mit
Auszahlung der Darlehen war die Klägerin berechtigt, eine
Stammkapitalerhöhung der Gesellschaft und ihre Zulassung zur Übernahme einer
neuen Stammeinlage zu verlangen. Diese Stammeinlage und die Darlehen wurden
in den Jahren 1995 und 1996 gezahlt.
Im August 1996 beteiligte
die Klägerin sich als typisch stille Gesellschafterin ohne
Verlustbeteiligung an der X GmbH. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung
bestand u.a. bei Liquidation der Gesellschaft oder der Eröffnung des
Konkurs- oder Vergleichsverfahrens. Abgesehen vom Fall der Liquidation wurde
auch für die stille Gesellschaft ein Rangrücktritt der Klägerin vereinbart.
Im Januar 1998 wurde eine
Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft beschlossen. Die Klägerin
übernahm neue Geschäftsanteile gegen Bareinlage.
Im November 1998 wurde die
X GmbH formwechselnd und identitätswahrend in die X AG umgewandelt. Die
stillen Beteiligungsverträge mit bestimmten Gesellschaftern blieben für die
X AG weiter bestehen. Im September 1999 wurde das Grundkapital erhöht. Die
Klägerin übernahm wieder neue Aktien gegen Bareinlage.
Am 1. August 2001 wurde über
das Vermögen der X AG das Insolvenzverfahren eröffnet und mit Beschluss vom
7. Juli 2003 nach Schlussverteilung abgeschlossen; den anerkannten
Forderungen von 7.648.042 € stand eine verfügbare Masse von 3.820.117 €
gegenüber.
In ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2003 machten die
zusammenveranlagten Kläger u.a. einen Verlust der Klägerin i.S. von § 17 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 265.656 € geltend. Rückzahlungen
seien weder auf das überlassene Fremdkapital noch auf das Eigenkapital
jemals erfolgt.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte zunächst lediglich
einen Auflösungsverlust in Höhe von 64.938 €, erhöhte diesen im
Einspruchsverfahren um weitere 38.449 €, qualifizierte aber die von der
Klägerin hingegebenen Darlehen und die stille Einlage nicht als
eigenkapitalersetzend.
Die Klage hatte keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass keine nachträglichen
Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG vorlägen und die nur hälftige
Berücksichtigung der Auflösungsverluste der Klägerin nach dem
Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) verfassungsgemäß sei (Entscheidungen der
Finanzgerichte 2008, 1602).
Hiergegen richtet sich die
Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen
(§ 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG sowie Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -).
Insbesondere habe die Klägerin gezielt trotz ihrer Zwergbeteiligung
Finanzierungsverantwortung übernommen.
Der lediglich hälftige Abzug
des Auflösungsverlusts der Klägerin sei verfassungswidrig. Da der Verlust
auf Ebene der Kapitalgesellschaft nicht (korrespondierend zur Vor-Belastung)
zu einer Vor-Begünstigung des Gesellschafters führen könne, werde ihm durch
das Halbabzugsverbot ohne Grund verwehrt, seinen tatsächlichen Aufwand auf
die in der Insolvenz verlorenen Geschäftsanteile zur Gänze steuerlich zu
effektuieren. Insoweit werde die vom Gesetzgeber getroffene
Systementscheidung in § 3 Nr. 40 EStG durch das Halbabzugsverbot
widersprüchlich weiterentwickelt.
Die Kläger beantragen, das
Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung
vorangegangener Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2003 unter
Berücksichtigung des den Klägern entstandenen Auflösungsverlusts aus der
Insolvenz der X AG von 519.579 DM (= 265.656,52 €) neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Das Halbabzugsverbot des
§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sei auch im Verlustfall anzuwenden. Der Gesetzgeber
habe mit dem Verweis auf die nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten
Einnahmen lediglich die Unabhängigkeit der Einnahmen von den Ausgaben in
zeitlicher Hinsicht regeln wollen, nicht aber das Erfordernis, dass im
konkreten Fall überhaupt Einnahmen anfallen müssten. Vielmehr sei der
Gesetzgeber von einer Geltung des Halbabzugsverbots in allen Fällen
ausgegangen, in denen mit der jeweiligen Beteiligung die abstrakte
Möglichkeit der Einnahmenerzielung verbunden sei. Nicht aber sei eine
Privilegierung der Verlustfälle beabsichtigt gewesen. Die systematische
Auslegung des § 3c Abs. 2 EStG gebiete eine unterschiedliche Behandlung
gegenüber § 3c Abs. 1 EStG. Mit der Anknüpfung an den tatsächlichen Zufluss
von Einnahmen würde der das Halbabzugsverbot tragende Typisierungsgedanke
unterlaufen. Auch Gründe der Praktikabilität sprächen für eine Anwendung von
§ 3c Abs. 2 EStG auf Fallgestaltungen, in denen tatsächlich keine Einnahmen
erzielt würden. Der konkret zu entscheidende Fall sei vor dem Hintergrund
potenziell ähnlich gelagerter Fallgestaltungen zu entscheiden. Einzubeziehen
sei auch die künftige Gesetzeslage unter Geltung der Abgeltungssteuer.
Das beigetretene
Landesministerium der Finanzen unterstützt diese Argumentation, hat aber
keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung und Zurückverweisung der
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Zutreffend hat das FG dem Grunde nach
nachträgliche Anschaffungskosten der Klägerin abgelehnt.
a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG in
der für das Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus
Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft,
wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der
Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war.
Auflösungsgewinn ist der Betrag, um den der gemeine Wert des dem
Steuerpflichtigen zugeteilten Vermögens der Kapitalgesellschaft seine
Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 2
EStG).
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1
Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um
einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2
HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen
Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch
nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind (ständige
Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. März 2008
IX R 78/06, BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575, m.w.N.).
b) Die Grundsätze des Eigenkapitalersatzes
sind auf Finanzierungshilfen eines Aktionärs in der Regel nur dann sinngemäß
anzuwenden, wenn er mehr als 25 % der Aktien der Gesellschaft hält
(BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl II 2008, 706,
m.w.N.). Gründe dafür, dass ihr Aktienbesitz der Klägerin ausnahmsweise in
Verbindung mit weiteren Umständen Einfluss auf die Unternehmensleitung
gesichert hätte und sie ein entsprechendes unternehmerisches Interesse hätte
erkennen lassen, sind im Streitfall nicht festgestellt.
Danach kam den streitigen
Finanzierungshilfen der Klägerin keine eigenkapitalersetzende Funktion zu.
2. Inwieweit das Halbabzugsverbot im
Streitfall anzuwenden ist, kann mangels vom FG festgestellter Einnahmen aus
der Beteiligung nicht entschieden werden.
Gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG ist die
Hälfte des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG steuerfrei. Die
hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur
Hälfte abzuziehen; denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen
Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder
Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden
Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang
stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die
Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der
Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der
Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am
Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an
deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei
steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den
zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen
erzielt werden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl
II 2006, 163).
Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen
oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG
nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG
maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu
berücksichtigen, nicht ein. Denn dieser steht nicht - wie dies § 3c Abs. 2
Satz 1 EStG schon dem Wortlaut nach für die hälftige Kürzung verlangt - in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit lediglich zur Hälfte anzusetzenden
Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, kommt § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht
zur Anwendung; mithin ist der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar.
Dies entspricht dem Gesetzeszweck des Halbabzugsverbots, eine
Doppelbegünstigung auszuschließen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar ist
nach den finanzgerichtlichen Feststellungen im Zeitpunkt der Auflösung der
X AG von einem gemeinen Wert der Beteiligung der Klägerin von Null
auszugehen. Den Feststellungen des FG ist indes nicht zu entnehmen,
inwieweit die Klägerin durch ihre Beteiligung an der X AG vermittelte
Einnahmen erzielt hat. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang festzustellen
haben.
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