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BFH-Urteil vom 18.11.2009
(X R 6/08) BStBl. 2010 II S. 282
Beschränkte Abziehbarkeit von
Altersvorsorgeaufwendungen und von sonstigen Vorsorgeaufwendungen
verfassungsgemäß
1. Im zeitlichen
Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes geleistete Beiträge zu den
gesetzlichen Rentenversicherungen sind als Sonderausgaben nur beschränkt
abziehbar (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 1. Februar 2006 X B 166/05,
BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420). Hiergegen bestehen keine
verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Die Regelung über die
begrenzte Abziehbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1
Nr. 3, Abs. 4 EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes) ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
EStG 2005 § 9 Abs. 1 Satz 1,
§ 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, Abs. 4,
Abs. 4a, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa; GG Art. 1 Abs. 1,
Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1.
Vorinstanz: FG Nürnberg vom
1. August 2007 VII 51/2006
Sachverhalt
Gründe
A.
1
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung machte er bei
den Sonderausgaben den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteil zur
gesetzlichen Rentenversicherung von jeweils 1.662 €, Beiträge zur
Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung von insgesamt 2.355 € und
Beiträge zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen von insgesamt 254 €
geltend. Bei der Einzelveranlagung berücksichtigte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Rahmen der Günstigerprüfung
gemäß § 10 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr
geltenden Fassung (EStG) 2.343 € als Sonderausgaben.
2
Hiergegen erhob der Kläger
Sprungklage, der das FA zustimmte. Entgegen der Auffassung des
Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05 (BFHE
212, 242, BStBl II 2006, 420) sei die steuerliche Behandlung der
Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
verfassungswidrig. Da er voraussichtlich nach dem Jahr 2040 in den Ruhestand
treten werde, müsse er seine Alterseinkünfte in vollem Umfang versteuern,
während seine Altersvorsorgeaufwendungen in den Jahren 2005 bis 2024 nicht
in vollem Umfang berücksichtigt würden. Dies führe zu einer steuerlichen
Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die vor dem Jahr 2040 in den
Ruhestand träten.
3
Ein Verstoß gegen Art. 3
Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liege auch darin, dass bei ihm für andere
Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG nur der Höchstbetrag von
1.500 € gewährt werde, während einem Personenkreis mit einem wesentlich
höheren Einkommen nach Satz 1 dieser Vorschrift ein Höchstbetrag von 2.400 €
zustehe. Der ihm als Arbeitnehmer zustehende Höchstbetrag von 1.500 € reiche
nicht aus, um eine vernünftige Altersvorsorge aufzubauen sowie für einen
Krankenversicherungsschutz zu sorgen.
4
Der Sonderausgabenabzug sei
innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer ungleich ausgestaltet. So könne ein
Angestellter mit einem Bruttoeinkommen von 40.000 € gegenüber einem mit
einem Bruttoeinkommen von 20.000 € einen um 390 € höheren
Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen.
5
Das Finanzgericht (FG) hat
die Klage abgewiesen. § 10 Abs. 3 EStG sei verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Es sei nicht gleichheitswidrig, dass Arbeitnehmer mit einem
höheren Bruttoarbeitslohn im Rahmen des § 10 Abs. 3 EStG
Altersvorsorgeaufwendungen in größerem Umfang abziehen könnten als
Arbeitnehmer mit geringerem Arbeitslohn, weil ein höherer Arbeitslohn höhere
Sozialversicherungsbeiträge auslöse. Die in § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG
getroffenen Regelungen seien unbedenklich. Der Höchstbetrag von 2.400 € nach
Satz 1 der Vorschrift sei nach seiner Zweckbestimmung ein Ausgleich dafür,
dass bei Arbeitnehmern der Arbeitgeberbeitrag zur Kranken- und
Pflegeversicherung steuerfrei bleibe.
6
Mit der Revision macht der
Kläger weiterhin die Verfassungswidrigkeit der begrenzten Abziehbarkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und der
sonstigen Aufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG geltend.
7
Es sei sachwidrig, den gemäß
§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG lediglich in Höhe von 60 % abziehbaren Betrag der
Vorsorgeaufwendungen um den nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien
Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung zu kürzen (§ 10 Abs. 3
Satz 5 EStG). Dieser Arbeitgeberanteil sei nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) und des BFH kein Arbeitslohn. Es sei zudem nicht
folgerichtig, den Arbeitgeberanteil im Jahr 2005 in vollem Umfang
abzugsmindernd zu berücksichtigen, obwohl lediglich 60 % der
Altersvorsorgeaufwendungen abziehbar seien. Gerechtfertigt sei nur eine
Kürzung um 60 % des Arbeitgeberanteils.
8
Der Kläger beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2005 vom
19. Oktober 2007 in der Weise abzuändern, dass Vorsorgeaufwendungen nach
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG in Höhe von 3.397 € berücksichtigt werden, ggf.
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
9
Der Beklagte beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
10
Die gesetzliche Regelung sei
nicht zu beanstanden. Sie halte sich innerhalb des dem Gesetzgeber
zustehenden Gestaltungsspielraums.
Entscheidungsgründe
B.
11
Die Revision ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die vom Kläger erbrachten Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen
Rentenversicherung sind lediglich in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang
abziehbare Sonderausgaben. Seine Beiträge zu den Vorsorgeaufwendungen i.S.
des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind - vorbehaltlich der Günstigerprüfung gemäß
§ 10 Abs. 4a EStG - lediglich mit dem Höchstbetrag von 1.500 € abziehbar.
I.
12
Die Vorschriften zur
steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen in Gestalt des
Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) - AltEinkG -
sind sowohl im Hinblick auf ihre endgültige Ausgestaltung als auch in Bezug
auf die getroffene Übergangsregelung verfassungsmäßig.
13
1. Mit Beschluss in BFHE 212,
242, BStBl II 2006, 420 hatte der erkennende Senat entschieden, es sei nicht
ernstlich zweifelhaft, dass im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG ab
dem 1. Januar 2005 geleistete Beiträge zu den gesetzlichen
Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) als Sonderausgaben
nach näherer Maßgabe der Überleitung in die sog. nachgelagerte Besteuerung
nur beschränkt abziehbar seien. Bei summarischer Beurteilung bestünden gegen
diese gesetzliche Regelung keine durchgreifenden Bedenken.
14
Dieser Auffassung sind die
Finanzgerichte gefolgt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2006
10 K 171/06, nicht veröffentlicht - n.v. -; Niedersächsisches FG, Urteil vom
28. August 2007 15 K 30254/06, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst
2008, 1372; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2007 1 K 1665/06,
Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2008, 1037; FG Köln, Urteil vom
20. Dezember 2006 12 K 2253/06, EFG 2007, 836; Hessisches FG, Beschluss vom
31. Januar 2007 1 V 3571/06, n.v.; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom
26. Juni 2008 10 V 2450/08, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 2008, 628).
Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (Aktualisierung des
Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 24. Februar 2005,
BStBl I 2005, 429 durch Schreiben vom 30. Januar 2008, BStBl I 2008, 390).
Die Literatur lehnt die Senatsauffassung dagegen überwiegend ab
(Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 9 Rz 38; Hallerbach, Steuern und
Bilanzen - StuB - 2006, 305; Horlemann, Finanz-Rundschau - FR - 2006, 1075;
Schneider/Bahr, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer -
INF - 2006, 386; Paus, FR 2006, 584; Heuermann, Der Betrieb - DB - 2006, 688
für die Zeit nach Ablauf der Übergangsregelung; dagegen P. Fischer, Neue
Wirtschafts-Briefe, Fach 3, S. 13895; ders. in FR 2007, 76; differenzierend
Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff - KSM -, EStG, § 10 Rz E 272 ff.; Kulosa
in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 10 EStG Rz 122 und 335 ff.; Dreher, Das
Alterseinkünftegesetz, 2006, S. 79 ff.).
15
Der erkennende Senat hält
auch im Rahmen der abschließenden Prüfung der Problematik an seiner im
Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420 vertretenen Rechtsauffassung
fest. Weder die endgültige Regelung der Abziehbarkeit der
Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
in der Begrenzung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG (unten 2.) noch die den
Kläger treffende Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG (unten
3.) verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sowie gegen
das objektive und subjektive Nettoprinzip.
16
2. Mit den gesetzlichen
Neuregelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG hat der Gesetzgeber den
Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73)
Rechnung getragen. Das BVerfG hatte die unterschiedliche Besteuerung der
Beamtenpensionen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG in der vor dem AltEinkG
geltenden Fassung einerseits und der Renten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung andererseits teilweise für verfassungswidrig erklärt und
dem Gesetzgeber aufgegeben, die Rechtslage bis zum Jahresbeginn 2005 zu
bereinigen.
17
a) § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a EStG regelt die Abziehbarkeit von Beiträgen zu den gesetzlichen
Rentenversicherungen und anderer Altersvorsorgeaufwendungen. § 10 Abs. 1
Nr. 2 Satz 2 EStG bestimmt: "Zu den Beiträgen nach Buchstabe a und b ist der
nach § 3 Nr. 62 steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des
Arbeitgebers hinzuzurechnen." Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG sind
Vorsorgeaufwendungen nach Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bis zu 20.000 € zu
berücksichtigen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppelt sich der
Höchstbetrag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Höchstbetrag nach Satz 1 oder 2
ist bei Steuerpflichtigen, die zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 und
2 EStG gehören oder Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 4 EStG erzielen und die ganz
oder teilweise ohne eigene Beitragsleistungen einen Anspruch auf
Altersversorgung erwerben, um den Betrag zu kürzen, der, bezogen auf die
Einnahmen aus der Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zum genannten
Personenkreis begründen, dem Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und
Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen Rentenversicherung entspricht (§ 10
Abs. 3 Satz 3 EStG).
18
Die endgültige Ausgestaltung
der steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen besteht
daher aus drei Elementen: der Zuordnung der Altersvorsorgeaufwendungen zu
den Sonderausgaben (unten b), der Begrenzung des steuerlichen Abzugs der
Vorsorgeaufwendungen auf 20.000 € bzw. im Falle der Zusammenveranlagung auf
40.000 € (unten c) sowie der Hinzurechnung des nach § 3 Nr. 62 EStG
steuerfreien Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung bei der
Ermittlung der geleisteten Vorsorgeaufwendungen (unten d). Alle drei
Regelungen sind unter Berücksichtigung der nachfolgenden
verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht zu beanstanden.
19
Im Bereich des Steuerrechts,
insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG vor allem durch
zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der
Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der
Folgerichtigkeit (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 105, 73, 125; vom 8. Juni
2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, 433; vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98,
1735/00, BVerfGE 107, 27, 46; vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116,
164, 180, und vom 7. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30). Im
Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss
darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit
auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in
vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der
Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen abgestuft werden muss (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; vom 16. März 2005 2 BvL 7/00,
BVerfGE 112, 268, 279, jeweils m.w.N.). Dabei muss eine gesetzliche
Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit
umgesetzt werden (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE
116, 164, 180). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung
bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom
30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95; vom 11. November 1998
2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290; in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE 116,
164, 180; BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 126).
20
b) Die gesetzliche Zuweisung
der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben in § 10 EStG ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, obwohl die
Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach in erster Linie
vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 22
EStG sind.
21
aa) Vorweggenommene
Werbungskosten liegen nach der Rechtsprechung des BFH dann vor, wenn
Aufwendungen in einem hinreichend klaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit
einer bestimmten Einkunftsart stehen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002
VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, m.w.N.). Diese
Voraussetzungen sind bei den ab dem Veranlagungszeitraum 2005 geleisteten
Altersvorsorgeaufwendungen gegeben.
22
Der Gesetzgeber hat bei der
im AltEinkG verwirklichten Rentenbesteuerung das Prinzip der
"intertemporalen Korrespondenz" zugrunde gelegt. Altersrenten sind als
solche steuerbar. Zu berücksichtigen sind - wenn auch zeitlich versetzt -
alle Aufwendungen und alle Erträge. Im Grundsätzlichen hat sich der
Gesetzgeber damit von dem für die Rentenbesteuerung bis zum
Veranlagungszeitraum 2004 maßgeblichen Versicherungsprinzip und der
Ertragsanteilsbesteuerung (Zinsbesteuerung) gelöst. Dies ist auch
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom 26. November
2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.a bb (1)).
Damit sind Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach
Erwerbsaufwendungen, soweit sie mit künftigen (steuerbaren) Renteneinnahmen
im Zusammenhang stehen.
23
Der Werbungskostencharakter
wird demzufolge auch von der ganz überwiegend vertretenen Rechtsansicht
(vgl. z.B. Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung
der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen - Sachverständigenkommission -, BMF-Schriftenreihe Bd. 74,
S. 21; Söhn, in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 276 ff.; HHR/Kulosa, § 10 EStG
Rz 122; Heuermann, DB 2006, 688; Ruland in Festschrift für Selmer 2004, 889,
897; Söhn, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2003, 332; Weber-Grellet,
Deutsches Steuerrecht - DStR - 2004, 1721, 1725; a.A. P. Fischer,
Betriebs-Berater 2003, 873, 877) bejaht.
24
bb) Der Gesetzgeber hat
jedoch durch die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG getroffene Regelung die
Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben
zugeordnet. Er hat für diese Aufwendungen - unabhängig von ihrer Rechtsnatur
- eine Sonderregelung getroffen, die als lex specialis eine Sperrwirkung
gegenüber der generellen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG entfaltet.
25
aaa) Der erkennende Senat hat
dies in seinem Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.5.
unter Hinweis auf den Wortlaut der Norm, den systematischen Zusammenhang und
den Willen des Gesetzgebers, der sich in der Norm niedergeschlagen hat,
ausführlich begründet, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf
Bezug genommen wird (zustimmend Dreher, a.a.O., S. 105; HHR/Kulosa, § 10
EStG Rz 122 a.E.; Söhn, in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 315 f.; ders., FR 2006,
905, 912; a.A. Hallerbach, StuB 2006, 305; Horlemann, FR 2006, 1075; Paus,
FR 2006, 584, und Schneider/Bahr, INF 2006, 386).
26
bbb) Diese Beurteilung ändert
sich auch nicht dadurch, dass - was der angerufene Senat in dem vorstehenden
Beschluss noch offengelassen hatte - die Altervorsorgeaufwendungen im
Wesentlichen den Rechtscharakter von vorweggenommenen Werbungskosten haben.
Zwar ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG an, dass die in § 10 EStG genannten
Aufwendungen dann keine Sonderausgaben sind, wenn sie Werbungskosten oder
Betriebsausgaben sind oder wie solche behandelt werden.
27
Im Gegensatz dazu nimmt § 10
Abs. 3 EStG Bezug auf die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten
Vorsorgeaufwendungen und normiert ausdrücklich ihre beschränkte
Abziehbarkeit als Sonderausgabe.
28
ccc) Um dem in dem
Gesetzgebungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gekommenen Willen des
Gesetzgebers zur Geltung zu verhelfen, ist das widerstreitende Verhältnis
von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG nach dem
Grundsatz vom Vorrang der speziellen Norm nur in der Weise aufzulösen, dass
die in § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG enthaltene spezielle Zuweisung zu den
Sonderausgaben dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG vorgeht. Nur so wird
der vollständige Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen als steuermindernder
Aufwand vermieden. Jedes andere Ergebnis hat der Gesetzgeber ersichtlich
nicht gewollt (vgl. BTDrucks 15/2150, S. 22).
29
Dies lässt sich nicht nur der
Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG, sondern auch der
Übergangsregelung entnehmen. Die gesetzgeberische Intention, in der ab dem
Jahr 2005 beginnenden Übergangsphase Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung und andere Altersvorsorgeaufwendungen nicht in vollem
Umfang als Werbungskosten, sondern prozentual begrenzt als Sonderausgaben
zum Abzug zuzulassen, belegt zudem die in § 10 Abs. 4a EStG vorgesehene
Günstigerprüfung: Auch diese hätte keinen sinnvollen Anwendungsbereich, wenn
die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin ganz oder
überwiegend als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar wären.
30
ddd) Hierin liegt auch der
Unterschied zu den Urteilen des IX. Senats des BFH vom 8. März 2006
IX R 107/00 (BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446) und IX R 78/01 (BFHE 212,
514, BStBl II 2006, 448). Dort waren Ausgleichszahlungen zu beurteilen, die
ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Beamter an seinen Ehegatten
leistet, um eine Kürzung seiner Versorgungsbezüge zu vermeiden. Diese
Ausgleichszahlungen fallen nicht unter die spezielle gesetzliche Regelung
des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG und unterliegen somit auch nicht der
gesetzlich angeordneten beschränkten Abziehbarkeit.
31
eee) Diese Auslegung des § 10
Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG steht nicht im Widerspruch zur
Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, wonach der Werbungskosten- bzw.
Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Berufsausbildungskosten als
Sonderausgaben hat, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung für
einen Abzug entfaltet (so bereits BFH-Urteil in BFHE 201, 156, BStBl II
2003, 403, m.w.N., und Urteile vom 18. Juni 2009 VI R 14/07, BFHE 225, 393,
VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797, VI R 79/06, n.v., VI R 6/07, BFH/NV 2009,
1796, VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799). Diese Aussage des VI. Senats bezieht
sich zunächst nur auf den Bereich der Berufsausbildungskosten und muss zudem
vor dem Hintergrund der Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und der
Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der
Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753)
gesehen werden. Der Gesetzgeber orientierte sich dabei weitgehend an der ab
dem Jahr 2002 geänderten Rechtsprechung des BFH, nach der Aufwendungen für
berufliche Bildungsmaßnahmen, die nach der ersten Berufsausbildung bzw.
einem Erststudium stattfinden, zum Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug
zugelassen werden. Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und für
das Erststudium werden dagegen typisierend den Lebensführungskosten
zugerechnet (Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung der Abgabenordnung, BTDrucks 15/3339, S. 10). Danach sind nur die
Berufsausbildungskosten, die Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 5 EStG
darstellen und damit keine Werbungskosten und Betriebsausgaben sind, als
Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abziehbar. Zu einer Kollision
zwischen § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG kann es daher -
nach Auffassung des Gesetzgebers - gar nicht erst kommen, so dass sich auch
die Frage einer Sperrwirkung nicht stellt.
32
Demgegenüber kommt im Bereich
der Altersvorsorgeaufwendungen - insbesondere durch § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG
- eindeutig der Wille des Steuergesetzgebers zum Ausdruck, die
Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur im begrenzten Umfang zum Abzug
zuzulassen. Damit ordnet er die Altersvorsorgeaufwendungen trotz ihres
Werbungskostencharakters abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG den
Sonderausgaben zu, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit gegenüber § 10
Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG keine Sperrwirkung entfalten kann.
33
cc) Dass der Gesetzgeber die
Vorsorgeaufwendungen trotz ihrer Rechtsnatur konstitutiv den Sonderausgaben
und nicht den Werbungskosten zugewiesen hat, mag steuersystematisch
bedenklich sein; verfassungsrechtlich ist die Zuweisung jedoch nicht von
vornherein unzulässig, da keine Grundgesetznorm eine entsprechende Zuordnung
fordert (so auch Musil, StuW 2005, 278, 280; Söhn/Müller-Franken, StuW 2000,
442, 445; Söhn, FR 2006, 905, 908 f.). Entscheidend ist nach der
Rechtsprechung des BVerfG nicht die systematisch richtige Einordnung
steuermindernder Aufwendungen, sondern entscheidend sind die im Wesentlichen
gleichen steuerlichen Auswirkungen (BVerfG-Beschluss vom 19. Februar 1991
1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395 zur Steuerfreiheit von Beihilfen nach § 3
Nr. 11 EStG im Vergleich zur Abziehbarkeit von Krankheitsaufwendungen nach
§ 33 EStG).
34
Eine systemwidrige Einordnung
der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben kann demzufolge dann
verfassungsrechtlich relevant sein und einen Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn die daraus resultierenden
unterschiedlichen Rechtsfolgen zu einer nicht gerechtfertigten steuerlichen
Ungleichbehandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Vergleich zu anderen
vorweggenommenen Werbungskosten führen.
35
aaa) Die steuerliche
Einordnung von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben gegenüber einer
Behandlung als vorweggenommene Werbungskosten führt in den folgenden
Einzelfällen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen: Es ist einem
Steuerpflichtigen verwehrt, Verluste, die im Fall des Ansatzes von
Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 EStG eintreten
würden, im Wege des Verlustvor- oder -rücktrags gemäß § 10d EStG zu
berücksichtigen, wenn ihm anderweitige positive Einkünfte zum
Verlustausgleich nicht oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung
stehen. Auch bewirkt die Behandlung als Sonderausgabe, dass bei der
Bemessungsgrundlage für die zumutbare Eigenbelastung i.S. des § 33 EStG die
Altersvorsorgebeiträge unberücksichtigt bleiben. Umgekehrt führt der im
Falle des Sonderausgabenabzugs höhere Betrag des Gesamtbetrags der Einkünfte
dazu, dass von dem Steuerpflichtigen geleistete Spendenbeträge in
weitergehendem Umfang gemäß § 10b EStG abziehbar sind.
36
bbb) Art. 3 Abs. 1 GG
verbietet die ungleiche Behandlung von wesentlich Gleichem und die
Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (BVerfG-Entscheidungen vom
24. April 1991 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133, 157 f.; vom 15. Juli 1998
1 BvR 1554/89 u.a., BVerfGE 98, 365, 385). Art. 3 Abs. 1 GG ist dann
verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache
ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche
Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG-Urteil in
BVerfGE 105, 73, unter C.I., m.w.N.).
37
ccc) Für die unterschiedliche
Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen und anderer vorweggenommener
Werbungskosten besteht ein sachlicher Grund.
38
In den
Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind
nicht nur Beiträge enthalten, die der Absicherung des Steuerpflichtigen für
den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters sowie der Absicherung seiner
Hinterbliebenen dienen. Die Beiträge haben daher nicht ausschließlich
Werbungskostencharakter.
39
Die gesetzliche
Rentenversicherung gewährt nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente"
auch Leistungen der medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am
Arbeitsleben, wenn hierdurch die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder
wiederhergestellt werden kann (§ 9 Abs. 1 des Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI -). Das Leistungsspektrum ist im
Zweiten Unterabschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VI in den §§ 13 bis 32
geregelt. Der Beitragsanteil, der diese Leistungen finanziert, stellt keine
vorweggenommenen Werbungskosten dar, weil die erhaltenen Leistungen nicht zu
steuerpflichtigen Einnahmen führen (vgl. z.B. für das Übergangsgeld gemäß
§§ 20 f. SGB VI § 3 Nr. 1 Buchst. c EStG). Dasselbe gilt für den Zuschuss zu
den Aufwendungen für die Krankenversicherung, den ein freiwillig in der
gesetzlichen Rentenversicherung versicherter Rentner gemäß § 106 SGB VI
erhält und der nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei ist. Die einheitliche
Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben macht eine
Beitragsaufteilung entbehrlich und dient damit der Praktikabilität.
40
Hinzu kommt, dass die
Altersvorsorgeaufwendungen nach Ansicht des erkennenden Senats eine
"Doppelnatur" (so auch Weber-Grellet, DStR 2004, 1721, 1725) haben. Sie
gewähren bereits vor Eintritt des Rentenfalls Rechte, die einem
Versicherungsschutz gleichkommen. Durch sie werden Anwartschaften begründet,
die mit Abschluss der Erwerbsphase zu einer geldwerten Rechtsposition
erstarken (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 124). Sie führen daher bereits
in der Erwerbsphase in gewisser Hinsicht zu einer Vermögensbildung. Auch aus
diesem Grund erscheint die Beibehaltung der Einordnung der
Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben trotz des Systemwechsels zur
nachgelagerten Besteuerung vertretbar.
41
ddd) Die vorstehend
dargestellten Erwägungen rechtfertigen die konstitutive Zuordnung der
Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben, zumal die oben
dargestellten unterschiedlichen Rechtsfolgen zwischen der Behandlung als
Werbungskosten oder als Sonderausgaben nicht besonders gravierend sind. Es
handelt sich zudem eher um Ausnahmefälle, so dass vor allem vor dem
Hintergrund der Praktikabilität die Nachteile hinzunehmen sind (a.A. Söhn,
in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 327).
42
c) Gegen die gesetzliche
Begrenzung der steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen
auf 20.000 € bzw. 40.000 € in § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG bestehen keine
durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es liegt weder ein Verstoß
gegen das objektive noch gegen das subjektive Nettoprinzip vor.
43
aa) Ein tragendes
Strukturelement des Einkommensteuerrechts ist das objektive Nettoprinzip.
Danach werden Einnahmen nicht brutto, sondern nur gekürzt um damit im
Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der Besteuerung unterworfen
(BVerfG-Entscheidungen vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, und
vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228). Zwar kennt das geltende
Einkommensteuerrecht eine Reihe von Abzugsverboten für bestimmte
Aufwendungen trotz betrieblicher bzw. beruflicher Veranlassung. Solche
Abzugsverbote bedürfen jedoch stets eines besonderen, verfassungsrechtlich
tragfähigen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008
2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, m.w.N.).
44
Es kann dahingestellt
bleiben, ob in dem Bereich der Sonderausgaben das Nettoprinzip überhaupt zum
Tragen kommen kann. Da aber die Aufwendungen ohne die konstitutive Zuordnung
zu den Sonderausgaben im Wesentlichen als Werbungskosten abziehbar gewesen
wären, kann sich der Gesetzgeber durch eine von ihm gewählte anderweitige
systematische Zuordnung nicht einer folgerichtigen Umsetzung der
verfassungsrechtlichen Vorgaben und damit der Geltung des objektiven
Nettoprinzips entziehen (vgl. dazu auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112,
268).
45
Das objektive Nettoprinzip
ist nicht verletzt, die gesetzliche Begrenzung des Abzugs der
Altersvorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG auf den
Höchstbetrag von 20.000 € (40.000 € im Falle von zusammenveranlagten
Ehegatten) ist sachlich gerechtfertigt.
46
Der Gesetzgeber hielt diese
Begrenzung auf ein Volumen, das weit oberhalb der Höchstbeträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung liegt, zur Verhinderung von Missbräuchen für
geboten (BTDrucks 15/2150, S. 22, 34). Dies ist jedenfalls nicht sachwidrig
(ebenso Söhn, StuW 2003, 332, 336; Risthaus, DB 2004, 1329, 1331;
Weber-Grellet, DStR 2004, 1721, 1726; a.A. Dreher, a.a.O., S. 121). Die
Annahme, das Risiko des vorzeitigen Versterbens und der damit verbundene
Totalverlust des eingezahlten Kapitals verhinderten einen Missbrauch
(Sachverständigenkommission, a.a.O., S. 25; Söhn, FR 2006, 905, 911), ist
jedenfalls nicht zwingend. Dorenkamp (Nachgelagerte Besteuerung von
Einkommen, Schriften zum Steuerrecht, Bd. 78, 283) hat dargelegt, dass
angesichts der Größenordnung der Belastungsunterschiede zwischen
nachgelagerter und traditioneller Besteuerung die Umschichtung erheblicher
Beträge in Rentenversicherungsprodukte jedenfalls bei jüngeren
Steuerpflichtigen nicht auszuschließen sei. Es ist Sache des Gesetzgebers,
die künftige Entwicklung von Sachverhalten zu beurteilen. Dabei kommt ihm
ein weiter Prognose- und Einschätzungsspielraum zu (BVerfG-Urteil vom
10. Juni 2009 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08,
1 BvR 837/08, Neue Juristische Wochenschrift 2009, 2033, m.w.N. aus der
BVerfG-Rechtsprechung).
47
bb) Die nur beschränkte
Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen verletzt nicht das aus dem
Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) abzuleitende subjektive
Nettoprinzip. Danach muss dem Steuerpflichtigen ein "staatsfreies
Existenzminimum" verbleiben. Bestimmte zwangsläufige Aufwendungen müssen,
auch wenn sie in den Bereich der privaten Lebensführung fallen, steuerlich
verschont werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27; vgl. auch zur
steuerlichen Freistellung von Beiträgen zu privaten Versicherungen für den
Krankheits- und Pflegefall BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06,
BVerfGE 120, 125).
48
Der Gesetzgeber ist dieser
Verpflichtung durch das AltEinkG nachgekommen. Die Aufwendungen für die Zeit
ab dem Jahr 2025 sind bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 € bzw. im Fall
der Zusammenveranlagung von 40.000 € vollständig steuerlich abziehbar. Die
Begrenzung ist unter dem Gesichtspunkt des subjektiven Nettoprinzips nicht
zu beanstanden, das die steuerliche Freistellung von zwangsweise
entstehendem existenzsichernden Aufwand verlangt. Messgröße hierfür ist das
sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 120, 125, unter C.II.3.). Da der Höchstbetrag von 20.000 € bzw.
40.000 € den Höchstbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter
und Angestellten erheblich übersteigt (BTDrucks 15/2150, S. 22; im Jahr 2009
in den alten Bundesländern 12.895 € [5.400 x 12 x 19,9 %]), beruhen darüber
hinausgehende Beiträge lediglich auf einer freiwilligen Entscheidung des
Steuerpflichtigen, Rentenansprüche zu erwerben, die über die bloße
Existenzsicherung hinausgehen. Die Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3
Sätze 1 bis 3 EStG verletzt daher das subjektive Nettoprinzip nicht.
49
d) Die Hinzurechnung der
steuerfreien Arbeitgeberbeiträge bei der Ermittlung der Höhe der
Vorsorgeaufwendungen verstößt ebenso wenig gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wie die Nichteinbeziehung
von fiktiven Beiträgen zur Beamtenversorgung in die Höchstbetragsberechnung.
50
aa) Die Einbeziehung der
Arbeitgeberanteile in die Berechnung des abziehbaren Höchstbetrages beruht
auf einem sachgerechten Grund. Sie soll gewährleisten, dass zwei
Steuerpflichtige, von denen nur einer einen steuerfreien Arbeitgeberanteil
oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des Gesamtaufwands für die
Altersversorgung im Ergebnis in gleichem Umfang steuerlich freigestellt
werden. Insofern dient die Einbeziehung der Gleichbehandlung der
Arbeitnehmer mit den Selbständigen, die für ihre Altersversorgung selbst
aufkommen müssen.
51
Die Einbeziehung des
Arbeitgeberanteils in die Höchstbetragsberechnung führt nicht dazu, dass
dieser dem steuerpflichtigen Arbeitslohn gleichgestellt wird. Der erkennende
Senat sieht die Ursache dieser rechnerischen Einbeziehung vielmehr darin,
dass dem Steuerpflichtigen, für den kein Arbeitgeberbeitrag geleistet wird,
höhere Abzugsmöglichkeiten seiner Altersvorsorgeaufwendungen gewährt werden
müssen, um zu einer Gleichbehandlung zu kommen.
52
aaa) Dadurch, dass der
erkennende Senat die Einbeziehung der Arbeitgeberanteile in die
Höchstbetragsberechnung für sachgerecht hält, weicht er nicht von der
Rechtsprechung des BSG ab, die den Arbeitgeberanteil lediglich als
systemnützig ansieht. Der Arbeitnehmer erlangt nach dieser Rechtsprechung
keinen eigenen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil, so dass er auch
eine entsprechende Beitragserstattung nicht verlangen kann (BSG-Urteil vom
29. Juni 2000 B 4 RA 57/98 R, BSGE 86, 262). Auch besteht kein Widerspruch
zur Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, die § 3 Nr. 62 EStG nur
deklaratorischen Charakter beimisst (Urteil vom 6. Juni 2002 VI R 178/97,
BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34).
53
bbb) Zum einen hat das BVerfG
ausdrücklich offengelassen, ob die Sichtweise, dass die Arbeitgeberbeiträge
von vornherein nicht Teil des steuerbaren Einkommens sind,
verfassungsrechtlich zwingend ist (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 120,
125, und in BVerfGE 105, 73).
54
ccc) Zum anderen ist, selbst
wenn man die Grundsätze der Entscheidungen des BSG und des VI. Senats des
BFH zugrunde legt, die ständige Rechtsprechung des BVerfG zu
berücksichtigen, nach der auch die Arbeitgeberanteile dem versicherten
Arbeitnehmer als eigene Leistungen zuzurechnen sind und dem Schutzbereich
des Art. 14 GG unterfallen (BVerfG-Urteile vom 16. Juli 1985 1 BvL 5/80,
1 BvR 1023, 1052/83 und 1227/84, BVerfGE 69, 272, 302, betreffend Renten-
und Krankenversicherung; vom 28. April 1999 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95,
BVerfGE 100, 1, 35). Danach dienten die Beiträge (Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberanteil) zur Rentenversicherung nach Einführung des
Umlageverfahrens (ab 1969) zwar der Finanzierung der zur Zeit der
Beitragsentrichtung fälligen Rentenzahlungen; gleichwohl erwerbe der
Beitragszahler sein Anrecht auf Bezug der Rente, d.h. seinen staatlich
garantierten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft, nicht erst bei
deren Anlaufen in einem Akt, sondern mit den Beitragszahlungen wachsend
während des Versicherungsverlaufs. Deren absolute Höhe (einschließlich der
Arbeitgeberanteile) habe auch im System des Umlageverfahrens insofern für
den Wert der erworbenen Teile des Rentenrechts Bedeutung, als sie die
Rangstelle des Versicherten innerhalb der Versichertengemeinschaft
festlegten (BVerfG-Beschluss vom 26. März 1980 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE
54, 11, 27 f.). Hiermit übereinstimmend hat das BVerfG - in Kenntnis des
BSG-Urteils in BSGE 86, 262 - dargelegt, dass auch der Arbeitgeberanteil
"letztlich einen Teil der Gegenleistung bilde, die sich der Arbeitnehmer
erarbeiten müsse"; demgemäß sei der Erwerb des Anwartschaftsrechts (auf
Leistungen aus der Sozialversicherung) das unmittelbare wirtschaftliche
Ergebnis der Arbeits- und Dienstleistung (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73).
Dementsprechend hat auch der IV. Senat des BFH mit Urteil vom 30. August
2007 IV R 14/06 (BFHE 219, 36, BStBl II 2007, 942) erkannt, dass es bei der
Beurteilung des Arbeitgeberanteils im Zusammenhang mit einem Dienstvertrag
als Sonderbetriebseinnahme ausreichend sei, den in Frage stehenden Vorteil
bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gegenleistung für die erbrachte
Tätigkeit zu werten.
55
ddd) Hinzu kommt, dass die
Regelung zur Ermittlung der Höchstbeträge nicht nur die Arbeitgeberbeiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung umfasst, sondern auch die Beiträge zu
den berufsständischen Versorgungswerken. Hier dürfte nicht zu bestreiten
sein, dass der Arbeitnehmer einen unmittelbaren Vorteil durch den
Arbeitgeberbeitrag erhält. Es ist dem Gesetzgeber daher nicht verwehrt,
dieses im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zu berücksichtigen.
56
bb) Die steuerliche
Gleichbehandlung der Vorsorgeaufwendungen von Arbeitnehmern auf der einen
und von solchen der Beamten auf der anderen Seite wird durch die
Einbeziehung des Arbeitgeberanteils in die Höchstbetragsberechnung
herbeigeführt. Die von dem Dienstherrn gewährleistete Altersversorgung in
Form der Beamtenversorgung wird bei den Beamten über einen anderen
Mechanismus, nämlich die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 3 EStG,
berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift ist der Höchstbetrag von 20.000 €
(40.000 €) für die Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit
ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf Altersvorsorge erhalten, um den
Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen
Rentenversicherung zu kürzen. Bei ihnen können danach
Altersvorsorgeaufwendungen nur noch in Höhe des Differenzbetrages zwischen
dem fiktiven gesetzlichen Beitrag und dem Höchstbetrag steuerlich
berücksichtigt werden. Hierdurch wird für diese Steuerpflichtigen die
Abziehbarkeit von (weiteren) Vorsorgeaufwendungen im gleichen Ausmaß
eingeschränkt wie für Arbeitnehmer und Selbständige (vgl. dazu die Beispiele
bei Risthaus, DB 2004, 1329, 1332).
57
3. Die begrenzte
Abziehbarkeit seiner Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der
Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG ist verfassungsmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
58
a) Das BVerfG hat in seinem
Urteil in BVerfGE 105, 73 (unter D.II.) dem Gesetzgeber aufgegeben, sich im
Rahmen der Neuregelung der Renten und Pensionen für ein Lösungsmodell zu
entscheiden und dieses folgerichtig auszugestalten. Sowohl bei den
weichenstellenden Grundentscheidungen als auch im Hinblick auf Art und Maß
vertrauensschützender Übergangsregelungen sei der weite gesetzgeberische
Gestaltungsraum nicht unbegrenzt. In jedem Fall seien die Abziehbarkeit von
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen
aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass
eine doppelte Besteuerung vermieden werde. Im Übrigen sei auch für die
Abwägung zwischen den Erfordernissen folgerichtiger Ausrichtung der
Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Steuerpflichtigen und den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und
gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen ein weiter gesetzgeberischer
Entscheidungsraum eröffnet (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 134 f.).
59
b) Nach der Übergangsregelung
gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG sind im Kalenderjahr 2005 die nach § 10 Abs. 3
Sätze 1 bis 3 EStG ermittelten Vorsorgeaufwendungen mit 60 % anzusetzen.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG ist der sich danach ergebende Betrag,
vermindert um den nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteil zur
gesetzlichen Rentenversicherung und einen diesem gleichgestellten
steuerfreien Zuschuss des Arbeitgebers, als Sonderausgabe abziehbar. Der in
§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG genannte Prozentsatz erhöht sich nach Satz 6 der
Vorschrift in den folgenden Kalenderjahren bis zum Kalenderjahr 2025 um je
2 Prozentpunkte je Kalenderjahr.
60
c) Die Übergangsregelung in
Bezug auf die Altersvorsorgeaufwendungen steht in untrennbarem Zusammenhang
mit der Regelung der Besteuerung der ab dem Jahr 2005 zufließenden Renten
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Der
Besteuerungsanteil der Renten bestimmt sich nach dem Kohortenprinzip, also
für alle Rentner einheitlich nach dem Jahr des Beginns ihrer Rente. Für alle
Renten, die vor dem Jahr 2040 beginnen, bleibt nach der in § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG enthaltenen Tabelle ein bestimmter
Teil der Rente, der durch regelmäßige Rentenerhöhungen nicht beeinflusst
wird, dauerhaft steuerfrei (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
Satz 4 EStG).
61
d) Die Übergangsregelung in
§ 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG wird zum einen charakterisiert durch eine
begrenzte und nur allmählich ansteigende steuerliche Abzugsmöglichkeit der
Vorsorgeaufwendungen bis zu deren vollen Berücksichtigung ab dem Jahr 2025
und zum anderen durch die von Beginn an vollständige Einbeziehung des
Arbeitgeberanteils in die Berechnung der maximal abziehbaren Aufwendungen.
Dies führt dazu, dass ein Arbeitnehmer, wie der Kläger, im Streitjahr 2005
nur 20 % des Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Rentenversicherung
steuerlich geltend machen kann.
62
e) Die Übergangsregelung
entspricht noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie verstößt nicht
gegen das objektive Nettoprinzip (unten aa), solange das strikt zu
beachtende Verbot der Doppelbesteuerung eingehalten wird (unten bb). Ein
Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip liegt nicht vor (unten cc). Der
Mechanismus der Einbeziehung der Arbeitgeberbeiträge in die
Höchstbetragsberechnung kann im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG noch
gerechtfertigt werden (unten dd).
63
aa) Die Übergangsregelung
weicht zwar von dem nach dem objektiven Nettoprinzip maßgeblichen
Veranlassungsprinzip ab, da im Jahr 2005 nur 60 % der
Altersvorsorgeaufwendungen und damit 20 % der vom Arbeitslohn des Klägers
einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zu seiner gesetzlichen Rentenversicherung
steuerlich abzugsfähig sind.
64
aaa) Ein wichtiger Grund für
die nur begrenzte Abziehbarkeit und die gewählte Stufenlösung ist, dass eine
sofortige Abziehbarkeit der Beiträge zu Leibrentenversicherungen für die
öffentlichen Haushalte nicht finanzierbar gewesen wäre, da es sofort zu
einer Minderung der Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe gekommen
wäre (BTDrucks 15/2150, S. 22).
65
bbb) Der Gesetzgeber durfte
bei der Einschränkung der Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen die
Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen Haushalte
berücksichtigen und insofern das Nettoprinzip einschränken. Zwar hat das
BVerfG in ständiger Rechtsprechung das Ziel der Einnahmenvermehrung für sich
genommen nicht als hinreichenden sachlichen Grund für die Beschränkung des
Abzugs betrieblich bzw. beruflich veranlasster Aufwendungen von der
einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage anerkannt (vgl. BVerfG-Urteil in
BVerfGE 122, 210, m.w.N.).
66
Im vorliegenden Fall handelt
der Gesetzgeber aber nicht mit dem Ziel der Einnahmenvermehrung, sondern mit
dem Ziel, ausgehend von einer nicht systemgerechten Regelung eine nunmehr
verfassungskonforme Ausgestaltung der steuerlichen Berücksichtigung der
Altersvorsorge und Alterseinkünfte zu erreichen, ohne durch die damit
verbundenen Mindereinnahmen die öffentlichen Haushalte zu gefährden
(BTDrucks 15/2150, S. 22). Das BVerfG selbst hat in seinem Urteil in BVerfGE
105, 73, 135 ausdrücklich gefordert, dass sich der Gesetzgeber bei der
Übergangsregelung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Steuerpflichtigen und an den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und
gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen orientiert. Insoweit konnte und
musste die Finanzierbarkeit der Neuregelung bei der Übergangsregelung
berücksichtigt werden.
67
ccc) Hinzu kommt, dass es
sich bei den Regelungen des AltEinkG um eine vollständige - vom BVerfG
selbst geforderte - in sich systemgerechte Neugestaltung der Besteuerung der
Altersvorsorge und der Alterseinkünfte handelt. Eine solche Neugestaltung
enthält notwendigerweise einen (teilweisen) Systemwechsel. Die dem
Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst dann von
Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne durch
Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Grundentscheidungen gebunden zu
sein (BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210, m.w.N.). Dies setzt allerdings
voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird. Die umfassende
Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für neue Regeln kann vom Gesetzgeber
dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn solche neuen Regeln nach Ziel
und Wirkung die Orientierung an alternativen in sich folgerichtigen und
schlüssigen Prinzipien nicht erkennen lassen. Einen zulässigen Systemwechsel
kann es ohne ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung nicht geben.
Insbesondere dann, wenn bei im Übrigen unveränderten Grundentscheidungen
eine von diesen abweichende Belastungsentscheidung lediglich in einem
schmalen Teilbereich mit der Behauptung eines Systemwechsels begründet wird,
bedarf es greifbarer Anhaltspunkte - etwa der Einbettung in ein nach und
nach zu verwirklichendes Grundkonzept -, die die resultierende
Ungleichbehandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können (vgl.
BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210).
68
Bei den Regelungen des
AltEinkG ist die Einbettung in ein solches Grundkonzept gegeben. Durch § 10
Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG (in Bezug auf die Vorsorgeaufwendungen) sowie § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG (in Bezug auf die
Besteuerung der entsprechenden Alterseinkünfte) sollen nicht nur die
unterschiedlichen Altersvorsorgesysteme, sondern auch die daraus
resultierenden unterschiedlichen Alterseinkünfte von der
Ertragsanteilsbesteuerung in das neue Gesamtkonzept der nachgelagerten
Besteuerung überführt werden.
69
ddd) Aus diesem Grund ist es
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die
Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen ebenso wie die Besteuerung der
zufließenden Rentenzahlungen mit jährlich steigenden Stufen vorgesehen hat,
selbst wenn der Umfang der späteren Besteuerung mit dem Abzug der Beiträge
nicht abgestimmt ist (a.A. HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 343).
70
Zwar hätte es dem objektiven
Nettoprinzip und dem Gedanken der Korrespondenz entsprochen, die Höhe der
abziehbaren Vorsorgeaufwendungen konkret danach zu bemessen, in welchem
Umfang die später zufließenden Renteneinnahmen zu steuerpflichtigen
sonstigen Einkünften führen. Von einer solchen Korrespondenz ist der
Gesetzgeber auch bei anderen ertragsteuerlichen Regelungen ausgegangen (vgl.
z.B. die Regelungen zum Halbeinkünfteverfahren in § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2
EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
71
Der Gesetzgeber hat als
Ausgangspunkt für die Höhe der prozentual abziehbaren Altersvorsorgebeiträge
im Rahmen der Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG das Jahr
des Abzugs der Aufwendungen bestimmt, so dass es auf das Alter und den
voraussichtlichen Rentenbeginn des Steuerpflichtigen nicht ankommt.
Demgegenüber richtet sich die Höhe der steuerpflichtigen Renteneinkünfte
nach dem Jahr des Renteneintritts des Steuerpflichtigen. Durch diese
unterschiedlichen Bezugspunkte ist es im Rahmen der Übergangsregelung nicht
gewährleistet, dass die steuerliche Entlastung der Vorsorgeaufwendungen und
die Besteuerung der daraus resultierenden steuerpflichtigen Einnahmen
korrespondieren. Eine Entsprechung wird erst im Zeitpunkt der endgültigen
Regelung, d.h. spätestens 2040 erreicht.
72
Nach Ansicht des erkennenden
Senats ist das Vorgehen des Gesetzgebers vor dem Hintergrund der oben
dargestellten besonderen Komplexität des AltEinkG sowie aus Gründen der
Praktikabilität verfassungsrechtlich noch gerechtfertigt.
73
(1) Eine Bemessung des
abziehbaren Prozentsatzes der Altersvorsorgebeiträge nach den Verhältnissen
des jeweiligen Steuerpflichtigen hätte dazu geführt, dass dem
Kohortenprinzip entsprechend sich für jeden Altersjahrgang die Höhe des
abziehbaren Betrags mit unterschiedlichen Prozentsätzen ergeben hätte, was
die verwaltungsmäßige Handhabung der Übergangsregelung weiter erschwert
hätte. In den meisten Fällen wäre durch dieses Vorgehen im Rahmen der
Übergangsregelung auch nur eine scheinbare individuelle Genauigkeit erreicht
worden, da in die künftigen Renteneinnahmen auch Beitragszahlungen
einfließen, die in (ggf. zahlreichen) Jahren vor Inkrafttreten des AltEinkG
geleistet wurden und die daher bei einer konkreten Bemessung der Höhe der
abziehbaren geleisteten Vorsorgeaufwendungen ebenfalls hätten berücksichtigt
werden müssen. Der Gesetzgeber hat sich zu Recht außerstande gesehen, die
zum Teil weit in die Vergangenheit zurückreichenden Verhältnisse in einer
dem Verifikationsprinzip entsprechenden Weise ermitteln zu lassen (BTDrucks
15/2150, S. 41).
74
Hinzu kommt, dass vor dem
Hintergrund der sich ändernden gesetzlichen Regelungen über den
Renteneintritt (vgl. z.B. die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf
67 Jahre durch das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom
20. April 2007, BGBl I 2007, 554) eine verlässliche Aussage über den
voraussichtlichen Renteneintritt - unabhängig von der individuellen
Situation des Steuerpflichtigen - nicht sicher möglich ist.
75
(2) Ebenfalls
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber als
Ausgangspunkt für die Übergangsregelung der Rentenbesteuerung einen anderen
pauschalierenden Anknüpfungspunkt gewählt hat, nämlich den Rentenjahrgang.
Die Kohorte entscheidet über den Besteuerungsanteil der Renten während der
gesamten Rentenbezugsdauer eines Steuerpflichtigen, so dass es im Gegensatz
zu den Altersvorsorgeaufwendungen keiner jährlichen Anpassungen bedarf.
Dieser Ansatz steht in der Tradition der bisherigen
Ertragsanteilsbesteuerung, die ebenfalls von einem einheitlichen
Ertragsanteil für den gesamten Rentenbezug ausging, und ermöglicht zudem
eine praktikable Besteuerung der Alterseinkünfte, zumal sich der Gesetzgeber
nicht in der Lage gesehen hat, individuelle Besteuerungsanteile pro
Steuerpflichtigen festzulegen (BTDrucks 15/2150, S. 41).
76
Aus diesen Gründen hat sich
der Gesetzgeber dadurch, dass er als Ausgangspunkt für die stufenweise
Verbesserung der Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen das Jahr der
Leistung der Altersvorsorgeaufwendungen gewählt hat, trotz der teilweise
fehlenden Symmetrie zwischen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen und der Besteuerung der Alterseinkünfte in der
Übergangsregelung noch im Rahmen des ihm zukommenden weiten
Gestaltungsspielraums gehalten.
77
(3) Allerdings belastet diese
pauschalierende und nicht symmetrische Übergangsregelung die
Steuerpflichtigen wie den Kläger, bei denen - jedenfalls statistisch
betrachtet - sicher davon auszugehen ist, dass ihre Rente erst nach dem Jahr
2039 beginnen und daher voll zu versteuern sein wird. Bei dieser Gruppe
hätte es das objektive Nettoprinzip geboten, ihre Altersvorsorgeaufwendungen
zumindest zum größten Teil (vgl. unter B.I.2.b cc ccc) steuerlich zum Abzug
zuzulassen. Dass diese Steuerpflichtigen im Rahmen der Übergangsregelung
ihre Aufwendungen dennoch nur in beschränktem Umfang abziehen können, ist
verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die gesamte Übergangsregelung
konsequent und folgerichtig ausnahmslos für alle Steuerpflichtigen gilt,
sowohl für die Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen als auch für die
Besteuerung der Renten und unabhängig davon, ob in früheren Jahren
Aufwendungen geleistet oder Renten bezogen wurden. Bestimmte Gruppen von
Steuerpflichtigen von der Übergangsregelung auszunehmen, hätte zu weiteren
Unstimmigkeiten geführt. So wäre es nur schwer erklärbar, wenn der
Steuerpflichtige, der nach der jetzigen Rechtslage voraussichtlich im Jahr
2040 erstmals Renteneinkünfte bezieht, bereits im Jahr 2005 seine
Rentenbeiträge vollständig abziehen könnte, während ein anderer
Steuerpflichtiger, dessen voraussichtliches Renteneintrittsalter im Jahr
2039 liegt, seine Altersvorsorgeaufwendungen bis 2025 nur stufenweise
ansteigend geltend machen könnte.
78
Diese Rechtslage ist für
Steuerpflichtige, deren Rente voraussichtlich nach dem Jahr 2039 beginnen
wird, solange hinnehmbar, solange das Verbot der doppelten Besteuerung
beachtet ist. Dadurch ist auch bei dieser Fallgruppe jedenfalls im Ergebnis
sichergestellt, dass die teilweise nicht gegebene Abziehbarkeit ihrer
Vorsorgeaufwendungen sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG auf
die Höhe der Besteuerung ihrer später zufließenden Renten auswirken muss.
79
bb) Der weite
gesetzgeberische Gestaltungsraum ist im Hinblick auf Art und Maß
vertrauensschützender Übergangsregelungen nicht unbegrenzt. Das BVerfG
fordert, dass "in jedem Fall" die steuerliche Behandlung von
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen
aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen sind,
dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105,
73, unter D.II.; Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710). Eine
solche Doppelbesteuerung könnte sich beim Kläger abzeichnen, da im Jahr 2005
nur 60 % der Altersvorsorgeaufwendungen und damit 20 % der von seinem
Arbeitslohn einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zu seiner gesetzlichen
Rentenversicherung steuerlich abziehbar sind, während er aller Voraussicht
nach seine späteren Rentenbezüge voll zu versteuern hat.
80
aaa) Die Verfassungsmäßigkeit
der nur beschränkten Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen in der bis
zum Jahr 2025 geltenden Übergangszeit unter dem Aspekt des Verbotes der
Doppelbesteuerung kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur
im Zusammenhang mit der korrespondierenden - in der Übergangszeit nur
anteiligen - späteren Rentenbesteuerung (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242,
BStBl II 2006, 420).
81
Ob das Zusammenwirken der
einkommensteuerrechtlichen Regelungen der Aufbauphase vor und nach
Inkrafttreten des AltEinkG mit den Regelungen der Versorgungsphase seit
Inkrafttreten des AltEinkG in bestimmten Fällen einen Verstoß gegen das
Verbot doppelter Besteuerung bewirken kann, ist demnach nicht in diesem
Verfahren zu entscheiden, denn aus dem Verbot doppelter Besteuerung lässt
sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abziehbarkeit der Beiträge in der
Aufbauphase ableiten. Der Gesetzgeber kann dem Verbot doppelter Besteuerung
ebenso durch einen entsprechend schonenderen Zugriff in der Versorgungsphase
Rechnung tragen. Ein Verstoß ist deshalb in den Veranlagungszeiträumen der
Versorgungsphase zu rügen, in denen die Altersbezüge der Besteuerung
unterworfen werden (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04,
410/04, BVerfGE 120, 169, m.w.N).
82
bbb) In der Verweisung der
gerichtlichen Überprüfung des Verbots der Doppelbesteuerung auf den Beginn
des Rentenbezugs liegt kein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie gemäß
Art. 19 Abs. 4 GG. Aus dieser Verfassungsnorm ergibt sich ein Anspruch auf
zeitnahen und effektiven Rechtsschutz. Hieraus kann aber kein Anspruch
abgeleitet werden, die Problematik einer sich erst zu einem späteren
Zeitpunkt stellenden Frage einer überschießenden Rentenbesteuerung in der
Weise zu lösen, dass die verfassungsrechtliche Prüfung auf die steuerliche
Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen (vor)verlagert wird, durch die für
sich betrachtet noch kein übermäßiger Besteuerungszugriff bewirkt wird. Es
ist auch nicht unzumutbar, die Steuerpflichtigen darauf zu verweisen, dass
das Verbot der Doppelbesteuerung erst bei der Rentenbesteuerung zu klären
ist, da erst mit Bezug der Rente die Höhe des Besteuerungsanteils der Rente
feststeht.
83
ccc) Das vom BVerfG
ausgesprochene Verbot der doppelten Besteuerung ist strikt zu beachten. Der
Gesetzgeber wird zu prüfen haben, ob dieses Verbot auch in jedem Fall
eingehalten werden kann. Der erkennende Senat wird in künftig zu
entscheidenden Fällen dem Verbot der doppelten Besteuerung besondere
Aufmerksamkeit widmen.
84
cc) Der nur begrenzte Abzug
der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Übergangsregelung verletzt
nicht das subjektive Nettoprinzip.
85
aaa) Ausgangspunkt der
verfassungsrechtlichen Beurteilung des subjektiven Nettoprinzips ist das aus
Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG
abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Danach hat der
Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser
es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins
für sich und seine Familie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität,
wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es,
dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen
Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau
richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen
Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, darf er ihm nicht durch
Besteuerung seines Einkommens entziehen (ständige Rechtsprechung des BVerfG,
siehe Beschluss in BVerfGE 120, 125, m.w.N.). Die somit von Verfassungs
wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums
sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu
bemessen. Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei
allerdings dafür Sorge zu tragen, dass die typisierenden Regelungen in
möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken.
86
bbb) Für die steuerliche
Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen bedeuten diese Grundsätze, dass
der Gesetzgeber gehalten ist, Beiträge zu solchen Versicherungen steuerlich
freizustellen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in
Höhe des Existenzminimums gewährleisten. Nicht entscheidend ist in diesem
Zusammenhang, ob Versicherungsbeiträge - wie z.B. zu leistende
Sozialversicherungsbeiträge - zwangsweise erhoben werden. Maßgeblich ist
vielmehr, ob der Schutz gegen das abgesicherte Risiko Bestandteil des
Leistungskatalogs der Sozialhilfe ist (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125,
unter D.II.3.).
87
ccc) Durch die
Übergangsregelung sind die Arbeitgeberbeiträge vollständig und die
Arbeitnehmerbeiträge im Ergebnis zunächst nur mit 20 %, danach linear bis
zum Jahr 2025 auf insgesamt 100 % ansteigend abziehbar. Ein Problem aus
Sicht der gerade dargestellten Grundsätze könnte sich dann stellen, wenn die
- insoweit teilweise nicht abziehbaren - Altersvorsorgeaufwendungen
(Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zusammen) nur zu Alterseinkünften
führten, deren Höhe lediglich ein existenzsicherndes Niveau erreicht, also
bei niedrigen Arbeitnehmereinkünften. Bei diesen Einkünften ist jedoch zu
beachten, dass nach dem alten Recht ein alleinstehender Arbeitnehmer bei
einem Bruttolohn von knapp 12.000 € die Altersvorsorgeaufwendungen
vollständig abziehen konnte (vgl. die Berechnungen der
Sachverständigenkommission, Anlage 1 und BTDrucks 15/2150, S. 35, zu Nr. 3).
Die für ihn ungünstigere Neuregelung wird durch die in § 10 Abs. 4a EStG von
Amts wegen vorgesehene Günstigerprüfung ausgeglichen, die - mit hier nicht
relevanten Modifikationen - die Anwendung des alten Rechts anordnet. Die
Günstigerprüfung stellt damit sicher, dass in der aktiven Zeit der Aufbau
einer Altersvorsorge in Höhe wenigstens des Existenzminimums vom
Steuerzugriff verschont wird.
88
dd) Der Mechanismus der
Einbeziehung der Arbeitgeberanteile im Rahmen der Übergangsregelung führt zu
keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu
einem nicht angestellten Steuerpflichtigen und einem Beamten.
89
aaa) Den vom
Steuerpflichtigen geleisteten Vorsorgeaufwendungen sind zunächst der nach
§ 3 Nr. 62 EStG steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des
Arbeitgebers hinzuzurechnen. Im Rahmen der Übergangsregelung wirkt sich
dieser Gesamtbetrag im Jahr 2005 nur zu 60 % steuermindernd aus (§ 10 Abs. 3
Satz 4 EStG). Gleichwohl ist der sich hierbei ergebende Betrag gemäß § 10
Abs. 3 Satz 5 EStG um 100 % des Arbeitgeberanteils bzw. des gleichgestellten
steuerfreien Arbeitgeberzuschusses zu kürzen, so dass nur die Differenz als
Sonderausgabe abziehbar ist.
90
bbb) Diese Regelung soll
gewährleisten, dass zwei Steuerpflichtige, von denen nur einer einen
steuerfreien Arbeitgeberanteil oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des
Gesamtaufwands für die Altersversorgung im Ergebnis in gleichem Umfang
steuerlich freigestellt werden (vgl. auch unter B.I.2.d aa). Der
Steuerpflichtige, der selbst den Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung
und/oder andere Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG
leistet, konnte im Jahr 2005 60 % der Aufwendungen, also 12.000 € als
Sonderausgaben abziehen. Der andere Steuerpflichtige, dessen
Vorsorgeaufwendungen sich sowohl aus eigenen Beiträgen zur gesetzlichen
Rentenversicherung, Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG als auch aus dem anzusetzenden Arbeitgeberanteil von
beispielsweise 2.000 € zusammensetzen, erhält eine Steuerfreistellung über
§ 3 Nr. 62 EStG von 2.000 €. Umgekehrt kann er als Sonderausgaben 60 % von
20.000 € = 12.000 € abzüglich 2.000 € Arbeitgeberanteil geltend machen. Die
steuerliche Freistellung beider Steuerpflichtiger ist daher im Ergebnis
gleich (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.9.).
91
ccc) Eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus dem Vergleich der steuerlichen
Situation des Klägers mit der eines Beamten. Letzterer ist aufgrund des
geltenden Alimentationsprinzips nicht für seine Altersvorsorge
beitragsbelastet, so dass sich seine Altersvorsorge im steuerunbelasteten
Raum vollzieht. Andere Arbeitnehmer können aber ihre
Altersvorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Übergangsregelung beschränkt
abziehen. Die Besteuerung der Alterseinkünfte ab dem Jahr 2040 ist in beiden
Fällen demgegenüber gleich; die Einkünfte unterliegen uneingeschränkt der
Besteuerung.
92
(1) Der Gesetzgeber hat den
im BVerfG-Beschluss vom 24. Juni 1992 1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87 (BVerfGE
86, 369) erteilten und im Rentenurteil in BVerfGE 105, 73 konkretisierten
Gesetzgebungsauftrag zutreffend so verstanden, dass eine gleichheitsgerechte
Besteuerung der Altersbezüge nur möglich ist, wenn bei der Neuregelung die
Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander
abgestimmt wird (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 169).
93
(2) Aufgabe der
Übergangsregelung ist es, die bestehenden unterschiedlichen Altersvorsorge-
und Alterseinkünftesysteme in ein System der nachgelagerten Besteuerung zu
integrieren. Es liegt in ihrem Wesen, einen vorgefundenen Rechtszustand
gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu überführen
(Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc).
Insoweit ist es entscheidend, dass Altersvorsorgeaufwendungen nach Ablauf
der Übergangsregelung im Jahr 2025 grundsätzlich in vollem Umfang als
Sonderausgaben abziehbar sind und damit die mit künftigen Renteneinnahmen im
Zusammenhang stehenden Rentenbeiträge - von Sonderfällen abgesehen - aus
unversteuertem Einkommen stammen.
94
(3) Da die steuerliche
Situation der Arbeitnehmer, Selbständigen und Beamten im Bereich der
Altersvorsorge und der Alterseinkünfte bis zur Neuregelung im Jahr 2005
vollkommen unterschiedlich war, ist es zwangsläufig, dass unterschiedliche
Zwischenschritte notwendig sind, um zu der angestrebten Neuregelung zu
gelangen, in der die Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme
aufeinander abgestimmt ist.
95
Bei der Überprüfung dieser
Zwischenschritte ist zu beachten, dass die Besteuerung der Alterseinkünfte
der Rentner, die vormals Arbeitnehmer waren, insbesondere im Vergleich zur
Besteuerung der Alterseinkünfte der Beamten als mit dem Gleichheitssatz
unvereinbar privilegiert angesehen wurde. Daraus folgt, dass diese Gruppe
von Steuerpflichtigen auf dem Weg in die endgültige verfassungsgemäße
Regelung, in der alle Altersvorsorgeaufwendungen und die daraus
resultierenden Alterseinkünfte gleich behandelt werden, wegen ihrer früheren
Bevorzugung in einem geringeren Umfang entlastet werden kann, ohne dass die
unterschiedliche Entlastung zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes führt.
96
(4) Die Besteuerung der
Beamtenpensionen beruht bereits auf dem angestrebten Konzept der
nachgelagerten Besteuerung, so dass dessen Ziel, das Lebenseinkommen eines
Steuerpflichtigen nur einmal, aber auch mindestens einmal zu besteuern
(Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710), nach dem Abschmelzen
des Versorgungsfreibetrags gemäß § 19 Abs. 2 EStG im Jahr 2040 erreicht ist.
Es ist daher nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat,
Beamte entsprechend dem für gesetzlich Rentenversicherungspflichtige bis
2004 geltenden System durch die steuerliche Erfassung eines fiktiven
Beitrags zu ihrer Pension in der Erwerbsphase zu besteuern, wobei es
dahinstehen kann, ob eine Besteuerung des fiktiven Beitrags eines Beamten zu
seiner Pension überhaupt möglich und umsetzbar wäre (a.A.
Wesselbaum-Neugebauer, FR 2007, 683).
97
Zudem ist darauf hinzuweisen,
dass das strikt zu beachtende Verbot der Doppelbesteuerung (siehe unter
B.I.3.e bb) den anderen Steuerpflichtigen die Gewähr dafür bietet, dass es
auch bei ihnen nur zu einer einmaligen Besteuerung kommen darf. Es stellte
keine Belastungsgleichheit her, sondern wäre ein neuerlicher Systembruch,
wenn der Gesetzgeber für eine Gruppe von Steuerpflichtigen, die bereits
folgerichtig nach dem neuen System besteuert werden, für eine Übergangszeit
die nicht folgerichtige und nicht systemgerechte Besteuerung anderer
Steuerpflichtiger einführte, die er auslaufen lassen will.
98
Die nur begrenzte Entlastung
des Klägers ist damit durch die besonders komplexe Übergangssituation der
Neuregelung der Altersvorsorge und -einkünfte noch gerechtfertigt. Es ist
verfassungsrechtlich noch tragbar, nur schrittweise zu einer vollen
Entlastung seiner Arbeitnehmerbeiträge zu gelangen. Die vom Kläger
geleisteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind
nach alledem lediglich in beschränktem Umfang als Sonderausgaben gemäß § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG abzuziehen.
II.
99
Beiträge zu
Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG (sog. sonstige
Vorsorgeaufwendungen) sind lediglich mit den in § 10 Abs. 4 EStG geregelten
Höchstbeträgen abziehbar.
100
Hiergegen bestehen nach
Ansicht des erkennenden Senats keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen
Bedenken (ebenso FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2007
1 K 1665/06, EFG 2008, 1037; HHR/Kulosa, § 10 EStG, Rz 383; a.A. Hey,
Protokoll des Finanzausschusses, Protokoll Nr. 15/47, 422; Dreher, a.a.O.,
S. 129; Neufang, Die Steuerberatung 2004, 551).
101
1. Zu den
Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehören
Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, zu Erwerbs- und
Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht unter Nr. 2 Satz 1 Buchst. b
fallen, zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu
Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen. Nach
Buchst. b dieser Vorschrift rechnen hierzu auch Beiträge zu Versicherungen
i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd EStG in der am
31. Dezember 2004 geltenden Fassung, wenn die Laufzeit dieser Versicherungen
vor dem 1. Januar 2005 begonnen hat und ein Versicherungsbeitrag bis zum
31. Dezember 2004 entrichtet wurde.
102
Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG
können solche Vorsorgeaufwendungen je Kalenderjahr bis 2.400 € abgezogen
werden. Nach Satz 2 der Vorschrift beträgt der Höchstbetrag 1.500 € bei
Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen
Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von
Krankheitskosten haben oder für deren Krankenversicherung Leistungen i.S.
des § 3 Nr. 14 oder 62 EStG erbracht werden. Gemäß Satz 3 bestimmt sich bei
zusammenveranlagten Ehegatten der gemeinsame Höchstbetrag aus der Summe der
jedem Ehegatten unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zustehenden
Höchstbeträge.
103
2. § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG
verletzt nicht dadurch den Gleichheitssatz, dass der dort genannte
Personenkreis nur geringere Vorsorgeaufwendungen abziehen kann. Diese
Einschränkung beruht auf einem sachlich einleuchtenden Grund und ist nicht
willkürlich.
104
a) Die unterschiedlichen
Höchstbeträge in Satz 1 und Satz 2 des § 10 Abs. 4 EStG berücksichtigen,
dass in bestimmten Fällen Steuerpflichtige Aufwendungen zu einer
Krankenversicherung in vollem Umfang allein tragen müssen. In anderen Fällen
leistet der Arbeitgeber Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oder
er gewährt, wie z.B. bei Beamten, einen Anspruch auf Beihilfe im
Krankheitsfall (BTDrucks 15/2150, S. 35).
105
Mit der steuerlichen
Besserstellung des Personenkreises, der allein für seinen
Krankenversicherungsschutz aufzukommen hat, knüpft der Gesetzgeber
ersichtlich an die bis zum Jahr 2004 geltende Regelung über die Kürzung des
Vorwegabzugs gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. an. Danach war der
Vorwegabzug ungekürzt denjenigen Steuerpflichtigen zu gewähren, die für ihre
Absicherung im Alter selber aufkommen mussten. Hingegen war er zu kürzen,
wenn sich der Arbeitgeber an der Altersvorsorge des Arbeitnehmers durch
Beitragszahlung oder durch Gewährung von Versorgungsanwartschaften
beteiligte. Die Regelung über die Kürzung des Vorwegabzugs war
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 28. Dezember
1984 1 BvR 1472/84, 1 BvR 1473/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung
1985, 337, und BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, unter C.V.1.b der Gründe;
vgl. auch Senatsurteil vom 20. Dezember 2006 X R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl
II 2007, 823; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde durch
BVerfG-Beschluss vom 25. Februar 2008 2 BvR 805/07 nicht zur Entscheidung
angenommen).
106
Dieser die Kürzung des
Vorwegabzugs rechtfertigende Gesichtspunkt der Beteiligung des Arbeitgebers
an der Altersversorgung des Steuerpflichtigen gilt auch, wenn ein Dritter
zum Krankenversicherungsschutz des Steuerpflichtigen beiträgt. Auch in
diesem Fall ist bei typisierender Betrachtung davon auszugehen, dass einem
Steuerpflichtigen, der allein für seinen Krankenversicherungsschutz
aufzukommen hat, höhere Aufwendungen entstehen als einem anderen, bei dem
sich ein Dritter an diesem Versicherungsschutz beteiligt. Zudem sind solche
Leistungen Dritter regelmäßig steuerbefreit (vgl. § 3 Nr. 14 oder 62 EStG).
107
b) Der Auffassung des
Klägers, die unterschiedlichen Höchstbeträge seien nicht gerechtfertigt,
weil die von einem Arbeitnehmer zwangsweise zu leistenden Beiträge zur
gesetzlichen Krankenversicherung höher seien als Beiträge eines
Selbständigen für eine private Krankenversicherung, ist nicht zu folgen.
Diese Aussage trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Die Beitragshöhe und
der Leistungsumfang bestimmen sich in der gesetzlichen Krankenversicherung
und bei privaten Krankenversicherungen nach unterschiedlichen Kriterien. Die
Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind abhängig von der Höhe des
Arbeitsentgelts, Versicherungsschutz besteht in gesetzlichem Umfang
ebenfalls für Familienangehörige (§ 10 des Fünften Buch Sozialgsetzbuch -
SGB V -). Demgegenüber sind Beiträge in der privaten Krankenversicherung
unabhängig vom Einkommen des Steuerpflichtigen; für zu versichernde
Familienangehörige ist jeweils ein eigener Beitrag zu leisten. Dass die
private Krankenversicherung zudem nicht stets einen "preiswerteren"
Versicherungsschutz gewährt, verdeutlicht anschaulich der Sachverhalt, der
dem Vorlagebeschluss des erkennenden Senats an das BVerfG vom 14. Dezember
2005 X R 20/04 (BFHE 211, 350, BStBl II 2006, 312) zugrunde lag.
108
c) Im Übrigen ist die
Problematik der steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen für einen
notwendigen Krankenversicherungsschutz durch die weitere Rechtsentwicklung
überholt. Das BVerfG hat durch Beschluss in BVerfGE 120, 125 § 10 Abs. 1
Nr. 3 Buchst. a i.V.m. Abs. 4 EStG für mit dem GG unvereinbar erklärt,
soweit die Regelung den Sonderausgabenabzug von Beiträgen zu einer privaten
Krankheitskosten- und zu einer privaten Pflegepflichtversicherung betrifft.
Zugleich hat das BVerfG (unter E.III. der Beschlussgründe) dem Gesetzgeber
aufgegeben, im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung die Anforderungen an eine
folgerichtige steuerrechtliche Verschonung des Existenzminimums der
gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Steuerpflichtigen zu beachten.
109
Da das BVerfG in seinem
Beschluss (E.II.2 der Gründe) die Fortgeltung der vorstehend genannten
Bestimmungen über den Sonderausgabenabzug bis zum 31. Dezember 2009
angeordnet hat, ist die unzureichende Berücksichtigung von Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben bis zu diesem Zeitpunkt von
allen Steuerpflichtigen und damit auch vom Kläger hinzunehmen.
110
3. Die lediglich in
beschränktem Umfang gegebene Abziehbarkeit von Aufwendungen i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG verletzt nicht das Gebot der
Steuerfreiheit des Existenzminimums. Nach diesem Gebot ist der Gesetzgeber
gehalten, Beiträge zu solchen Versicherungen steuerlich freizustellen, die
den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des
Existenzminimums gewährleisten (siehe dazu unter B.I.3.e. cc. aaa. und
bbb.).
111
a) Hinsichtlich der in § 10
Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG aufgeführten Kranken- und Pflegeversicherungen
folgt aus dem Gebot der Steuerfreiheit des Existenzminimums lediglich die
Verpflichtung zur steuerlichen Abziehbarkeit der Beiträge, die der
Absicherung dieser Versicherungsrisiken auf Sozialhilfeniveau dienen.
Allerdings ist - wie unter B.II.2.c dargelegt - die nicht ausreichende
Abziehbarkeit der Beiträge zu diesen Versicherungen im Streitjahr
hinzunehmen.
112
b) Ein verfassungsrechtliches
Gebot zur steuerlichen Freistellung der Beiträge zu den anderen in § 10
Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b EStG genannten Versicherungen besteht nicht.
113
aa) Das BVerfG hat in seinem
Beschluss in BVerfGE 120, 169 erkannt, dass eine verfassungsrechtliche
Verpflichtung, Beiträge für private Kapitallebensversicherungen (§ 10 Abs. 1
Nr. 3 Buchst. b EStG) zum steuerlichen Abzug zuzulassen, nicht ersichtlich
sei. Gleiches gilt nach diesem Beschluss auch hinsichtlich der Abziehbarkeit
von Beiträgen zu privaten Unfall- und Haftpflichtversicherungen. Für
Beiträge zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung
vorsehen, kann nach Ansicht des erkennenden Senats nichts anderes gelten.
114
bb) Verfassungsrechtlich ist
es auch nicht geboten, Beiträge zu von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG
erfassten Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen zum steuerlichen
Abzug zuzulassen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 169
betont, dass diese Risiken bereits typischerweise von den klassischen
Altersversorgungssystemen wie der gesetzlichen Rentenversicherung, den
berufsständischen Versorgungseinrichtungen und der Beamtenversorgung
abgedeckt seien. Zudem kann dieses Risiko im Rahmen einer Rentenversicherung
i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG mitabgesichert werden. Deshalb ist
die in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG getroffene Regelung über die
Abziehbarkeit von Beiträgen zu solchen Versicherungen nur von ergänzender
Natur.
115
cc) Ebenfalls ist es
verfassungsrechtlich nicht notwendig, Beiträge zu Arbeitslosenversicherungen
steuerlich zum Abzug zuzulassen (zutreffend Myßen/Wolter, Neue
Wirtschaftsbriefe 2009, 2313, 2326 f.). Maßgebend für den Umfang der
steuerlichen Verschonung von Versicherungsbeiträgen zur Sicherung des
Existenzminimums ist wie bereits dargelegt der Leistungskatalog der
Sozialhilfe. Dieser erfasst zwar die Absicherung im Krankheits- und
Pflegefall, nicht aber den Schutz gegen Lohnausfall. Das BVerfG hat in
seinem Beschluss in BVerfGE 120, 125 ausdrücklich hervorgehoben, dass die
sozialhilferechtlichen Bestimmungen die Gewährung von Krankengeld nicht
vorsehen (unter D.IV.1.a der Gründe). Dementsprechend ist eine steuerliche
Freistellung von Krankenversicherungsbeiträgen, soweit sie den Anspruch auf
Krankengeld betreffen, zur Absicherung des Existenzminimums
verfassungsrechtlich nicht geboten. Nichts anderes kann für
Arbeitslosenversicherungsbeiträge gelten, da sich sowohl die Höhe des
Krankengelds als auch der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Höhe des
Arbeitsentgelts richtet (vgl. § 132 Abs. 1 des Dritten Buch Sozialgesetzbuch
und § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Das Arbeitslosengeld dient ebenso wie das
Krankengeld nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern der
Erlangung einer Lohnersatzleistung.
116
Das FG hat daher zutreffend
erkannt, dass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden ist. Das FA hat
die Vorsorgeaufwendungen des Klägers im gesetzlichen Umfang berücksichtigt
und zu Recht lediglich die sich nach der Günstigerprüfung (§ 10 Abs. 4a
EStG) ergebenden höheren Beträge zum Abzug zugelassen.
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