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BFH-Urteil vom 2.4.2009 (III R 85/08) BStBl. 2010 II S. 298
1.
Die ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung
gehört auch dann zur Berufsausbildung, wenn das Ausbildungsverhältnis mit
dem Lehrbetrieb nach der nicht bestandenen Abschlussprüfung endet und das
Kind keine Berufsschule besucht.
2.
Nimmt das Kind an der erstmaligen Wiederholungsprüfung teil und besteht
diese, ist in der Regel zu unterstellen, dass sich das Kind ernsthaft und
nachhaltig auf diese Prüfung vorbereitet hat.
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a,
§ 63 Abs. 1 Satz 2.
Vorinstanz: FG des Saarlandes vom
29. Oktober 2008 2 K 1073/08
Sachverhalt
I.
Der im September 1985
geborene Sohn des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) wurde seit dem
1. August 2004 zum Groß- und Außenhandelskaufmann ausgebildet. Nachdem er im
Mai 2007 die Abschlussprüfung nicht bestanden und das Ausbildungsverhältnis
zum 20. Juni 2007 geendet hatte, meldete er sich bei der Berufsschule als
Gastschüler an, bereitete sich im Eigenstudium vor und bestand im Januar
2008 die Wiederholungsprüfung.
Die Beklagte und
Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab
Juli 2007 auf und wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück,
weil der Sohn nicht nachgewiesen habe, dass er die Berufsschule bis zur
Wiederholungsprüfung regelmäßig besucht habe.
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage statt. Es entschied, nicht zu folgen sei der Auffassung der
Verwaltung, dass eine "ausbildungsverhältnisfreie Ausbildung" den Besuch der
Berufsschule voraussetze und ein bloßes Selbststudium nicht genüge. Sie
widerspreche dem weiten Begriff der Ausbildung und berücksichtige zudem
nicht, dass eine Abschlussprüfung auch ohne Fortführung des
Ausbildungsverhältnisses möglich sei.
Mit ihrer Revision trägt die
Familienkasse unter Bezugnahme auf die Dienstanweisung zur Durchführung des
steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes 63.3.2 Abs. 6 (BStBl I 2004, 743) vor, die "freie
Selbstausbildung" des Sohnes sei keine Berufsausbildung. Weder der
Schulbesuch noch die Vorbereitung auf die Wiederholungsprüfung seien belegt
worden. Das FG habe zur Ernsthaftigkeit der Prüfungsvorbereitung nichts
festgestellt, sondern die Ablegung der Prüfung für ausreichend gehalten, um
während des gesamten halbjährigen Zeitraums eine Ausbildungssituation
anzunehmen.
Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die halbjährige Vorbereitung auf
die bestandene Wiederholungsprüfung noch zur Ausbildung gehörte und der
Kläger deshalb Kindergeld beanspruchen konnte.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes i.d.F.
für die Jahre 2007 und 2008 (EStG) besteht für ein über 18 Jahre altes Kind,
das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld,
wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
a) In Berufsausbildung befindet sich, wer
sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig
darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen
Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen
für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (ständige
Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Juni 1999
VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, und vom 24. Juni 2004
III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294). Die Ausbildungsmaßnahme
braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu
nehmen (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Maßgebend für diese
weite Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist die
Erwägung, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern auch dann
gemindert ist, wenn sich ihr Kind unabhängig von vorgeschriebenen
Ausbildungsgängen in Ausbildung befindet und von ihnen unterhalten wird
(BFH-Urteil in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294, m.w.N.).
b) Schließt die Berufsausbildung mit einer
Prüfung ab, ist das Berufsziel erst mit dem Bestehen der Prüfung, spätestens
mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erreicht (BFH-Urteil vom 24. Mai
2000 VI R 143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473, m.w.N.). Das gilt
grundsätzlich auch dann, wenn das Kind erst die Wiederholungsprüfung
besteht. Entgegen der Auffassung der Familienkasse dauert die
Berufsausbildung aber nicht nur dann bis zur Wiederholungsprüfung fort, wenn
das Berufsausbildungsverhältnis entsprechend § 21 Abs. 3 des
Berufsausbildungsgesetzes verlängert wird oder das Kind in der Zeit bis zur
Wiederholungsprüfung (weiter) die Berufsschule besucht. Vielmehr reicht es
aus, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig auf die
Wiederholungsprüfung vorbereitet.
c) Bereitet sich ein Kind ohne regelmäßigen
Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen vor, sind an den
Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge
Anforderungen zu stellen. Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven
Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten.
2. In Übereinstimmung mit diesen
Grundsätzen ist das FG davon ausgegangen, dass sich der Sohn des Klägers in
den Monaten Juli 2007 bis Januar 2008 auch ohne Verlängerung des
Ausbildungsverhältnisses und ohne Besuch der Berufsschule noch in Ausbildung
befand. Entgegen der Auffassung der Familienkasse brauchte das FG keine
weiteren Ermittlungen dazu zu treffen, ob sich der Sohn ernsthaft auf die
Wiederholungsprüfung vorbereitet hat. Denn wenn sich das Kind - wie im
Streitfall - zur erstmöglichen Wiederholungsprüfung anmeldet und diese
besteht, ist in der Regel zu unterstellen, dass es sich ernsthaft und
nachhaltig auf diese Prüfung vorbereitet hat.
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