| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 9.12.2009 (II R 22/08) BStBl. 2010 II S. 363
Schenkungsteuerpflicht bei Zustiftung an eine (Familien-)Stiftung
Die
Zustiftung an eine (Familien-)Stiftung ist auch dann gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG nach der Steuerklasse III steuerpflichtig, wenn der Zuwendende
zugleich der einzige Begünstigte der Stiftung ist.
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1. Vorinstanz: Hessisches FG vom 27. März 2008 1 K 486/05 (EFG 2008, 1138)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine rechtsfähige Familienstiftung, deren
Zweck darin besteht, den B, dessen Abkömmlinge und die Ehegatten durch
Gewährung von "Wohnmöglichkeiten und Lebenshaltungskosten" in angemessener
Weise zu versorgen. Da B unverheiratet und kinderlos blieb, ist er der
einzige Begünstigte der Klägerin.
2
Zum Vermögen der Klägerin
gehörte u.a. ein in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführter land- und
forstwirtschaftlicher Betrieb, der in den Jahren 1999 bis 2001 erhebliche
Verluste erwirtschaftete. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10. Oktober
2001 wendete der aufgrund seines Gesundheitszustands unter Betreuung
stehende Begünstigte der Klägerin daher mit Zustimmung des
Vormundschaftsgerichts 1 Mio. DM zu, um den Hof als ihm vertrauten
Lebensmittelpunkt und Wohnsitz zu erhalten.
3
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegen die Klägerin durch
Bescheid vom 8. November 2004 für diese Zuwendung 146.791,90 EUR
Schenkungsteuer nach der Steuerklasse III fest.
4
Nach erfolglosem Einspruch
wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Die Klägerin sei als
eigenständiges Rechtssubjekt auf Kosten des Begünstigten bereichert worden.
Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1138
veröffentlicht.
5
Mit der Revision rügt die
Klägerin fehlerhafte Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Anders als bei der Erstausstattung einer
Stiftung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG könne die Steuerbarkeit der Zustiftung
nicht ohne die Einbeziehung der Person des Begünstigten beurteilt werden.
Danach sei die Klägerin nicht auf Kosten des Begünstigten bereichert, weil
die Zustiftung allein dem Zuwendenden als einzigem Begünstigten der Klägerin
zugute komme. Das Vormundschaftsgericht hätte die Verfügung nicht genehmigt,
wenn dadurch Dritte bereichert worden wären. Außerdem fehle es am
Bereicherungswillen des Begünstigten, weil er der Klägerin das Geld in der
Erwartung, selbst davon zu profitieren, zugewendet habe.
6
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung sowie den Schenkungsteuerbescheid vom 8. November 2004 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2005 aufzuheben.
7
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8
Wegen der rechtlichen
Selbständigkeit der Klägerin genüge der vom Begünstigten gewollte Zuwachs
des Stiftungsvermögens für die Annahme einer Schenkung.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die
Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG war zu Recht der Auffassung, dass
eine Zuwendung an eine rechtsfähige Stiftung auch dann
schenkungsteuerpflichtig ist, wenn der Zuwendende ihr einziger Begünstigter
ist.
10
1. Der Schenkungsteuer unterliegt als
Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige
Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden
bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Dieser Schenkungsteuertatbestand setzt
objektiv eine Vermögensverschiebung voraus, d.h. eine Vermögensminderung auf
der Seite des Zuwendenden und eine Vermögensmehrung auf der Seite des
Bedachten, subjektiv den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit.
11
a) Das FG hat richtig angenommen, dass die
Klägerin auf Kosten des Begünstigten objektiv bereichert wurde.
12
aa) Die Klägerin ist Bedachte der
Vermögenshingabe, was der Annahme einer nicht der Schenkungsteuer
unterliegenden Zuwendung des Begünstigten "an sich selbst" entgegensteht.
13
Bei der Prüfung, wer als Zuwendender und
Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, kommt es
ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach
wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist;
denn die Schenkungsteuer ist eine Verkehrsteuer (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. September 1982 II R 61/80, BFHE 137, 188,
BStBl II 1983, 179; vom 25. Januar 2001 II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; vom 9.
Juli 2009 II R 47/07, Deutsches Steuerrecht 2009, 2590). Diese
zivilrechtliche Prägung des Schenkungsteuerrechts kommt auch bei der
Besteuerung unentgeltlicher Vermögensübertragungen auf eine rechtsfähige
Stiftung zum Tragen. Die durch anerkanntes Stiftungsgeschäft errichtete
Stiftung ist eine mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattete juristische
Person, die eine selbständige, nicht an Personen gebundene Vermögensmasse
mit eigener Vermögenszuständigkeit bildet (§ 80 BGB). Wegen dieser
rechtlichen Selbständigkeit wird mit der Zuwendung das Vermögen der Stiftung
und nicht das Vermögen ihrer Begünstigten vermehrt. In der Zuwendung von
Stiftungsvermögen an den Begünstigten liegt sodann ein weiterer Verkehrsakt,
der wiederum schenkungsteuerrechtlich (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 9 ErbStG)
oder ertragsteuerrechtlich (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 9 des
Einkommensteuergesetzes) zu würdigen ist.
14
Die Zuwendung an eine Stiftung ist auch
dann steuerpflichtig, wenn - wie im Streitfall - der Zuwendende ihr einziger
Begünstigter ist. Auch dies führt nicht dazu, dass sein Vermögen mit dem
Vermögen der Stiftung verschmilzt, so dass seine Zuwendung an die Stiftung
als Zuwendung an sich selbst erschiene. Bei einer nach § 80 BGB
rechtsfähigen Stiftung ist das Vermögen kraft ihrer rechtlichen
Selbständigkeit vom Vermögen der Begünstigten getrennt. Dies unterscheidet
die Klägerin auch von der nach liechtensteinischem Recht errichteten
Stiftung, wie sie der BFH-Entscheidung vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE
217, 254, BStBl II 2007, 669) zugrunde lag, bei der dem Zuwendenden aufgrund
von Treuhandabreden umfassende Herrschaftsbefugnisse über das
Stiftungsvermögen zustanden, so dass letztlich er allein rechtlich und
tatsächlich frei darüber verfügen konnte. Im Streitfall bestehen dafür nach
den Feststellungen des FG jedoch keine Anhaltspunkte.
15
Bei der Zuwendung an eine Stiftung kann es
sich um eine unter § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG fallende - bei einer
Familienstiftung steuersatzprivilegierte (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG) -
Erstausstattung der Stiftung oder - wie im Streitfall - um eine freigebige
Zuwendung unter Lebenden an die bereits bestehende Stiftung gemäß § 7 Abs. 1
Nr. 1 ErbStG ("Zustiftung") handeln. Die Auffassung der Klägerin, die
Zustiftung sei im Gegensatz zur Erstausstattung nicht steuerbar, wenn der
Zuwendende zugleich alleiniger Begünstigter der Stiftung ist, ist mit der
rechtlichen Selbständigkeit der Stiftung nicht vereinbar. Diese
wirtschaftliche Sichtweise hätte auch zur Konsequenz, dass unter Missachtung
des Zuwachses zum Stiftungsvermögen stets eine Zuwendung des Stifters direkt
an die Destinatäre anzunehmen wäre (dagegen schon Urteil des
Reichsfinanzhofs - RFH - vom 28. Juli 1920 II A 132/20, RFHE 3, 221). Der
Gesetzgeber hat zudem § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG nur deshalb als eigenständigen
Schenkungsteuertatbestand geschaffen, weil damals nicht geklärt schien, ob
die Zuwendung an eine erst noch zu errichtende Stiftung begrifflich eine
Schenkung sein könne (vgl. Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 1927,
§ 3 Rz 185). Die Voraussetzungen der Steuerbarkeit sind bei beiden
Vorschriften dieselben.
16
Die Schenkungsteuerbarkeit wird schließlich
nicht durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in Frage gestellt.
Sollte das Vormundschaftsgericht seine Zustimmung zu der Verfügung unter dem
wirtschaftlichen Gesichtspunkt erteilt haben, dass der Begünstigte damit
auch seinen persönlichen Interessen dienen wollte, wäre dies
schenkungsteuerrechtlich ohne Bedeutung.
17
bb) Die Zuwendung an die Klägerin erfolgte
auch unentgeltlich, da sie weder synallagmatisch noch konditional oder
kausal mit einer - gleichwertigen - Gegenleistung verknüpft war.
18
Der Begünstigte hat durch die Zuwendung
keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückfluss des zugewendeten Betrags
erhalten.
19
Der Erhalt des Hofs als Wohnsitz und
Lebensmittelpunkt ist nicht als kausale Gegenleistung anzusehen. Eine solche
kausale Abhängigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, wenn die
Bewirkung der erstrebten Gegenleistung Geschäftsgrundlage für die eigene
Leistung ist. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Parteiwillen: Je
mehr die Zweckerreichung dem Interesse des Zuwendenden oder eines Dritten
dient, desto näher liegt die Annahme einer kausalen Verknüpfung; je mehr die
Zweckerreichung dem Interesse des Bedachten dient, desto näher liegt die
Annahme einer Schenkung (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2007 II R 5/04, BFHE
215, 540, BStBl II 2007, 472, unter II.5., zur Abgrenzung zwischen
Zweckschenkung und Schenkung mit kausaler Gegenleistung). Nach diesen
Kriterien scheidet im Streitfall eine kausale Verknüpfung aus. Der
Fortbestand des zum Stiftungsvermögen gehörenden defizitären Hofs lag in
erster Linie im Interesse der Klägerin selbst, denn nur durch Bereitstellen
dieses Wohnsitzes konnte sie ihren Zweck erfüllen. Der Begünstigte hat zudem
das Stiftungskapital gestärkt, obwohl auch andere Möglichkeiten zum Erhalt
des Hofs als Wohnsitz und Lebensmittelpunkt bestanden haben, wie z.B. ein
Darlehen direkt an die KG oder die Aufgabe des verlustbringenden Betriebs.
20
b) Die Vorentscheidung lässt auch keinen
Rechtsfehler zur subjektiven Seite des Schenkungsteuertatbestands erkennen.
Der Wille zur Freigebigkeit ist dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem
Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu
sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen,
konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige)
Gegenleistung zu erhalten. Für die zutreffende - ggf. irrtumsausschließende
- Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit
genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt "nach
Laienart" zutreffend erfasst ("Parallelwertung in der Laiensphäre"); eine
exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 29.
Oktober 1997 II R 60/94, BFHE 183, 253, BStBl II 1997, 832). Da eine den
objektiven Schenkungsteuertatbestand erfüllende Zuwendung im Verhältnis
zwischen Zuwendendem und Stiftung vorliegt, der keine (kausale)
Gegenleistung der Bedachten gegenübersteht, war es für den Willen zur
Freigebigkeit erforderlich aber auch ausreichend, dass der Zuwendende eine
Vermögensmehrung der Stiftung zu seinen Lasten gewollt hat.
21
2. Die Verpflichtung zur satzungsmäßigen
Verwendung des zugewendeten Kapitals mindert die Bereicherung der Klägerin
nicht, wobei auf sich beruhen kann, ob darin schon keine Auflage zu sehen
ist, weil sie sich aus der Stiftungssatzung und nicht aus der Zuwendung
selbst ergibt (so: RFH-Urteil vom 12. Mai 1931 Ie A 164/30, RStBl 1931,
539), oder ihr Abzug durch § 10 Abs. 9 ErbStG ausgeschlossen wird, weil die
Auflage der Klägerin selbst zugute kommt, indem sie die Zuwendung für eigene
satzungsmäßige Zwecke verwendet (so: BFH-Urteil vom 16. Januar 2002 II R
82/99, BFHE 197, 269, BStBl II 2002, 303).
|