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BFH-Urteil vom 30.11.2009 (II R 6/07) BStBl. 2010 II S. 237
Steuerberechnung bei Auflösung einer Familienstiftung
1.
Die in § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG getroffene Regelung beschränkt sich auf die
Berechnung der Steuer für den gesamten Erwerb des Anfallberechtigten.
2.
Bei Auflösung einer von mehreren Stiftern errichteten Stiftung ist bei der
Steuerberechnung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG für die Bestimmung der
Steuerklasse auf das jeweilige Verhältnis des Anfallberechtigten zu den
Stiftern abzustellen.
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 9, § 15 Abs. 2
Satz 2.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 10. Januar
2007 4 K 1136/02 Erb (EFG 2007, 533)
Sachverhalt
I.
1
Die Eheleute D und B hatten
im Jahre 1973 die B-Stiftung errichtet; das der B-Stiftung bei ihrer
Errichtung übertragene Vermögen stammte zu 69,1 v.H. von D und zu 30,9 v.H.
von B. Der Vorstand der B-Stiftung beschloss am 8. Dezember 1995 deren
Auflösung, die am 11. Dezember 1995 von der Bezirksregierung Düsseldorf
genehmigt wurde. Erwerber des Stiftungsvermögens waren (als Töchter und
Enkelkinder der Stifter) die Klägerin, Revisionsbeklagte und
Revisionsklägerin (Klägerin) zu 1. sowie die Kläger und Revisionsbeklagten
zu 2. bis 10. (Kläger). Die von der B-Stiftung gehaltenen Beteiligungen
wurden mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21. Dezember 1995 in eine GbR
eingebracht, an der die Kläger entsprechend dem ihnen zustehenden Anteil an
dem Vermögen der B-Stiftung beteiligt waren. Für die Klägerin zu 1. war ein
Nießbrauchsrecht an der Begünstigung der Kläger zu 3. bis 6. aus der
B-Stiftung bestellt, das sich an den Anteilen der Kläger zu 3. bis 6. an der
GbR fortsetzte.
2
Der Beklagte,
Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegen
die Kläger mit Bescheiden vom 12. September 1996, die im Verlauf des
Klageverfahrens durch Bescheide vom 2. Januar 2007 geändert wurden,
Schenkungsteuer fest, wobei er bei der Steuerberechnung jeweils einen Erwerb
der Kläger von der B-Stiftung zugrunde legte und einen einzigen Freibetrag
von 50.000 DM bzw. 90.000 DM gewährte. Dem Begehren der Kläger, das aus der
Aufhebung der B-Stiftung erworbene Vermögen für jeden von ihnen jeweils
getrennt in Höhe von 69,1 v.H. als von D und in Höhe von 30,9 v.H. als von B
stammenden Erwerb zu behandeln und entsprechend der Anzahl der Stifter für
jeden Erwerb jeweils zwei persönliche Freibeträge anzusetzen, folgte das FA
nicht. Insoweit blieben die Einsprüche erfolglos.
3
Das Finanzgericht (FG) hat
mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 533 veröffentlichten
Urteil die gegen die Kläger ergangenen Schenkungsteuerbescheide insoweit
aufgehoben, als das FA bei der Steuerberechnung (im Fall der Klägerin zu 1.,
die die Jahresbesteuerung gemäß § 23 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes - ErbStG - beantragt hatte, bei der festgesetzten
Jahressteuer) jeweils einen einheitlichen Erwerb von der B-Stiftung zugrunde
gelegt und den jeweiligen Anteil am Gesamtvermögen (im Fall der Klägerin zu
1. den Kapitalwert des Erwerbs sowie den Jahreswert der wiederkehrenden
Leistungen) aus der Auflösung der B-Stiftung nicht entsprechend der Herkunft
des Stiftungsvermögens zu 69,1 v.H. als von D und zu 30,9 v.H. als von B
stammend aufgeteilt hat. Zur Begründung führte das FG aus, gemäß § 15 Abs. 2
Satz 2 ErbStG sei ein Erwerb bei Aufhebung einer Stiftung mit einer Mehrzahl
von Stiftern für die Steuerberechnung entsprechend den Anteilen der Stifter
an dem der Stiftung übertragenen Vermögen aufzuteilen. Hingegen komme eine
Gewährung mehrerer persönlicher Freibeträge nach § 16 ErbStG entsprechend
der Anzahl der Stifter nicht in Betracht, weil Zuwendender die Stiftung und
die Gewährung des persönlichen Freibetrags nach dem Regelungsgehalt des § 15
Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 ErbStG auf den jeweiligen Erwerb begrenzt sei. Der
den Klägern jeweils zustehende persönliche Freibetrag sei entsprechend den
Anteilen der Stifter an dem der Stiftung übertragenen Vermögen aufzuteilen
und sodann von den entsprechenden Erwerbsanteilen abzuziehen.
4
Gegen die Vorentscheidung
haben sowohl das FA als auch die Klägerin zu 1. Revision eingelegt. Während
des Revisionsverfahrens erließ das FA gegen die Klägerin zu 1. nach
Rücknahme ihres Antrags auf Jahreswertbesteuerung den geänderten
Schenkungsteuerbescheid vom 18. April 2007, mit dem es die Schenkungsteuer
auf 1.956.458 € festsetzte.
5
Mit seiner Revision rügt das
FA Verletzung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Diese Vorschrift betreffe nach
ihrem Regelungsgehalt ausschließlich die Festlegung der maßgeblichen
Steuerklasse und enthalte keine Rechtsgrundlage dafür, den Erwerb der
Anfallsberechtigten in Fällen der Auflösung einer von mehreren Stiftern
errichteten Stiftung in mehrere Einzelschenkungen der Stifter aufzuteilen
und damit die Progressionswirkung des § 19 ErbStG teilweise außer Kraft zu
setzen.
6
Das FA beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Kläger beantragen, die
Revision zurückzuweisen.
8
Die Klägerin zu 1. rügt mit
ihrer Revision die Verletzung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG insoweit, als
das FG für ihren Erwerb die Gewährung von zwei persönlichen Freibeträgen
abgelehnt hat. Dem § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG lasse sich nach der
Gesetzesbegründung und seiner systematischen Stellung entnehmen, dass der
Vermögenserwerb beim Anfallberechtigten als vom Stifter stammend fingiert
werde. Seien zwei Stifter vorhanden, seien demgemäß auch zwei Freibeträge zu
berücksichtigen.
9
Die Klägerin zu 1.
beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Schenkungsteuerbescheid
vom 18. April 2007 dahingehend abzuändern, dass die Steuer unter
Berücksichtigung von zwei Erwerben und zwei Freibeträgen herabgesetzt wird.
10
Das FA beantragt, die
Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
11
A. Revision des FA
12
1. Die Revision des FA führt, soweit sie
die Steuerfestsetzung gegen die Klägerin zu 1. betrifft, schon aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Das
FG hat über den Schenkungsteuerbescheid vom 2. Januar 2007 entschieden. Da
während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid ergangen ist, ist das
Urteil des FG gegenstandslos geworden (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom
1. Februar 2007 II R 19/05, BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635). Der Senat
entscheidet über die Klage der Klägerin zu 1. gegen den gemäß § 121 Satz 1
i.V.m. § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des
Revisionsverfahrens gewordenen Änderungsbescheid vom 18. April 2007.
13
2. Auch im Übrigen führt die Revision des
FA, soweit sie die Steuerfestsetzungen gegen die Kläger zu 2. bis 10.
betrifft, zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Entgegen der Auffassung des FG ist das bei
Aufhebung einer Stiftung von den Anfallberechtigten erworbene Vermögen nicht
entsprechend den Anteilen der Stifter an dem der Stiftung übertragenen
Vermögen in zwei Erwerbe aufzuteilen.
14
a) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 9
Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was bei Aufhebung einer
Stiftung erworben wird. Zuwendender ist die Stiftung, weil das an die
Anfallberechtigten fallende Vermögen zivilrechtlich das Vermögen der
Stiftung und nicht das des Stifters ist (BFH-Urteil vom 25. November 1992
II R 77/90, BFHE 169, 518, BStBl II 1993, 238). Der Stifter ist
verpflichtet, das in dem Stiftungsgeschäft zugesicherte Vermögen auf die
Stiftung zu übertragen (§ 82 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -).
15
Dieser Übertragungsakt wird, wie § 88
Satz 1 BGB zeigt, auch nicht durch die Aufhebung der Stiftung rückgängig
gemacht. Bis zur Beendigung der Liquidation gilt die Stiftung für die Zwecke
der Liquidation als fortbestehend (§ 88 Satz 3 i.V.m. § 49 Abs. 2 BGB).
16
b) Für die Berechnung der Steuer in den
Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG gilt gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2
1. Halbsatz ErbStG hinsichtlich der anzuwendenden Steuerklasse als Schenker
der Stifter. Ohne diese Regelung wäre auf den Erwerb der Anfallberechtigten
stets die ungünstigste Steuerklasse IV (nach der im Streitfall maßgebenden
Rechtslage bis 31. Dezember 1995) bzw. nach der Rechtslage ab 1. Januar 1996
Steuerklasse III (§ 15 Abs. 1 ErbStG) anzuwenden. Dies soll § 15 Abs. 2
Satz 2 1. Halbsatz ErbStG verhindern, indem ausschließlich zum Zweck der
Steuerberechung auf das persönliche Verhältnis des Destinatärs zum Stifter
verwiesen wird (BFH-Urteil in BFHE 169, 518, BStBl II 1993, 238). § 15
Abs. 2 Satz 2 ErbStG enthält hingegen keine Regelung in Bezug auf den
Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG und trifft insbesondere keine
von § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG abweichende Bestimmung über die Person des
Zuwendenden (BFH-Urteil in BFHE 169, 518, BStBl II 1993, 238).
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c) Der Regelungsinhalt des § 15 Abs. 2
Satz 2 ErbStG beschränkt sich auch dann auf die Bestimmung der Steuerklasse
für den gesamten Erwerb des Anfallberechtigten, wenn - wie im Streitfall -
eine von mehreren Stiftern errichtete Stiftung aufgelöst wird. Entgegen der
vom FG vertretenen Rechtsauffassung ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2
ErbStG keine Rechtsgrundlage dafür, für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG
steuerbaren Erwerb von der Stiftung im Rahmen der Steuerberechnung eine
Aufteilung des Erwerbs entsprechend der Herkunft des Stiftungsvermögens von
den Stiftern vorzunehmen. Auch bei mehreren Stiftern liegt
schenkungsteuerlich nur eine einheitliche Zuwendung der Stiftung - und nicht
etwa eine Mehrheit von Zuwendungen entsprechend der Anzahl der Stifter -
vor.
18
aa) Der Auffassung, § 15 Abs. 2 Satz 2
ErbStG fingiere ein anderes Zuwender-Empfänger-Verhältnis und enthalte damit
auch eine Neubestimmung der am steuerpflichtigen Vermögensübergang
beteiligten Personen (so z.B. Jülicher in Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG,
§ 15 Rz 120; ähnlich Knobel in Viskorf/ Glier/Hübner/Knobel/Schuck,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 15
ErbStG Rz 53), kann nicht gefolgt werden. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG betrifft
unter Berücksichtigung der Systematik des ErbStG, wie sich aus der Stellung
dieser Vorschrift im Abschnitt III des ErbStG ergibt, allein die Berechnung
der Steuer und nicht die - in Abschnitt I des ErbStG geregelte -
Steuerpflicht (BFH-Urteil in BFHE 169, 518, BStBl II 1993, 238); von diesem
Regelungsgehalt geht ersichtlich auch § 26 ErbStG aus. Ein davon
abweichender Regelungswille kann der zu § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gegebenen
Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks VI/3418, S. 69), die ausdrücklich die
Vergünstigungswirkung dieser Vorschrift im Hinblick auf die anzuwendende
Steuerklasse bei Auflösung einer Familienstiftung hervorhebt, nicht
entnommen werden.
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bb) Bei der Berechnung der Schenkungsteuer
gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist für die Bestimmung der Steuerklasse auf
das jeweilige Verhältnis des Anfallberechtigten zu den Stiftern abzustellen.
Dabei können bei mehreren Stiftern entsprechend den persönlichen
Verhältnissen der Anfallberechtigten auch unterschiedliche Steuerklassen
anzuwenden sein; dies entspricht der Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG
(BFH-Urteil in BFHE 169, 518, BStBl II 1993, 238). Ist - wie im Streitfall -
für das Verhältnis der Anfallberechtigten zu den Stiftern jeweils dieselbe
Steuerklasse anzuwenden, ist im Rahmen der Steuerberechnung weder der Erwerb
noch der persönliche Freibetrag aufzuteilen.
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3. Die Sache ist spruchreif. Hinsichtlich
der Klägerin zu 1. bedarf es keiner Zurückverweisung nach § 127 FGO, weil
sich durch den Änderungsbescheid der Streitstoff nicht verändert hat.
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Die gegen alle Kläger ergangenen
Steuerfestsetzungen sind, indem das FA der Berechnung der Schenkungsteuer
jeweils nur einen Erwerb der Kläger von der B-Stiftung zugrunde gelegt hat,
rechtmäßig. Die Steuerfestsetzungen erweisen sich nicht etwa deshalb als zu
hoch, weil zugunsten der Kläger der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG
entsprechend der Zahl der Stifter zweifach anzusetzen gewesen wäre. Der
Freibetrag wird nach dem Eingangssatz des § 16 Abs. 1 ErbStG jeweils für den
"Erwerb" gewährt, wobei die maßgebende Steuerklasse nach § 15 Abs. 2 Satz 2
ErbStG zu bestimmen ist. Da im Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nur ein
einheitlicher Erwerb des Anfallberechtigten von der Stiftung vorliegt, fehlt
es an einer Rechtsgrundlage für den mehrfachen Ansatz des persönlichen
Freibetrags. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung über den Ansatz nur
eines Freibetrags, wie etwa durch § 6 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 ErbStG
angeordnet, bedurfte es nicht (a.A. Jülicher, in Troll/Gebel/Jülicher,
a.a.O., § 15 Rz 120).
22
B. Revision der Klägerin zu 1.
23
Die Revision der Klägerin zu 1. ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Dem Begehren,
bei der Besteuerung des Erwerbs zwei Freibeträge anzusetzen, kann nicht
gefolgt werden. Zur Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen unter
A.II.3. verwiesen.
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