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BFH-Urteil vom 9.12.2009
(X R 28/07) BStBl. 2010 II S. 348
Beschränkte Abziehbarkeit von
Altersvorsorgeaufwendungen verfassungsgemäß; keine Eintragung von
Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auf der
Lohnsteuerkarte
1. Im zeitlichen
Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes geleistete Beiträge zu den
gesetzlichen Rentenversicherungen und zu berufsständischen
Versorgungseinrichtungen sind als Sonderausgaben nur beschränkt abziehbar
(Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BFHE 212,
242, BStBl II 2006, 420). Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen
Bedenken.
2. Es ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass Altersvorsorgeaufwendungen
i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes
nicht als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können.
EStG 2006 § 9 Abs. 1 Satz 1,
§ 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3, Abs. 4a, § 10c Abs. 2,
Abs. 5, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 37 Abs. 3 Satz 5,
§ 39a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 39b Abs. 2 Satz 6 Nr. 3; GG Art. 1 Abs. 1,
Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1.
Vorinstanz: FG
Baden-Württemberg vom 30. November 2006 10 K 171/06
Sachverhalt
A.
1
Der im Jahr 1959 geborene
Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Steuerberater und vereidigter
Buchprüfer nichtselbständig tätig. Im das Streitjahr 2006 betreffenden
LohnsteuerErmäßigungsverfahren beantragte er, die von ihm zu leistenden
Beiträge zum Wirtschaftsprüfer-Versorgungswerk Nordrhein-Westfalen, die er
als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend machte, als
Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Dies lehnte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ab.
2
Mit seiner Klage machte der
Kläger geltend, die Beiträge an das Versorgungswerk seien eintragungsfähige
Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der
im Streitjahr geltenden Fassung (EStG). Die anders lautende Entscheidung des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Februar 2006 X B 166/05 (BFHE 212, 242, BStBl
II 2006, 420) schreibe die Ungleichbehandlung von
rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten in der Erwerbsphase
fest und berücksichtige zudem nicht das objektive Nettoprinzip.
3
Die Gleichbehandlung von
rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten verlange, bei
Beamten den "fiktiven Beitrag", den sie nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für ihre Altersversorgung leisteten, den
Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit hinzuzurechnen und anschließend für
diesen Betrag wie bei rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern einen
(beschränkten) Sonderausgabenabzug zu gewähren.
4
Der X. Senat berücksichtige
auch nicht die Rechtsprechung des IX. Senats des BFH zu den
Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Beamter
auf Grund einer Vereinbarung gemäß § 1587o des Bürgerlichen Gesetzbuchs an
den anderen Ehegatten leiste. Ein Teil der rentenversicherungspflichtigen
Arbeitnehmer erlebe zudem das Rentenalter nicht. Bei diesen
Steuerpflichtigen käme es durch die bloße Gewährung eines beschränkten
Sonderausgabenabzugs zu einer definitiven steuerlichen Belastung, die nicht
mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit korrespondiere und daher das
objektive Nettoprinzip missachte.
5
Die Behandlung der
Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben und nicht als Werbungskosten
wirke sich beim Verlustrücktrag und den außergewöhnlichen Belastungen aus.
6
Das Abschnittsprinzip
verlange, die verfassungsrechtliche Problematik der Versagung des vollen
Abzugs der Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der gesetzlichen Übergangsregelung
in jedem Veranlagungszeitraum zu untersuchen.
7
Hilfsweise seien die
Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 8.370 € als Sonderausgaben als Freibetrag
auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Soweit dem § 39a EStG entgegenstehe,
gebe es dafür keine sachlichen Gründe. Die Bestimmung sei daher mit Art. 3
des Grundgesetzes (GG) unvereinbar.
8
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage ab. Die vom Kläger geleisteten Rentenversicherungsbeiträge seien
nicht eintragungsfähige Sonderausgaben. Das objektive Nettoprinzip sei nicht
verletzt.
9
Ob bzw. in welchem Umfang in
künftigen Jahren erlangte Renteneinnahmen entgegen dem Verbot der
Doppelbesteuerung auch hinsichtlich solcher Beiträge besteuert würden, die
in der Vergangenheit aus versteuertem Einkommen erbracht worden seien, sei
im Streitjahr unerheblich. Diese Frage stelle sich erst ab dem Zeitpunkt des
Zuflusses der steuerpflichtigen Einnahmen.
10
Ein Eintrag der abziehbaren
Vorsorgeaufwendungen auf der Lohnsteuerkarte scheide gemäß § 39a Abs. 1
Nr. 2 EStG aus. Der Unterschied zu den Einkommensteuervorauszahlungen beruhe
auf der typisierend geregelten Lohnsteuererhebung und bewege sich im Rahmen
des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.
11
Mit der Revision verfolgt
der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, es sei festzustellen,
dass in dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht die Eintragung der
Rentenversicherungsbeiträge auf der Lohnsteuerkarte versagt worden sei.
12
Nach der Entscheidung des
BVerfG zur Pendlerpauschale setze die Befugnis des Gesetzgebers zur
Schaffung neuer Regeln voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen
werde. Lege man § 10 EStG wie der erkennende Senat aus, sei ein gebotenes
Mindestmaß an konzeptioneller Neuorientierung nicht zu erkennen.
13
Trotz vergleichbarem Aufwand
für die spätere Versorgung würden Beamte und andere Arbeitnehmer in
gleichheitswidriger Weise steuerlich unterschiedlich behandelt. Es sei
sachlich nicht zu rechtfertigen, dass die Vorsorgeaufwendungen normaler
Arbeitnehmer bis zum Jahr 2025 teilweise nicht abziehbar seien, der fiktive
Versorgungsbeitrag von Beamten aber nicht steuerbelastet sei. Hierdurch
ergebe sich bei der Gesamtschau der Erwerbs- und der Nacherwerbsphase eine
Ungleichbehandlung, weil der Rentenzufluss teilweise aus versteuertem
Einkommen stamme. Dieser Nachteil in der Erwerbsphase werde nicht durch
Vorteile in der Nacherwerbsphase ausgeglichen, wie eine Vergleichsrechnung
für einen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit einem
durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt zeige.
14
Die Behandlung der
Vorsorgebeiträge als nur beschränkt abziehbare Sonderausgaben nehme
beitragspflichtigen Arbeitnehmern die Möglichkeit zur vertikalen
Verlustverrechnung. Der im Rahmen der Übergangsregelung geltende
Rentenfreibetrag bewirke zwar im Jahr des Rentenzuflusses eine
Verlustverrechnung. Das zu versteuernde Einkommen sei dann aber regelmäßig
geringer, was zu Progressionsnachteilen führe.
15
Zu Unrecht habe das FG es
als unbedenklich angesehen, dass freiwillige Beiträge an das Versorgungswerk
nicht als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen seien. Dies lasse
sich nicht mit der gesetzgeberischen Befugnis zu typisierenden und
generalisierenden Regelungen rechtfertigen. Es sei verwaltungstechnisch
möglich, freiwillige Beiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk auf
der Lohnsteuerkarte einzutragen.
16
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid des FA vom 6. Juni 2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 2. August 2006 rechtswidrig sei, weil zu Unrecht
sein Antrag auf Eintragung von Rentenversicherungsbeiträgen auf der
Lohnsteuerkarte in Höhe von 17.500 € als Werbungskosten, hilfsweise auf
Eintragung dieser Aufwendungen in Höhe von 8.370 € als Sonderausgaben
abgelehnt worden sei.
17
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
18
Der Gesetzgeber habe die
Abziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen § 10 EStG zugeordnet. Die
Frage einer Zweifachbesteuerung stelle sich erst zu Beginn der
Auszahlungsphase.
Entscheidungsgründe
B.
19
Die Revision ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Feststellung, der Bescheid des FA vom 6. Juni 2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 2. August 2006 sei rechtswidrig, wird abgelehnt.
Die vom Kläger zu leistenden Beiträge zu einem berufsständischen
Versorgungswerk sind keine vorab entstandenen Werbungskosten bei den
sonstigen Einkünften, sondern lediglich in beschränktem Umfang abziehbare
Sonderausgaben. Diese können nicht auf der Lohnsteuerkarte als Freibetrag
eingetragen werden.
I.
20
Die Revision ist zulässig.
Der Kläger ist berechtigt mit ihr das Ziel zu verfolgen festzustellen, dass
der angefochtene Bescheid des FA rechtswidrig gewesen ist.
21
1. Im Streitfall ist die
Frist des § 42b Abs. 3 Satz 1 EStG, innerhalb der sich die Eintragung eines
Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte 2006 beim Abzug der Lohnsteuer durch den
Arbeitgeber auswirken kann, Ende März 2007 abgelaufen. Für das Begehren, auf
dieser Lohnsteuerkarte einen Freibetrag einzutragen, ist deshalb das
Rechtsschutzbedürfnis entfallen (siehe Senatsbeschluss vom 2. November 2000
X R 156/97, BFH/NV 2001, 476).
22
2. Der Kläger ist jedoch
berechtigt, gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zur Fortsetzungsfeststellungsklage
überzugehen. Dies ist sowohl im Rahmen eines Verfahrens betreffend die
Nichtzulassung der Revision als auch in einem Revisionsverfahren möglich
(BFH-Entscheidungen vom 15. Dezember 2004 VIII B 181/04, BFH/NV 2005, 896,
und vom 21. Februar 2006 IX R 78/99, BFHE 212, 8, BStBl II 2006, 399).
23
Dem Kläger fehlt nicht das
für ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren erforderliche berechtigte
Interesse (vgl. hierzu Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 476). Er hat
dargelegt, dass er weiterhin als Arbeitnehmer beschäftigt ist und Beiträge
an das oben genannte Versorgungswerk leistet. Das berechtigte Interesse des
Klägers liegt daher in der Gefahr, dass das FA ihm weiterhin die Eintragung
seiner Beiträge auf der Lohnsteuerkarte versagt (vgl. hierzu Gräber/von
Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 100 Rz 60, m.w.N. aus der
Rechtsprechung).
II.
24
Die vom Kläger an ein
berufsständisches Versorgungswerk zu leistenden Rentenversicherungsbeiträge
sind lediglich in beschränktem Umfang als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG abzuziehen.
25
Die Vorschriften zur
steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen im
Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004,
1427) - AltEinkG - sind sowohl im Hinblick auf ihre endgültige Ausgestaltung
als auch in Bezug auf die getroffene Übergangsregelung verfassungsmäßig.
26
1. Mit Beschluss in BFHE 212,
242, BStBl II 2006, 420 hatte der erkennende Senat entschieden, es sei nicht
ernstlich zweifelhaft, dass im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG ab
dem 1. Januar 2005 geleistete Beiträge zu den gesetzlichen
Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) als Sonderausgaben
nach näherer Maßgabe der Überleitung in die sog. nachgelagerte Besteuerung
nur beschränkt abziehbar seien. Bei summarischer Beurteilung bestünden gegen
diese gesetzliche Regelung keine durchgreifenden Bedenken.
27
Dieser Auffassung sind die
Finanzgerichte gefolgt (FG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2006 12 K 2253/06,
Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 836; Niedersächsisches FG,
Urteil vom 28. August 2007 15 K 30254/06, Deutsches
Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 1372; FG Nürnberg, Urteil vom
1. August 2007 VII 51/2006, nicht veröffentlicht - n.v. -; FG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2007 1 K 1665/06, EFG 2008,
1037; Hessisches FG, Beschluss vom 31. Januar 2007 1 V 3571/06, n.v.; FG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Juni 2008 10 V 2450/08, Deutsche
Steuer-Zeitung/Eildienst 2008, 628). Dem hat sich die Finanzverwaltung
angeschlossen (Aktualisierung des Schreibens des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 24. Februar 2005, BStBl I 2005, 429 durch Schreiben vom
30. Januar 2008, BStBl I 2008, 390). Die Literatur lehnt die
Senatsauffassung dagegen überwiegend ab (Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl.,
§ 9 Rz 38; Hallerbach, Steuern und Bilanzen - StuB - 2006, 305; Horlemann,
Finanz-Rundschau - FR - 2006, 1075; Schneider/Bahr, Die Information für
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - INF - 2006, 386; Paus, FR 2006, 584;
Heuermann, Der Betrieb - DB - 2006, 688 für die Zeit nach Ablauf der
Übergangsregelung; dagegen P. Fischer, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 3,
S. 13895; ders. in FR 2007, 76; differenzierend Söhn, in: Kirchhof/Söhn/
Mellinghoff - KSM -, EStG, § 10 Rz E 272 ff.; Kulosa in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 10 EStG Rz 122 und 335 ff.; Dreher, Das
Alterseinkünftegesetz, 2006, S. 79 ff.).
28
Der erkennende Senat hält
auch im Rahmen der abschließenden Prüfung der Problematik an seiner im
Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420 vertretenen Rechtsauffassung
fest. Weder die endgültige Regelung der Abziehbarkeit der
Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
in der Begrenzung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG (unten 2.) noch die den
Kläger treffende Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG (unten
3.) verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sowie gegen
das objektive und subjektive Nettoprinzip.
29
2. Mit den gesetzlichen
Neuregelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG hat der Gesetzgeber den
Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73)
Rechnung getragen. Das BVerfG hatte die unterschiedliche Besteuerung der
Beamtenpensionen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG in der vor dem AltEinkG
geltenden Fassung einerseits und der Renten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung andererseits teilweise für verfassungswidrig erklärt und
dem Gesetzgeber aufgegeben, die Rechtslage bis zum Jahresbeginn 2005 zu
bereinigen.
30
a) § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a EStG regelt die Abziehbarkeit von Beiträgen zu den gesetzlichen
Rentenversicherungen und anderer Altersvorsorgeaufwendungen. § 10 Abs. 1
Nr. 2 Satz 2 EStG bestimmt: "Zu den Beiträgen nach Buchstabe a und b ist der
nach § 3 Nr. 62 steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des
Arbeitgebers hinzuzurechnen." Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG sind
Vorsorgeaufwendungen nach Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bis zu 20.000 € zu
berücksichtigen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppelt sich der
Höchstbetrag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Höchstbetrag nach Satz 1 oder 2
ist bei Steuerpflichtigen, die zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 und
2 EStG gehören oder Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 4 EStG erzielen und die ganz
oder teilweise ohne eigene Beitragsleistungen einen Anspruch auf
Altersversorgung erwerben, um den Betrag zu kürzen, der, bezogen auf die
Einnahmen aus der Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zum genannten
Personenkreis begründen, dem Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und
Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen Rentenversicherung entspricht (§ 10
Abs. 3 Satz 3 EStG).
31
Die endgültige Ausgestaltung
der steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen besteht
daher aus drei Elementen: der Zuordnung der Altersvorsorgeaufwendungen zu
den Sonderausgaben (unten b), der Begrenzung des steuerlichen Abzugs der
Vorsorgeaufwendungen auf 20.000 € bzw. im Falle der Zusammenveranlagung auf
40.000 € (unten c) sowie der Hinzurechnung des nach § 3 Nr. 62 EStG
steuerfreien Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung bei der
Ermittlung der geleisteten Vorsorgeaufwendungen (unten d). Alle drei
Regelungen sind unter Berücksichtigung der nachfolgenden
verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht zu beanstanden.
32
Im Bereich des Steuerrechts,
insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG vor allem durch
zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der
Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der
Folgerichtigkeit (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 105, 73, 125; vom 8. Juni
2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412, 433; vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98,
1735/00, BVerfGE 107, 27, 46; vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116,
164, 180, und vom 7. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30). Im
Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss
darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit
auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in
vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der
Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen abgestuft werden muss (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; vom 16. März 2005 2 BvL 7/00,
BVerfGE 112, 268, 279, jeweils m.w.N.). Dabei muss eine gesetzliche
Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit
umgesetzt werden (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE
116, 164, 180). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung
bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom
30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95; vom 11. November 1998
2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290; in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE 116,
164, 180; BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 126).
33
b) Die gesetzliche Zuweisung
der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben in § 10 EStG ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, obwohl die
Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach in erster Linie
vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 22
EStG sind.
34
aa) Vorweggenommene
Werbungskosten liegen nach der Rechtsprechung des BFH dann vor, wenn
Aufwendungen in einem hinreichend klaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit
einer bestimmten Einkunftsart stehen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002
VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, m.w.N.). Diese
Voraussetzungen sind bei den ab dem Veranlagungszeitraum 2005 geleisteten
Altersvorsorgeaufwendungen gegeben.
35
Der Gesetzgeber hat bei der
im AltEinkG verwirklichten Rentenbesteuerung das Prinzip der
"intertemporalen Korrespondenz" zugrunde gelegt. Altersrenten sind als
solche steuerbar. Zu berücksichtigen sind - wenn auch zeitlich versetzt -
alle Aufwendungen und alle Erträge. Im Grundsätzlichen hat sich der
Gesetzgeber damit von dem für die Rentenbesteuerung bis zum
Veranlagungszeitraum 2004 maßgeblichen Versicherungsprinzip und der
Ertragsanteilsbesteuerung (Zinsbesteuerung) gelöst. Dies ist auch
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom 26. November
2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.a bb (1)).
Damit sind Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach
Erwerbsaufwendungen, soweit sie mit künftigen (steuerbaren) Renteneinnahmen
im Zusammenhang stehen.
36
Der Werbungskostencharakter
wird demzufolge auch von der ganz überwiegend vertretenen Rechtsansicht
(vgl. z.B. Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung
der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und
Altersbezügen - Sachverständigenkommission -, BMF-Schriftenreihe Bd. 74,
S. 21; Söhn, in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 276 ff.; HHR/Kulosa, § 10 EStG
Rz 122; Heuermann, DB 2006, 688; Ruland in Festschrift für Selmer 2004, 889,
897; Söhn, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2003, 332; Weber-Grellet,
Deutsches Steuerrecht - DStR - 2004, 1721, 1725; a.A. P. Fischer,
Betriebs-Berater 2003, 873, 877) bejaht.
37
bb) Der Gesetzgeber hat
jedoch durch die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG getroffene Regelung die
Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben
zugeordnet. Er hat für diese Aufwendungen - unabhängig von ihrer Rechtsnatur
- eine Sonderregelung getroffen, die als lex specialis eine Sperrwirkung
gegenüber der generellen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG entfaltet.
38
aaa) Der erkennende Senat hat
dies in seinem Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.5.
unter Hinweis auf den Wortlaut der Norm, den systematischen Zusammenhang und
den Willen des Gesetzgebers, der sich in der Norm niedergeschlagen hat,
ausführlich begründet, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf
Bezug genommen wird (zustimmend Dreher, a.a.O., S. 105; HHR/Kulosa, § 10
EStG Rz 122 a.E.; Söhn, in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 315 f.; ders., FR 2006,
905, 912; a.A. Hallerbach, StuB 2006, 305; Horlemann, FR 2006, 1075; Paus,
FR 2006, 584, und Schneider/Bahr, INF 2006, 386).
39
bbb) Diese Beurteilung ändert
sich auch nicht dadurch, dass - was der angerufene Senat in dem vorstehenden
Beschluss noch offengelassen hatte - die Altervorsorgeaufwendungen im
Wesentlichen den Rechtscharakter von vorweggenommenen Werbungskosten haben.
Zwar ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG an, dass die in § 10 EStG genannten
Aufwendungen dann keine Sonderausgaben sind, wenn sie Werbungskosten oder
Betriebsausgaben sind oder wie solche behandelt werden.
40
Im Gegensatz dazu nimmt § 10
Abs. 3 EStG Bezug auf die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten
Vorsorgeaufwendungen und normiert ausdrücklich ihre beschränkte
Abziehbarkeit als Sonderausgabe.
41
ccc) Um dem in dem
Gesetzgebungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gekommenen Willen des
Gesetzgebers zur Geltung zu verhelfen, ist das widerstreitende Verhältnis
von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG nach dem
Grundsatz vom Vorrang der speziellen Norm nur in der Weise aufzulösen, dass
die in § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG enthaltene spezielle Zuweisung zu den
Sonderausgaben dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG vorgeht. Nur so wird
der vollständige Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen als steuermindernder
Aufwand vermieden. Jedes andere Ergebnis hat der Gesetzgeber ersichtlich
nicht gewollt (vgl. BTDrucks 15/2150, S. 22). Entgegen der Auffassung des
Klägers ist daher die Formulierung in § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG, der sich
ergebende Betrag sei ... "als Sonderausgabe abziehbar", nicht "redundant".
42
Dies lässt sich nicht nur der
Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG, sondern auch der
Übergangsregelung entnehmen. Die gesetzgeberische Intention, in der ab dem
Jahr 2005 beginnenden Übergangsphase Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung und andere Altersvorsorgeaufwendungen nicht in vollem
Umfang als Werbungskosten, sondern prozentual begrenzt als Sonderausgaben
zum Abzug zuzulassen, belegt zudem die in § 10 Abs. 4a EStG vorgesehene
Günstigerprüfung: Auch diese hätte keinen sinnvollen Anwendungsbereich, wenn
die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin ganz oder
überwiegend als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar wären. Ein solcher
Anwendungsbereich ergäbe sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht
für den Fall, dass im Jahr 2005 Altersvorsorgeaufwendungen für die Vorjahre
nachzuzahlen wären. Maßgebend für die rechtliche Beurteilung solcher
Aufwendungen ist das Jahr, in dem sie geleistet werden (§ 11 Abs. 2 EStG).
43
ddd) Hierin liegt auch der
Unterschied zu den Urteilen des IX. Senats des BFH vom 8. März 2006
IX R 107/00 (BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446) und IX R 78/01 (BFHE 212,
514, BStBl II 2006, 448). Dort waren Ausgleichszahlungen zu beurteilen, die
ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Beamter an seinen Ehegatten
leistet, um eine Kürzung seiner Versorgungsbezüge zu vermeiden. Diese
Ausgleichszahlungen fallen nicht unter die spezielle gesetzliche Regelung
des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG und unterliegen somit auch nicht der
gesetzlich angeordneten beschränkten Abziehbarkeit.
44
eee) Diese Auslegung des § 10
Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG steht nicht im Widerspruch zur
Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, wonach der Werbungskosten- bzw.
Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Berufsausbildungskosten als
Sonderausgaben hat, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung für
einen Abzug entfaltet (so bereits BFH-Urteil in BFHE 201, 156, BStBl II
2003, 403, m.w.N., und Urteile vom 18. Juni 2009 VI R 14/07, BFHE 225, 393,
VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797, VI R 79/06, n.v., VI R 6/07, BFH/NV 2009,
1796, VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799). Diese Aussage des VI. Senats bezieht
sich zunächst nur auf den Bereich der Berufsausbildungskosten und muss zudem
vor dem Hintergrund der Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und der
Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der
Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753)
gesehen werden. Der Gesetzgeber orientierte sich dabei weitgehend an der ab
dem Jahr 2002 geänderten Rechtsprechung des BFH, nach der Aufwendungen für
berufliche Bildungsmaßnahmen, die nach der ersten Berufsausbildung bzw.
einem Erststudium stattfinden, zum Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug
zugelassen werden. Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und für
das Erststudium werden dagegen typisierend den Lebensführungskosten
zugerechnet (Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung der Abgabenordnung, BTDrucks 15/3339, S. 10). Danach sind nur die
Berufsausbildungskosten, die Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 5 EStG
darstellen und damit keine Werbungskosten und Betriebsausgaben sind, als
Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abziehbar. Zu einer Kollision
zwischen § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG kann es daher -
nach Auffassung des Gesetzgebers - gar nicht erst kommen, so dass sich auch
die Frage einer Sperrwirkung nicht stellt.
45
Demgegenüber kommt im Bereich
der Altersvorsorgeaufwendungen - insbesondere durch § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG
- eindeutig der Wille des Steuergesetzgebers zum Ausdruck, die
Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur im begrenzten Umfang zum Abzug
zuzulassen. Damit ordnet er die Altersvorsorgeaufwendungen trotz ihres
Werbungskostencharakters abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG den
Sonderausgaben zu, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit gegenüber § 10
Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG keine Sperrwirkung entfalten kann.
46
cc) Dass der Gesetzgeber die
Vorsorgeaufwendungen trotz ihrer Rechtsnatur konstitutiv den Sonderausgaben
und nicht den Werbungskosten zugewiesen hat, mag steuersystematisch
bedenklich sein; verfassungsrechtlich ist die Zuweisung jedoch nicht von
vornherein unzulässig, da keine Grundgesetznorm eine entsprechende Zuordnung
fordert (so auch Musil, StuW 2005, 278, 280; Söhn/Müller-Franken, StuW 2000,
442, 445; Söhn, FR 2006, 905, 908 f.). Entscheidend ist nach der
Rechtsprechung des BVerfG nicht die systematisch richtige Einordnung
steuermindernder Aufwendungen, sondern entscheidend sind die im Wesentlichen
gleichen steuerlichen Auswirkungen (BVerfG-Beschluss vom 19. Februar 1991
1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395 zur Steuerfreiheit von Beihilfen nach § 3
Nr. 11 EStG im Vergleich zur Abziehbarkeit von Krankheitsaufwendungen nach
§ 33 EStG).
47
Eine systemwidrige Einordnung
der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben kann demzufolge dann
verfassungsrechtlich relevant sein und einen Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn die daraus resultierenden
unterschiedlichen Rechtsfolgen zu einer nicht gerechtfertigten steuerlichen
Ungleichbehandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Vergleich zu anderen
vorweggenommenen Werbungskosten führen.
48
aaa) Die steuerliche
Einordnung von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben gegenüber einer
Behandlung als vorweggenommene Werbungskosten führt in den folgenden
Einzelfällen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen: Es ist einem
Steuerpflichtigen verwehrt, Verluste, die im Fall des Ansatzes von
Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 EStG eintreten
würden, im Wege des Verlustvor- oder -rücktrags gemäß § 10d EStG zu
berücksichtigen, wenn ihm anderweitige positive Einkünfte zum
Verlustausgleich nicht oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung
stehen. Auch bewirkt die Behandlung als Sonderausgabe, dass bei der
Bemessungsgrundlage für die zumutbare Eigenbelastung i.S. des § 33 EStG die
Altersvorsorgebeiträge unberücksichtigt bleiben. Umgekehrt führt der im
Falle des Sonderausgabenabzugs höhere Betrag des Gesamtbetrags der Einkünfte
dazu, dass von dem Steuerpflichtigen geleistete Spendenbeträge in
weitergehendem Umfang gemäß § 10b EStG abziehbar sind.
49
bbb) Art. 3 Abs. 1 GG
verbietet die ungleiche Behandlung von wesentlich Gleichem und die
Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (BVerfG-Entscheidungen vom
24. April 1991 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133, 157 f.; vom 15. Juli 1998
1 BvR 1554/89 u.a., BVerfGE 98, 365, 385). Art. 3 Abs. 1 GG ist dann
verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache
ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche
Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG-Urteil in
BVerfGE 105, 73, unter C.I., m.w.N.).
50
ccc) Für die unterschiedliche
Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen und anderer vorweggenommener
Werbungskosten besteht ein sachlicher Grund.
51
In den
Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind
regelmäßig nicht nur Beiträge enthalten, die der Absicherung des
Steuerpflichtigen für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters sowie
der Absicherung seiner Hinterbliebenen dienen. Die Beiträge haben daher
nicht ausschließlich Werbungskostencharakter.
52
Die gesetzliche
Rentenversicherung gewährt nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente"
auch Leistungen der medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am
Arbeitsleben, wenn hierdurch die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder
wiederhergestellt werden kann (§ 9 Abs. 1 des Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
- Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI -). Das Leistungsspektrum ist im
Zweiten Unterabschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VI in den §§ 13 bis 32
geregelt. Der Beitragsanteil, der diese Leistungen finanziert, stellt keine
vorweggenommenen Werbungskosten dar, weil die erhaltenen Leistungen nicht zu
steuerpflichtigen Einnahmen führen (vgl. z.B. für das Übergangsgeld gemäß
§§ 20 f. SGB VI § 3 Nr. 1 Buchst. c EStG). Dasselbe gilt für den Zuschuss zu
den Aufwendungen für die Krankenversicherung, den ein freiwillig in der
gesetzlichen Rentenversicherung versicherter Rentner gemäß § 106 SGB VI
erhält und der nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei ist. Die einheitliche
Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben macht eine
Beitragsaufteilung entbehrlich und dient damit der Praktikabilität.
53
Es kann dahinstehen, ob
solche Leistungen auch von den anderen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
genannten Versorgungseinrichtungen erbracht werden (vgl. zu
Rehabilitationsmaßnahmen z.B. § 11 Abs. 2, § 15 der Satzung des
Versorgungswerks der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer im
Lande Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Beschlusses vom 24. Juni 2009,
WPK-Magazin 3/2009). Jedenfalls war der Gesetzgeber berechtigt, alle
Beiträge, die im Rahmen des sog. Drei-Schichtenmodells zur sog.
Basisversorgung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG erbracht werden, steuerlich
einheitlich zu regeln (Sachverständigenkommission, S. 21, 24 ff.).
54
Hinzu kommt, dass die
Altersvorsorgeaufwendungen nach Ansicht des erkennenden Senats eine
"Doppelnatur" (so auch Weber-Grellet, DStR 2004, 1721, 1725) haben. Sie
gewähren bereits vor Eintritt des Rentenfalls Rechte, die einem
Versicherungsschutz gleichkommen. Durch sie werden Anwartschaften begründet,
die mit Abschluss der Erwerbsphase zu einer geldwerten Rechtsposition
erstarken (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 124). Sie führen daher bereits
in der Erwerbsphase in gewisser Hinsicht zu einer Vermögensbildung. Auch aus
diesem Grund erscheint die Beibehaltung der Einordnung der
Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben trotz des Systemwechsels zur
nachgelagerten Besteuerung vertretbar.
55
ddd) Die vorstehend
dargestellten Erwägungen rechtfertigen die konstitutive Zuordnung der
Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben, zumal die oben
dargestellten unterschiedlichen Rechtsfolgen zwischen der Behandlung als
Werbungskosten oder als Sonderausgaben nicht besonders gravierend sind. Es
handelt sich zudem eher um Ausnahmefälle, so dass vor allem vor dem
Hintergrund der Praktikabilität die Nachteile hinzunehmen sind (a.A. Söhn,
in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 327).
56
c) Gegen die gesetzliche
Begrenzung der steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen
auf 20.000 € bzw. 40.000 € in § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG bestehen keine
durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es liegt weder ein Verstoß
gegen das objektive noch gegen das subjektive Nettoprinzip vor.
57
aa) Ein tragendes
Strukturelement des Einkommensteuerrechts ist das objektive Nettoprinzip.
Danach werden Einnahmen nicht brutto, sondern nur gekürzt um damit im
Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der Besteuerung unterworfen
(BVerfG-Entscheidungen vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, und
vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228). Zwar kennt das geltende
Einkommensteuerrecht eine Reihe von Abzugsverboten für bestimmte
Aufwendungen trotz betrieblicher bzw. beruflicher Veranlassung. Solche
Abzugsverbote bedürfen jedoch stets eines besonderen, verfassungsrechtlich
tragfähigen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008
2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, m.w.N.).
58
Es kann dahingestellt
bleiben, ob in dem Bereich der Sonderausgaben das Nettoprinzip überhaupt zum
Tragen kommen kann. Da aber die Aufwendungen ohne die konstitutive Zuordnung
zu den Sonderausgaben im Wesentlichen als Werbungskosten abziehbar gewesen
wären, kann sich der Gesetzgeber durch eine von ihm gewählte anderweitige
systematische Zuordnung nicht einer folgerichtigen Umsetzung der
verfassungsrechtlichen Vorgaben und damit der Geltung des objektiven
Nettoprinzips entziehen (vgl. dazu auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112,
268).
59
Das objektive Nettoprinzip
ist nicht verletzt, die gesetzliche Begrenzung des Abzugs der
Altersvorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG auf den
Höchstbetrag von 20.000 € (40.000 € im Falle von zusammenveranlagten
Ehegatten) ist sachlich gerechtfertigt.
60
Der Gesetzgeber hielt diese
Begrenzung auf ein Volumen, das weit oberhalb der Höchstbeträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung liegt, zur Verhinderung von Missbräuchen für
geboten (BTDrucks 15/2150, S. 22, 34). Dies ist jedenfalls nicht sachwidrig
(ebenso Söhn, StuW 2003, 332, 336; Risthaus, DB 2004, 1329, 1331;
Weber-Grellet, DStR 2004, 1721, 1726; a.A. Dreher, a.a.O., S. 121). Die
Annahme, das Risiko des vorzeitigen Versterbens und der damit verbundene
Totalverlust des eingezahlten Kapitals verhinderten einen Missbrauch
(Sachverständigenkommission, S. 25; Söhn, FR 2006, 905, 911), ist jedenfalls
nicht zwingend. Dorenkamp (Nachgelagerte Besteuerung von Einkommen,
Schriften zum Steuerrecht, Bd. 78, 283) hat dargelegt, dass angesichts der
Größenordnung der Belastungsunterschiede zwischen nachgelagerter und
traditioneller Besteuerung die Umschichtung erheblicher Beträge in
Rentenversicherungsprodukte jedenfalls bei jüngeren Steuerpflichtigen nicht
auszuschließen sei. Es ist Sache des Gesetzgebers, die künftige Entwicklung
von Sachverhalten zu beurteilen. Dabei kommt ihm ein weiter Prognose- und
Einschätzungsspielraum zu (BVerfG-Urteil vom 10. Juni 2009 1 BvR 706/08,
1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, Neue Juristische
Wochenschrift 2009, 2033, m.w.N. aus der BVerfG-Rechtsprechung).
61
bb) Die nur beschränkte
Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen verletzt nicht das aus dem
Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) abzuleitende subjektive
Nettoprinzip. Danach muss dem Steuerpflichtigen ein "staatsfreies
Existenzminimum" verbleiben. Bestimmte zwangsläufige Aufwendungen müssen,
auch wenn sie in den Bereich der privaten Lebensführung fallen, steuerlich
verschont werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27; vgl. auch zur
steuerlichen Freistellung von Beiträgen zu privaten Versicherungen für den
Krankheits- und Pflegefall BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06,
BVerfGE 120, 125).
62
Der Gesetzgeber ist dieser
Verpflichtung durch das AltEinkG nachgekommen. Die Aufwendungen für die Zeit
ab dem Jahr 2025 sind bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 € bzw. im Fall
der Zusammenveranlagung von 40.000 € vollständig steuerlich abziehbar. Die
Begrenzung ist unter dem Gesichtspunkt des subjektiven Nettoprinzips nicht
zu beanstanden, das die steuerliche Freistellung von zwangsweise
entstehendem existenzsichernden Aufwand verlangt. Messgröße hierfür ist das
sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 120, 125, unter C.II.3.). Da der Höchstbetrag von 20.000 € bzw.
40.000 € den Höchstbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter
und Angestellten erheblich übersteigt (BTDrucks 15/2150, S. 22; im Jahr 2009
in den alten Bundesländern 12.895 € [5.400 x 12 x 19,9 %]), beruhen darüber
hinausgehende Beiträge lediglich auf einer freiwilligen Entscheidung des
Steuerpflichtigen, Rentenansprüche zu erwerben, die über die bloße
Existenzsicherung hinausgehen. Die Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3
Sätze 1 bis 3 EStG verletzt daher das subjektive Nettoprinzip nicht.
63
d) Die Hinzurechnung der
steuerfreien Arbeitgeberbeiträge bei der Ermittlung der Höhe der
Vorsorgeaufwendungen verstößt ebenso wenig gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wie die Nichteinbeziehung
von fiktiven Beiträgen zur Beamtenversorgung in die Höchstbetragsberechnung.
64
aa) Die Einbeziehung der
Arbeitgeberanteile in die Berechnung des abziehbaren Höchstbetrags beruht
auf einem sachgerechten Grund. Sie soll gewährleisten, dass zwei
Steuerpflichtige, von denen nur einer einen steuerfreien Arbeitgeberanteil
oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des Gesamtaufwands für die
Altersversorgung im Ergebnis in gleichem Umfang steuerlich freigestellt
werden. Insofern dient die Einbeziehung der Gleichbehandlung der
Arbeitnehmer mit den Selbständigen, die für ihre Altersversorgung selbst
aufkommen müssen.
65
Die Einbeziehung des
Arbeitgeberanteils in die Höchstbetragsberechnung führt nicht dazu, dass
dieser dem steuerpflichtigen Arbeitslohn gleichgestellt wird. Der erkennende
Senat sieht die Ursache dieser rechnerischen Einbeziehung vielmehr darin,
dass dem Steuerpflichtigen, für den kein Arbeitgeberbeitrag geleistet wird,
höhere Abzugsmöglichkeiten seiner Altersvorsorgeaufwendungen gewährt werden
müssen, um zu einer Gleichbehandlung zu kommen. Die Einbeziehung der
Arbeitgeberanteile ist lediglich eine Berechnungsmethode zur Umsetzung
dieses Ziels; sie beantwortet nicht die Frage, ob Arbeitgeberanteile
steuerbare und grundsätzlich steuerpflichtige Einkünfte sind.
66
aaa) Dadurch, dass der
erkennende Senat die Einbeziehung der Arbeitgeberanteile in die
Höchstbetragsberechnung für sachgerecht hält, weicht er nicht von der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab, die den Arbeitgeberanteil
lediglich als systemnützig ansieht. Der Arbeitnehmer erlangt nach dieser
Rechtsprechung keinen eigenen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil, so
dass er auch eine entsprechende Beitragserstattung nicht verlangen kann
(BSG-Urteil vom 29. Juni 2000 B 4 RA 57/98 R, BSGE 86, 262). Auch besteht
kein Widerspruch zur Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, die § 3 Nr. 62
EStG nur deklaratorischen Charakter beimisst (Urteil vom 6. Juni 2002
VI R 178/97, BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34).
67
bbb) Zum einen hat das BVerfG
ausdrücklich offengelassen, ob die Sichtweise, dass die Arbeitgeberbeiträge
von vornherein nicht Teil des steuerbaren Einkommens sind,
verfassungsrechtlich zwingend ist (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 120,
125, und in BVerfGE 105, 73).
68
ccc) Zum anderen ist, selbst
wenn man die Grundsätze der Entscheidungen des BSG und des VI. Senats des
BFH zugrunde legt, die ständige Rechtsprechung des BVerfG zu
berücksichtigen, nach der auch die Arbeitgeberanteile dem versicherten
Arbeitnehmer als eigene Leistungen zuzurechnen sind und dem Schutzbereich
des Art. 14 GG unterfallen (BVerfG-Urteile vom 16. Juli 1985 1 BvL 5/80,
1 BvR 1023, 1052/83 und 1227/84, BVerfGE 69, 272, 302, betreffend Renten-
und Krankenversicherung; vom 28. April 1999 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95,
BVerfGE 100, 1, 35). Danach dienten die Beiträge (Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberanteil) zur Rentenversicherung nach Einführung des
Umlageverfahrens (ab 1969) zwar der Finanzierung der zur Zeit der
Beitragsentrichtung fälligen Rentenzahlungen; gleichwohl erwerbe der
Beitragszahler sein Anrecht auf Bezug der Rente, d.h. seinen staatlich
garantierten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft, nicht erst bei
deren Anlaufen in einem Akt, sondern mit den Beitragszahlungen wachsend
während des Versicherungsverlaufs. Deren absolute Höhe (einschließlich der
Arbeitgeberanteile) habe auch im System des Umlageverfahrens insofern für
den Wert der erworbenen Teile des Rentenrechts Bedeutung, als sie die
Rangstelle des Versicherten innerhalb der Versichertengemeinschaft
festlegten (BVerfG-Beschluss vom 26. März 1980 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE
54, 11, 27 f.). Hiermit übereinstimmend hat das BVerfG - in Kenntnis des
BSG-Urteils in BSGE 86, 262 - dargelegt, dass auch der Arbeitgeberanteil
"letztlich einen Teil der Gegenleistung bilde, die sich der Arbeitnehmer
erarbeiten müsse"; demgemäß sei der Erwerb des Anwartschaftsrechts (auf
Leistungen aus der Sozialversicherung) das unmittelbare wirtschaftliche
Ergebnis der Arbeits- und Dienstleistung (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73).
Dementsprechend hat auch der IV. Senat des BFH mit Urteil vom 30. August
2007 IV R 14/06 (BFHE 219, 36, BStBl II 2007, 942) erkannt, dass es bei der
Beurteilung des Arbeitgeberanteils im Zusammenhang mit einem Dienstvertrag
als Sonderbetriebseinnahme ausreichend sei, den in Frage stehenden Vorteil
bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gegenleistung für die erbrachte
Tätigkeit zu werten.
69
ddd) Hinzu kommt, dass die
Regelung zur Ermittlung der Höchstbeträge nicht nur die Arbeitgeberbeiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung umfasst, sondern auch die Beiträge zu
den berufsständischen Versorgungswerken, die im Streitfall zu beurteilen
sind. Hier dürfte nicht zu bestreiten sein, dass der Arbeitnehmer einen
unmittelbaren Vorteil durch den Arbeitgeberbeitrag erhält. Es ist dem
Gesetzgeber daher nicht verwehrt, dieses im Rahmen seiner
Gestaltungsfreiheit zu berücksichtigen.
70
bb) Die steuerliche
Gleichbehandlung der Vorsorgeaufwendungen von Arbeitnehmern auf der einen
und von solchen der Beamten auf der anderen Seite wird durch die
Einbeziehung des Arbeitgeberanteils in die Höchstbetragsberechnung
herbeigeführt. Die von dem Dienstherrn gewährleistete Altersversorgung in
Form der Beamtenversorgung wird bei den Beamten über einen anderen
Mechanismus, nämlich die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 3 EStG,
berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift ist der Höchstbetrag von 20.000 €
(40.000 €) für die Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit
ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf Altersvorsorge erhalten, um den
Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen
Rentenversicherung zu kürzen. Bei ihnen können danach
Altersvorsorgeaufwendungen nur noch in Höhe des Differenzbetrags zwischen
dem fiktiven gesetzlichen Beitrag und dem Höchstbetrag steuerlich
berücksichtigt werden. Hierdurch wird für diese Steuerpflichtigen die
Abziehbarkeit von (weiteren) Vorsorgeaufwendungen im gleichen Ausmaß
eingeschränkt wie für Arbeitnehmer und Selbständige (vgl. dazu die Beispiele
bei Risthaus, DB 2004, 1329, 1332).
71
3. Die begrenzte
Abziehbarkeit seiner Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der
Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG ist verfassungsmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
72
a) Das BVerfG hat in seinem
Urteil in BVerfGE 105, 73 (unter D.II.) dem Gesetzgeber aufgegeben, sich im
Rahmen der Neuregelung der Renten und Pensionen für ein Lösungsmodell zu
entscheiden und dieses folgerichtig auszugestalten. Sowohl bei den
weichenstellenden Grundentscheidungen als auch im Hinblick auf Art und Maß
vertrauensschützender Übergangsregelungen sei der weite gesetzgeberische
Gestaltungsraum nicht unbegrenzt. In jedem Fall seien die Abziehbarkeit von
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen
aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass
eine doppelte Besteuerung vermieden werde. Im Übrigen sei auch für die
Abwägung zwischen den Erfordernissen folgerichtiger Ausrichtung der
Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Steuerpflichtigen und den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und
gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen ein weiter gesetzgeberischer
Entscheidungsraum eröffnet (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 134 f.).
73
b) Nach der Übergangsregelung
gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG sind im Kalenderjahr 2005 die nach § 10 Abs. 3
Sätze 1 bis 3 EStG ermittelten Vorsorgeaufwendungen mit 60 % anzusetzen.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG ist der sich danach ergebende Betrag,
vermindert um den nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteil zur
gesetzlichen Rentenversicherung und einen diesem gleichgestellten
steuerfreien Zuschuss des Arbeitgebers, als Sonderausgabe abziehbar. Der in
§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG genannte Prozentsatz erhöht sich nach Satz 6 der
Vorschrift in den folgenden Kalenderjahren bis zum Kalenderjahr 2025 um je
2 Prozentpunkte je Kalenderjahr.
74
c) Die Übergangsregelung in
Bezug auf die Altersvorsorgeaufwendungen steht in untrennbarem Zusammenhang
mit der Regelung der Besteuerung der ab dem Jahr 2005 zufließenden Renten
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Der
Besteuerungsanteil der Renten bestimmt sich nach dem Kohortenprinzip, also
für alle Rentner einheitlich nach dem Jahr des Beginns ihrer Rente. Für alle
Renten, die vor dem Jahr 2040 beginnen, bleibt nach der in § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG enthaltenen Tabelle ein bestimmter
Teil der Rente, der durch regelmäßige Rentenerhöhungen nicht beeinflusst
wird, dauerhaft steuerfrei (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
Satz 4 EStG).
75
d) Die Übergangsregelung in
§ 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG wird zum einen charakterisiert durch eine
begrenzte und nur allmählich ansteigende steuerliche Abzugsmöglichkeit der
Vorsorgeaufwendungen bis zu deren vollen Berücksichtigung ab dem Jahr 2025
und zum anderen durch die von Beginn an vollständige Einbeziehung des
Arbeitgeberanteils in die Berechnung der maximal abziehbaren Aufwendungen.
Dies führt dazu, dass ein Arbeitnehmer, wie der Kläger, im Streitjahr 2006
seine an ein berufsständisches Versorgungswerk zu leistende Beiträge nicht
mit 62 %, sondern diesen Betrag nur gekürzt um den steuerfrei geleisteten
Zuschuss seines Arbeitgebers steuerlich geltend machen kann.
76
e) Die Übergangsregelung
entspricht noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie verstößt nicht
gegen das objektive Nettoprinzip (unten aa), solange das strikt zu
beachtende Verbot der Doppelbesteuerung eingehalten wird (unten bb). Ein
Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip liegt nicht vor (unten cc). Der
Mechanismus der Einbeziehung der Arbeitgeberbeiträge in die
Höchstbetragsberechnung kann im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG noch
gerechtfertigt werden (unten dd).
77
aa) Die Übergangsregelung
weicht zwar von dem nach dem objektiven Nettoprinzip maßgeblichen
Veranlassungsprinzip ab, da im Jahr 2006 die Altersvorsorgeaufwendungen nur
in dem vorstehend geschilderten Umfang steuerlich abzugsfähig sind.
78
aaa) Ein wichtiger Grund für
die nur begrenzte Abzugsfähigkeit und die gewählte Stufenlösung ist, dass
eine sofortige Abziehbarkeit der Beiträge zu Leibrentenversicherungen für
die öffentlichen Haushalte nicht finanzierbar gewesen wäre, da es sofort zu
einer Minderung der Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe gekommen
wäre (BTDrucks 15/2150, S. 22).
79
bbb) Der Gesetzgeber durfte
bei der Einschränkung der Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen die
Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen Haushalte
berücksichtigen und insofern das Nettoprinzip einschränken. Zwar hat das
BVerfG in ständiger Rechtsprechung das Ziel der Einnahmenvermehrung für sich
genommen nicht als hinreichenden sachlichen Grund für die Beschränkung des
Abzugs betrieblich bzw. beruflich veranlasster Aufwendungen von der
einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage anerkannt (vgl. BVerfG-Urteil in
BVerfGE 122, 210, m.w.N.).
80
Im vorliegenden Fall handelt
der Gesetzgeber aber nicht mit dem Ziel der Einnahmenvermehrung, sondern mit
dem Ziel, ausgehend von einer nicht systemgerechten Regelung eine nunmehr
verfassungskonforme Ausgestaltung der steuerlichen Berücksichtigung der
Altersvorsorge und Alterseinkünfte zu erreichen, ohne durch die damit
verbundenen Mindereinnahmen die öffentlichen Haushalte zu gefährden
(BTDrucks 15/2150, S. 22). Das BVerfG selbst hat in seinem Urteil in BVerfGE
105, 73, 135 ausdrücklich gefordert, dass sich der Gesetzgeber bei der
Übergangsregelung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Steuerpflichtigen und an den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und
gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen orientiert. Insoweit konnte und
musste die Finanzierbarkeit der Neuregelung bei der Übergangsregelung
berücksichtigt werden.
81
ccc) Hinzu kommt, dass es
sich bei den Regelungen des AltEinkG um eine vollständige - vom BVerfG
selbst geforderte - in sich systemgerechte Neugestaltung der Besteuerung der
Altersvorsorge und der Alterseinkünfte handelt. Eine solche Neugestaltung
enthält notwendigerweise einen (teilweisen) Systemwechsel. Die dem
Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst dann von
Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne durch
Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Grundentscheidungen gebunden zu
sein (BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210, m.w.N.). Dies setzt allerdings
voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird. Die umfassende
Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für neue Regeln kann vom Gesetzgeber
dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn solche neuen Regeln nach Ziel
und Wirkung die Orientierung an alternativen in sich folgerichtigen und
schlüssigen Prinzipien nicht erkennen lassen. Einen zulässigen Systemwechsel
kann es ohne ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung nicht geben.
Insbesondere dann, wenn bei im Übrigen unveränderten Grundentscheidungen
eine von diesen abweichende Belastungsentscheidung lediglich in einem
schmalen Teilbereich mit der Behauptung eines Systemwechsels begründet wird,
bedarf es greifbarer Anhaltspunkte - etwa der Einbettung in ein nach und
nach zu verwirklichendes Grundkonzept -, die die resultierende
Ungleichbehandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können (vgl.
BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210).
82
Bei den Regelungen des
AltEinkG ist die Einbettung in ein solches Grundkonzept gegeben. Durch § 10
Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG (in Bezug auf die Vorsorgeaufwendungen) sowie § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG (in Bezug auf die
Besteuerung der entsprechenden Alterseinkünfte) sollen nicht nur die
unterschiedlichen Altersvorsorgesysteme, sondern auch die daraus
resultierenden unterschiedlichen Alterseinkünfte von der
Ertragsanteilsbesteuerung in das neue Gesamtkonzept der nachgelagerten
Besteuerung überführt werden.
83
ddd) Aus diesem Grund ist es
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die
Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen ebenso wie die Besteuerung der
zufließenden Rentenzahlungen mit jährlich steigenden Stufen vorgesehen hat,
selbst wenn der Umfang der späteren Besteuerung mit dem Abzug der Beiträge
nicht abgestimmt ist (a.A. HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 343).
84
Zwar hätte es dem objektiven
Nettoprinzip und dem Gedanken der Korrespondenz entsprochen, die Höhe der
abziehbaren Vorsorgeaufwendungen konkret danach zu bemessen, in welchem
Umfang die später zufließenden Renteneinnahmen zu steuerpflichtigen
sonstigen Einkünften führen. Von einer solchen Korrespondenz ist der
Gesetzgeber auch bei anderen ertragsteuerlichen Regelungen ausgegangen (vgl.
z.B. die Regelungen zum Halbeinkünfteverfahren in § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2
EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
85
Der Gesetzgeber hat als
Ausgangspunkt für die Höhe der prozentual abziehbaren Altersvorsorgebeiträge
im Rahmen der Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG das Jahr
des Abzugs der Aufwendungen bestimmt, so dass es auf das Alter und den
voraussichtlichen Rentenbeginn des Steuerpflichtigen nicht ankommt.
Demgegenüber richtet sich die Höhe der steuerpflichtigen Renteneinkünfte
nach dem Jahr des Renteneintritts des Steuerpflichtigen. Durch diese
unterschiedlichen Bezugspunkte ist es im Rahmen der Übergangsregelung nicht
gewährleistet, dass die steuerliche Entlastung der Vorsorgeaufwendungen und
die Besteuerung der daraus resultierenden steuerpflichtigen Einnahmen
korrespondieren. Eine Entsprechung wird erst im Zeitpunkt der endgültigen
Regelung, d.h. spätestens 2040 erreicht.
86
Nach Ansicht des erkennenden
Senats ist das Vorgehen des Gesetzgebers vor dem Hintergrund der oben
dargestellten besonderen Komplexität des AltEinkG sowie aus Gründen der
Praktikabilität verfassungsrechtlich noch gerechtfertigt.
87
(1) Eine Bemessung des
abziehbaren Prozentsatzes der Altersvorsorgebeiträge nach den Verhältnissen
des jeweiligen Steuerpflichtigen hätte dazu geführt, dass dem
Kohortenprinzip entsprechend sich für jeden Altersjahrgang die Höhe des
abziehbaren Betrags mit unterschiedlichen Prozentsätzen ergeben hätte, was
die verwaltungsmäßige Handhabung der Übergangsregelung weiter erschwert
hätte. In den meisten Fällen wäre durch dieses Vorgehen im Rahmen der
Übergangsregelung auch nur eine scheinbare individuelle Genauigkeit erreicht
worden, da in die künftigen Renteneinnahmen auch Beitragszahlungen
einfließen, die in (ggf. zahlreichen) Jahren vor Inkrafttreten des AltEinkG
geleistet wurden und die daher bei einer konkreten Bemessung der Höhe der
abziehbaren geleisteten Vorsorgeaufwendungen ebenfalls hätten berücksichtigt
werden müssen. Der Gesetzgeber hat sich zu Recht außerstande gesehen, die
zum Teil weit in die Vergangenheit zurückreichenden Verhältnisse in einer
dem Verifikationsprinzip entsprechenden Weise ermitteln zu lassen (BTDrucks
15/2150, S. 41). Die vom Kläger angestellte Rechnung, nach der sich bei
einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer vor dem Jahr 2005
geleistete Rentenversicherungsbeiträge steuerlich nicht ausgewirkt hätten,
lässt außer Betracht, dass der damalige Höchstbetrag für
Vorsorgeaufwendungen nicht vorrangig den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und
Arbeitslosenversicherung zuzuordnen ist. Vielmehr sind geleistete
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung anhand der Beitragssätze für die
als gleichwertig anzusehenden Zweige der Sozialversicherung aufzuspalten
(Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c cc).
88
Hinzu kommt, dass vor dem
Hintergrund der sich ändernden gesetzlichen Regelungen über den
Renteneintritt (vgl. z.B. die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf
67 Jahre durch das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom
20. April 2007, BGBl I 2007, 554) eine verlässliche Aussage über den
voraussichtlichen Renteneintritt - unabhängig von der individuellen
Situation des Steuerpflichtigen - nicht sicher möglich ist.
89
(2) Ebenfalls
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber als
Ausgangspunkt für die Übergangsregelung der Rentenbesteuerung einen anderen
pauschalierenden Anknüpfungspunkt gewählt hat, nämlich den Rentenjahrgang.
Die Kohorte entscheidet über den Besteuerungsanteil der Renten während der
gesamten Rentenbezugsdauer eines Steuerpflichtigen, so dass es im Gegensatz
zu den Altersvorsorgeaufwendungen keiner jährlichen Anpassungen bedarf.
Dieser Ansatz steht in der Tradition der bisherigen
Ertragsanteilsbesteuerung, die ebenfalls von einem einheitlichen
Ertragsanteil für den gesamten Rentenbezug ausging, und ermöglicht zudem
eine praktikable Besteuerung der Alterseinkünfte, zumal sich der Gesetzgeber
nicht in der Lage gesehen hat, individuelle Besteuerungsanteile pro
Steuerpflichtigen festzulegen (BTDrucks 15/2150, S. 41).
90
Entgegen der Ansicht des
Klägers ist es ohne Belang, dass bei den Steuerpflichtigen, die das
Rentenalter nicht erreichen, zwar ihre Rentenbeiträge nur in beschränktem
Umfang abgezogen werden konnten, ein Ausgleich über einen Rentenfreibetrag
jedoch nicht mehr stattfinden kann. Dies zeigt nur das typische Rentenrisiko
auf. Während ein Teil der Steuerpflichtigen das Renteneintrittsalter nicht
erlebt oder ihre Lebenszeit die statistische Lebenserwartung unterschreitet,
übersteigt bei anderen Steuerpflichtigen die Lebenszeit die tatsächliche
Lebenserwartung; diese erhalten dauerhaft den Rentenfreibetrag, wenn ihre
Rente vor dem Jahr 2040 beginnt.
91
Der Gesetzgeber hat sich
somit dadurch, dass er als Ausgangspunkt für die stufenweise Verbesserung
der Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen das Jahr der Leistung der
Altersvorsorgeaufwendungen gewählt hat, trotz der teilweise fehlenden
Symmetrie zwischen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen und der Besteuerung der Alterseinkünfte in der
Übergangsregelung noch im Rahmen des ihm zukommenden weiten
Gestaltungsspielraums gehalten.
92
(3) Allerdings belastet diese
pauschalierende und nicht symmetrische Übergangsregelung die
Steuerpflichtigen, bei denen - jedenfalls statistisch betrachtet - sicher
davon auszugehen ist, dass ihre Rente erst nach dem Jahr 2039 beginnen und
daher voll zu versteuern sein wird. Bei dieser Gruppe hätte es das objektive
Nettoprinzip geboten, ihre Altersvorsorgeaufwendungen zumindest zum größten
Teil (vgl. unter B.II.2. b cc ccc) steuerlich zum Abzug zuzulassen. Dass
diese Steuerpflichtigen im Rahmen der Übergangsregelung ihre Aufwendungen
dennoch nur in beschränktem Umfang abziehen können, ist verfassungsrechtlich
gerechtfertigt, weil die gesamte Übergangsregelung konsequent und
folgerichtig ausnahmslos für alle Steuerpflichtigen gilt, sowohl für die
Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen als auch für die Besteuerung der
Renten und unabhängig davon, ob in früheren Jahren Aufwendungen geleistet
oder Renten bezogen wurden. Bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen von der
Übergangsregelung auszunehmen, hätte zu weiteren Unstimmigkeiten geführt. So
wäre es nur schwer erklärbar, wenn der Steuerpflichtige, der nach der
jetzigen Rechtslage voraussichtlich im Jahr 2040 erstmals Renteneinkünfte
bezieht, bereits im Jahr 2005 seine Rentenbeiträge vollständig abziehen
könnte, während ein anderer Steuerpflichtiger, dessen voraussichtliches
Renteneintrittsalter im Jahr 2039 liegt, seine Altersvorsorgeaufwendungen
bis 2025 nur stufenweise ansteigend geltend machen könnte.
93
Diese Rechtslage ist für
Steuerpflichtige, deren Rente voraussichtlich nach dem Jahr 2039 beginnen
wird, solange hinnehmbar, solange das Verbot der doppelten Besteuerung
beachtet ist. Dadurch ist auch bei dieser Fallgruppe jedenfalls im Ergebnis
sichergestellt, dass die teilweise nicht gegebene Abziehbarkeit ihrer
Vorsorgeaufwendungen sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG auf
die Höhe der Besteuerung ihrer später zufließenden Renten auswirken muss.
94
bb) Der weite
gesetzgeberische Gestaltungsraum ist im Hinblick auf Art und Maß
vertrauensschützender Übergangsregelungen nicht unbegrenzt. Das BVerfG
fordert, dass "in jedem Fall" die steuerliche Behandlung von
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen
aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen sind,
dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105,
73, unter D.II.; Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710).
95
aaa) Die Verfassungsmäßigkeit
der nur beschränkten Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen in der bis
zum Jahr 2025 geltenden Übergangszeit unter dem Aspekt des Verbotes der
Doppelbesteuerung kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur
im Zusammenhang mit der korrespondierenden - in der Übergangszeit nur
anteiligen - späteren Rentenbesteuerung (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242,
BStBl II 2006, 420).
96
Ob das Zusammenwirken der
einkommensteuerrechtlichen Regelungen der Aufbauphase vor und nach
Inkrafttreten des AltEinkG mit den Regelungen der Versorgungsphase seit
Inkrafttreten des AltEinkG in bestimmten Fällen einen Verstoß gegen das
Verbot doppelter Besteuerung bewirken kann, ist demnach nicht in diesem
Verfahren zu entscheiden, denn aus dem Verbot doppelter Besteuerung lässt
sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abziehbarkeit der Beiträge in der
Aufbauphase ableiten. Der Gesetzgeber kann dem Verbot doppelter Besteuerung
ebenso durch einen entsprechend schonenderen Zugriff in der Versorgungsphase
Rechnung tragen. Ein Verstoß ist deshalb in den Veranlagungszeiträumen der
Versorgungsphase zu rügen, in denen die Altersbezüge der Besteuerung
unterworfen werden (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04,
410/04, BVerfGE 120, 169, m.w.N).
97
bbb) In der Verweisung der
gerichtlichen Überprüfung des Verbotes der Doppelbesteuerung auf den Beginn
des Rentenbezugs liegt kein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie gemäß
Art. 19 Abs. 4 GG. Aus dieser Verfassungsnorm ergibt sich ein Anspruch auf
zeitnahen und effektiven Rechtsschutz. Hieraus kann aber kein Anspruch
abgeleitet werden, die Problematik einer sich erst zu einem späteren
Zeitpunkt stellenden Frage einer überschießenden Rentenbesteuerung in der
Weise zu lösen, dass die verfassungsrechtliche Prüfung auf die steuerliche
Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen (vor)verlagert wird, durch die für
sich betrachtet noch kein übermäßiger Besteuerungszugriff bewirkt wird. Aus
diesem Grund ist entgegen der Auffassung des Klägers auch kein Verstoß gegen
den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung gegeben. Es ist auch nicht
unzumutbar, die Steuerpflichtigen darauf zu verweisen, dass das Verbot der
Doppelbesteuerung erst bei der Rentenbesteuerung zu klären ist, da erst mit
Bezug der Rente die Höhe des Besteuerungsanteils der Rente feststeht.
98
ccc) Das vom BVerfG
ausgesprochene Verbot der doppelten Besteuerung ist strikt zu beachten. Der
Gesetzgeber wird zu prüfen haben, ob dieses Verbot auch in jedem Fall
eingehalten werden kann. Der erkennende Senat wird in künftig zu
entscheidenden Fällen dem Verbot der doppelten Besteuerung besondere
Aufmerksamkeit widmen.
99
cc) Der nur begrenzte Abzug
der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Übergangsregelung verletzt
nicht das subjektive Nettoprinzip.
100
aaa) Ausgangspunkt der
verfassungsrechtlichen Beurteilung des subjektiven Nettoprinzips ist das aus
Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG
abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Danach hat der
Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser
es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins
für sich und seine Familie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität,
wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es,
dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen
Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau
richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen
Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, darf er ihm nicht durch
Besteuerung seines Einkommens entziehen (ständige Rechtsprechung des BVerfG
siehe Beschluss in BVerfGE 120, 125, m.w.N.). Die somit von Verfassungs
wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums
sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu
bemessen. Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei
allerdings dafür Sorge zu tragen, dass die typisierenden Regelungen in
möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken.
101
bbb) Für die steuerliche
Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen bedeuten diese Grundsätze, dass
der Gesetzgeber gehalten ist, Beiträge zu solchen Versicherungen steuerlich
freizustellen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in
Höhe des Existenzminimums gewährleisten. Nicht entscheidend ist in diesem
Zusammenhang, ob Versicherungsbeiträge - wie z.B. zu leistende
Sozialversicherungsbeiträge - zwangsweise erhoben werden. Maßgeblich ist
vielmehr, ob der Schutz gegen das abgesicherte Risiko Bestandteil des
Leistungskatalogs der Sozialhilfe ist (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125,
unter D.II.3.).
102
ccc) Durch die
Übergangsregelung sind die Arbeitgeberbeiträge vollständig und die
Arbeitnehmerbeiträge eines rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmers im
Ergebnis zunächst nur mit 20 %, danach linear bis zum Jahr 2025 auf
insgesamt 100 % ansteigend abziehbar. Ein Problem aus Sicht der gerade
dargestellten Grundsätze könnte sich dann stellen, wenn die - insoweit
teilweise nicht abziehbaren - Altersvorsorgeaufwendungen (Arbeitgeber- und
Arbeitnehmerbeitrag zusammen) nur zu Alterseinkünften führten, deren Höhe
lediglich ein existenzsicherndes Niveau erreicht, also bei niedrigen
Arbeitnehmereinkünften. Bei diesen Einkünften ist jedoch zu beachten, dass
nach dem alten Recht ein alleinstehender Arbeitnehmer bei einem Bruttolohn
von knapp 12.000 € die Altersvorsorgeaufwendungen vollständig abziehen
konnte (vgl. die Berechnungen der Sachverständigenkommission, Anlage 1 und
BTDrucks 15/2150, S. 35, zu Nr. 3). Die für ihn ungünstigere Neuregelung
wird durch die in § 10 Abs. 4a EStG von Amts wegen vorgesehene
Günstigerprüfung ausgeglichen, die - mit hier nicht relevanten
Modifikationen - die Anwendung des alten Rechts anordnet. Die
Günstigerprüfung stellt damit sicher, dass in der aktiven Zeit der Aufbau
einer Altersvorsorge in Höhe wenigstens des Existenzminimums vom
Steuerzugriff verschont wird.
103
dd) Der Mechanismus der
Einbeziehung der Arbeitgeberanteile im Rahmen der Übergangsregelung führt zu
keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu
einem nicht angestellten Steuerpflichtigen und einem Beamten.
104
aaa) Den vom
Steuerpflichtigen geleisteten Vorsorgeaufwendungen sind zunächst der nach
§ 3 Nr. 62 EStG steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des
Arbeitgebers hinzuzurechnen. Im Rahmen der Übergangsregelung wirkt sich
dieser Gesamtbetrag im Jahr 2006 nur zu 62 % steuermindernd aus (§ 10 Abs. 3
Satz 4 EStG). Gleichwohl ist der sich hierbei ergebende Betrag gemäß § 10
Abs. 3 Satz 5 EStG um 100 % des Arbeitgeberanteils bzw. des gleichgestellten
steuerfreien Arbeitgeberzuschusses zu kürzen, so dass nur die Differenz als
Sonderausgabe abziehbar ist.
105
bbb) Diese Regelung soll
gewährleisten, dass zwei Steuerpflichtige, von denen nur einer einen
steuerfreien Arbeitgeberanteil oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des
Gesamtaufwands für die Altersversorgung im Ergebnis in gleichem Umfang
steuerlich freigestellt werden (vgl. auch unter B.II.2.d aa). Der
Steuerpflichtige, der selbst den Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung
und/oder andere Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG
leistet, konnte z.B. im Jahr 2005 60 % der Aufwendungen, also 12.000 € als
Sonderausgaben abziehen. Der andere Steuerpflichtige, dessen
Vorsorgeaufwendungen sich sowohl aus eigenen Beiträgen zur gesetzlichen
Rentenversicherung, Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG als auch aus dem anzusetzenden Arbeitgeberanteil von
beispielsweise 2.000 € zusammensetzen, erhält eine Steuerfreistellung über
§ 3 Nr. 62 EStG von 2.000 €. Umgekehrt kann er als Sonderausgaben 60 % von
20.000 € = 12.000 € abzüglich 2.000 € Arbeitgeberanteil geltend machen. Die
steuerliche Freistellung beider Steuerpflichtiger ist daher im Ergebnis
gleich (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.9.).
106
ccc) Eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus dem Vergleich der steuerlichen
Situation des Klägers mit der eines Beamten. Letzterer ist auf Grund des
geltenden Alimentationsprinzips nicht für seine Altersvorsorge
beitragsbelastet, so dass sich seine Altersvorsorge im steuerunbelasteten
Raum vollzieht. Andere Arbeitnehmer können aber ihre
Altersvorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Übergangsregelung beschränkt
abziehen. Die Besteuerung der Alterseinkünfte ab dem Jahr 2040 ist in beiden
Fällen demgegenüber gleich; die Einkünfte unterliegen uneingeschränkt der
Besteuerung.
107
(1) Der Gesetzgeber hat den
im BVerfG-Beschluss vom 24. Juni 1992 1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87 (BVerfGE
86, 369) erteilten und im Rentenurteil in BVerfGE 105, 73 konkretisierten
Gesetzgebungsauftrag zutreffend so verstanden, dass eine gleichheitsgerechte
Besteuerung der Altersbezüge nur möglich ist, wenn bei der Neuregelung die
Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander
abgestimmt wird (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 169).
108
(2) Aufgabe der
Übergangsregelung ist es, die bestehenden unterschiedlichen Altersvorsorge-
und Alterseinkünftesysteme in ein System der nachgelagerten Besteuerung zu
integrieren. Es liegt in ihrem Wesen, einen vorgefundenen Rechtszustand
gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu überführen
(Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc).
Insoweit ist es entscheidend, dass Altersvorsorgeaufwendungen nach Ablauf
der Übergangsregelung im Jahr 2025 grundsätzlich in vollem Umfang als
Sonderausgaben abziehbar sind und damit die mit künftigen Renteneinnahmen im
Zusammenhang stehenden Rentenbeiträge - von Sonderfällen abgesehen - aus
unversteuertem Einkommen stammen.
109
(3) Da die steuerliche
Situation der Arbeitnehmer, Selbständigen und Beamten im Bereich der
Altersvorsorge und der Alterseinkünfte bis zur Neuregelung im Jahr 2005
vollkommen unterschiedlich war, ist es zwangsläufig, dass unterschiedliche
Zwischenschritte notwendig sind, um zu der angestrebten Neuregelung zu
gelangen, in der die Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme
aufeinander abgestimmt ist.
110
Bei der Überprüfung dieser
Zwischenschritte ist zu beachten, dass die Besteuerung der Alterseinkünfte
der Rentner, die vormals Arbeitnehmer waren, insbesondere im Vergleich zur
Besteuerung der Alterseinkünfte der Beamten als mit dem Gleichheitssatz
unvereinbar privilegiert angesehen wurde. Daraus folgt, dass diese Gruppe
von Steuerpflichtigen auf dem Weg in die endgültige verfassungsgemäße
Regelung, in der alle Altersvorsorgeaufwendungen und die daraus
resultierenden Alterseinkünfte gleich behandelt werden, wegen ihrer früheren
Bevorzugung in einem geringeren Umfang entlastet werden kann, ohne dass die
unterschiedliche Entlastung zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes führt.
111
(4) Die Besteuerung der
Beamtenpensionen beruht bereits auf dem angestrebten Konzept der
nachgelagerten Besteuerung, so dass dessen Ziel, das Lebenseinkommen eines
Steuerpflichtigen nur einmal, aber auch mindestens einmal zu besteuern
(Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710), nach dem Abschmelzen
des Versorgungsfreibetrags gemäß § 19 Abs. 2 EStG im Jahr 2040 erreicht ist.
Es ist daher nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat,
Beamte entsprechend dem für gesetzlich Rentenversicherungspflichtige bis
2004 geltenden System durch die steuerliche Erfassung eines fiktiven
Beitrags zu ihrer Pension in der Erwerbsphase zu besteuern, wobei es
dahinstehen kann, ob eine Besteuerung des fiktiven Beitrags eines Beamten zu
seiner Pension überhaupt möglich und umsetzbar wäre (a.A.
Wesselbaum-Neugebauer, FR 2007, 683).
112
Zudem ist darauf hinzuweisen,
dass das strikt zu beachtende Verbot der Doppelbesteuerung (siehe unter
B.II.3.e bb) den anderen Steuerpflichtigen die Gewähr dafür bietet, dass es
auch bei ihnen nur zu einer einmaligen Besteuerung kommen darf. Es stellte
keine Belastungsgleichheit her, sondern wäre ein neuerlicher Systembruch,
wenn der Gesetzgeber für eine Gruppe von Steuerpflichtigen, die bereits
folgerichtig nach dem neuen System besteuert werden, für eine Übergangszeit
die nicht folgerichtige und nicht systemgerechte Besteuerung anderer
Steuerpflichtiger einführte, die er auslaufen lassen will.
113
Die nur begrenzte Entlastung
des Klägers ist damit durch die besonders komplexe Übergangssituation der
Neuregelung der Altersvorsorge und -einkünfte noch gerechtfertigt. Es ist
verfassungsrechtlich noch tragbar, nur schrittweise zu einer vollen
Entlastung seiner Arbeitnehmerbeiträge zu gelangen. Die vom Kläger an ein
berufsständisches Versorgungswerk zu leistenden Beiträge sind nach alledem
lediglich in beschränktem Umfang als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG abzuziehen.
III.
114
Die vom Kläger geleisteten
Beiträge an das Wirtschaftsprüfer-Versorgungswerk Nordrhein-Westfalen können
weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben im
Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren berücksichtigt werden.
115
1. Gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 5
Buchst. b EStG sind auf der Lohnsteuerkarte die negative Summe der Einkünfte
i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 6 und 7 EStG und die negativen
Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG eintragungsfähig. Danach
sind auch negative sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG)zu
berücksichtigen. Solche können dann gegeben sein, wenn vorab entstandene
Werbungskosten bei dieser Einkunftsart anfallen. Hierzu rechnen Beiträge an
ein berufsständisches Versorgungswerk nicht, da die
Altersvorsorgeaufwendungen - wie oben unter B.II.2. b bb - dargelegt, mit
konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugewiesen wurden.
116
2. Die vom Kläger geleisteten
Beiträge an das Wirtschaftsprüfer-Versorgungswerk Nordrhein-Westfalen können
auch nicht als Sonderausgaben auf der Lohnsteuerkarte gemäß § 39a EStG
eingetragen werden.
117
Die Lohnsteuererhebung ist
ebenso wie die Erhebung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen ihrem Charakter
nach lediglich eine Vorauszahlung auf die mit Ablauf des Jahres entstehende
Einkommensteuerschuld. Dementsprechend soll § 39a EStG gewährleisten, dass
der Arbeitnehmer nicht im Wege des Lohnsteuerabzugs erhöhte Vorauszahlungen
leistet, die er erst bei der Veranlagung zurückerhält (Schmidt/Drenseck,
a.a.O., § 39a Rz 1).
118
a) Gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 2
EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind nur Sonderausgaben i.S. des
§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 1a, 4, 5, 7 bis 9 und des § 10b, soweit sie den
Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 € übersteigen, auf der Lohnsteuerkarte
als Freibetrag eintragungsfähig. Aus dieser enumerativen Aufzählung ergibt
sich, dass Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht
eintragungsfähig sind.
119
Nach § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG
bemessen sich die Einkommensteuer-Vorauszahlungen grundsätzlich nach der
Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge und der
Körperschaftsteuer bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Hierbei bleiben
nach Satz 5 dieser Vorschrift bestimmte Aufwendungen außer Ansatz. Die
Aufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG rechnen nicht hierzu
(Blümich/Stuhrmann, § 37 EStG Rz 18 und Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 37
Rz 8).
120
b) Der ganz überwiegende Teil
der Literatur hält die fehlende Eintragungsfähigkeit der zuletzt genannten
Aufwendungen für verfassungsrechtlich unbedenklich (Blümich/Thürmer, § 39a
EStG Rz 36; Seifert in Korn, § 39a EStG Rz 8; Siebenhüter und Tillmann
jeweils in HHR, § 10c EStG Rz 4 und § 39a EStG Rz 17; Schmidt/Drenseck,
a.a.O., § 39a Rz 3; a.A. Trzaskalik in: KSM, a.a.O., § 39a Rz B 5).
121
c) Auch nach Ansicht des
erkennenden Senats ist es nicht zu beanstanden, dass Aufwendungen i.S. des
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht als Freibetrag auf der
Lohnsteuerkarte eingetragen werden können, sie aber im Rahmen der
Veranlagung berücksichtigt werden dürfen. Die unterschiedliche Behandlung
von Aufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im
Vorauszahlungs- und im Lohnsteuerabzugsverfahren stellt keinen Verstoß gegen
Art. 3 Abs. 1 GG dar, sondern ist schon dadurch gerechtfertigt, dass beim
Lohnsteuerabzug die Vorsorgeaufwendungen durch die Vorsorgepauschale des
§ 10c Abs. 2, Abs. 5 i.V.m. § 39b Abs. 2 Satz 6 Nr. 3 EStG berücksichtigt
werden.
122
aa) Die Vorsorgepauschale
hat, wie die Verknüpfung ihrer Höhe mit den Rentenversicherungsbeiträgen
zeigt, in erster Linie rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer im Blick.
Für diesen Personenkreis entspricht (vorbehaltlich der Günstigerprüfung des
§ 10 Abs. 4a EStG) die im Rahmen des Lohnsteuerabzugs zu berücksichtigende
Vorsorgepauschale i.S. des § 10c Abs. 2 EStG dem Betrag, der im Rahmen der
Jahresveranlagung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für Beiträge zu den
gesetzlichen Rentenversicherungen abziehbar ist.
123
Gemäß § 10c Abs. 2 Satz 2
EStG ist im Rahmen der Vorsorgepauschale ein Betrag anzusetzen, der bezogen
auf den Arbeitslohn, 50 % des Beitrags in der allgemeinen Rentenversicherung
entspricht. Nach Satz 4 wird im Kalenderjahr 2005 der so ermittelte Betrag
nur mit 20 % angesetzt. Dieser Prozentsatz steigt in den Folgejahren linear
bis zum Jahr 2025 auf insgesamt 100 % an. In gleichem Umfang wirken sich
(vorbehaltlich der Günstigerprüfung des § 10 Abs. 4a EStG) solche
Arbeitnehmerbeiträge bei der Veranlagung steuermindernd aus (siehe unter
B.II.3. b).
124
Allerdings kann sich im
Rahmen der Veranlagung ein gegenüber der Vorsorgepauschale höherer
abziehbarer Betrag bei der Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG sowie
bei Altersvorsorgeaufwendungen, die über die Höhe der gesetzlichen
Rentenversicherung hinausgehen, ergeben.
125
bb) Um den Nachteilen, die
sich aus der Anwendung des § 10 Abs. 4a EStG im Veranlagungsverfahren
gegenüber dem Lohnsteuerabzugsverfahren ergeben, Rechnung zu tragen, ist
gemäß § 39b Abs. 2 Satz 6 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. § 10c Abs. 5 EStG
abweichend von § 10c Abs. 2 EStG die Vorsorgepauschale mit den günstigeren
Beträgen anzusetzen, die sich nach der im Kalenderjahr 2004 geltenden
Rechtslage ergeben würden.
126
Wegen des pauschalierenden
Ansatzes in § 10c Abs. 2 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2004
geltenden Fassung i.V.m. § 10c Abs. 5 EStG kann in Einzelfällen,
insbesondere bei einem niedrigen Arbeitslohn, im Rahmen der Veranlagung die
Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG zu höheren abziehbaren Beträgen
führen.
127
Verlässlich lässt sich jedoch
die Höhe des im jeweiligen Jahr zugeflossenen Bruttoarbeitslohns erst am
Jahresende beurteilen. Zielgenaue Prognosen sind nicht möglich. Die Höhe des
voraussichtlichen Jahresarbeitslohns kann maßgeblich beeinflusst werden
durch Phasen einer längeren Erkrankung, Arbeitslosigkeit oder
Lohnerhöhungen.
128
Aus diesem Grunde ist es nach
Ansicht des erkennenden Senats hinnehmbar, dass im Rahmen der
Vorsorgepauschale die bei der Günstigerprüfung ggf. zu berücksichtigenden
höheren Beiträge für Vorsorgeaufwendungen bis zur Jahresveranlagung
unberücksichtigt bleiben, auch wenn hiervon betroffene Arbeitnehmer einen
geringen Zinsverlust erleiden.
129
Zwar ist der früher gewährte
Arbeitnehmer-Freibetrag entfallen, den der erkennende Senat als
Rechtfertigungsgrund für die ungleiche Behandlung gegenüber
Steuerpflichtigen angesehen hat, die Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu
leisten haben (Senatsurteil vom 7. Juni 1989 X R 12/84, BFHE 157, 370, BStBl
II 1989, 976).
130
Es ist jedoch anerkannt, dass
auch verwaltungstechnische Gründe geeignet sein können, eine ungleiche
Behandlung zu rechtfertigen (BVerfG-Beschlüsse vom 29. November 1989
1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87, BVerfGE 81, 108, und vom 8. Oktober 1991
1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348). Dies ist hier der Fall, da im
Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren nur schwer abschätzbar ist, zu welchem
Ergebnis die Günstigerprüfung führen kann. Die Situation kann daher nicht
mit Fallgruppen verglichen werden, in denen es um die Eintragung
voraussichtlich entstehender Vermietungsverluste oder zu berücksichtigender
Abschreibungsbeträge geht (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 29. April 1992
VI B 152/91, BFHE 167, 152, BStBl II 1992, 752, und BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 84, 348).
131
Zudem darf sich der Vergleich
von Lohnsteuerzahlern mit Steuerpflichtigen, die
Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu leisten haben, nach der Rechtsprechung
des BVerfG nicht auf den Gesichtspunkt des mit dem
Lohnsteuererhebungsverfahren verbundenen Liquiditätsnachteils beschränken.
Es ist vielmehr erforderlich, in einem Gesamtvergleich die steuererheblichen
Unterschiede zwischen den Lohneinkünften und den übrigen Einkunftsarten zu
analysieren und zu bewerten. In diesem Gesamtvergleich sind insbesondere die
Verschiedenheiten in den Erklärungs- und Buchführungspflichten
einschließlich ihrer Kostenfolge zu beachten (BVerfG-Beschluss vom 10. April
1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, unter B.II.2.). Unter Berücksichtigung
dieser Kriterien ist der Zinsnachteil, den Lohnsteuerzahler ggf. im
Vergleich zu Steuerpflichtigen, die Vorauszahlungen zu leisten haben, nicht
von einem solchen Gewicht, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu
bejahen ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. November 1997 VI R 93/95, BFHE
184, 526, BStBl II 1998, 208 betr. die Nichteintragungsfähigkeit eines
Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte für die Einnahmen nicht übersteigende
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen).
132
cc) Es ist nicht zu
beanstanden, dass im Rahmen von § 39a EStG und in § 10c Abs. 2 EStG keine
Sonderregelung für Beiträge i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
getroffen wurde, die über die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
hinausgehen, weil vom Fehlen einer Sonderregelung nur eine verhältnismäßig
kleine Zahl von Personen betroffen ist und die damit verbundenen Nachteile
nicht gravierend sind. Es handelt sich dabei vor allem um Arbeitnehmer, wie
den Kläger, die erhöhte (freiwillige) Beiträge an eine berufsständische
Versorgungseinrichtung leisten.
133
Der Gesetzgeber ist
insbesondere im Steuerrecht grundsätzlich befugt, generalisierende,
typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 84, 348, unter C.III.2.d bb). Voraussetzung hierfür ist, dass sich
das Absehen von einer Sonderregelung auf eine verhältnismäßig kleine Zahl
von Personen bezieht und dies auch nicht mit gravierenden Nachteilen
verbunden ist.
134
Bei Anlegung dieses Maßstabes
war es verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Sonderregelung für
Arbeitnehmer vorzusehen, die erhöhte Beiträge an ein berufsständisches
Versorgungswerk entrichten. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in
BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b aa aufgezeigt, dass im
Gesamtvergleich der Beitragszahlungen an berufsständische
Versorgungseinrichtungen und solche an gesetzliche Rentenversicherungen die
Beitragszahlungen an berufsständische Versorgungseinrichtungen lediglich
knapp 10 % der Gesamtbeiträge ausmachen. Von diesen Beitragszahlungen beruht
wiederum nur ca. ein Zehntel des Aufkommens auf Arbeitgeberanteilen. Dies
rechtfertigt den Schluss, dass die nichtselbständig tätigen Mitglieder der
Versorgungswerke eher die Ausnahme bilden.
135
Auch ist davon auszugehen,
dass zu dieser verhältnismäßig kleinen Gruppe von Arbeitnehmern, die einem
Versorgungswerk angehören und erhöhte Beiträge zahlen, auch Steuerpflichtige
gehören, die andere Einkünfte beziehen und daher
Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu leisten haben, so dass eine
Berücksichtigung der höheren Beiträge gemäß § 37 EStG möglich ist.
136
Zudem darf der oben
dargestellte Gesichtspunkt des Belastungsvergleichs zwischen den
Lohneinkünften und den anderen Einkunftsarten nicht unberücksichtigt
bleiben.
137
Da die Beeinträchtigung durch
den Zins- und Liquiditätsnachteil nicht so sehr ins Gewicht fällt, musste
der Gesetzgeber für die kleine Gruppe von Steuerpflichtigen, zu denen der
Kläger gehört, keine Sonderregelung treffen.
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