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BFH-Urteil vom 11.11.2009 (I R 84/08) BStBl. 2010 II S. 390
Nichtrückkehrtage bei Anwendung der Grenzgängerregelung in Art. 13 Abs. 5
DBA-Frankreich
1.
Bei einer Beschäftigung in der Grenzzone während des ganzen Kalenderjahres
geht die Grenzgängereigenschaft nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich nur dann
verloren, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 45 Arbeitstagen
(Nichtrückkehrtagen) entweder nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder ganztägig
außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist (Bestätigung des
BMF-Schreibens vom 3. April 2006, BStBl I 2006, 304 Tz.B.2).
2.
Eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone führen zu Nichtrückkehrtagen,
wenn der Arbeitnehmer an diesen Tagen nicht zugleich innerhalb der Grenzzone
gearbeitet hat; bloße Transferreisen innerhalb der Grenzzone sind insoweit
unbeachtlich (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 25. November 2002
I B 136/02, BFHE 201, 119, BStBl II 2005, 375). Dies gilt in gleicher Weise
für Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone.
3.
Hinreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone zählen nur
dann zu den Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer nicht vor der Abreise
zwischen seinem Wohnsitz und dem Arbeitsort in der Grenzzone gependelt ist.
4.
Entfällt eine mehrtägige Dienstreise außerhalb der Grenzzone auf Wochenenden
oder Feiertage, so liegen keine Nichtrückkehrtage vor, wenn die Arbeit an
diesen Tagen weder vertraglich vereinbart ist noch vom Arbeitnehmer
tatsächlich ausgeübt wird (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 3. April 2006,
BStBl I 2006, 304 Tz.B.4); die Reisetätigkeit ist insoweit nicht als
Arbeitstätigkeit anzusehen.
5.
Krankheitstage während einer mehrtägigen Dienstreise führen nicht zu
Nichtrückkehrtagen. Ein Nichtrückkehrtag liegt dagegen vor, wenn der
Arbeitnehmer während der Dienstreise infolge höherer Gewalt (hier:
"Taifunwarnung") daran gehindert ist, seine vertraglich vereinbarte
Arbeitsleistung zu erbringen.
DBA-Frankreich Art. 13 Abs. 1 Satz 1,
Art. 13 Abs. 5; EStG 1997 § 1 Abs. 4, § 38, § 42d Abs. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 4.
Vorinstanz: FG des Saarlandes vom
12. August 2008 2 K 2024/03 (EFG 2008, 1686)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist die Anwendung
der Grenzgängerregelung des Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der
Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem
Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern
und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398) i.d.F. vom
28. September 1989 (BGBl II 1990, 772) - DBA-Frankreich - auf einen in
Frankreich ansässigen und in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)
beschäftigten Arbeitnehmer.
2
Der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1997 bis 2000
Arbeitnehmer bei der K-GmbH in I und wurde u.a. im Außendienst eingesetzt.
Der Wohnsitz des Klägers befindet sich seit 1. Januar 1997 in Frankreich.
3
Der Kläger unternahm in 1997
an 85 Tagen, in 1998 an 86 Tagen, in 1999 an 73 Tagen und in 2000 an
64 Tagen Dienstreisen außerhalb des Grenzgebietes. Die Abwesenheitstage
setzten sich wie folgt zusammen:
4
5
Die K-GmbH leitete daraus
ab, dass als relevante Nichtrückkehrtage jeweils 26 (1997 und 1998) und 19
(1999 und 2000) Tage anzusetzen seien. Der Kläger wurde daher von der K-GmbH
in den Streitjahren als Grenzgänger i.S. des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich
angesehen; der Arbeitslohn des Klägers wurde nicht dem Lohnsteuerabzug
unterworfen.
6
Im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung bei der K-GmbH forderte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vom Kläger für die Streitjahre
Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 193.487 DM nach.
Er ging hierbei davon aus, dass der Kläger in den Streitjahren an jeweils
mehr als 45 Tagen Dienstreisen außerhalb des Grenzgebietes von mehr als
zwölf Stunden durchgeführt habe und daher nicht als Grenzgänger i.S. des
Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich anzusehen sei. Dazu zählte er die Hin- und
Rückreisetage (bei mehrtägigen Dienstreisen) und die Nichtarbeitstage
("Taifunwarnung") generell als Nichtrückkehrtage; auch die Krankheitstage
seien im Streitfall als Nichtrückkehrtage zu werten, da der Kläger nicht
ausreichend nachgewiesen habe, dass er tatsächlich wegen Erkrankung
arbeitsunfähig gewesen sei.
7
Der hiergegen erhobenen
Klage gab das Finanzgericht (FG) des Saarlandes mit Urteil vom 12. August
2008 2 K 2024/03, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2008, 1686, statt.
8
Mit der Revision rügt das FA
die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
9
Der Kläger beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
10
Dem Revisionsverfahren ist
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beigetreten (§ 122 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das BMF hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
11
Die Revision ist für die Streitjahre 1998
und 1999 begründet; das Urteil des FG ist insoweit aufzuheben und die Klage
abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Im Übrigen ist die Revision
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht
entschieden, dass der Kläger in den Streitjahren 1997 und 2000 als
Grenzgänger i.S. des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich mit seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit in Frankreich zu besteuern und die Nachforderung
von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag insoweit rechtswidrig ist. Für die
Streitjahre 1998 und 1999 hat das FG zu Unrecht die Grenzgängereigenschaft
des Klägers angenommen; der Nachforderungsbescheid des FA ist insoweit
rechtmäßig.
12
1. Der Kläger war in den Streitjahren gemäß
§ 1 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) beschränkt
steuerpflichtig; er unterlag gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1997 mit den in
den Streitjahren erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der
Einkommensteuer. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger in den Streitjahren einen Wohnsitz in
Frankreich und übte seine Arbeit im Inland aus.
13
2. Die Ausübung des hiernach bestehenden
Besteuerungsrechts war aber in den Streitjahren 1997 und 2000 durch Art. 13
Abs. 5 DBA-Frankreich eingeschränkt. In den Streitjahren 1998 und 1999
können die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit für die
K-GmbH dagegen nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich nur in Deutschland
als dem Tätigkeitsstaat besteuert werden.
14
a) Nach Art. 13 Abs. 5 Buchst. a
DBA-Frankreich können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Personen,
die im Grenzgebiet eines Vertragsstaates arbeiten und ihre ständige
Wohnstätte, zu der sie in der Regel jeden Tag zurückkehren, im Grenzgebiet
des anderen Vertragsstaates haben, abweichend von Art. 13 Abs. 1
DBA-Frankreich nur in diesem anderen Staat besteuert werden. Das Grenzgebiet
umfasst nach Art. 13 Abs. 5 Buchst. b DBA-Frankreich die Gemeinden, deren
Gebiet ganz oder teilweise höchstens 20 km von der Grenze entfernt liegt;
die Grenzgängerregelung ist auch für alle Personen anwendbar, die ihre
ständige Wohnstätte in den französischen Grenzdepartements haben und in
deutschen Gemeinden arbeiten, deren Gebiet ganz oder teilweise höchstens
30 km von der Grenze entfernt liegt (Art. 13 Abs. 5 Buchst. c
DBA-Frankreich). Der Kläger hatte nach den Feststellungen des FG seine
ständige Wohnstätte in einem französischen Grenzdepartement (vgl.
BMF-Schreiben vom 11. Juni 1996, BStBl I 1996, 645) und war im Grenzgebiet
in Deutschland beschäftigt.
15
b) Ein Arbeitnehmer verliert die
Grenzgängereigenschaft nicht bereits dadurch, dass er nicht täglich von
seinem Arbeitsort im Grenzgebiet an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Die
Nichtrückkehr des Arbeitnehmers an einem Arbeitstag ist insoweit
unschädlich, wenn die Summe der Arbeitstage, an denen es an einer solchen
Rückkehr fehlt, eine Höchstgrenze nicht überschreitet. Zur Festlegung der
Höchstgrenze für diese sog. Nichtrückkehrtage kann auf die
Verständigungsvereinbarungen zwischen den Vertragsparteien zur Anwendung der
Grenzgängerregelung zurückgegriffen werden (Senatsbeschluss vom 25. November
2002 I B 136/02, BFHE 201, 119, BStBl II 2005, 375). Danach geht die
Grenzgängereigenschaft - bei einer Beschäftigung in der Grenzzone während
des ganzen Kalenderjahres - nur dann verloren, wenn der Arbeitnehmer an mehr
als 45 Arbeitstagen entweder nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder außerhalb
der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist (BMF-Schreiben vom 3. April
2006, BStBl I 2006, 304 Tz.B.2; vgl. bereits BMF-Schreiben vom 20. Februar
1980, BStBl I 1980, 88).
16
c) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger
durch seine Dienstreisen außerhalb der Grenzzone in den Streitjahren 1998
und 1999 die Höchstgrenze von 45 Nichtrückkehrtagen überschritten; in den
Streitjahren 1997 und 2000 liegen dagegen nicht mehr als
45 Nichtrückkehrtage des Klägers vor.
17
aa) Entgegen der Auffassung des FG sind die
Tage mit eintägigen Dienstreisen des Klägers außerhalb der Grenzzone als
Nichtrückkehrtage anzusetzen.
18
Eintägige Dienstreisen führen - aufgrund
der Rückkehr des Arbeitnehmers an den Wohnsitz - nur dann zu
Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb der
Grenzzone ausübt. Hierbei kommt es für die Annahme eines Nichtrückkehrtages
nicht darauf an, in welchem stundenweisen Umfang der Arbeitnehmer sich dort
aufhält; als Nichtrückkehrtage sind nur diejenigen Dienstreisetage zu
berücksichtigen, an denen der Arbeitnehmer den ganzen Tag außerhalb der
Grenzzone tätig geworden ist (Senatsbeschluss in BFHE 201, 119, BStBl II
2005, 375; Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 15 Rz 153; Gosch,
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung 2003,
158, 159; Herlinghaus, EFG 2004, 1062, 1063; anderer Ansicht Kramer in
Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Frankreich Art. 13 Rz 58;
Vogelgesang in Gosch/ Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 13 DBA-Frankreich Rz 27).
Durch das Erfordernis der ganztägigen Tätigkeit außerhalb der Grenzzone
werden praktische Probleme bei der Nachweisbarkeit der stundenweisen
Außentätigkeit vermieden (Senatsbeschluss in BFHE 201, 119, BStBl II 2005,
375).
19
Entgegen der Auffassung des FG kommt es für
die Annahme eines Nichtrückkehrtages nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer
sich den ganzen Tag außerhalb der Grenzzone aufgehalten hat (anderer Ansicht
FG des Saarlandes, Urteil vom 29. April 2004 2 K 305/00, EFG 2004, 1060;
Kamphaus/Büscher in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 15 OECD-MA
Rz 278; Jahn, Praxis Internationale Steuerberatung - PISTB - 2003, 144,
145). Maßgeblich hierfür ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer seine Arbeit im
Rahmen einer eintägigen Dienstreise ausschließlich außerhalb der Grenzzone
ausübt. Ein Nichtrückkehrtag wird damit bereits durch kurzzeitige
Tätigkeiten des Arbeitnehmers innerhalb der Grenzzone ausgeschlossen
(Burmeister, Internationale Wirtschafts-Briefe - IWB - Fach 5 Gruppe 2,
1447, 1449; Hartmann, Die Information für Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer - INF - 2006, 705, 706). Die mit der eintägigen
Dienstreise verbundene Reisetätigkeit innerhalb der Grenzzone steht der
Annahme eines Nichtrückkehrtages nicht entgegen, da sie nicht zu einer
Tätigkeit in der Grenzzone führt, sondern - als bloßer Transfer - der
Tätigkeit des Arbeitnehmers außerhalb der Grenzzone zuzuordnen ist (anderer
Ansicht Jundt, PISTB 2007, 148, 149). Dieses Verständnis entspricht auch der
Vertragspraxis, wie sie in der Verständigungsvereinbarung der
Vertragsparteien vom 16. Februar 2006 zum Ausdruck kommt (BMF-Schreiben in
BStBl I 2006, 304 Tz.B.8.3). Soweit der Senat in seinem Beschluss in BFHE
201, 119, BStBl II 2005, 375 eine andere Auffassung vertreten hat, hält er
hieran nicht mehr fest.
20
Der Kläger war nach den Feststellungen des
FG während der eintägigen Dienstreisen jeweils den ganzen Arbeitstag
außerhalb der Grenzzone tätig. Diese Tage sind deshalb für die
Grenzgängereigenschaft des Klägers schädlich.
21
bb) Das FG hat die Tage, an denen der
Kläger sich von seinem Wohnsitz aus zu einer mehrtägigen Dienstreise
außerhalb der Grenzzone begeben hat (Hinreisetage), nicht als
Nichtrückkehrtage angesehen. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als der
Kläger vor der Abreise zwischen seinem Wohnsitz und dem Arbeitsort in der
Grenzzone "gependelt" ist.
22
Bloße Hinreisetage sind bereits aufgrund
der fehlenden Rückkehr des Arbeitnehmers an den Wohnsitz als
Nichtrückkehrtage zu werten; im Gegensatz zu eintägigen Dienstreisen
außerhalb der Grenzzone kommt es damit für die Annahme eines
Nichtrückkehrtages nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer den ganzen
Arbeitstag außerhalb der Grenzzone tätig geworden ist (Hartmann, INF 2006,
705, 706; Kramer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Frankreich Art. 13 Rz 59;
anderer Ansicht Kessler/Sinz/ Achilles-Pujol, DBA-Kommentar
Deutschland/Frankreich, Art. 13 Tz. V; Sinz/Blanchard, Internationales
Steuerrecht - IStR - 2003, 258, 261). Hat der Arbeitnehmer jedoch am
Hinreisetag zunächst an seiner Arbeitsstätte in der Grenzzone dienstliche
Tätigkeiten verrichtet und ist er erst nach der Rückkehr an den Wohnsitz zur
Dienstreise in den Drittstaat aufgebrochen, so liegt kein Nichtrückkehrtag
vor. Denn in diesem Fall fehlt es weder an der Arbeitstätigkeit in der
Grenzzone noch an der Rückkehr an den Wohnsitz; vielmehr ist dann das für
die Grenzgängereigenschaft wesentliche Merkmal der - regelmäßigen -
arbeitstäglichen zweimaligen Grenzüberschreitung erfüllt (vgl. zur
Grenzgängerregelung in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 Senatsbeschluss vom
16. März 1994 I B 186/93, BFHE 174, 338, BStBl II 1994, 696, m.w.N.).
23
Die in der Verständigungsvereinbarung vom
16. Februar 2006 enthaltene Regelung, dass bei mehrtägigen Dienstreisen die
Tage der Hinreise stets zu den Nichtrückkehrtagen zählen (BMF-Schreiben in
BStBl II 2006, 304 Tz.B.6), rechtfertigt keine hiervon abweichende
Auslegung. Denn sie steht für den Fall der vorherigen zweimaligen
Grenzüberschreitung im Widerspruch zu der - vom Senat für die Auslegung des
Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich herangezogenen (vgl. unter II.2.b) -
Bestimmung der Verständigungsvereinbarung, dass ein schädlicher
Nichtrückkehrtag nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Wohnsitz
zurückkehrt oder an einem ganzen Arbeitstag außerhalb der Grenzzone
beschäftigt ist (BMF-Schreiben in BStBl II 2006, 304 Tz.B.2).
24
cc) Der Senat teilt nicht die Auffassung
des FG, dass die Tage, an denen der Kläger von einer mehrtägigen Dienstreise
außerhalb der Grenzzone an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist
(Rückreisetage), nicht als Nichtrückkehrtage zu berücksichtigen sind (ebenso
Kramer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Frankreich Art. 13 Rz 59; anderer
Ansicht Sinz/Blanchard, IStR 2003, 258, 261). Rückreisetage gehören - ebenso
wie eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone - nur dann nicht zu den
Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an die Dienstreise in
der Grenzzone seine Arbeit ausgeübt hat; die bloße Reisetätigkeit in der
Grenzzone steht der Annahme eines Nichtrückkehrtages nicht entgegen
(Kessler/Sinz/Achilles-Pujol, a.a.O., Art. 13 Tz. V). Die in der
Verständigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006 enthaltene Regelung, dass
bei mehrtägigen Dienstreisen die Tage der Rückreise stets zu den
Nichtrückkehrtagen zählen (BMF-Schreiben in BStBl II 2006, 304 Tz.B.6),
steht dieser Auslegung nicht entgegen, da es in diesem Fall der
Arbeitsausübung in der Grenzzone am Rückreisetag an den Voraussetzungen für
die Annahme eines Nichtrückkehrtages - entweder Nichtrückkehr zum Wohnsitz
oder ganztägige Tätigkeit außerhalb der Grenzzone - fehlt (vgl. unter
II.2.c bb).
25
Der Kläger ist nach den Feststellungen des
FG an den Rückkehrtagen ohne weitere Arbeitstätigkeit in der Grenzzone an
seinen Wohnsitz zurückgekehrt.
26
dd) Das FG hat zutreffend insoweit keine
Nichtrückkehrtage angenommen, als die Dienstreisetage auf Samstage, Sonn-
und Feiertage entfallen sind.
27
Als Nichtrückkehrtage kommen nur die
Arbeitstage des Arbeitnehmers in Betracht. Da das Abkommen in Art. 13 Abs. 5
DBA-Frankreich keine Regelung zum Begriff des Arbeitstages enthält, kann zu
dessen Bestimmung die Verständigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006
herangezogen werden (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 201, 119, BStBl II 2005,
375). Zu den Arbeitstagen gehören danach die vertraglich vereinbarten
Arbeitstage sowie alle weiteren Tage, an denen der Arbeitnehmer seine
Tätigkeit ausübt (BMF-Schreiben in BStBl II 2006, 304 Tz.B.4; anderer
Ansicht Kamphaus/Büscher in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 15 OECD-MA
Rz 277: nur vertraglich vereinbarte Arbeitstage). Samstage, Sonntage und
gesetzliche Feiertage sind damit - ebenso wie Urlaubstage - keine
Arbeitstage, wenn der Arbeitnehmer an diesen Tagen keine dienstlichen
Tätigkeiten verrichtet (FG des Saarlandes, Urteil vom 2. Oktober 1996
1 K 207/95, EFG 1997, 19; Kramer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Frankreich
Art. 13 Rz 59; Vogelgesang in Gosch/ Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 15
OECD-MA Rz 293; Burmeister, IWB Fach 5 Gruppe 2, 1447, 1450; Hartmann, INF
2006, 705).
28
Der Kläger hat nach den Feststellungen des
FG an den Samstagen, Sonntagen und Feiertagen während mehrtägiger
Dienstreisen weder gearbeitet, noch war er an diesen Tagen vertraglich zur
Arbeitsleistung verpflichtet. Dies gilt auch insoweit, als er die
Wochenenden zur Hin- und Rückreise genutzt hat. Denn die bloße
Reisetätigkeit ist nach dem Regelungszusammenhang der
Verständigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006, wie er insbesondere in
Tz.B.8.3 des BMF-Schreibens in BStBl II 2006, 304 zum Ausdruck kommt (vgl.
unter II.2.c aa), nicht als Arbeitstätigkeit anzusehen (Hartmann, INF 2006,
705).
29
ee) Das FG hat ferner zu Recht die vom
Kläger geltend gemachten Krankheitstage nicht zu den Nichtrückkehrtagen
gezählt.
30
Krankheitstage führen nicht zu
Nichtrückkehrtagen, da sie die Eingliederung des Arbeitnehmers in die
Arbeitsorganisation des Tätigkeitsstaates und in die Lebenswelt des
Wohnsitzstaates nicht beeinträchtigen (Senatsbeschluss in BFHE 174, 338,
BStBl II 1994, 696; Tz.B.4 des BMF-Schreibens in BStBl II 2006, 304; Kramer
in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Frankreich Art. 13 Rz 59; Züger in
Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der
Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, S. 177, 193; Vogelgesang in
Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 15 OECD-MA Rz 293; Kamphaus/Büscher in
Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 15 OECD-MA Rz 277; Prokisch in
Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 15 Rz 153). Dies gilt auch insoweit, als die
Krankheitstage auf Hin- und Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen
entfallen.
31
Die vom FG anhand der vorgelegten
ärztlichen Bescheinigungen vorgenommene Beurteilung, dass der Kläger an den
angegebenen Tagen tatsächlich krank gewesen sei, ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden; sie verstößt weder - mangels entsprechender Rügen des
FA - gegen die Verfahrensordnung noch gegen Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze (vgl. allgemein Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung,
6. Aufl., § 118 Rz 30, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des FA kommt es
nicht darauf an, ob der Kläger gegen seine Mitwirkungspflichten aus § 90
Abs. 2 der Abgabenordnung i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO verstoßen hat. Denn
ein solcher Verstoß könnte allenfalls zu einer Einschränkung der
Sachaufklärungspflicht des FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO führen (Beschluss
des Bundesfinanzhofs vom 6. Mai 2005 XI B 239/03, BFH/NV 2005, 1605).
32
ff) Entgegen der Auffassung des FG gehören
die Dienstreisetage, an denen der Kläger infolge der Taifunwarnung nicht
gearbeitet hat, zu den für die Grenzgängereigenschaft schädlichen
Nichtrückkehrtagen. Im Gegensatz zu Urlaubs- und Krankheitstagen handelt es
sich bei diesen Tagen um Arbeitstage des Klägers. Denn der Kläger war an
diesen Tagen vertraglich zur Arbeit verpflichtet. Dem steht nicht entgegen,
dass er seine Arbeitsleistung wegen höherer Gewalt nicht erbringen konnte.
Entscheidend ist allein, dass sich der Kläger an den betreffenden Tagen aus
beruflichen Gründen außerhalb der Grenzzone aufhielt.
33
gg) Ausgehend von den Feststellungen des FG
zu den Dienstreisen des Klägers ergibt sich danach folgende Berechnung der
Nichtrückkehrtage (NRT):
34
35
3. Das FG hat damit im Ergebnis für die
Streitjahre 1997 und 2000 zutreffend angenommen, dass die Einkünfte des
Klägers aus der nichtselbständigen Tätigkeit bei der K-GmbH nach Art. 13
Abs. 5 DBA-Frankreich nur in Frankreich besteuert werden können. Der
Nachforderungsbescheid des FA ist daher insoweit rechtswidrig.
36
Für die Streitjahre 1998 und 1999 ist das
FG dagegen von einer anderen rechtlichen Beurteilung der
abkommensrechtlichen Zuordnung des Besteuerungsrechts ausgegangen. Das
Urteil des FG ist daher insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die
Sache ist spruchreif. Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte des Klägers
aus der Tätigkeit für die K-GmbH steht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1
DBA-Frankreich für die Streitjahre 1998 und 1999 Deutschland zu. Der
Nachforderungsbescheid des FA ist insoweit rechtmäßig. Die entsprechenden
Einkünfte des Klägers unterliegen gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997
der Lohnsteuer. Die Inanspruchnahme des Klägers als Schuldner der Lohnsteuer
(§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997) wird nicht durch eine mögliche Haftung der
K-GmbH für die Lohnsteuer nach § 42d EStG 1997 ausgeschlossen. Denn nach
§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG 1997 kann der Arbeitnehmer im Rahmen der
daraus folgenden Gesamtschuldnerschaft (vgl. § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG 1997)
jedenfalls dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitgeber - wie im
Streitfall die K-GmbH - die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten
hat. Die Inanspruchnahme des Klägers ist schließlich auch nicht
ermessensfehlerhaft; dies ergibt sich aus den Ermessenserwägungen in der
Einspruchsentscheidung des FA, dass die Lohnsteuer beim Kläger ohne größeren
Aufwand nachgefordert werden könne (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 1990
I R 157/87, BFHE 161, 117, BStBl II 1992, 43, unter II.2.b) und der Kläger
die Möglichkeit habe, ein Verständigungsverfahren zur Erstattung der in
Frankreich bezahlten Steuer einzuleiten.
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