| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 15.10.2009
(XI R 82/07) BStBl. 2010 II S. 247
Zwischen den Aufwendungen für
die Errichtung eines Gebäudes, das an Arztpraxen vermietet wird, und
Zahlungen eines Apothekers an den Vermieter, damit dieser das Gebäude an
Ärzte vermietet, besteht kein zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 UStG 1999 berechtigender direkter und unmittelbarer Zusammenhang.
Diese Zahlungen sind deshalb bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach
Maßgabe eines Umsatzschlüssels nicht zu berücksichtigen.
UStG 1999 § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4; Richtlinie 77/388/EWG Art. 17.
Vorinstanz: Niedersächsisches
FG vom 22. Oktober 2007 16 K 69/06 (EFG 2008, 260)
Sachverhalt
I.
Streitig ist die Aufteilung
von Vorsteuerbeträgen. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine
GbR, errichtete auf einem von ihr erworbenen Grundstück einen
zweigeschossigen Anbau. Das Erdgeschoss vermietete sie ab 1. August 2002 für
monatlich 1.570 € an Ärzte, die darin eine Arztpraxis einrichteten. Das
Obergeschoss vermietete sie ebenfalls ab 1. August 2002 für monatlich 750 €
unter Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze an einen ihrer
beiden Gesellschafter, der darin ein Ingenieurbüro unterhielt; weiterhin
wurde die Vorauszahlung einer Nebenkostenpauschale vereinbart.
Ferner schloss die Klägerin
mit einem benachbarten Apotheker eine Vereinbarung, wonach dieser für die
Ansiedlung von Arztpraxen für einen beschränkten Zeitraum ein Entgelt
zahlte. Dieses betrug im Jahr 2002 netto 4.414 € und im Jahr 2003 netto
10.596 €. Die Klägerin behandelte die Zahlungen als steuerpflichtig.
In den
Umsatzsteuererklärungen für 2002 und 2003 machte sie Vorsteuerbeträge im
Zusammenhang mit der Errichtung des Anbaus in Höhe von 25.795,83 € (2002)
und 341,19 € (2003) geltend. Diese hatte sie anhand des Verhältnisses der
steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen ermittelt, wobei sie
die Zahlungen des Apothekers einbezog.
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stimmte der Umsatzsteuererklärung für
2002 zunächst zu. Unter dem Datum des 7. Oktober 2004 erließ er einen gemäß
§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2002
sowie einen Erstbescheid für 2003, in denen er die Vorsteuerbeträge im
Verhältnis der Nutzflächen aufteilte. Im Einspruchsverfahren wurde
Einvernehmen über die Höhe der aufzuteilenden Vorsteuerbeträge (46.092,62 €
in 2002 und 614,21 € in 2003) erzielt. Im Übrigen hatte der Einspruch keinen
Erfolg.
Die Klägerin machte im
Klageverfahren geltend, die Vorsteuerbeträge seien nach den mit dem Anbau
erzielten Umsätzen aufzuteilen. Dabei seien auch die Zahlungen des
Apothekers einzubeziehen. Diese seien an die Vermietung geknüpft und der
Anbau wäre ohne die Vereinbarung mit dem Apotheker nicht errichtet worden.
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage statt (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2008, 260). Die Ansiedlung einer Arztpraxis in der Nähe der
Apotheke gegen Entgelt sei eine umsatzsteuerpflichtige Leistung, die bei
wirtschaftlicher Betrachtung als zusätzlicher mit der Gewerbefläche
erzielter Umsatz erscheine und nicht gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerbefreit sei. Die Vorsteuerbeträge
teilte das FG im Verhältnis der steuerfreien Umsätze "Vermietung Arztpraxis"
zu den steuerpflichtigen Umsätzen "Vermietung Ingenieurbüro und Zahlungen
Apotheker" auf.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts. Es müsse auf das Verhältnis der mit dem
bezogenen Gegenstand bewirkten Umsätze abgestellt werden. Dabei komme es nur
auf die durch unmittelbare Nutzung erzielten und nicht auf eventuelle
anlässlich der Nutzung anfallende weitere Erlöse an. Die Zahlungen des
Apothekers seien daher nicht zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat sich nicht
geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Zahlungen des
Apothekers sind zwar vom FG zu Recht als steuerpflichtig behandelt worden
(vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Februar 1992 V R 107/87,
BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705). Sie sind aber bei der Aufteilung der
Vorsteuerbeträge nach einem Umsatzschlüssel nicht zu berücksichtigen, weil
es an einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den
Aufwendungen für den Bezug der Eingangsleistungen zur Errichtung des Anbaus
und den Zahlungen des Apothekers fehlt.
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG
gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die
von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als
Vorsteuerbeträge abziehen.
a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug u.a. ausgeschlossen für die Lieferungen
von Gegenständen sowie für sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur
Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Da der Anbau zur Ausführung teils
steuerpflichtiger und teils steuerfreier Vermietungsumsätze verwendet wird,
ist der nicht abziehbare Teil der Vorsteuerbeträge zu ermitteln, der den zum
Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen
ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren
Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4
Satz 2 UStG). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Unternehmers, zu
entscheiden, welche Schätzungsmethode er wählt; das FA - und damit auch das
FG - können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (vgl.
BFH-Beschluss vom 3. Mai 2005 V B 200/04, BFH/NV 2005, 1641). Eine
Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze ist
als sachgerechte Schätzung i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG anzuerkennen
(vgl. BFH-Urteile vom 17. August 2001 V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II
2002, 833, und vom 18. November 2004 V R 16/03, BFHE 208, 461, BStBl II
2005, 503).
b) § 15 UStG beruht auf
Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug befugt, "soweit die
Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze
verwendet werden".
Aus dieser Formulierung
ergibt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH), dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer
Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder
mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug
berechtigen, bestehen muss, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist. Die Aufwendungen für den Bezug der Eingangsleistungen müssen
Teil der Kosten der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze sein, für die
die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil vom
8. Juni 2000 Rs. C-98/98 - Midland Bank -, Slg. 2000, I-4177,
Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2000, 342, Randnrn. 20 f. und 30).
Mit diesen Grundsätzen ist
das vom FG herangezogene Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von
Eingangsumsätzen mit Vorrang einer wirtschaftlichen Denkweise vor einer sog.
gegenständlichen Zurechnung nicht vereinbar (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196,
345, BStBl II 2002, 833, unter II.1.a, und vom 9. November 2006 V R 9/04,
BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285, unter II.1.b aa).
2. Die Zahlungen des
Apothekers stehen im Streitfall in keinem direkten und unmittelbaren
Zusammenhang mit den Aufwendungen zur Errichtung des Anbaus.
Die Aufwendungen für die
Errichtung des Anbaus stehen vielmehr in einem direkten und unmittelbaren
Zusammenhang nur mit den Entgelten, die aus der Vermietung von Räumen des
Anbaus an das Ingenieurbüro bzw. an die Ärzte erzielt wurden. Dass die von
der Klägerin gegenüber dem Apotheker erbrachte Leistung einer dauerhaften
Ansiedlung einer Arztpraxis nicht ohne die vorherige Errichtung des Anbaus
möglich war, begründet einen lediglich mittelbaren Zusammenhang.
Unerheblich ist auch, dass
die Klägerin bereits von Anbeginn die Zahlungen des Apothekers in ihre
Investitionsentscheidung einstellte. Denn insoweit handelt es sich nur um
einen (mit)verfolgten Zweck, auf den es nach der Rechtsprechung letztlich
nicht ankommt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2000, I-4177, UR 2000, 342,
Randnr. 20). 3. Die Zahlungen des Apothekers sind daher entgegen der Auffassung des FG bei der Aufteilung der bei den Eingangsumsätzen angefallenen Vorsteuerbeträge nach einem Umsatzschlüssel nicht zu berücksichtigen. Ausgehend von den Feststellungen des FG errechnen sich die abziehbaren Vorsteuerbeträge danach wie folgt:
Nachdem das FA bereits höhere
Vorsteuerbeträge berücksichtigt hat und das FG die Zahlungen des Apothekers
zu Recht als steuerpflichtig behandelt hat, war die Klage auf Abzug weiterer
Vorsteuerbeträge abzuweisen.
|