| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 6.10.2009
(I R 55/08) BStBl. 2010 II S. 335
Gemeinnützigkeit eines
Wettbewerbsvereins
Ein Verein zur Bekämpfung
unlauteren Wettbewerbs ist nicht gemeinnützig, wenn seine Satzung nicht
ausschließt, dass er vornehmlich zur Wahrung der gewerblichen Interessen
seiner unternehmerisch tätigen Mitglieder tätig wird.
AO § 52 Abs. 1 Satz 1, § 60
Abs. 1; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9.
Vorinstanz: FG
Berlin-Brandenburg vom 9. April 2008 8 K 8327/04 B
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten
darüber, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gemeinnützig und deshalb
von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit ist.
Der Kläger ist ein
eingetragener Verein, zu dessen Mitgliedern in den Streitjahren (2001 und
2003 bis 2006) ungefähr 17 Verbände, eine Innung, zehn Freiberufler und
270 Unternehmer verschiedener Branchen zählten. Sein satzungsmäßiger Zweck
war zunächst die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und der
Wirtschaftskriminalität im Interesse der Allgemeinheit, der gewerblichen
Unternehmen und der freiberuflich Tätigen, insbesondere der Mitglieder. Die
Satzung bestimmte ferner, dass "die Verbraucherinteressen durch Aufklärung,
Beratung und Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zu wahren" seien. Die
"Verbindung dieser Aufgaben" solle "bewirken, dass das Verständnis der
Verbraucher über das Zusammenwirken von Hersteller, Händler und
freiberuflich Tätigen durch sachliche Information gestärkt wird".
In den Jahren 1982 und 1984
entschied der Bundesgerichtshof (BGH), einem "Mischverband" - das ist ein
Verband, der sowohl die Förderung gewerblicher Interessen als auch die
Wahrnehmung von Verbraucherinteressen bezweckt - fehle in Wettbewerbssachen
die Klagebefugnis (BGH-Urteile vom 14. Oktober 1982 I ZR 81/81, Neue
Juristische Wochenschrift - NJW - 1983, 1061; vom 10. November 1983
I ZR 107/81, NJW 1984, 1687). Daraufhin änderte der Kläger seine Satzung
dahin, dass der Zusatz über die Verbraucherinteressen entfiel. Der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte nunmehr erstmals die
Gemeinnützigkeit des Klägers nicht an; er erließ entsprechende
Steuerbescheide, die das Finanzgericht (FG) bestätigte (FG Berlin, Urteil
vom 4. Oktober 1993 VIII 553/90).
Im Anschluss daran und an
einen weiteren Rechtsstreit wurde die Satzung des Klägers wiederum
wiederholt geändert. Ihre für die Streitjahre geltende Fassung benennt als
Zweck des Klägers, "unlauteren Wettbewerb und Wirtschaftskriminalität im
Interesse der Allgemeinheit, der gewerblichen Unternehmen, der freiberuflich
Tätigen sowie der Mitglieder zu bekämpfen". Diesen Zweck erfüllt der Kläger
nach § 2 Abs. 3 der Satzung insbesondere durch Abmahnungen und notfalls
gerichtliche Verfolgung von Verstößen gegen wettbewerbsrechtliche
Vorschriften, die Entgegennahme von Unterlassungsverpflichtungen, die
Geltendmachung von Vertragsstrafen, die Einleitung behördlicher und
gerichtlicher Verfahren, die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen,
Informationsarbeit sowie die Beratung von Mitgliedern und Dritten. Nach der
Satzung ist der Kläger nicht gehindert, gegen seine Mitglieder vorzugehen;
er muss sie aber zunächst abmahnen.
Nachdem der Kläger für das
Jahr 2001 keine Steuererklärungen abgegeben hatte, erließ das FA
Steuerbescheide, in denen es von steuerpflichtigen Einkünften des Klägers
ausging und die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Der Kläger focht die
Bescheide mit Einsprüchen an, reichte die Steuerklärungen nach und
beantragte den Erlass eines Freistellungsbescheids. Das FA wies die
Einsprüche zurück. Im Verlauf des daraufhin eingeleiteten Klageverfahrens
hat das FA Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide für
2003 bis 2005 sowie einen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid für 2006
erlassen. Das FG hat die Klage auf Aufhebung der genannten Bescheide sowie
auf Erlass eines Freistellungsbescheids abgewiesen (FG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 9. April 2008 8 K 8327/04 B).
Mit seiner vom FG
zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Er
beantragt sinngemäß, die angefochtenen Steuerbescheide aufzuheben sowie das
FA zum Erlass eines Freistellungsbescheids für die Körperschaftsteuer und
die Gewerbesteuer ab 2001 zu verpflichten.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet
und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger
weder von der Körperschaftsteuer noch von der Gewerbesteuer befreit ist.
1. Der Kläger unterliegt als
eingetragener Verein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG) der Körperschaftsteuer. Er ist aber von ihr befreit, wenn er nach
seiner Satzung und seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S. der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung
(AO) dient (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG). Seine Steuerbefreiung hängt hiernach
insbesondere davon ab, dass der Kläger im Interesse der Allgemeinheit
ausschließlich und selbstlos einen der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke
verfolgt und dass sich seiner Satzung ein dahin gehender Zweck eindeutig
entnehmen lässt (§ 60 Abs. 1 AO). Dass sich eine Steuerbefreiung des Klägers
nicht aus anderen gesetzlichen Regelungen ergibt, ist zwischen den
Beteiligten nicht im Streit.
2. Ausweislich des
angefochtenen Urteils besteht das in der Satzung verankerte Ziel des Klägers
in der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und der
Wirtschaftskriminalität. Dieses Ziel verfolgt der Kläger, wie es in der
Satzung weiter heißt, "im Interesse der Allgemeinheit, der gewerblichen
Unternehmen, der freiberuflich Tätigen sowie der Mitglieder". Das FG hat
angenommen, dass diese Formulierung die notwendige ausschließliche und
selbstlose Förderung gemeinnütziger Zwecke nicht mit der von § 60 Abs. 1 AO
geforderten Eindeutigkeit zum Ausdruck bringe. Dem ist beizupflichten.
In diesem Zusammenhang kann
offenbleiben, ob die in der Satzung beschriebene Aufgabe des Klägers
insgesamt der "Allgemeinheit" i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO dient und ob
namentlich die - in der Satzung ausdrücklich erwähnte - Förderung der
Interessen der Mitglieder des Klägers als "Förderung der Allgemeinheit"
verstanden werden kann. Auf die dazu von der Revision angestellten
Überlegungen muss deshalb nicht eingegangen werden. Denn jedenfalls
gewährleistet die Satzung des Klägers nicht, dass dieser selbstlos tätig
wird.
a) Nach § 55 Abs. 1 AO
erfolgt eine Förderung nur dann selbstlos, wenn dadurch nicht in erster
Linie eigenwirtschaftliche Zwecke - z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige
Erwerbszwecke - verfolgt werden; das gilt auch für die "Förderung der
Allgemeinheit" i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Die dort geforderte
Selbstlosigkeit ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn die Körperschaft
eigenwirtschaftliche Zwecke ihrer Mitglieder fördert (Senatsurteile vom
13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482; vom
26. April 1989 I R 209/85, BFHE 157, 132, BStBl II 1989, 670; Gersch in
Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 55 Rz 2). In diesem Zusammenhang ist es
zwar nicht stets schädlich, wenn die Tätigkeit der Körperschaft nicht nur
der Allgemeinheit, sondern daneben zugleich den Mitgliedern zugute kommt
(Senatsurteil in BFHE 127, 330, 340, BStBl II 1979, 482, 487). Die Wahrung
der Interessen der Mitglieder darf aber nicht "in erster Linie" erfolgen,
also jedenfalls nicht das vorrangige Ziel der Körperschaft sein (Gersch in
Klein, a.a.O., § 55 Rz 2). Schließt die Satzung eine solche Zielrichtung
nicht aus, so ist der Anforderung des § 60 Abs. 1 AO nicht genügt und
deshalb für eine Steuerbefreiung kein Raum.
b) Im Streitfall hat das FG
ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Satzung des Klägers diesen nicht
hindert, in erster Linie gewerbliche Interessen seiner Mitglieder zu
verfolgen. Die Mitglieder sind zwar dort nur gleichrangig neben der
"Allgemeinheit", den "Gewerbetreibenden" und den "freiberuflich Tätigen" als
Begünstigte benannt. Doch macht die Satzung immerhin nicht deutlich, dass es
den Organen des Klägers verwehrt ist, vorrangig im gewerblichen Interesse
der Mitglieder tätig zu werden. Das schließt unabhängig davon, inwieweit
sich die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers (§ 63 AO) an jenen
Interessen einerseits und an den Interessen der Allgemeinheit andererseits
orientiert, die Gemeinnützigkeit aus.
c) Hinzu kommt, dass nach den
Feststellungen des FG die in der Satzung gewählte Formulierung mit der
Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Klagebefugnis in Wettbewerbssachen
zusammenhängt. Danach ist ein Verband nicht klagebefugt, wenn er
gleichrangig sowohl der Förderung gewerblicher Interessen i.S. des § 13
Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG a.F.) als auch der
Wahrnehmung von Verbraucherinteressen i.S. von § 13 Abs. 1a UWG a.F. dient.
Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass bei "Mischverbänden"
ein Konflikt zwischen den Interessen der gewerblichen Mitglieder und den
Verbraucherinteressen auftreten und die Wahrnehmung der Aufgaben des
Verbandes beeinträchtigen kann (BGH-Urteil in NJW 1983, 1061, 1062). Dass im
Hinblick darauf die Satzung des Klägers geändert wurde und dabei der
zunächst vorhandene Hinweis auf die Verbraucherinteressen entfiel, weist
darauf hin, dass sich der Kläger in erster Linie als Vertreter der
Interessen seiner gewerblichen Mitglieder versteht. Das lässt es in
besonderem Maße als zumindest möglich erscheinen, dass die Satzung dem
Kläger die vorrangige Wahrung gewerblicher Interessen der Mitglieder
erlaubt.
3. Aus denselben Gründen ist
der Kläger nicht von der Gewerbesteuer befreit. Er unterliegt dieser Steuer
gemäß § 1 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), da er selbständig und
nachhaltig eine zu Einnahmen führende Tätigkeit ausübt, die über den Rahmen
einer Vermögensverwaltung hinausgeht und deshalb ein wirtschaftlicher
Geschäftsbetrieb ist (§ 14 AO). Darüber besteht zwischen den Beteiligten
kein Streit. Eine Befreiung von der Gewerbesteuer könnte sich für den Kläger
nur aus § 3 Nr. 6 GewStG ergeben; die dort genannten Voraussetzungen sind
aber mit denjenigen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG identisch und deshalb im
Streitfall ebenfalls nicht erfüllt.
4. Im Ergebnis hat das FA
daher zu Recht dem Kläger die beantragte Freistellungsbescheinigung versagt
und die angefochtenen Steuerbescheide erlassen. Anhaltspunkte dafür, dass
jene Bescheide aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft sein könnten, sind weder
den Feststellungen des FG zu entnehmen noch vom Kläger benannt worden. Damit
erweist sich das Urteil des FG als zutreffend und die dagegen gerichtete
Revision als unbegründet.
|