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BFH-Urteil vom 18.11.2009 (X R 34/07)
BStBl.
2010 II S. 414
Beschränkte Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen verfassungsgemäß -
Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags
1. Im zeitlichen Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes geleistete
Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen sind als Sonderausgaben
nur beschränkt abziehbar (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 1. Februar
2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420). Hiergegen bestehen
keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Der im Jahr 2005 im Fall der Zusammenveranlagung zu berücksichtigende
Grundfreibetrag ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
EStG 2005 § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a,
Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 4a, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa, § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5; GG Art. 1 Abs. 1,
Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 28. August 2007 15 K 30254/06
Sachverhalt
A.
1
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr
2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie leisteten in diesem
Jahr Beiträge zu Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) von
insgesamt 4.760 €. Daneben entrichtete der im Jahr 1973 geborene Kläger
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 3.733 € und sein
Arbeitgeber solche in gleicher Höhe. Diese führten zu einem nach § 10 Abs. 3
EStG abziehbaren Betrag von 747 €. Im Rahmen der Günstigerprüfung (§ 10
Abs. 4a EStG) berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA -) die insgesamt geleisteten Vorsorgeaufwendungen der Kläger
in dem Einkommensteuerbescheid 2005 vom 13. April 2006 mit 4.013 €.
2
Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger Sprungklage, der das FA zustimmte.
Sie beantragten, die vom Kläger geleisteten Rentenversicherungsbeiträge als
vorweggenommene Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG
zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der Rentenversicherungsbeiträge als
vorweggenommene Werbungskosten folge aus der Systemumstellung durch das
Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) - AltEinkG -.
Danach werde die Rückzahlung von zuvor eingezahltem Kapital nachgelagert im
Zeitpunkt der Rentenzuflüsse versteuert. Rechtssystematisch müsse daher die
Einzahlung des Kapitals in voller Höhe steuermindernd geltend gemacht werden
können, um das objektive Nettoprinzip zu gewährleisten.
3
Eine bloße (nur in begrenztem Umfang mögliche) Abziehbarkeit dieser
Aufwendungen als Sonderausgaben scheide aus. Der Einleitungssatz des § 10
Abs. 1 EStG ordne ausdrücklich den Vorrang des Werbungskosten- oder
Betriebsausgabenabzugs vor dem Sonderausgabenabzug an. Zu Unrecht habe der
Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05 (BFHE
212, 242, BStBl II 2006, 420) den speziellen Vorrang des
Sonderausgabenabzugs für Vorsorgeaufwendungen aus § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG
hergeleitet. Diese Auslegung stehe im Widerspruch zum objektiven
Nettoprinzip, das die uneingeschränkte Abziehbarkeit der durch die
Einkunftserzielung veranlassten Aufwendungen fordere und nicht zur
Disposition des Gesetzgebers oder der Gerichte stehe. Mit der Haushaltslage
lasse sich die Regelung nicht rechtfertigen. Zugleich sei das Gebot der
Folgerichtigkeit verletzt. Nicht folgerichtig sei, dass auf Grund der
Übergangsregelung gemäß § 10 Abs. 3 EStG im Streitjahr lediglich 60 % der
Beiträge abziehbar seien, der zu erwartende Besteuerungsanteil der
Renteneinnahmen aber diesen Prozentsatz übersteige. Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Rentenurteil vom 6. März
2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) ausdrücklich auf das Gebot der
Folgerichtigkeit und das Verbot der Doppelbesteuerung hingewiesen. Die von
ihm eingeführte Günstigerprüfung zeige, dass der Gesetzgeber das Verbot der
Doppelbesteuerung nicht einhalten könne. Zudem lasse er im Streitjahr gemäß
§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG nur einen Ansatz von 60 % der
Altersvorsorgeaufwendungen zu, ordne aber zugleich eine Kürzung dieses
Betrags um den vollen Arbeitgeberanteil an. Hierdurch werde die
Abziehbarkeit des tatsächlich geleisteten Arbeitnehmerbeitrags nochmals
reduziert.
4
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Ob Vorsorgeaufwendungen ab dem
Jahr 2005 ihrer Rechtsnatur nach Werbungskosten seien, könne dahinstehen.
Jedenfalls habe der Gesetzgeber diese Aufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5
EStG mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugewiesen. Die
gesetzliche Zuweisung zu den Sonderausgaben und die lediglich beschränkte
Abziehbarkeit seien nicht verfassungswidrig.
5
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des materiellen Rechts. Sie
machen weiterhin geltend, die vom Kläger geleisteten
Rentenversicherungsbeiträge seien in vollem Umfang steuermindernd zu
berücksichtigen. Hilfsweise sei ein höherer Grundfreibetrag anzusetzen.
6
Die Rentenversicherungsbeiträge seien als vorweggenommene Werbungskosten zu
behandeln. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG
Rentenversicherungsbeiträge konstitutiv den Sonderausgaben zuordne, erzwinge
das subjektive Nettoprinzip die vollständige Abziehbarkeit. Der Kläger werde
durch die Beiträge zwangsweise belastet. In diesem Umfang stünden ihm seine
Einkünfte nicht zur Einkommensverwendung zur Verfügung. Die gegenteilige
Ansicht des erkennenden Senats in seinem Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl
II 2006, 420 stehe im Widerspruch zum Vorlagebeschluss dieses Senats zur
vollen Abziehbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen vom 14. Dezember 2005
X R 20/04 (BFHE 211, 350, BStBl II 2006, 312). Ebenso wie im Rahmen der
Berechnung der Einkünfte und Bezüge i.S. des § 32 EStG (BVerfG-Beschluss vom
11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, und BFH-Urteil vom
14. Dezember 2006 III R 24/06, BFHE 216, 225, BStBl II 2007, 530) müssten
auch im Streitfall die Rentenversicherungsbeiträge in vollem Umfang
abziehbar sein.
7
Nicht zulässig sei es, die Kläger darauf zu verweisen, sie könnten im Rahmen
der Besteuerung der zufließenden Renteneinnahmen Rechtsschutz erlangen. Dies
widerspreche dem nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) garantierten
Gebot zeitnahen Rechtsschutzes.
8
Hilfsweise sei ein höherer Grundfreibetrag zu berücksichtigen.
9
Durch geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 vom 12. November 2009 hat das
FA die Steuerfestsetzung wegen der Höhe der abziehbaren
Altersvorsorgeaufwendungen und wegen des Grundfreibetrags gemäß § 165 Abs. 1
Satz 2 der Abgabenordnung für vorläufig erklärt.
10
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2005 vom 12. November 2009 dahingehend zu ändern,
dass anstelle des im Wege der Günstigerprüfung berücksichtigten Betrags von
4.013 € die Vorsorgeaufwendungen wie folgt angesetzt werden:
a) die geleisteten Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung von 3.733 €
entweder als Werbungskosten oder als in vollem Umfang abziehbare
Sonderausgaben,
b) die sonstigen Vorsorgeaufwendungen mit den gesetzlichen Höchstbeträgen
von 3.900 €.
Hilfsweise sei der Grundfreibetrag mit einem um 3.620 € höheren Betrag
anzusetzen.
11
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B.
12
Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da
der während des Revisionsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom
12. November 2009 an die Stelle der Einkommensteuerfestsetzung vom 13. April
2006 getreten ist. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender
Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch dieses Urteil keinen Bestand
haben kann (Senatsurteil vom 26. November 2008 X R 31/07, BFHE 223, 471,
BStBl II 2009, 651).
13
Der Bescheid vom 12. November 2009 wurde nach § 68 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da die vom
FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die
Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts unberührt geblieben sind,
(Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 127 Rz 2, m.w.N. aus der
Rechtsprechung), bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127
FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem
Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen
Feststellungen nicht weggefallen sind. Sie bilden daher nach wie vor die
Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003
IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).
14
Der Senat entscheidet in der Sache selbst.
15
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Die Klage wird abgewiesen. Die vom Kläger erbrachten Arbeitnehmerbeiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung sind lediglich in beschränktem Umfang
abziehbare Sonderausgaben. Die sonstigen Vorsorgeaufwendungen sind -
vorbehaltlich der Günstigerprüfung - mit 3.000 € steuerlich zu
berücksichtigen. Der im Streitjahr für die Kläger berücksichtigte
Grundfreibetrag in Höhe von 15.329 € ist verfassungsgemäß.
I.
16
Die Vorschriften zur steuerlichen Berücksichtigung der
Altersvorsorgeaufwendungen in Gestalt des AltEinkG sind sowohl im Hinblick
auf ihre endgültige Ausgestaltung als auch in Bezug auf die getroffene
Übergangsregelung verfassungsmäßig.
17
1. Mit Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420 hatte der erkennende
Senat entschieden, es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass im zeitlichen
Anwendungsbereich des AltEinkG ab dem 1. Januar 2005 geleistete Beiträge zu
den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) als
Sonderausgaben nach näherer Maßgabe der Überleitung in die sog.
nachgelagerte Besteuerung nur beschränkt abziehbar seien. Bei summarischer
Beurteilung bestünden gegen diese gesetzliche Regelung keine durchgreifenden
Bedenken.
18
Dieser Auffassung sind die Finanzgerichte gefolgt (FG Baden-Württemberg,
Urteil vom 30. November 2006 10 K 171/06, nicht veröffentlicht - n.v. -; FG
Nürnberg, Urteil vom 1. August 2007 VII 51/2006, n.v.; FG Köln, Urteil vom
20. Dezember 2006 12 K 2253/06, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG -
2007, 836; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2007 1 K 1665/06,
EFG 2008, 1037; Hessisches FG, Beschluss vom 31. Januar 2007 1 V 3571/06,
n.v.; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Juni 2008 10 V 2450/08,
Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 2008, 628). Dem hat sich die
Finanzverwaltung angeschlossen (Aktualisierung des Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 24. Februar 2005, BStBl I 2005,
429 durch Schreiben vom 30. Januar 2008, BStBl I 2008, 390). Die Literatur
lehnt die Senatsauffassung dagegen überwiegend ab (Schmidt/Drenseck, EStG,
28. Aufl., § 9 Rz 38; Hallerbach, Steuern und Bilanzen - StuB - 2006, 305;
Horlemann, Finanz-Rundschau - FR - 2006, 1075; Schneider/Bahr, Die
Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - INF - 2006, 386; Paus,
FR 2006, 584; Heuermann, Der Betrieb - DB - 2006, 688 für die Zeit nach
Ablauf der Übergangsregelung; dagegen P. Fischer, Neue Wirtschafts-Briefe,
Fach 3, S. 13895; ders. in FR 2007, 76; differenzierend Söhn, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff - KSM -, EStG, § 10 Rz E 272 ff.; Kulosa in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 10 EStG Rz 122 und 335 ff.; Dreher, Das
Alterseinkünftegesetz, 2006, S. 79 ff.).
19
Der erkennende Senat hält auch im Rahmen der abschließenden Prüfung der
Problematik an seiner im Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420
vertretenen Rechtsauffassung fest. Weder die endgültige Regelung der
Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben in § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a EStG in der Begrenzung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG
(unten 2.) noch die den Kläger treffende Übergangsregelung in § 10 Abs. 3
Sätze 4 bis 6 EStG (unten 3.) verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
des Art. 3 GG sowie gegen das objektive und subjektive Nettoprinzip.
20
2. Mit den gesetzlichen Neuregelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG
hat der Gesetzgeber den Vorgaben des BVerfG im Urteil in BVerfGE 105, 73
Rechnung getragen. Das BVerfG hatte die unterschiedliche Besteuerung der
Beamtenpensionen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG in der vor dem AltEinkG
geltenden Fassung einerseits und der Renten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung andererseits teilweise für verfassungswidrig erklärt und
dem Gesetzgeber aufgegeben, die Rechtslage bis zum Jahresbeginn 2005 zu
bereinigen.
21
a) § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG regelt die Abziehbarkeit von Beiträgen
zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und anderer
Altersvorsorgeaufwendungen. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bestimmt: "Zu den
Beiträgen nach Buchstabe a und b ist der nach § 3 Nr. 62 steuerfreie
Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und ein diesem
gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des Arbeitgebers hinzuzurechnen."
Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG sind Vorsorgeaufwendungen nach Abs. 1 Nr. 2
Satz 2 bis zu 20.000 € zu berücksichtigen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten
verdoppelt sich der Höchstbetrag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Höchstbetrag
nach Satz 1 oder 2 ist bei Steuerpflichtigen, die zum Personenkreis des
§ 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG gehören oder Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 4
EStG erzielen und die ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistungen
einen Anspruch auf Altersversorgung erwerben, um den Betrag zu kürzen, der,
bezogen auf die Einnahmen aus der Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zum
genannten Personenkreis begründen, dem Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und
Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen Rentenversicherung entspricht (§ 10
Abs. 3 Satz 3 EStG).
22
Die endgültige Ausgestaltung der steuerlichen Berücksichtigung der
Altersvorsorgeaufwendungen besteht daher aus drei Elementen: der Zuordnung
der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben (unten b), der
Begrenzung des steuerlichen Abzugs der Vorsorgeaufwendungen auf 20.000 €
bzw. im Falle der Zusammenveranlagung auf 40.000 € (unten c) sowie der
Hinzurechnung des nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteils zur
gesetzlichen Rentenversicherung bei der Ermittlung der geleisteten
Vorsorgeaufwendungen (unten d). Alle drei Regelungen sind unter
Berücksichtigung der nachfolgenden verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht
zu beanstanden.
23
Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird
die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach der ständigen Rechtsprechung
des BVerfG vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien
begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen
Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit
(BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 105, 73, 125; vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00,
BVerfGE 110, 412, 433; vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE
107, 27, 46; vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 180, und vom
7. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30). Im Interesse
verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf
abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch
gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in
vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der
Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen abgestuft werden muss (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; vom 16. März 2005 2 BvL 7/00,
BVerfGE 112, 268, 279, jeweils m.w.N.). Dabei muss eine gesetzliche
Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit
umgesetzt werden (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE
116, 164, 180). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung
bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom
30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95; vom 11. November 1998
2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290; in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE 116,
164, 180; BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 126).
24
b) Die gesetzliche Zuweisung der Altersvorsorgeaufwendungen zu den
Sonderausgaben in § 10 EStG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
obwohl die Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach in erster Linie
vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 22
EStG sind.
25
aa) Vorweggenommene Werbungskosten liegen nach der Rechtsprechung des BFH
dann vor, wenn Aufwendungen in einem hinreichend klaren wirtschaftlichen
Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart stehen (BFH-Urteil vom
4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind bei den ab dem Veranlagungszeitraum 2005
geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen gegeben.
26
Der Gesetzgeber hat bei der im AltEinkG verwirklichten Rentenbesteuerung das
Prinzip der "intertemporalen Korrespondenz" zugrunde gelegt. Altersrenten
sind als solche steuerbar. Zu berücksichtigen sind - wenn auch zeitlich
versetzt - alle Aufwendungen und alle Erträge. Im Grundsätzlichen hat sich
der Gesetzgeber damit von dem für die Rentenbesteuerung bis zum
Veranlagungszeitraum 2004 maßgeblichen Versicherungsprinzip und der
Ertragsanteilsbesteuerung (Zinsbesteuerung) gelöst. Dies ist auch
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom 26. November
2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.a bb (1)).
Damit sind Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach
Erwerbsaufwendungen, soweit sie mit künftigen (steuerbaren) Renteneinnahmen
im Zusammenhang stehen.
27
Der Werbungskostencharakter wird demzufolge auch von der ganz überwiegend
vertretenen Rechtsansicht (vgl. z.B. Abschlussbericht der
Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung
von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen -
Sachverständigenkommission -, BMF-Schriftenreihe Bd. 74, S. 21; Söhn, in:
KSM, a.a.O., § 10 Rz E 276 ff.; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 122; Heuermann, DB
2006, 688; Ruland in Festschrift für Selmer 2004, 889, 897; Söhn, Steuer und
Wirtschaft - StuW - 2003, 332; Weber-Grellet, Deutsches Steuerrecht - DStR -
2004, 1721, 1725; a.A. P. Fischer, Betriebs-Berater 2003, 873, 877) bejaht.
28
bb) Der Gesetzgeber hat jedoch durch die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG
getroffene Regelung die Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung
den Sonderausgaben zugeordnet. Er hat für diese Aufwendungen - unabhängig
von ihrer Rechtsnatur - eine Sonderregelung getroffen, die als lex specialis
eine Sperrwirkung gegenüber der generellen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entfaltet.
29
aaa) Der erkennende Senat hat dies in seinem Beschluss in BFHE 212, 242,
BStBl II 2006, 420, unter II.5. unter Hinweis auf den Wortlaut der Norm, den
systematischen Zusammenhang und den Willen des Gesetzgebers, der sich in der
Norm niedergeschlagen hat, ausführlich begründet, so dass zur Vermeidung von
Wiederholungen darauf Bezug genommen wird (zustimmend Dreher, a.a.O.,
S. 105; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 122 a.E.; Söhn, in: KSM, a.a.O., § 10
Rz E 315 f.; ders., FR 2006, 905, 912; a.A. Hallerbach, StuB 2006, 305;
Horlemann, FR 2006, 1075; Paus, FR 2006, 584, und Schneider/Bahr, INF 2006,
386).
30
bbb) Diese Beurteilung ändert sich auch nicht dadurch, dass - was der
angerufene Senat in dem vorstehenden Beschluss noch offengelassen hatte -
die Altersvorsorgeaufwendungen im Wesentlichen den Rechtscharakter von
vorweggenommenen Werbungskosten haben. Zwar ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG
an, dass die in § 10 EStG genannten Aufwendungen dann keine Sonderausgaben
sind, wenn sie Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind oder wie solche
behandelt werden.
31
Im Gegensatz dazu nimmt § 10 Abs. 3 EStG Bezug auf die in § 10 Abs. 1 Nr. 2
EStG genannten Vorsorgeaufwendungen und normiert ausdrücklich ihre
beschränkte Abziehbarkeit als Sonderausgabe.
32
ccc) Um dem in dem Gesetzgebungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck
gekommenen Willen des Gesetzgebers zur Geltung zu verhelfen, ist das
widerstreitende Verhältnis von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG zu § 10 Abs. 1 Nr. 2
i.V.m. Abs. 3 EStG nach dem Grundsatz vom Vorrang der speziellen Norm nur in
der Weise aufzulösen, dass die in § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG enthaltene
spezielle Zuweisung zu den Sonderausgaben dem Einleitungssatz des § 10
Abs. 1 EStG vorgeht. Nur so wird der vollständige Abzug der
Altersvorsorgeaufwendungen als steuermindernder Aufwand vermieden. Jedes
andere Ergebnis hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt (vgl. BTDrucks
15/2150, S. 22).
33
Dies lässt sich nicht nur der Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 1
und 2 EStG, sondern auch der Übergangsregelung entnehmen. Die
gesetzgeberische Intention, in der ab dem Jahr 2005 beginnenden
Übergangsphase Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und andere
Altersvorsorgeaufwendungen nicht in vollem Umfang als Werbungskosten,
sondern prozentual begrenzt als Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen, belegt
zudem die in § 10 Abs. 4a EStG vorgesehene Günstigerprüfung: Auch diese
hätte keinen sinnvollen Anwendungsbereich, wenn die Beiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin ganz oder überwiegend als
vorweggenommene Werbungskosten abziehbar wären.
34
ddd) Hierin liegt auch der Unterschied zu den Urteilen des IX. Senats des
BFH vom 8. März 2006 IX R 107/00 (BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446) und
IX R 78/01 (BFHE 212, 514, BStBl II 2006, 448). Dort waren
Ausgleichszahlungen zu beurteilen, die ein zum Versorgungsausgleich
verpflichteter Beamter an seinen Ehegatten leistet, um eine Kürzung seiner
Versorgungsbezüge zu vermeiden. Diese Ausgleichszahlungen fallen nicht unter
die spezielle gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG und
unterliegen somit auch nicht der gesetzlich angeordneten beschränkten
Abziehbarkeit.
35
eee) Diese Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG steht nicht im
Widerspruch zur Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, wonach der
Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von
Berufsausbildungskosten als Sonderausgaben hat, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7
EStG keine Sperrwirkung für einen Abzug entfaltet (so bereits BFH-Urteil in
BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, m.w.N., und Urteile vom 18. Juni 2009
VI R 14/07, BFHE 225, 393, VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797, VI R 79/06, n.v.,
VI R 6/07, BFH/NV 2009, 1796, VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799). Diese Aussage
des VI. Senats bezieht sich zunächst nur auf den Bereich der
Berufsausbildungskosten und muss zudem vor dem Hintergrund der Änderung des
§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und der Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das
Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli
2004 (BGBl I 2004, 1753) gesehen werden. Der Gesetzgeber orientierte sich
dabei weitgehend an der ab dem Jahr 2002 geänderten Rechtsprechung des BFH,
nach der Aufwendungen für berufliche Bildungsmaßnahmen, die nach der ersten
Berufsausbildung bzw. einem Erststudium stattfinden, zum
Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug zugelassen werden. Aufwendungen für
die erstmalige Berufsausbildung und für das Erststudium werden dagegen
typisierend den Lebensführungskosten zugerechnet (Bericht des
Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der
Abgabenordnung, BTDrucks 15/3339, S. 10). Danach sind nur die
Berufsausbildungskosten, die Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 5 EStG
darstellen und damit keine Werbungskosten und Betriebsausgaben sind, als
Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abziehbar. Zu einer Kollision
zwischen § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG kann es daher -
nach Auffassung des Gesetzgebers - gar nicht erst kommen, so dass sich auch
die Frage einer Sperrwirkung nicht stellt.
36
Demgegenüber kommt im Bereich der Altersvorsorgeaufwendungen - insbesondere
durch § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG - eindeutig der Wille des Steuergesetzgebers
zum Ausdruck, die Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur im begrenzten
Umfang zum Abzug zuzulassen. Damit ordnet er die Altersvorsorgeaufwendungen
trotz ihres Werbungskostencharakters abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG
den Sonderausgaben zu, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit gegenüber
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG keine Sperrwirkung entfalten kann.
37
cc) Dass der Gesetzgeber die Vorsorgeaufwendungen trotz ihrer Rechtsnatur
konstitutiv den Sonderausgaben und nicht den Werbungskosten zugewiesen hat,
mag steuersystematisch bedenklich sein; verfassungsrechtlich ist die
Zuweisung jedoch nicht von vornherein unzulässig, da keine Grundgesetznorm
eine entsprechende Zuordnung fordert (so auch Musil, StuW 2005, 278, 280;
Söhn/Müller-Franken, StuW 2000, 442, 445; Söhn, FR 2006, 905, 908 f.).
Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht die systematisch
richtige Einordnung steuermindernder Aufwendungen, sondern entscheidend sind
die im Wesentlichen gleichen steuerlichen Auswirkungen (BVerfG-Beschluss vom
19. Februar 1991 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395 zur Steuerfreiheit von
Beihilfen nach § 3 Nr. 11 EStG im Vergleich zur Abziehbarkeit von
Krankheitsaufwendungen nach § 33 EStG).
38
Eine systemwidrige Einordnung der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben
kann demzufolge dann verfassungsrechtlich relevant sein und einen Verstoß
gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn die daraus
resultierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen zu einer nicht
gerechtfertigten steuerlichen Ungleichbehandlung der
Altersvorsorgeaufwendungen im Vergleich zu anderen vorweggenommenen
Werbungskosten führen.
39
aaa) Die steuerliche Einordnung von Altersvorsorgeaufwendungen als
Sonderausgaben gegenüber einer Behandlung als vorweggenommene Werbungskosten
führt in den folgenden Einzelfällen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen: Es
ist einem Steuerpflichtigen verwehrt, Verluste, die im Fall des Ansatzes von
Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 EStG eintreten
würden, im Wege des Verlustvor- oder -rücktrags gemäß § 10d EStG zu
berücksichtigen, wenn ihm anderweitige positive Einkünfte zum
Verlustausgleich nicht oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung
stehen. Auch bewirkt die Behandlung als Sonderausgabe, dass bei der
Bemessungsgrundlage für die zumutbare Eigenbelastung i.S. des § 33 EStG die
Altersvorsorgebeiträge unberücksichtigt bleiben. Umgekehrt führt der im
Falle des Sonderausgabenabzugs höhere Betrag des Gesamtbetrags der Einkünfte
dazu, dass von dem Steuerpflichtigen geleistete Spendenbeträge in
weitergehendem Umfang gemäß § 10b EStG abziehbar sind.
40
bbb) Art. 3 Abs. 1 GG verbietet die ungleiche Behandlung von wesentlich
Gleichem und die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem
(BVerfG-Entscheidungen vom 24. April 1991 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133,
157 f.; vom 15. Juli 1998 1 BvR 1554/89 u.a., BVerfGE 98, 365, 385). Art. 3
Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur
der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche
Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG-Urteil in
BVerfGE 105, 73, unter C.I., m.w.N.).
41
ccc) Für die unterschiedliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen und
anderer vorweggenommener Werbungskosten besteht ein sachlicher Grund.
42
In den Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
sind nicht nur Beiträge enthalten, die der Absicherung des Steuerpflichtigen
für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters sowie der Absicherung
seiner Hinterbliebenen dienen. Die Beiträge haben daher nicht ausschließlich
Werbungskostencharakter.
43
Die gesetzliche Rentenversicherung gewährt nach dem Grundsatz
"Rehabilitation vor Rente" auch Leistungen der medizinischen Rehabilitation
und der Teilhabe am Arbeitsleben, wenn hierdurch die Erwerbsfähigkeit
wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann (§ 9 Abs. 1 des
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI -).
Das Leistungsspektrum ist im Zweiten Unterabschnitt des Zweiten Kapitels des
SGB VI in den §§ 13 bis 32 geregelt. Der Beitragsanteil, der diese
Leistungen finanziert, stellt keine vorweggenommenen Werbungskosten dar,
weil die erhaltenen Leistungen nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führen
(vgl. z.B. für das Übergangsgeld gemäß §§ 20 f. SGB VI § 3 Nr. 1 Buchst. c
EStG). Dasselbe gilt für den Zuschuss zu den Aufwendungen für die
Krankenversicherung, den ein freiwillig in der gesetzlichen
Rentenversicherung versicherter Rentner gemäß § 106 SGB VI erhält und der
nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei ist. Die einheitliche Behandlung der
Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben macht eine Beitragsaufteilung
entbehrlich und dient damit der Praktikabilität.
44
Hinzu kommt, dass die Altersvorsorgeaufwendungen nach Ansicht des
erkennenden Senats eine "Doppelnatur" (so auch Weber-Grellet, DStR 2004,
1721, 1725) haben. Sie gewähren bereits vor Eintritt des Rentenfalls Rechte,
die einem Versicherungsschutz gleichkommen. Durch sie werden Anwartschaften
begründet, die mit Abschluss der Erwerbsphase zu einer geldwerten
Rechtsposition erstarken (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 124). Sie führen
daher bereits in der Erwerbsphase in gewisser Hinsicht zu einer
Vermögensbildung. Auch aus diesem Grund erscheint die Beibehaltung der
Einordnung der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben trotz des
Systemwechsels zur nachgelagerten Besteuerung vertretbar.
45
ddd) Die vorstehend dargestellten Erwägungen rechtfertigen die konstitutive
Zuordnung der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben, zumal die
oben dargestellten unterschiedlichen Rechtsfolgen zwischen der Behandlung
als Werbungskosten oder als Sonderausgaben nicht besonders gravierend sind.
Es handelt sich zudem eher um Ausnahmefälle, so dass vor allem vor dem
Hintergrund der Praktikabilität die Nachteile hinzunehmen sind (a.A. Söhn,
in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 327).
46
c) Gegen die gesetzliche Begrenzung der steuerlichen Berücksichtigung der
Altersvorsorgeaufwendungen auf 20.000 € bzw. 40.000 € in § 10 Abs. 3 Satz 1
und 2 EStG bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Es liegt weder ein Verstoß gegen das objektive noch gegen das subjektive
Nettoprinzip vor.
47
aa) Ein tragendes Strukturelement des Einkommensteuerrechts ist das
objektive Nettoprinzip. Danach werden Einnahmen nicht brutto, sondern nur
gekürzt um damit im Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der
Besteuerung unterworfen (BVerfG-Entscheidungen vom 2. Oktober 1969
1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, und vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BVerfGE
81, 228). Zwar kennt das geltende Einkommensteuerrecht eine Reihe von
Abzugsverboten für bestimmte Aufwendungen trotz betrieblicher bzw.
beruflicher Veranlassung. Solche Abzugsverbote bedürfen jedoch stets eines
besonderen, verfassungsrechtlich tragfähigen sachlichen Grundes (vgl.
BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210,
m.w.N.).
48
Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem Bereich der Sonderausgaben das
Nettoprinzip überhaupt zum Tragen kommen kann. Da aber die Aufwendungen ohne
die konstitutive Zuordnung zu den Sonderausgaben im Wesentlichen als
Werbungskosten abziehbar gewesen wären, kann sich der Gesetzgeber durch eine
von ihm gewählte anderweitige systematische Zuordnung nicht einer
folgerichtigen Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und damit der
Geltung des objektiven Nettoprinzips entziehen (vgl. dazu auch
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268).
49
Das objektive Nettoprinzip ist nicht verletzt, die gesetzliche Begrenzung
des Abzugs der Altersvorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG
auf den Höchstbetrag von 20.000 € (40.000 € im Falle von zusammenveranlagten
Ehegatten) ist sachlich gerechtfertigt.
50
Der Gesetzgeber hielt diese Begrenzung auf ein Volumen, das weit oberhalb
der Höchstbeträge zur gesetzlichen Rentenversicherung liegt, zur
Verhinderung von Missbräuchen für geboten (BTDrucks 15/2150, S. 22, 34).
Dies ist jedenfalls nicht sachwidrig (ebenso Söhn, StuW 2003, 332, 336;
Risthaus, DB 2004, 1329, 1331; Weber-Grellet, DStR 2004, 1721, 1726; a.A.
Dreher, a.a.O., S. 121). Die Annahme, das Risiko des vorzeitigen Versterbens
und der damit verbundene Totalverlust des eingezahlten Kapitals verhinderten
einen Missbrauch (Sachverständigenkommission, a.a.O., S. 25; Söhn, FR 2006,
905, 911), ist jedenfalls nicht zwingend. Dorenkamp (Nachgelagerte
Besteuerung von Einkommen, Schriften zum Steuerrecht, Bd. 78, 283) hat
dargelegt, dass angesichts der Größenordnung der Belastungsunterschiede
zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung die Umschichtung
erheblicher Beträge in Rentenversicherungsprodukte jedenfalls bei jüngeren
Steuerpflichtigen nicht auszuschließen sei. Es ist Sache des Gesetzgebers,
die künftige Entwicklung von Sachverhalten zu beurteilen. Dabei kommt ihm
ein weiter Prognose- und Einschätzungsspielraum zu (BVerfG-Urteil vom
10. Juni 2009 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08,
1 BvR 837/08, Neue Juristische Wochenschrift 2009, 2033, m.w.N. aus der
BVerfG-Rechtsprechung).
51
bb) Die nur beschränkte Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen
verletzt nicht das aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG)
abzuleitende subjektive Nettoprinzip. Danach muss dem Steuerpflichtigen ein
"staatsfreies Existenzminimum" verbleiben. Bestimmte zwangsläufige
Aufwendungen müssen, auch wenn sie in den Bereich der privaten Lebensführung
fallen, steuerlich verschont werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27;
vgl. auch zur steuerlichen Freistellung von Beiträgen zu privaten
Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall BVerfG-Beschluss vom
13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125).
52
Der Gesetzgeber ist dieser Verpflichtung durch das AltEinkG nachgekommen.
Die Aufwendungen für die Zeit ab dem Jahr 2025 sind bis zu einem
Höchstbetrag von 20.000 € bzw. im Fall der Zusammenveranlagung von 40.000 €
vollständig steuerlich abziehbar. Die Begrenzung ist unter dem Gesichtspunkt
des subjektiven Nettoprinzips nicht zu beanstanden, dass die steuerliche
Freistellung von zwangsweise entstehendem existenzsichernden Aufwand
verlangt. Messgröße hierfür ist das sozialhilferechtlich gewährleistete
Leistungsniveau (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125, unter C.II.3.). Da
der Höchstbetrag von 20.000 € bzw. 40.000 € den Höchstbetrag zur
gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten erheblich
übersteigt (BTDrucks 15/2150, S. 22; im Jahr 2009 in den alten Bundesländern
12.895 € [5.400 x 12 x 19,9 %]), beruhen darüber hinausgehende Beiträge
lediglich auf einer freiwilligen Entscheidung des Steuerpflichtigen,
Rentenansprüche zu erwerben, die über die bloße Existenzsicherung
hinausgehen. Die Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG
verletzt daher das subjektive Nettoprinzip nicht.
53
d) Die Hinzurechnung der steuerfreien Arbeitgeberbeiträge bei der Ermittlung
der Höhe der Vorsorgeaufwendungen verstößt ebenso wenig gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wie die Nichteinbeziehung
von fiktiven Beiträgen zur Beamtenversorgung in die Höchstbetragsberechnung.
54
aa) Die Einbeziehung der Arbeitgeberanteile in die Berechnung des
abziehbaren Höchstbetrags beruht auf einem sachgerechten Grund. Sie soll
gewährleisten, dass zwei Steuerpflichtige, von denen nur einer einen
steuerfreien Arbeitgeberanteil oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des
Gesamtaufwands für die Altersversorgung im Ergebnis in gleichem Umfang
steuerlich freigestellt werden. Insofern dient die Einbeziehung der
Gleichbehandlung der Arbeitnehmer mit den Selbständigen, die für ihre
Altersversorgung selbst aufkommen müssen.
55
Die Einbeziehung des Arbeitgeberanteils in die Höchstbetragsberechnung führt
nicht dazu, dass dieser dem steuerpflichtigen Arbeitslohn gleichgestellt
wird. Der erkennende Senat sieht die Ursache dieser rechnerischen
Einbeziehung vielmehr darin, dass dem Steuerpflichtigen, für den kein
Arbeitgeberbeitrag geleistet wird, höhere Abzugsmöglichkeiten seiner
Altersvorsorgeaufwendungen gewährt werden müssen, um zu einer
Gleichbehandlung zu kommen. Die Einbeziehung der Arbeitgeberanteile ist
lediglich eine Berechnungsmethode zur Umsetzung dieses Ziels; sie
beantwortet nicht die Frage, ob Arbeitgeberanteile steuerbare und
grundsätzlich steuerpflichtige Einkünfte sind.
56
aaa) Dadurch, dass der erkennende Senat die Einbeziehung der
Arbeitgeberanteile in die Höchstbetragsberechnung für sachgerecht hält,
weicht er nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab,
die den Arbeitgeberanteil lediglich als systemnützig ansieht. Der
Arbeitnehmer erlangt nach dieser Rechtsprechung keinen eigenen rechtlichen
oder wirtschaftlichen Vorteil, so dass er auch eine entsprechende
Beitragserstattung nicht verlangen kann (BSG-Urteil vom 29. Juni 2000
B 4 RA 57/98 R, BSGE 86, 262). Auch besteht kein Widerspruch zur
Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, die § 3 Nr. 62 EStG nur
deklaratorischen Charakter beimisst (Urteil vom 6. Juni 2002 VI R 178/97,
BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34).
57
bbb) Zum einen hat das BVerfG ausdrücklich offengelassen, ob die Sichtweise,
dass die Arbeitgeberbeiträge von vornherein nicht Teil des steuerbaren
Einkommens sind, verfassungsrechtlich zwingend ist (BVerfG-Entscheidungen in
BVerfGE 120, 125, und in BVerfGE 105, 73).
58
ccc) Zum anderen ist, selbst wenn man die Grundsätze der Entscheidungen des
BSG und des VI. Senats des BFH zugrunde legt, die ständige Rechtsprechung
des BVerfG zu berücksichtigen, nach der auch die Arbeitgeberanteile dem
versicherten Arbeitnehmer als eigene Leistungen zuzurechnen sind und dem
Schutzbereich des Art. 14 GG unterfallen (BVerfG-Urteile vom 16. Juli 1985
1 BvL 5/80, 1 BvR 1023, 1052/83 und 1227/84, BVerfGE 69, 272, 302,
betreffend Renten- und Krankenversicherung; vom 28. April 1999 1 BvL 32/95,
1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1, 35). Danach dienten die Beiträge
(Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) zur Rentenversicherung nach Einführung
des Umlageverfahrens (ab 1969) zwar der Finanzierung der zur Zeit der
Beitragsentrichtung fälligen Rentenzahlungen; gleichwohl erwerbe der
Beitragszahler sein Anrecht auf Bezug der Rente, d.h. seinen staatlich
garantierten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft, nicht erst bei
deren Anlaufen in einem Akt, sondern mit den Beitragszahlungen wachsend
während des Versicherungsverlaufs. Deren absolute Höhe (einschließlich der
Arbeitgeberanteile) habe auch im System des Umlageverfahrens insofern für
den Wert der erworbenen Teile des Rentenrechts Bedeutung, als sie die
Rangstelle des Versicherten innerhalb der Versichertengemeinschaft
festlegten (BVerfG-Beschluss vom 26. März 1980 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE
54, 11, 27 f.). Hiermit übereinstimmend hat das BVerfG - in Kenntnis des
BSG-Urteils in BSGE 86, 262 - dargelegt, dass auch der Arbeitgeberanteil
"letztlich einen Teil der Gegenleistung bilde, die sich der Arbeitnehmer
erarbeiten müsse"; demgemäß sei der Erwerb des Anwartschaftsrechts (auf
Leistungen aus der Sozialversicherung) das unmittelbare wirtschaftliche
Ergebnis der Arbeits- und Dienstleistung (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73).
Dementsprechend hat auch der IV. Senat des BFH mit Urteil vom 30. August
2007 IV R 14/06 (BFHE 219, 36, BStBl II 2007, 942) erkannt, dass es bei der
Beurteilung des Arbeitgeberanteils im Zusammenhang mit einem Dienstvertrag
als Sonderbetriebseinnahme ausreichend sei, den in Frage stehenden Vorteil
bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gegenleistung für die erbrachte
Tätigkeit zu werten.
59
ddd) Hinzu kommt, dass die Regelung zur Ermittlung der Höchstbeträge nicht
nur die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung umfasst,
sondern auch die Beiträge zu den berufsständischen Versorgungswerken. Hier
dürfte nicht zu bestreiten sein, dass der Arbeitnehmer einen unmittelbaren
Vorteil durch den Arbeitgeberbeitrag erhält. Es ist dem Gesetzgeber daher
nicht verwehrt, dieses im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zu
berücksichtigen.
60
bb) Die steuerliche Gleichbehandlung der Vorsorgeaufwendungen von
Arbeitnehmern auf der einen und von solchen der Beamten auf der anderen
Seite wird durch die Einbeziehung des Arbeitgeberanteils in die
Höchstbetragsberechnung herbeigeführt. Die von dem Dienstherrn
gewährleistete Altersversorgung in Form der Beamtenversorgung wird bei den
Beamten über einen anderen Mechanismus, nämlich die Regelung des § 10 Abs. 3
Satz 3 EStG, berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift ist der Höchstbetrag von
20.000 € (40.000 €) für die Personen, die im Zusammenhang mit ihrer
Berufstätigkeit ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf Altersvorsorge
erhalten, um den Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur
allgemeinen Rentenversicherung zu kürzen. Bei ihnen können danach
Altersvorsorgeaufwendungen nur noch in Höhe des Differenzbetrags zwischen
dem fiktiven gesetzlichen Beitrag und dem Höchstbetrag steuerlich
berücksichtigt werden. Hierdurch wird für diese Steuerpflichtigen die
Abziehbarkeit von (weiteren) Vorsorgeaufwendungen im gleichen Ausmaß
eingeschränkt wie für Arbeitnehmer und Selbständige (vgl. dazu die Beispiele
bei Risthaus, DB 2004, 1329, 1332).
61
3. Die begrenzte Abziehbarkeit seiner Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen
der Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG ist verfassungsmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
62
a) Das BVerfG hat in seinem Urteil in BVerfGE 105, 73 (unter D.II.) dem
Gesetzgeber aufgegeben, sich im Rahmen der Neuregelung der Renten und
Pensionen für ein Lösungsmodell zu entscheiden und dieses folgerichtig
auszugestalten. Sowohl bei den weichenstellenden Grundentscheidungen als
auch im Hinblick auf Art und Maß vertrauensschützender Übergangsregelungen
sei der weite gesetzgeberische Gestaltungsraum nicht unbegrenzt. In jedem
Fall seien die Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen für die
Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der
Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte
Besteuerung vermieden werde. Im Übrigen sei auch für die Abwägung zwischen
den Erfordernissen folgerichtiger Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und den
Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger
Lösungen ein weiter gesetzgeberischer Entscheidungsraum eröffnet
(BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 134 f.).
63
b) Nach der Übergangsregelung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG sind im
Kalenderjahr 2005 die nach § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG ermittelten
Vorsorgeaufwendungen mit 60 % anzusetzen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG ist
der sich danach ergebende Betrag, vermindert um den nach § 3 Nr. 62 EStG
steuerfreien Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und einen
diesem gleichgestellten steuerfreien Zuschuss des Arbeitgebers, als
Sonderausgabe abziehbar. Der in § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG genannte Prozentsatz
erhöht sich nach Satz 6 der Vorschrift in den folgenden Kalenderjahren bis
zum Kalenderjahr 2025 um je 2 Prozentpunkte je Kalenderjahr.
64
c) Die Übergangsregelung in Bezug auf die Altersvorsorgeaufwendungen steht
in untrennbarem Zusammenhang mit der Regelung der Besteuerung der ab dem
Jahr 2005 zufließenden Renten gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG. Der Besteuerungsanteil der Renten bestimmt sich nach
dem Kohortenprinzip, also für alle Rentner einheitlich nach dem Jahr des
Beginns ihrer Rente. Für alle Renten, die vor dem Jahr 2040 beginnen, bleibt
nach der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG
enthaltenen Tabelle ein bestimmter Teil der Rente, der durch regelmäßige
Rentenerhöhungen nicht beeinflusst wird, dauerhaft steuerfrei (§ 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG).
65
d) Die Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG wird zum einen
charakterisiert durch eine begrenzte und nur allmählich ansteigende
steuerliche Abzugsmöglichkeit der Vorsorgeaufwendungen bis zu deren voller
Berücksichtigung ab dem Jahr 2025 und zum anderen durch die von Beginn an
vollständige Einbeziehung des Arbeitgeberanteils in die Berechnung der
maximal abziehbaren Aufwendungen. Dies führt dazu, dass ein Arbeitnehmer,
wie der Kläger, im Streitjahr 2005 nur 20 % des Arbeitnehmeranteils zur
gesetzlichen Rentenversicherung steuerlich geltend machen kann.
66
e) Die Übergangsregelung entspricht noch den verfassungsrechtlichen
Anforderungen. Sie verstößt nicht gegen das objektive Nettoprinzip (unten
aa), solange das strikt zu beachtende Verbot der Doppelbesteuerung
eingehalten wird (unten bb). Ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip
liegt nicht vor (unten cc). Der Mechanismus der Einbeziehung der
Arbeitgeberbeiträge in die Höchstbetragsberechnung kann im Hinblick auf
Art. 3 Abs. 1 GG noch gerechtfertigt werden (unten dd).
67
aa) Die Übergangsregelung weicht zwar von dem nach dem objektiven
Nettoprinzip maßgeblichen Veranlassungsprinzip ab, da im Jahr 2005 nur 60 %
der Altersvorsorgeaufwendungen und damit 20 % der vom Arbeitslohn des
Klägers einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zu seiner gesetzlichen
Rentenversicherung steuerlich abzugsfähig sind.
68
aaa) Ein wichtiger Grund für die nur begrenzte Abzugsfähigkeit und die
gewählte Stufenlösung ist, dass eine sofortige Abziehbarkeit der Beiträge zu
Leibrentenversicherungen für die öffentlichen Haushalte nicht finanzierbar
gewesen wäre, da es sofort zu einer Minderung der Steuereinnahmen in
zweistelliger Milliardenhöhe gekommen wäre (BTDrucks 15/2150, S. 22).
69
bbb) Der Gesetzgeber durfte bei der Einschränkung der Abziehbarkeit der
Vorsorgeaufwendungen die Finanzierbarkeit der Neuregelung für die
öffentlichen Haushalte berücksichtigen und insofern das Nettoprinzip
einschränken. Zwar hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung das Ziel der
Einnahmenvermehrung für sich genommen nicht als hinreichenden sachlichen
Grund für die Beschränkung des Abzugs betrieblich bzw. beruflich
veranlasster Aufwendungen von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage
anerkannt (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210, m.w.N.).
70
Im vorliegenden Fall handelt der Gesetzgeber aber nicht mit dem Ziel der
Einnahmenvermehrung, sondern mit dem Ziel, ausgehend von einer nicht
systemgerechten Regelung eine nunmehr verfassungskonforme Ausgestaltung der
steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorge und Alterseinkünfte zu
erreichen, ohne durch die damit verbundenen Mindereinnahmen die öffentlichen
Haushalte zu gefährden (BTDrucks 15/2150, S. 22). Das BVerfG selbst hat in
seinem Urteil in BVerfGE 105, 73, 135 ausdrücklich gefordert, dass sich der
Gesetzgeber bei der Übergangsregelung an der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und an den Notwendigkeiten
einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen
orientiert. Insoweit konnte und musste die Finanzierbarkeit der Neuregelung
bei der Übergangsregelung berücksichtigt werden.
71
ccc) Hinzu kommt, dass es sich bei den Regelungen des AltEinkG um eine
vollständige - vom BVerfG selbst geforderte - in sich systemgerechte
Neugestaltung der Besteuerung der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte
handelt. Eine solche Neugestaltung enthält notwendigerweise einen
(teilweisen) Systemwechsel. Die dem Steuergesetzgeber zustehende
Gestaltungsfreiheit umfasst dann von Verfassungs wegen die Befugnis, neue
Regeln einzuführen, ohne durch Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere
Grundentscheidungen gebunden zu sein (BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210,
m.w.N.). Dies setzt allerdings voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk
geschaffen wird. Die umfassende Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für
neue Regeln kann vom Gesetzgeber dann nicht in Anspruch genommen werden,
wenn solche neuen Regeln nach Ziel und Wirkung die Orientierung an
alternativen in sich folgerichtigen und schlüssigen Prinzipien nicht
erkennen lassen. Einen zulässigen Systemwechsel kann es ohne ein Mindestmaß
an neuer Systemorientierung nicht geben. Insbesondere dann, wenn bei im
Übrigen unveränderten Grundentscheidungen eine von diesen abweichende
Belastungsentscheidung lediglich in einem schmalen Teilbereich mit der
Behauptung eines Systemwechsels begründet wird, bedarf es greifbarer
Anhaltspunkte - etwa der Einbettung in ein nach und nach zu verwirklichendes
Grundkonzept -, die die resultierende Ungleichbehandlung vor Art. 3 Abs. 1
GG rechtfertigen können (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210).
72
Bei den Regelungen des AltEinkG ist die Einbettung in ein solches
Grundkonzept gegeben. Durch § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG (in Bezug auf die
Vorsorgeaufwendungen) sowie § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
Satz 3 EStG (in Bezug auf die Besteuerung der entsprechenden
Alterseinkünfte) sollen nicht nur die unterschiedlichen
Altersvorsorgesysteme, sondern auch die daraus resultierenden
unterschiedlichen Alterseinkünfte von der Ertragsanteilsbesteuerung in das
neue Gesamtkonzept der nachgelagerten Besteuerung überführt werden.
73
ddd) Aus diesem Grund ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass
der Gesetzgeber die Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen ebenso wie
die Besteuerung der zufließenden Rentenzahlungen mit jährlich steigenden
Stufen vorgesehen hat, selbst wenn der Umfang der späteren Besteuerung mit
dem Abzug der Beiträge nicht abgestimmt ist (a.A. HHR/Kulosa, § 10 EStG
Rz 343).
74
Zwar hätte es dem objektiven Nettoprinzip und dem Gedanken der Korrespondenz
entsprochen, die Höhe der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen konkret danach zu
bemessen, in welchem Umfang die später zufließenden Renteneinnahmen zu
steuerpflichtigen sonstigen Einkünften führen. Von einer solchen
Korrespondenz ist der Gesetzgeber auch bei anderen ertragsteuerlichen
Regelungen ausgegangen (vgl. z.B. die Regelungen zum Halbeinkünfteverfahren
in § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
75
Der Gesetzgeber hat als Ausgangspunkt für die Höhe der prozentual
abziehbaren Altersvorsorgebeiträge im Rahmen der Übergangsregelung in § 10
Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG das Jahr des Abzugs der Aufwendungen bestimmt, so
dass es auf das Alter und den voraussichtlichen Rentenbeginn des
Steuerpflichtigen nicht ankommt. Demgegenüber richtet sich die Höhe der
steuerpflichtigen Renteneinkünfte nach dem Jahr des Renteneintritts des
Steuerpflichtigen. Durch diese unterschiedlichen Bezugspunkte ist es im
Rahmen der Übergangsregelung nicht gewährleistet, dass die steuerliche
Entlastung der Vorsorgeaufwendungen und die Besteuerung der daraus
resultierenden steuerpflichtigen Einnahmen korrespondieren. Eine
Entsprechung wird erst im Zeitpunkt der endgültigen Regelung, d.h.
spätestens 2040 erreicht.
76
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist das Vorgehen des Gesetzgebers vor
dem Hintergrund der oben dargestellten besonderen Komplexität des AltEinkG
sowie aus Gründen der Praktikabilität verfassungsrechtlich noch
gerechtfertigt.
77
(1) Eine Bemessung des abziehbaren Prozentsatzes der Altersvorsorgebeiträge
nach den Verhältnissen des jeweiligen Steuerpflichtigen hätte dazu geführt,
dass dem Kohortenprinzip entsprechend sich für jeden Altersjahrgang die Höhe
des abziehbaren Betrags mit unterschiedlichen Prozentsätzen ergeben hätte,
was die verwaltungsmäßige Handhabung der Übergangsregelung weiter erschwert
hätte. In den meisten Fällen wäre durch dieses Vorgehen im Rahmen der
Übergangsregelung auch nur eine scheinbare individuelle Genauigkeit erreicht
worden, da in die künftigen Renteneinnahmen auch Beitragszahlungen
einfließen, die in (ggf. zahlreichen) Jahren vor Inkrafttreten des AltEinkG
geleistet wurden und die daher bei einer konkreten Bemessung der Höhe der
abziehbaren geleisteten Vorsorgeaufwendungen ebenfalls hätten berücksichtigt
werden müssen. Der Gesetzgeber hat sich zu Recht außerstande gesehen, die
zum Teil weit in die Vergangenheit zurückreichenden Verhältnisse in einer
dem Verifikationsprinzip entsprechenden Weise ermitteln zu lassen (BTDrucks
15/2150, S. 41).
78
Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund der sich ändernden gesetzlichen
Regelungen über den Renteneintritt (vgl. z.B. die Heraufsetzung des
Renteneintrittsalters auf 67 Jahre durch das
Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl I
2007, 554) eine verlässliche Aussage über den voraussichtlichen
Renteneintritt - unabhängig von der individuellen Situation des
Steuerpflichtigen - nicht sicher möglich ist.
79
(2) Ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der
Gesetzgeber als Ausgangspunkt für die Übergangsregelung der
Rentenbesteuerung einen anderen pauschalierenden Anknüpfungspunkt gewählt
hat, nämlich den Rentenjahrgang. Die Kohorte entscheidet über den
Besteuerungsanteil der Renten während der gesamten Rentenbezugsdauer eines
Steuerpflichtigen, so dass es im Gegensatz zu den Altersvorsorgeaufwendungen
keiner jährlichen Anpassungen bedarf. Dieser Ansatz steht in der Tradition
der bisherigen Ertragsanteilsbesteuerung, die ebenfalls von einem
einheitlichen Ertragsanteil für den gesamten Rentenbezug ausging, und
ermöglicht zudem eine praktikable Besteuerung der Alterseinkünfte, zumal
sich der Gesetzgeber nicht in der Lage gesehen hat, individuelle
Besteuerungsanteile pro Steuerpflichtigen festzulegen (BTDrucks 15/2150,
S. 41).
80
Aus diesen Gründen hat sich der Gesetzgeber dadurch, dass er als
Ausgangspunkt für die stufenweise Verbesserung der Abzugsfähigkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen das Jahr der Leistung der
Altersvorsorgeaufwendungen gewählt hat, trotz der teilweise fehlenden
Symmetrie zwischen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen und der Besteuerung der Alterseinkünfte in der
Übergangsregelung noch im Rahmen des ihm zukommenden weiten
Gestaltungsspielraums gehalten.
81
(3) Allerdings belastet diese pauschalierende und nicht symmetrische
Übergangsregelung die Steuerpflichtigen wie den Kläger, bei denen -
jedenfalls statistisch betrachtet - sicher davon auszugehen ist, dass ihre
Rente erst nach dem Jahr 2039 beginnen und daher voll zu versteuern sein
wird. Bei dieser Gruppe hätte es das objektive Nettoprinzip geboten, ihre
Altersvorsorgeaufwendungen zumindest zum größten Teil (vgl. unter B.I.2.b cc
ccc) steuerlich zum Abzug zuzulassen. Dass diese Steuerpflichtigen im Rahmen
der Übergangsregelung ihre Aufwendungen dennoch nur in beschränktem Umfang
abziehen können, ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die gesamte
Übergangsregelung konsequent und folgerichtig ausnahmslos für alle
Steuerpflichtigen gilt, sowohl für die Abziehbarkeit der
Vorsorgeaufwendungen als auch für die Besteuerung der Renten und unabhängig
davon, ob in früheren Jahren Aufwendungen geleistet oder Renten bezogen
wurden. Bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen von der Übergangsregelung
auszunehmen, hätte zu weiteren Unstimmigkeiten geführt. So wäre es nur
schwer erklärbar, wenn der Steuerpflichtige, der nach der jetzigen
Rechtslage voraussichtlich im Jahr 2040 erstmals Renteneinkünfte bezieht,
bereits im Jahr 2005 seine Rentenbeiträge vollständig abziehen könnte,
während ein anderer Steuerpflichtiger, dessen voraussichtliches
Renteneintrittsalter im Jahr 2039 liegt, seine Altersvorsorgeaufwendungen
bis 2025 nur stufenweise ansteigend geltend machen könnte.
82
Diese Rechtslage ist für Steuerpflichtige, deren Rente voraussichtlich nach
dem Jahr 2039 beginnen wird, solange hinnehmbar, solange das Verbot der
doppelten Besteuerung beachtet ist. Dadurch ist auch bei dieser Fallgruppe
jedenfalls im Ergebnis sichergestellt, dass die teilweise nicht gegebene
Abziehbarkeit ihrer Vorsorgeaufwendungen sich unter Berücksichtigung der
Vorgaben des BVerfG auf die Höhe der Besteuerung ihrer später zufließenden
Renten auswirken muss.
83
bb) Der weite gesetzgeberische Gestaltungsraum ist im Hinblick auf Art und
Maß vertrauensschützender Übergangsregelungen nicht unbegrenzt. Das BVerfG
fordert, dass "in jedem Fall" die steuerliche Behandlung von
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen
aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen sind,
dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105,
73, unter D.II.; Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710). Eine
solche Doppelbesteuerung könnte sich bei dem Kläger abzeichnen, da im Jahr
2005 nur 60 % der Altersvorsorgeaufwendungen und damit 20 % der von seinem
Arbeitslohn einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zu seiner gesetzlichen
Rentenversicherung steuerlich abziehbar sind, während er aller Voraussicht
nach seine späteren Rentenbezüge voll zu versteuern hat.
84
aaa) Die Verfassungsmäßigkeit der nur beschränkten Abziehbarkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen in der bis zum Jahr 2025 geltenden Übergangszeit
unter dem Aspekt des Verbotes der Doppelbesteuerung kann jedoch nicht
isoliert betrachtet werden, sondern nur im Zusammenhang mit der
korrespondierenden - in der Übergangszeit nur anteiligen - späteren
Rentenbesteuerung (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420).
85
Ob das Zusammenwirken der einkommensteuerrechtlichen Regelungen der
Aufbauphase vor und nach Inkrafttreten des AltEinkG mit den Regelungen der
Versorgungsphase seit Inkrafttreten des AltEinkG in bestimmten Fällen einen
Verstoß gegen das Verbot doppelter Besteuerung bewirken kann, ist demnach
nicht in diesem Verfahren zu entscheiden, denn aus dem Verbot doppelter
Besteuerung lässt sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abziehbarkeit der
Beiträge in der Aufbauphase ableiten. Der Gesetzgeber kann dem Verbot
doppelter Besteuerung ebenso durch einen entsprechend schonenderen Zugriff
in der Versorgungsphase Rechnung tragen. Ein Verstoß ist deshalb in den
Veranlagungszeiträumen der Versorgungsphase zu rügen, in denen die
Altersbezüge der Besteuerung unterworfen werden (BVerfG-Beschluss vom
13. Februar 2008 2 BvR 1220/04, 410/04, BVerfGE 120, 169, m.w.N).
86
bbb) In der Verweisung der gerichtlichen Überprüfung des Verbots der
Doppelbesteuerung auf den Beginn des Rentenbezugs liegt kein Verstoß gegen
die Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Aus dieser Verfassungsnorm
ergibt sich ein Anspruch auf zeitnahen und effektiven Rechtsschutz. Hieraus
kann aber kein Anspruch abgeleitet werden, die Problematik einer sich erst
zu einem späteren Zeitpunkt stellenden Frage einer überschießenden
Rentenbesteuerung in der Weise zu lösen, dass die verfassungsrechtliche
Prüfung auf die steuerliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen
(vor)verlagert wird, durch die für sich betrachtet noch kein übermäßiger
Besteuerungszugriff bewirkt wird. Es ist auch nicht unzumutbar, die
Steuerpflichtigen darauf zu verweisen, dass das Verbot der Doppelbesteuerung
erst bei der Rentenbesteuerung zu klären ist, da erst mit Bezug der Rente
die Höhe des Besteuerungsanteils der Rente feststeht.
87
ccc) Das vom BVerfG ausgesprochene Verbot der doppelten Besteuerung ist
strikt zu beachten. Der Gesetzgeber wird zu prüfen haben, ob dieses Verbot
auch in jedem Fall eingehalten werden kann. Der erkennende Senat wird in
künftig zu entscheidenden Fällen dem Verbot der doppelten Besteuerung
besondere Aufmerksamkeit widmen.
88
cc) Der nur begrenzte Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der
Übergangsregelung verletzt nicht das subjektive Nettoprinzip.
89
aaa) Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung des subjektiven
Nettoprinzips ist das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des
Existenzminimums. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit
steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der
Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine
Familie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach
Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass
sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen
Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau
richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen
Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, darf er ihm nicht durch
Besteuerung seines Einkommens entziehen (ständige Rechtsprechung des BVerfG
siehe Beschluss in BVerfGE 120, 125, m.w.N.). Die somit von Verfassungs
wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums
sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu
bemessen. Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei
allerdings dafür Sorge zu tragen, dass die typisierenden Regelungen in
möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken.
90
bbb) Für die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen bedeuten
diese Grundsätze, dass der Gesetzgeber gehalten ist, Beiträge zu solchen
Versicherungen steuerlich freizustellen, die den Schutz des Lebensstandards
des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten. Nicht
entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob Versicherungsbeiträge - wie z.B.
zu leistende Sozialversicherungsbeiträge - zwangsweise erhoben werden.
Maßgeblich ist vielmehr, ob der Schutz gegen das abgesicherte Risiko
Bestandteil des Leistungskatalogs der Sozialhilfe ist (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 120, 125, unter D.II.3.). Deshalb ist der von den Klägern
angesprochene Beschluss des BVerfG in BVerfGE 112, 164 nicht einschlägig,
der sich allein auf die Problematik der Einbeziehung von
Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den
Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bezieht.
91
ccc) Durch die Übergangsregelung sind die Arbeitgeberbeiträge vollständig
und die Arbeitnehmerbeiträge im Ergebnis zunächst nur mit 20 %, danach
linear bis zum Jahr 2025 auf insgesamt 100 % ansteigend abziehbar. Ein
Problem aus Sicht der gerade dargestellten Grundsätze könnte sich dann
stellen, wenn die - insoweit teilweise nicht abziehbaren -
Altersvorsorgeaufwen-dungen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zusammen)
nur zu Alterseinkünften führten, deren Höhe lediglich ein existenzsicherndes
Niveau erreicht, also bei niedrigen Arbeitnehmereinkünften. Bei diesen
Einkünften ist jedoch zu beachten, dass nach dem alten Recht ein
alleinstehender Arbeitnehmer bei einem Bruttolohn von knapp 12.000 € die
Altersvorsorgeaufwendungen vollständig abziehen konnte (vgl. die
Berechnungen der Sachverständigenkommission, Anlage 1 und BTDrucks 15/2150,
S. 35, zu Nr. 3). Die für ihn ungünstigere Neuregelung wird durch die in
§ 10 Abs. 4a EStG von Amts wegen vorgesehene Günstigerprüfung ausgeglichen,
die - mit hier nicht relevanten Modifikationen - die Anwendung des alten
Rechts anordnet. Die Günstigerprüfung stellt damit sicher, dass in der
aktiven Zeit der Aufbau einer Altersvorsorge in Höhe wenigstens des
Existenzminimums vom Steuerzugriff verschont wird.
92
dd) Der Mechanismus der Einbeziehung der Arbeitgeberanteile im Rahmen der
Übergangsregelung führt zu keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des
Klägers im Vergleich zu einem nicht angestellten Steuerpflichtigen und einem
Beamten.
93
aaa) Den vom Steuerpflichtigen geleisteten Vorsorgeaufwendungen sind
zunächst der nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreie Arbeitgeberanteil zur
gesetzlichen Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier
Zuschuss des Arbeitgebers hinzuzurechnen. Im Rahmen der Übergangsregelung
wirkt sich dieser Gesamtbetrag im Jahr 2005 nur zu 60 % steuermindernd aus
(§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG). Gleichwohl ist der sich hierbei ergebende Betrag
gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG um 100 % des Arbeitgeberanteils bzw. des
gleichgestellten steuerfreien Arbeitgeberzuschusses zu kürzen, so dass nur
die Differenz als Sonderausgabe abziehbar ist.
94
bbb) Diese Regelung soll gewährleisten, dass zwei Steuerpflichtige, von
denen nur einer einen steuerfreien Arbeitgeberanteil oder -zuschuss erhalten
hat, hinsichtlich des Gesamtaufwands für die Altersversorgung im Ergebnis in
gleichem Umfang steuerlich freigestellt werden (vgl. auch unter B.I.2.d aa).
Der Steuerpflichtige, der selbst den Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung
und/oder andere Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG
leistet, konnte im Jahr 2005 60 % der Aufwendungen, also 12.000 € als
Sonderausgaben abziehen. Der andere Steuerpflichtige, dessen
Vorsorgeaufwendungen sich sowohl aus eigenen Beiträgen zur gesetzlichen
Rentenversicherung, Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG als auch aus dem anzusetzenden Arbeitgeberanteil von
beispielsweise 2.000 € zusammensetzen, erhält eine Steuerfreistellung über
§ 3 Nr. 62 EStG von 2.000 €. Umgekehrt kann er als Sonderausgaben 60 % von
20.000 € = 12.000 € abzüglich 2.000 € Arbeitgeberanteil geltend machen. Die
steuerliche Freistellung beider Steuerpflichtiger ist daher im Ergebnis
gleich (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.9.).
95
ccc) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus
dem Vergleich der steuerlichen Situation des Klägers mit der eines Beamten.
Letzterer ist aufgrund des geltenden Alimentationsprinzips nicht für seine
Altersvorsorge beitragsbelastet, so dass sich seine Altersvorsorge im
steuerunbelasteten Raum vollzieht. Andere Arbeitnehmer können aber ihre
Altersvorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Übergangsregelung beschränkt
abziehen. Die Besteuerung der Alterseinkünfte ab dem Jahr 2040 ist in beiden
Fällen demgegenüber gleich; die Einkünfte unterliegen uneingeschränkt der
Besteuerung.
96
(1) Der Gesetzgeber hat den im BVerfG-Beschluss vom 24. Juni 1992
1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87 (BVerfGE 86, 369) erteilten und im Rentenurteil
in BVerfGE 105, 73 konkretisierten Gesetzgebungsauftrag zutreffend so
verstanden, dass eine gleichheitsgerechte Besteuerung der Altersbezüge nur
möglich ist, wenn bei der Neuregelung die Besteuerung aller bestehenden
Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt wird (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 120, 169).
97
(2) Aufgabe der Übergangsregelung ist es, die bestehenden unterschiedlichen
Altersvorsorge- und Alterseinkünftesysteme in ein System der nachgelagerten
Besteuerung zu integrieren. Es liegt in ihrem Wesen, einen vorgefundenen
Rechtszustand gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu
überführen (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b
cc). Insoweit ist es entscheidend, dass Altersvorsorgeaufwendungen nach
Ablauf der Übergangsregelung im Jahr 2025 grundsätzlich in vollem Umfang als
Sonderausgaben abziehbar sind und damit die mit künftigen Renteneinnahmen im
Zusammenhang stehenden Rentenbeiträge - von Sonderfällen abgesehen - aus
unversteuertem Einkommen stammen.
98
(3) Da die steuerliche Situation der Arbeitnehmer, Selbständigen und Beamten
im Bereich der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte bis zur Neuregelung im
Jahr 2005 vollkommen unterschiedlich war, ist es zwangsläufig, dass
unterschiedliche Zwischenschritte notwendig sind, um zu der angestrebten
Neuregelung zu gelangen, in der die Besteuerung aller bestehenden
Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt ist.
99
Bei der Überprüfung dieser Zwischenschritte ist zu beachten, dass die
Besteuerung der Alterseinkünfte der Rentner, die vormals Arbeitnehmer waren,
insbesondere im Vergleich zur Besteuerung der Alterseinkünfte der Beamten
als mit dem Gleichheitssatz unvereinbar privilegiert angesehen wurde. Daraus
folgt, dass diese Gruppe von Steuerpflichtigen auf dem Weg in die endgültige
verfassungsgemäße Regelung, in der alle Altersvorsorgeaufwendungen und die
daraus resultierenden Alterseinkünfte gleich behandelt werden, wegen ihrer
früheren Bevorzugung in einem geringeren Umfang entlastet werden kann, ohne
dass die unterschiedliche Entlastung zu einer Verletzung des
Gleichheitssatzes führt.
100
(4) Die Besteuerung der Beamtenpensionen beruht bereits auf dem angestrebten
Konzept der nachgelagerten Besteuerung, so dass dessen Ziel, das
Lebenseinkommen eines Steuerpflichtigen nur einmal, aber auch mindestens
einmal zu besteuern (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710),
nach dem Abschmelzen des Versorgungsfreibetrags gemäß § 19 Abs. 2 EStG im
Jahr 2040 erreicht ist. Es ist daher nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber
davon abgesehen hat, Beamte entsprechend dem für gesetzlich
Rentenversicherungspflichtige bis 2004 geltenden System durch die
steuerliche Erfassung eines fiktiven Beitrags zu ihrer Pension in der
Erwerbsphase zu besteuern, wobei es dahinstehen kann, ob eine Besteuerung
des fiktiven Beitrags eines Beamten zu seiner Pension überhaupt möglich und
umsetzbar wäre (a.A. Wesselbaum-Neugebauer, FR 2007, 683).
101
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das strikt zu beachtende Verbot der
Doppelbesteuerung (siehe unter B.I.3.e bb) den anderen Steuerpflichtigen die
Gewähr dafür bietet, dass es auch bei ihnen nur zu einer einmaligen
Besteuerung kommen darf. Es stellte keine Belastungsgleichheit her, sondern
wäre ein neuerlicher Systembruch, wenn der Gesetzgeber für eine Gruppe von
Steuerpflichtigen, die bereits folgerichtig nach dem neuen System besteuert
werden, für eine Übergangszeit die nicht folgerichtige und nicht
systemgerechte Besteuerung anderer Steuerpflichtiger einführte, die er
auslaufen lassen will.
102
Die nur begrenzte Entlastung des Klägers ist damit durch die besonders
komplexe Übergangssituation der Neuregelung der Altersvorsorge und
-einkünfte noch gerechtfertigt. Es ist verfassungsrechtlich noch tragbar,
nur schrittweise zu einer vollen Entlastung der Arbeitnehmerbeiträge zu
gelangen. Die vom Kläger geleisteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung sind nach alledem lediglich in beschränktem Umfang als
Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG
abzuziehen.
II.
103
Das FG hat (stillschweigend) zutreffend erkannt, dass die sonstigen
Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG) bei den Klägern mit den
gesetzlichen Höchstbeträgen (§ 10 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG) von jeweils
1.500 € zu berücksichtigen sind.
104
1. Abweichend vom Höchstbetrag des Satzes 1 dieser Vorschrift beträgt nach
§ 10 Abs. 4 Satz 2 EStG der Höchstbetrag 1.500 € bei Steuerpflichtigen, die
ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige
oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben oder für
deren Krankenversicherung Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 oder Nr. 14 EStG
erbracht werden. Bei zusammenveranlagten Ehegatten bestimmt sich nach Satz 3
der gemeinsame Höchstbetrag aus der Summe der jedem Ehegatten unter den
Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zustehenden Höchstbeträge.
105
2. Danach sind beim Kläger 1.500 € zu berücksichtigen. Er ist ein gegen
Arbeitsentgelt Beschäftigter (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buch
Sozialgesetzbuch - SGB V -). Demgemäß hat sich sein Arbeitgeber an dem
Krankenversicherungsbeitrag des Klägers gemäß § 249 Abs. 1 SGB V zu
beteiligen. Diese Ausgabe des Arbeitgebers ist gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG
steuerfrei.
106
3. Auch bei der Klägerin beträgt der Höchstbetrag 1.500 €, weil sie über
ihren Ehemann, den Kläger, in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß
§ 10 Abs. 1 SGB V mitversichert ist.
107
a) Dass bei einem Ehegatten, der über seinen Partner in der gesetzlichen
Krankenversicherung (beitragsfrei) mitversichert ist, nur ein Höchstbetrag
von 1.500 € zu berücksichtigen ist, entspricht der Verwaltungsauffassung
(BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 429, Rz 48) und - soweit ersichtlich - der
einhelligen Auffassung in der Literatur (Blümich/Hutter, § 10 EStG, Rz 380;
P. Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 10 Rz 22; HHR/Kulosa, § 10 EStG
Rz 388; Schlenker in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 10 Rz 652; Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 10 Rz 211; Söhn, in:
KSM, a.a.O., § 10 Rz S 462; Stöcker in Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 985).
108
b) Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Nach dem
eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG ist der ermäßigte
Höchstbetrag von 1.500 € u.a. bei Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, die
ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen Anspruch auf Übernahme von
Krankheitskosten haben. Diese Voraussetzung ist bei beitragsfrei
mitversicherten Ehegatten gegeben. Auch sie haben in dem im SGB V
vorgegebenen Rahmen Anspruch auf Erbringung von Sachleistungen zu ihrem
Krankenversicherungsschutz, ohne hierfür eigene Beiträge zu leisten. Es
entspricht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, ihnen nur den
ermäßigten Höchstbetrag des § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG zuzugestehen, da der
höhere Höchstbetrag nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG nur Personen zugute kommen
soll, deren Krankenversicherungsschutz in vollem Umfang auf eigenen
Beitragsleistungen beruht (BTDrucks 15/2150, S. 35).
109
4. Die Vorsorgeaufwendungen der Kläger sind in der angefochtenen
Steuerfestsetzung daher in der zutreffenden Höhe mit den sich nach der
Günstigerprüfung (§ 10 Abs. 4a EStG) ergebenden höheren und vorliegend nicht
im Streit stehenden Beträgen zum Abzug zugelassen worden.
III.
110
Der im Streitjahr für die Kläger gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m.
Abs. 5 EStG berücksichtigte Grundfreibetrag in Höhe von 15.329 € ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
111
1. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 erstmals - lange
nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 12. November 2007 und ca. drei
Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, zu der sie bereits am
8. Juli 2009 geladen worden waren, - hilfsweise die Frage der
Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags im Jahr 2005 aufgeworfen. Zur
Begründung ihrer späten Rüge haben sie auf die mündliche Verhandlung vor dem
BVerfG zu den Vorlagebeschlüssen des BSG vom 27. Januar 2009 B 14/11b
AS 9/07 R (Zeitschrift für Familien- und Erbrecht - ZFE - 2009, 116) und des
Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 29. Oktober 2008 L 6 AS 336/07
(Sozialrecht in Deutschland und Europa - ZFSH/SGB - 2009, 100) verwiesen und
Teile der Gutachten vorgelegt, die letzterem Verfahren zugrunde gelegt
worden sind. Sie behaupten, der Gesetzgeber habe seit Jahren die Regelsätze
der Sozialhilfe zu niedrig bemessen und folgern daraus die
Verfassungswidrigkeit des Grund- und des Kinderfreibetrags (der im
vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung ist) ab dem Veranlagungszeitraum 2000.
112
Weshalb die Regelsätze der Sozialhilfe nicht das Existenzminimum sichern,
weshalb ein zu niedrig bemessener Sozialhilfesatz zur Verfassungswidrigkeit
des Grundfreibetrags führen soll (hier sind die sozialrechtlichen Regelsätze
nur Berechnungsgröße für das steuerlich freizustellende Existenzminimum;
nach der Darstellung des in 2005 steuerfrei zu stellenden sächlichen
Existenzminimums und der entsprechenden einkommensteuerrechtlichen
Freibeträge im Fünften Existenzminimumbericht vom 5. Februar 2004 beträgt
die Differenz zwischen dem sächlichen Existenzminimum und dem steuerlichen
Freibetrag bei Ehegatten 3.089 €) und welche ihrer Grundrechte ggf.
beschnitten werden, ergibt sich aus dem späten Vorbringen der Kläger nicht.
Der erkennende Senat hat erhebliche Zweifel, ob sie mit ihrem Vorbringen
eine zulässige Revisionsrüge erhoben haben (vgl. Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 120 FGO Rz 176, 179). Gleichwohl beantwortet er
die aufgeworfene Frage.
113
2. Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des im Fall der
Zusammenveranlagung im Jahr 2005 anzusetzenden Grundfreibetrags nach § 32a
EStG in Höhe von 15.329 €.
114
a) Unabhängig von der Frage, ob Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG die
einkommensteuerrechtliche Verschonung des soziokulturellen oder lediglich
des physischen Existenzminimums (so wohl der 1. Senat des BSG im Urteil vom
22. April 2008 B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221, zum Sozialhilferecht) fordert,
genügt der im Streitjahr 2005 geltende Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 EStG in Höhe von 15.329 € für Ehegatten dem
verfassungsrechtlichen Gebot, existenzsichernden Aufwand von der
Einkommensteuer zu verschonen (so auch FG Schleswig-Holstein vom 4. Dezember
2008 3 K 28/06, EFG 2009, 485 für den in den Jahren 2000 bis 2004 geltenden
Grundfreibetrag, Revision eingelegt III R 1/09; FG Hamburg vom 31. Juli 2009
1 K 25/09 für den im Jahr 2002 geltenden Grundfreibetrag, - Revision
eingelegt X R 41/09 -, 1 K 23/09 und 1 K 24/09 für den im Jahr 2001
geltenden Grundfreibetrag, - Revisionen eingelegt X R 39/09 und X R 40/09 -
und 1 K 4/09 für den im Jahr 2000 geltenden Grundfreibetrag, - Revision
eingelegt X R 38/09 -; Kaiser-Plessow, Familie, Partnerschaft, Recht 2005,
479; Lambrecht in Kirchhof, a.a.O., § 32a Rz 3; Schöberle in
Dankmeyer/Lochte, Einkommensteuer, § 32a Rz 7; Esser in Bordewin/Brandt,
§ 32a EStG Rz 85; Blümich/Wagner, § 32a EStG Rz 39; zweifelnd
Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 32a Rz 3 a.E.; Nacke in Littmann/Bitz/Pust,
a.a.O., § 32a Rz 12; Dziadkowski, FR 2008, 124, sowie Lang in Tipke/Lang,
Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz 82 ff., vor allem im Hinblick auf die
unzureichende Berücksichtigung der Mietaufwendungen in Ballungsräumen;
unklar Schöberle, in: KSM, a.a.O., § 32a Rz A 43a, A 147, B 19; offen
Kempny, FR 2009, 470).
115
b) Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 25. September 1992
2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153) muss dem
Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld soviel
verbleiben, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und -
unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG - desjenigen seiner Familie
bedarf (Existenzminimum).
116
aa) Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hängt von den
allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft
anerkannten Mindestbedarf ab. Diesen einzuschätzen ist Aufgabe des
Gesetzgebers. Soweit der Gesetzgeber jedoch im Sozialhilferecht den
Mindestbedarf bestimmt hat, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im
Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch Staatsleistungen zu decken hat, darf
das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag
jedenfalls nicht unterschreiten. Der Steuergesetzgeber muss dem
Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er
dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus
öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87,
153, unter C.I.3.).
117
bb) Das verfassungsrechtliche Gebot der steuerlichen Verschonung des
Familienexistenzminimums fordert nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG
(zusammenfassend Beschluss vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99,
246, 259 f., m.w.N. der ständigen Rechtsprechung), dass existenznotwendiger
Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer
freigestellt wird. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der sich aus
Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz, dass der Staat dem
Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es
zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein
benötigt wird. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen
die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer. Art. 6 Abs. 1 GG
gebietet darüber hinaus, dass bei der Besteuerung einer Familie das
Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muss.
118
cc) Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden existenzsichernden
Aufwendungen müssen nach dem tatsächlichen Bedarf - realitätsgerecht -
bemessen werden (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Februar 1984 1 BvL 10/80,
BVerfGE 66, 214, 223; vom 17. Oktober 1984 1 BvR 527/80, 528/81 und 441/82,
BVerfGE 68, 143, 153; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82,
60, 88). Dessen Untergrenze ist durch die Sozialhilfeleistungen
konkretisiert, die das im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum
gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den
veränderten Lebensverhältnissen angepasst werden. Mindestens das, was der
Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen
Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, muss er dem
Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 87, 153, 171; vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88,
BVerfGE 91, 93, 111; in BVerfGE 99, 246, 260).
119
c) Die Maßgröße für das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum ist
demnach der im Sozialhilferecht jeweils anerkannte Mindestbedarf. Zur
Ermittlung eines Anpassungsbedarfs bei der Festlegung des steuerfreien
Existenzminimums legt die Bundesregierung gemäß dem Beschluss des Deutschen
Bundestags vom 2. Juni 1995 (BTDrucks 13/1558 vom 31. Mai 1995 und
Plenarprotokoll 13/42 vom 2. Juni 1995) alle zwei Jahre einen Bericht über
die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vor.
120
Der Fünfte Existenzminimumbericht für das Jahr 2005 berücksichtigt die
Reformen des Sozialrechts zum 1. Januar 2005. Das Recht der Sozialhilfe ist
seither als Zwölftes Buch in das Sozialgesetzbuch eingegliedert (SGB XII).
§ 28 SGB XII ordnet an, dass der Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts
(Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und persönliche Bedürfnisse des
täglichen Lebens - ausgenommen Leistungen für Unterkunft und Heizung -)
durch Regelsätze erbracht werden. Inhalt, Bemessung und Aufbau der
Regelsätze sowie ihre Fortschreibung folgen aus der Verordnung zur
Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(Regelsatzverordnung - RSV -) vom 3. Juni 2004 (BGBl I 2004, 1067). Auf der
Basis bedarfsrelevanter Positionen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
(EVS) wurde ein Eckregelsatz (§ 2 Abs. 2 RSV) konzipiert, der seither
Grundlage für die Bemessung der Regelsätze ist, die - bis auf wenige und
definierte Bedarfe in Sonderfällen - pauschal den gesamten Bedarf des
notwendigen Lebensunterhalts eines Sozialhilfeempfängers abdecken.
121
Bei Abfassung des Fünften Existenzminimumberichts lagen die für die
Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts maßgeblichen Eckregelsätze zum
1. Januar 2005 noch nicht vor. Die Bundesregierung hat deshalb das für das
Jahr 2005 steuerfrei zu stellende Existenzminimum auf der Grundlage der
Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts erwerbsfähiger
Arbeitssuchender in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (West)
ermittelt. Die Regelsätze in Höhe von 621 € je Monat für ein Ehepaar (vgl.
§ 20 Abs. 2 und 3 des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -) ergeben
angesichts der prognostizierten Veränderung des Rentenwerts in Höhe von
0,8 % ein - ohne die Kosten für Miete und Heizung - steuerfrei zu stellendes
Existenzminimum von 7.488 € jährlich (624 € je Monat) bei Ehegatten.
122
d) Der Steuergesetzgeber konnte sich im Fünften Existenzminimumbericht für
das Jahr 2005 bei der Prüfung der Frage, ob durch den Grundfreibetrag das
Existenzminimum von der Besteuerung ausgenommen bleibt, an den Regelsätzen
nach § 20 Abs. 2 und 3 SGB II orientieren. Da sich die Höhe dieser
Regelleistung weitgehend am Sozialhilferecht anlehnt (vgl. Vorlagebeschluss
des BSG in ZFE 2009, 116, unter 3.c, mit Nachweisen aus der
Gesetzesbegründung), ist dieses Vorgehen verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Steuergesetzgeber, der als Folge des Fünften Existenzminimumberichts
über eine Anhebung bzw. Nichtanhebung des geltenden Grundfreibetrags zu
entscheiden hatte, hat einen Wertungswiderspruch zwischen Sozial- und
Steuerrecht vermieden.
123
e) Mit dem BSG geht der erkennende Senat davon aus (vgl. Vorlagebeschluss in
ZFE 2009, 116), dass sich der Gesetzgeber bei der Bemessung der
Regelleistung innerhalb des ihm von Verfassungs wegen zustehenden
Gestaltungsspielraums gehalten hat (so z.B. auch BSG-Urteil vom 23. November
2006 B 11b AS 1/06 R, BSGE 97, 265).
124
Zutreffend hat das BSG darauf abgestellt, es sei nicht möglich, das
verfassungsrechtlich gebotene und aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG
abgeleitete subjektiv-öffentliche Recht auf Gewährung des Existenzminimums
exakt zu beziffern (vgl. BSG-Beschluss in ZFE 2009, 116, unter 3.a). Die
teilweise - auch in den von den Klägern vorgelegten Gutachten - geäußerten
Bedenken gegen die vom Gesetzgeber vorgegebene Methode der Ermittlung der
Höhe der Regelleistung in § 20 Abs. 2 SGB II greifen nicht durch. Es gibt
keinen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes inhaltliches Verfahren bzw.
Verfahrensergebnis der Ermittlung der Regelleistung. Die in der
sozialrechtlichen Literatur geäußerte Kritik (vgl. z.B. Bieback, Neue
Zeitschrift für Sozialrecht - NZS - 2005, 337, 338), wonach das Verfahren
insgesamt nicht transparent sein soll, die Begründungen für die Kürzungen
bei den einzelnen Bedarfspositionen nicht nachvollziehbar seien, die
Referenzgruppe falsch gewählt sei und nicht auf Ein-Personen-Haushalte hätte
abgestellt werden dürfen (vgl. z.B. auch das Hessische LSG im
Vorlagebeschluss in ZFSH/SGB 2009, 100) übersieht, dass es keinen
Rechtsanspruch auf eine statistisch-mathematisch nachvollziehbare
Berechnungsmethode der Regelleistung gibt (Vorlagebeschluss des BSG in ZFE
2009, 116, unter 3.c). Bei der Ermittlung der Höhe der Regelleistung
verbleibt stets ein Wertungsspielraum. Innerhalb dieser
Einschätzungsprärogative muss der Gesetzgeber letztlich nur von
realitätsbezogenen Grundannahmen ausgehen. Deshalb können - im Sozialrecht
ebenso wenig wie im Steuerrecht - die einzelnen Positionen der EVS nicht auf
ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden, solange im Gesamtergebnis
davon auszugehen ist, dass die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 und 3 SGB II
das Existenzminimum wahrt.
125
Die Bundesregierung konnte nach Auffassung des erkennenden Senats im Jahr
2005 bei der Überprüfung der Höhe des Grundfreibetrags für die Ermittlung
des existenznotwendigen Bedarfs - ohne Unterkunft und Heizung - die
Regelleistung nach § 20 SGB II zugrunde legen. Verfassungsrechtlich
unbedenklich ist auch, dass der Fünfte Existenzminimumbericht in die
Berechnung des sächlichen Existenzminimums bei Ehegatten nur die nach § 20
Abs. 3 SGB II zu 90 % zu berücksichtigende Regelleistung (7.488 €)
einbezieht. Zutreffend weist das BSG im Urteil in BSGE 97, 265, unter 3.c cc
unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG (Kammerbeschluss vom
3. Juli 2006 1 BvR 2383/04, NZS 2007, 27 - zu § 22b Abs. 3
Fremdrentengesetz) darauf hin, dass das Wirtschaften einer
Bedarfsgemeinschaft "aus einem Topf" zu Kostenersparnissen führt und dies
der Gesetzgeber typisierend berücksichtigen darf.
126
f) Im Gegensatz zum Sozialrecht, in dem die tatsächlichen Kosten für eine
angemessene Unterkunft erstattet werden, können die Kosten für die
Unterkunft im Steuerrecht nur pauschal berücksichtigt werden. Grund dafür
ist die unterschiedliche Zielsetzung der nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip
ausgerichteten Einkommensbesteuerung auf der einen und des am
Bedürfnisprinzip orientierten Sozialrechts auf der anderen Seite.
127
aa) Das Sozialrecht berücksichtigt den individuellen Bedarf des einzelnen
Bedürftigen nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Die laufenden Hilfen zum
Lebensunterhalt werden damit durch regionale Regelsätze bestimmt und
bemessen sich im Übrigen - unter dem Vorbehalt der Angemessenheit - nach den
jeweiligen tatsächlichen Aufwendungen für Wohnung und Heizung (vgl. § 29
Abs. 1 SGB XII). Für das Einkommensteuergesetz hingegen regelt der
Gesetzgeber den existenzsichernden - anders als den erwerbssichernden -
Aufwand in einem für alle Einkommensteuerpflichtigen einheitlichen Betrag
(BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153). Die vergröbernde, die Abwicklung von
Massenverfahren erleichternde Typisierung ist von Verfassungs wegen nicht zu
beanstanden (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 87, 153, und in BVerfGE 82, 60,
91; BVerfG-Urteil vom 9. April 1992 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264, 317).
128
Im Rahmen einer solchen Typisierung ist das Existenzminimum allerdings
grundsätzlich so zu bemessen, dass es in möglichst allen Fällen den
existenznotwendigen Bedarf abdeckt, kein Steuerpflichtiger also infolge
einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen wird, seinen
existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu
decken. Besteht hingegen - wie gegenwärtig auf dem Wohnungsmarkt - ein
erhebliches Preisgefälle für existenznotwendige Aufwendungen, so erfasst ein
einheitlicher Durchschnittswert die verschiedenen Bedarfsgruppen nicht
realitätsgerecht. In einem Sonderfall dieser Art ist es dem Gesetzgeber
nicht verwehrt, sich bei der Bemessung des Grundfreibetrags insoweit an
einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung
des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa das
Wohngeld, zur Verfügung stellt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153).
129
bb) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die im Fünften
Existenzminimumbericht für 2005 angesetzte Wohnfläche (60 qm bei Ehegatten)
ebenso wenig verfassungsrechtlich angreifbar wie die maßgebliche
Quadratmetermiete (im Jahr 2005 5,53 € bei Wohnungen zwischen 40 und 60 qm)
für Wohnungen mit einfachem Ausstattungsniveau und die zugrunde gelegten
Heizkosten von 768 € für Ehepaare.
130
(1) Die absoluten Aufwendungen für die Unterkunft werden wesentlich durch
deren Wohnfläche geprägt. Für die im Bereich des § 22 SGB II und des § 29
SGB XII berücksichtigungsfähige Wohnfläche orientieren sich die
Sozialgerichte - wie früher das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Rahmen
der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des
Bundessozialhilfegesetzes (vgl. z.B. BVerwG-Urteil vom 17. November 1994
5 C 11/93, BVerwGE 97, 110) - an den Kriterien der Förderungswürdigkeit im
sozialen Wohnungsbau (vgl. BSG-Urteil vom 7. November 2006 B 7b AS 18/06 R,
BSGE 97, 254). Nach Aufhebung des Wohnungsbindungsgesetzes greift das BSG
deshalb bis zum Erlass einer bundeseinheitlichen Regelung auf der Grundlage
des § 27 SGB II (vgl. BSG-Urteil vom 19. Februar 2009 B 4 AS 30/08 R,
ZFSH/SGB 2009, 543) auf die Ausführungsbestimmungen der Länder über die
Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurück, die sich aus § 10 des Gesetzes
über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (BGBl I 2001,
2376 ff.) ergeben. Die zuzubilligende Wohnfläche und anzuerkennende Raumzahl
richtet sich danach nach der Zahl der zum Familienhaushalt rechnenden
Personen (Berlit in Sozialgesetzbuch XII, Lehr- und Praxiskommentar - LPK -,
8. Aufl., § 29 SGB XII Rz 28).
131
Die gestaffelten Wohnflächengrenzen in den landesrechtlichen Bestimmungen,
die keine Mindest-, sondern Höchstwerte sind (Berlit, a.a.O., § 29 SGB XII
Rz 29), unterscheiden sich nur unwesentlich (Lang/Link in Eicher/Spellbrink,
SGB II, § 22 Rz 43). Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche ist in
Niedersachsen (die Kläger sind in Niedersachsen beheimatet) nach den
Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung
(Wohnraumförderungsbestimmungen - WFB 2003) in dem Runderlass vom 27. Juni
2003 zu ermitteln (Niedersächsisches Ministerialblatt 2003, Heft 27,
S. 580). Danach gilt für Mietwohnungen bei einem Zwei-Personen-Haushalt eine
Wohnfläche bis 60 qm als angemessen (Nr. 11.2). Gegen diese Festlegung
werden in der sozialrechtlichen Literatur keine Bedenken geltend gemacht
(vgl. Berlit, a.a.O., § 29 SGB XII Rz 29; Lang/Link in Eicher/ Spellbrink,
a.a.O., § 22 Rz 43; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 29 Rz 23; Berlit
in Sozialgesetzbuch II, LPK, 2. Aufl., § 22 Rz 28; Schmidt in Oestreicher,
SGB II/SGB XII, § 22 SGB II Rz 41). Auch der erkennende Senat geht mit dem
Fünften Existenzminimumbericht (vgl. Tz. 4.2) davon aus, dass die
Aufwendungen für 60 qm Wohnfläche bei Ehegatten bei der Bemessung des
steuerlichen Existenzminimums angemessen sind.
132
(2) Neben der Wohnraumgröße wird im Sozialrecht als weiterer Faktor der
Wohnungsstandard berücksichtigt. Angemessen i.S. des § 22 SGB II bzw. § 29
SGB XII sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach
Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen
genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss
hinsichtlich der Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig
im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach
der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen,
der den Vergleichsmaßstab bildet (BSG-Urteil in BSGE 97, 254). Angemessen
ist eine nach Ausstattung, Zuschnitt, Wohnfläche und Lage einfache Wohnung
(BVerwG-Urteil in BVerwGE 97, 110; Grube in Grube/ Wahrendorf, a.a.O., § 29
Rz 24; Lang/Link in Eicher/ Spellbrink, a.a.O., § 22 Rz 45). Lage,
Wohnungsbausubstanz, Erhaltungszustand und Zuschnitt der Räume sowie
Ausstattung (z.B. Sanitäranlagen) müssen ein einfaches und bescheidenes,
aber menschenwürdiges Leben ermöglichen (Berlit, a.a.O., § 29 SGB XII
Rz 31). Angesichts dieser Vorgaben im Sozialrecht bestehen keine Bedenken,
dass der Fünfte Existenzminimumbericht für die Berücksichtigung angemessener
Wohnkosten bei der Bemessung des steuerlichen Existenzminimums von Wohnungen
mit einfacher Ausstattung ausgeht.
133
(3) Die für 2005 zugrunde gelegten Kosten für eine 60 qm große Wohnung für
Ehepaare mit einer Monatsmiete von 332 € und einem Mietpreis von 5,53 € pro
qm hat die Bundesregierung aus der Wohngeldstatistik 2001 abgeleitet. Danach
betrug die durchschnittliche monatliche Bruttokaltmiete pro Quadratmeter
Wohnfläche für Wohnungen von 40 bis 60 qm 5,01 €. Diese Werte wurden mit
einer geschätzten jährlichen Mietsteigerung von 2,5 % fortgeschrieben. Dass
diese Werte realistisch sind, zeigt die Wohngeldstatistik 2004, die von
einem durchschnittlichen Mietpreis von 5,29 € für Wohnungen zwischen 60 und
80 qm ausgeht (vgl. Sechster Existenzminimumbericht, BTDrucks 16/3265, unter
4.2). Auch der Siebente Existenzminimumbericht für das Jahr 2010
(Monatsbericht des BMF, Dezember 2008, unter 4.1.2) stützt die 2005 zugrunde
gelegten Werte, da dort die Wohngeldstatistik und der sich über alle
Ausstattungen für die Mietstufen I bis IV ergebende gewichtete
Durchschnittswert zugrunde gelegt wurde und zu einer Bruttokaltmiete von
5,53 €/qm führte.
134
Hinzu kommt, worauf die Existenzminimumberichte ausdrücklich hinweisen, dass
Bezieher niedriger Erwerbseinkommen zur Abdeckung ihrer Wohnkosten nach
Maßgabe des Wohngeldgesetzes Anspruch auf Wohngeld haben. Insofern ist der
oben zitierten Rechtsprechung des BVerfG zur Typisierung des
Existenzminimums (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153) ausreichend Rechnung
getragen worden.
135
(4) Die von der Bundesregierung zugrunde gelegten Heizkosten berechnen sich
auf der Basis der in der EVS 1998 ausgewiesenen Aufwendungen für Heizung und
Warmwasser im früheren Bundesgebiet in Höhe von 57 € pro Monat für Ehepaare.
Da die Regelsätze auch die Kosten der Warmwasserbereitung abgelten, werden
diese zunächst pauschal (25 %) herausgerechnet und der so errechnete Wert
mit einer jährlichen Steigerung von 6 % fortgeschrieben. Im Fünften
Existenzminimumbericht für 2005 wurden demgemäß monatliche Heizkosten von
64 € für Ehepaare angesetzt. Dass diese Beträge ausreichend sind, ergibt
sich nicht nur aus den Vergleichsrechnungen im Sechsten und Siebenten
Existenzminimumbericht, sondern auch aus der Rechtsprechung der
Sozialgerichte. So hat beispielsweise das Sächsische LSG im Urteil vom
29. Mai 2008 L 2 AS 175/07 bezogen auf das Jahr 2006 Heizkosten in Höhe von
1,07 €/qm als angemessen angesehen (= 64,20 € bezogen auf eine 60 qm große
Wohnung). Nach dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes beliefen
sich die durchschnittlichen Heizkosten je Quadratmeter und Monat im Jahr
2005 auf 0,76 €, im Jahr 2006 auf 0,85 € und 2007 auf 0,77 € (Quelle:
www.mieterbund.de). Nach dem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit geförderten bundesweiten Heizkostenspiegel betrugen je
nach Gebäudegröße die durchschnittlichen Heizkosten je Quadratmeter und Jahr
bei Öl im Jahr 2005 zwischen 7 € und 11,50 €, bei Gas zwischen 6,30 € und
12 € sowie bei Fernwärme zwischen 7,10 € und 11,40 €. Bei einer Wohnfläche
von 60 qm errechnen sich so durchschnittliche Heizkosten von 555 € (Öl),
549 € (Gas) und 555 € (Fernwärme) - Quelle: www.energieverbraucher.de -.
Alle Werte liegen unter den im Fünften Existenzminimumbericht angesetzten
jährlichen Heizkosten bei Ehegatten in Höhe von 768 €. Diese sind daher nach
Auffassung des erkennenden Senats als ausreichend anzusehen.
136
g) Auf der Grundlage des Regelsatzes für den Lebensunterhalt (ohne Kosten
für Wohnung und Heizung), der Kosten der Unterkunft und der Heizung hat die
Bundesregierung im Fünften Existenzminimumbericht ein sächliches
Existenzminimum bei Ehegatten im Jahr 2005 in Höhe von 12.240 € errechnet.
Der einkommensteuerrechtliche Freibetrag betrug hingegen in diesem Jahr
15.329 € und lag damit um mehr als 3.000 € höher als vom BVerfG im Beschluss
in BVerfGE 87, 153 gefordert. Deshalb sieht der Senat keine Veranlassung, an
der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags im Jahr 2005 zu zweifeln.
137
h) Die vereinzelt gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des steuerfreien
Grundbetrags im Schrifttum vorgebrachten Bedenken sind im Streitfall nicht
einschlägig. Die Bedenken beziehen sich vor allem auf zwei Punkte, die
fehlende Regionalisierung des Grundfreibetrags, insbesondere in Bezug auf
die Wohnkosten, und die fehlende bzw. verspätete Reaktionsmöglichkeit des
Gesetzgebers auf schnell steigende Lebenshaltungskosten.
138
aa) Obwohl das BVerfG eine Regionalisierung des Grundfreibetrags nicht
fordert, sondern darauf abstellt, dass angesichts des erheblichen
Preisgefälles Preisunterschiede bei den Kosten der Unterkunft durch das
Wohngeld ausgeglichen werden können (vgl. Beschluss in BVerfGE 87, 153),
wird teilweise im Schrifttum die Notwendigkeit gesehen, die regionalen
Unterschiede bei den Kosten der Unterbringung beim Grundfreibetrag zu
berücksichtigen (vgl. Dziadkowski, FR 2008, 124; wohl auch Schöberle, in:
KSM, a.a.O., § 32a Rz A 43a). Selbst wenn man diese Notwendigkeit bejahen
sollte, könnten die Kläger hieraus keinen Vorteil für sich ableiten, da sie
in keinem Ballungsraum leben.
139
bb) Die anderen Bedenken gegen die verfassungsmäßig ausreichende Höhe des
Grundfreibetrags ergeben sich daraus, dass der jeweilige
Existenzminimumbericht jeweils prognostisch angelegt ist und daher auf
kurzfristige Entwicklungen, z.B. im Bereich der Energiekosten, nicht
reagieren kann. Dies könne dazu führen, dass der Grundfreibetrag dem
erhöhten Mehrbedarf durch die aktuellen Preisentwicklungen nicht gerecht
werde (Blümich/ Wagner, § 32a EStG Rz 39). Diese Bedenken beziehen sich
jedoch nicht auf das Streitjahr 2005, sondern auf spätere Jahre ab 2007
(Nacke in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32a Rz 11 f.; Schöberle in
Dankmeyer/Lochte, a.a.O., § 32a Rz 7; Esser in Bordewin/Brandt, § 32a EStG
Rz 86; wohl auch Schmidt/ Loschelder, a.a.O., § 32a Rz 3).
140
Der erkennende Senat ist aus den genannten Gründen der Überzeugung, dass die
Höhe des im Falle der Zusammenveranlagung anzusetzenden Grundfreibetrags für
das Streitjahr 2005 den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Auch im
Sechsten und Siebenten Existenzminimumbericht wurde ein in 2008 bzw. 2010
steuerfrei zu stellendes sächliches Existenzminimum für Ehepaare (12.276 €
bzw. 12.996 €) ermittelt, das immer noch erheblich unter dem bereits 2005
geltenden Grundfreibetrag in Höhe von 15.329 € liegt.
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