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BFH-Urteil vom 28.10.2009 (II R 18/08) BStBl. 2010 II S. 497
Kaufvertragliche Übernahme der Kosten einer noch durchzuführenden
"Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle"
Verpflichtet sich eine Stadt als Verkäuferin eines Grundstücks, auf dem die
vom Erwerber beabsichtigte Nutzung einen naturschutzrechtlichen Eingriff
erfordert, die noch ausstehende Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle (§ 135a
Abs. 2 BauGB) durchzuführen, und verpflichtet sich der Erwerber zur Zahlung
der dadurch entstehenden Kosten, sind diese auch dann Teil der Gegenleistung
sowie der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer, wenn die
Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle dem erworbenen Grundstück i.S. von § 9
Abs. 1a Satz 2 BauGB zugeordnet worden ist.
GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; BauGB
§ 9 Abs. 1a Satz 2, § 135a Abs. 2.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
15. Oktober 2007 7 K 56/03 (EFG 2008, 1814)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag
vom 18. Dezember 2000 von der Stadt ein Grundstück. Um die beabsichtigte
gewerbliche Nutzung zu ermöglichen, hatte die Stadt noch den
Flächennutzungsplan zu ändern und einen Bebauungsplan aufzustellen. Außerdem
waren aus Gründen des Naturschutzes auf einem anderen Grundstück
Ausgleichsmaßnahmen ("Waldumwandlung") vorzunehmen. Die anteiligen Kosten
dieser Ausgleichsmaßnahmen von 40.000 DM übernahm die Klägerin neben dem
nach Quadratmetern berechneten Kaufpreis. Der Kaufvertrag wurde unter der
aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens des Bebauungsplans
abgeschlossen. Die Bedingung trat mit Rechtskraft des Plans am 21. September
2002 ein.
2
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in der Kostentragung für die
Ausgleichsmaßnahmen eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und setzte auf dieser Grundlage die
Steuer mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 fest. Nach erfolglosem Einspruch
führte das Klageverfahren zunächst in der mündlichen Verhandlung vom
15. Oktober 2007 durch Erklärung des FA zu Protokoll des Gerichts bei einer
Bemessungsgrundlage von 169.810 DM zu einer Herabsetzung der Steuer auf
3.038,61 € (5.943 DM).
3
In dem verbliebenen
Streitpunkt, ob die Übernahme der Kosten der Ausgleichsmaßnahmen zur
Gegenleistung gehöre, folgte das Finanzgericht (FG) der Klägerin, die das
verneinte, und gab der Klage insoweit statt. Es berief sich dabei mit seiner
in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1814 veröffentlichten
Entscheidung auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover vom
29. Dezember 1999 S 4521 -155-StH 563, S 4521 -10-StO 243 (Steuererlasse in
Karteiform, Grunderwerbsteuergesetz 1983, § 9 Nr. 108), wonach Zahlungen zur
Ablösung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach dem Niedersächsischen
Naturschutzgesetz vom 11. April 1994 - NNatG - (Niedersächsisches Gesetz-
und Verordnungsblatt 1994, 155) im Zusammenhang mit einem Grundstückserwerb
nicht zur Gegenleistung gehören, und setzte die Steuer weiter auf 2.322,80 €
(4.543 DM) herab. Die Klägerin habe mit der Kostentragung eine eigene
gesetzliche Verpflichtung erfüllt; diese Kosten hätte sie gemäß den §§ 10
und 12 NNatG auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Kaufvertrag zu tragen
gehabt.
4
Mit der Revision rügt das FA
fehlerhafte Anwendung der §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Anders als
in dem o.a. Erlass vorausgesetzt sei im Streitfall die Stadt als
Grundstücksveräußerin nicht untere Naturschutzbehörde. Deren Aufgaben seien
vielmehr vom Landkreis wahrzunehmen. Die gesetzliche Verpflichtung zu
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gemäß den §§ 10 und 12 NNatG habe nicht die
Klägerin getroffen, sondern die Stadt, da diese durch die von ihr betriebene
Änderung des Flächennutzungsplans und Aufstellung eines Bebauungsplans
Verursacher der veränderten Grundflächennutzung i.S. des § 12 Abs. 1 i.V.m.
§ 7 Abs. 1 NNatG sei. Gleichwohl sei die Vornahme von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen nach dem NNatG keine der Grundstückserschließung
vergleichbare öffentliche Aufgabe der Gemeinden. Daher gehe die Bezugnahme
des FG auf den o.a. Erlass fehl.
5
Das FA beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
7
Die Revision ist begründet; sie führt zur
Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Kosten für die erforderliche
Ausgleichsmaßnahme sind Teil der Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG und damit der Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG).
8
1. Entgegen der Ansicht der Beteiligten und
des FG konnte im Streitfall ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf
Erstattung der Kosten für die Ausgleichsmaßnahme der Waldumwandlung an
anderer Stelle - wenn überhaupt - nur gemäß § 135a des Baugesetzbuchs
(BauGB) und nicht etwa auf der Grundlage des NNatG entstehen.
9
a) Die naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelungen mit ihrem Grundprinzip von Eingriff, Ausgleich und
Ersatz, wie sie bundesrechtlich nunmehr in den Rahmenvorschriften der §§ 18
und 19 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 25. März 2002 (BGBl I
2002, 1193) - zuvor § 8 BNatSchG i.d.F. der Neubekanntmachung vom
21. September 1998 (BGBl I 1998, 2994) - und landesrechtlich in den §§ 7 bis
12 NNatG enthalten sind, sind gemäß der weiteren Rahmenregelung des § 21
BNatSchG - zuvor wortgleich § 8a BNatSchG a.F. - nicht anwendbar, wenn
aufgrund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von
Bauleitplänen (§ 1 Abs. 2 BauGB) Eingriffe in Natur und Landschaft zu
erwarten sind und deshalb über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz
nach den Vorschriften des BauGB zu entscheiden ist. Hintergrund der Regelung
ist, dass die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur einmal
geprüft werden sollen. Flächennutzungspläne und Bebauungspläne erfüllen auch
nicht etwa selbst die Voraussetzungen eines Eingriffs i.S. der §§ 18 und 19
BNatSchG bzw. der §§ 7 ff. NNatG; sie bereiten derartige Eingriffe ggf.
lediglich vor (so Lorz/ Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, Kommentar,
2. Aufl. 2003, § 21 Rz 6).
10
b) Nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB ist eine
Kostentragungspflicht des Vorhabenträgers oder Eigentümers davon abhängig,
dass die Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle dem Eingriffsgrundstück
nach § 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet worden sind. Ist dies geschehen, bestimmt
§ 135a Abs. 3 BauGB, die Kosten können geltend gemacht werden, sobald die
Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich
genutzt werden dürfen. Die Erstattungspflicht entsteht mit der Herstellung
der Maßnahmen zum Ausgleich durch die Gemeinde.
11
2. Im Streitfall sollte die durch den zu
erwartenden Eingriff erforderlich werdende Ausgleichsmaßnahme der
"Waldumwandlung" nicht auf dem erworbenen Grundstück, sondern an anderer
Stelle erfolgen. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die Kosten zu
erstatten, konnte daher gemäß § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB unter den
Voraussetzungen des Abs. 3 der Vorschrift nur entstehen, wenn die
Ausgleichsmaßnahme dem von der Klägerin erworbenen Grundstück nach § 9
Abs. 1a BauGB zugeordnet worden ist. Ob dies geschehen ist, ist nicht
festgestellt, kann aber auf sich beruhen.
12
a) Ist eine Zuordnung unterblieben, hat
sich die Stadt des Rechts, den Vorhabenträger oder Eigentümer nach § 135a
BauGB zu den Kosten der Ausgleichsmaßnahme heranzuziehen, begeben (vgl.
Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Kommentar,
§ 9 Rz 238; Löhr in Battis/ Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, Kommentar,
11. Aufl. 2009, § 9 Rz 98b; Mitschang in Zeitschrift für deutsches und
internationales Bau- und Vergaberecht - ZfBR - 2005, 644, 646). Wollte die
Stadt die Kosten in diesem Fall nicht selbst tragen, war sie darauf
angewiesen, die Kosten vertraglich abzuwälzen. Die kaufvertragliche
Übernahme der Kosten wäre dann ohne weiteres Teil des Kaufpreises i.S. des
§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit in die Bemessungsgrundlage gemäß § 8
Abs. 1 GrEStG einzubeziehen.
13
b) Ist im Streitfall eine Zuordnung
erfolgt, rechnet die kaufvertragliche Übernahme der Ausgleichskosten
ebenfalls zur Gegenleistung, da die Stadt sich verpflichtet hatte, die noch
erforderliche Ausgleichsmaßnahme durchzuführen und das Grundstück
naturschutzrechtlich geordnet auf die Klägerin zu übertragen.
Erwerbsgegenstand war daher das Grundstück mit dem an anderer Stelle
ausgeglichenen Eingriff. Zwar betraf die an anderer Stelle noch
durchzuführende Ausgleichsmaßnahme nicht einen in der Zukunft noch zu
schaffenden tatsächlichen (körperlichen) Zustand des zu übertragenden
"Eingriffsgrundstücks" (vgl. dazu Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz,
Kommentar, 16. Aufl. 2007, § 9 Rz 136 ff.; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz,
Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 8 Rz 7; Pahlke/ Franz, Grunderwerbsteuergesetz,
Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 8 Rz 3); die Ausgleichsmaßnahme an anderer
Stelle wirkt aber auf die Nutzbarkeit des zu übertragenden
"Eingriffsgrundstücks" in einer Weise ein, die einer tatsächlichen
Veränderung des Grundstückszustands vergleichbar ist. Sie gestattet nämlich
auf dem zu übertragenden Grundstück den Eingriff in das Landschaftsbild oder
den Naturhaushalt (§ 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB) als tatsächliches Geschehen.
Damit gelten für die vertragliche Übernahme der Kosten einer dem
"Eingriffsgrundstück" zugeordneten Ausgleichsmaßnahme nach § 135a Abs. 2
BauGB bei der Anwendung der §§ 8 und 9 GrEStG dieselben Grundsätze wie bei
der Übernahme der Erschließungskosten. |