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BFH-Beschluss vom 3.2.2010 (I R 8/09) BStBl. 2010 II S. 502
Vermittlungstätigkeit gesetzlicher Krankenversicherungen für private
Zusatzversicherungsverträge als Betrieb gewerblicher Art
Gesetzliche Krankenversicherungen unterhalten einen Betrieb gewerblicher
Art, wenn sie ihren Mitgliedern private Zusatzversicherungsverträge
vermitteln und dafür von den privaten Krankenversicherungen einen
Aufwendungsersatz erhalten.
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1; SGB IV
§ 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1; SGB V § 2 Abs. 1, § 11, § 194 Abs. 1a.
Vorinstanz: FG Hamburg vom 18. Dezember
2008 6 K 165/07 (EFG 2009, 614)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob die
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit der Vermittlung von privaten
Zusatzversicherungsverträgen einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) unterhält.
2
Die Klägerin ist eine
juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie betreibt eine gesetzliche
Krankenkasse. Ferner hat sie im Streitjahr 2005 Zusatzversicherungsverträge
zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen
vermittelt. Das hieraus erzielte Ergebnis in Höhe von ./. 1.460.860 €
erklärte sie als Verlust aus dem BgA "... Zusatzversicherung".
3
Gegen die erklärungsgemäß
ergangenen Steuerbescheide legte sie mit der Begründung erfolglos Einspruch
ein, sie unterhalte mit der Vermittlung von Zusatzversicherungen keinen BgA.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Hamburg mit in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 614 veröffentlichtem Urteil
vom 18. Dezember 2008 6 K 165/07 ab.
4
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG sowie die angefochtenen Steuerbescheide aufzuheben.
5
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
6
Der Senat entscheidet gemäß § 126a der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Er
hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind angehört worden und hatten
Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
Klägerin im Streitjahr mit der Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen
einen BgA unterhalten hat.
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1. Die Klägerin ist als gesetzliche
Krankenversicherung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1
des Sozialgesetzbuchs - Viertes Buch - SGB IV -), die mit ihren Betrieben
gewerblicher Art unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1
Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -). Sie darf nur Geschäfte zur
Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben
führen (§ 30 Abs. 1 SGB IV).
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Die den gesetzlichen Krankenkassen
obliegenden Aufgaben ergeben sich im Einzelnen aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 11
des Sozialgesetzbuchs - Fünftes Buch (SGB V). Das Vermitteln privater
Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten
Krankenversicherungsunternehmen ist darin nicht aufgeführt und gehört daher
nicht zu den gesetzlichen Pflichtaufgaben der gesetzlichen Krankenkassen.
Gemäß § 194 Abs. 1a SGB V dürfen sie diese Tätigkeit jedoch ausüben, wenn
sie eine entsprechende Bestimmung in ihre Satzung aufnehmen. Von dieser
Möglichkeit hat die Klägerin Gebrauch gemacht.
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2. Die Klägerin unterhält mit dem
Vermitteln der Versicherungsverträge einen BgA, denn sie entfaltet damit
eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, die
sich von ihrer Tätigkeit im Rahmen ihrer Pflichtaufgaben abgrenzen lässt und
sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung wirtschaftlich heraushebt (§ 4 Abs. 1
KStG).
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a) Entgegen der Auffassung der Klägerin übt
sie diese Tätigkeit in einer "Einrichtung" i.S. des § 4 Abs. 1 KStG aus.
11
Unter einer Einrichtung ist jede Betätigung
zur Erzielung von Einnahmen zu verstehen, die sich von der sonstigen
Tätigkeit funktionell abgrenzen lässt. Es ist nicht notwendig, dass die
Tätigkeit im Rahmen einer organisatorisch verselbständigten Abteilung
ausgeübt wird. Andernfalls stünde die Annahme eines Betriebes gewerblicher
Art zur Disposition der juristischen Person des öffentlichen Rechts, die
durch mangelnde organisatorische Abgrenzung ihrer wirtschaftlichen
Tätigkeiten die Besteuerung vermeiden könnte (Senatsurteil vom 26. Februar
1957 I 327/56 U, BFHE 64, 391, BStBl III 1957, 146; Siegel, Der Begriff des
"Betriebes gewerblicher Art" im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, 1999,
S. 69). Die Einbeziehung der wirtschaftlichen Tätigkeit in den überwiegend
mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Betrieb schließt es daher nicht aus, die
einbezogene Tätigkeit gesondert zu beurteilen und als eigenständige Einheit
von dem sie organisatorisch tragenden Hoheitsbetrieb zu unterscheiden
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. April 1983 V R 3/79, BFHE 138,
260, BStBl II 1983, 491; Senatsurteile vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112,
61, BStBl II 1974, 391; vom 27. Juni 1990 I R 166/85, BFH/NV 1991, 628).
Auch die Literatur verlangt, sofern sie dem Tatbestandsmerkmal der
"Einrichtung" überhaupt eine eigenständige Bedeutung beimisst (vgl.
Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, 2002, S. 49 f.), keine
organisatorische Verselbständigung, sondern grenzt die Tätigkeiten ihren
sachlichen Inhalten nach voneinander ab (z.B. Landwehr, Betriebe
gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im
Körperschaftsteuerrecht, S. 141; Bott in Ernst & Young, KStG, § 4 Rz 37;
Krämer in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rz 23;
Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 4 Rz 38; Seer, Deutsches Steuerrecht -
DStR - 1992, 1751).
12
Nach diesen Maßstäben ist das Vermitteln
der Zusatzversicherungen als Einrichtung zu beurteilen. Dem steht nicht
entgegen, dass die Klägerin dafür keine organisatorisch verselbständigte
Einheit unterhält, sondern diese Aufgabe und ihr Kerngeschäft durch dasselbe
Personal erledigen lässt. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin mit der
Vermittlungstätigkeit darauf abzielt, ihren Versicherten einen möglichst
umfassenden Versicherungsschutz zu gewährleisten und sie durch die
Zusatzversicherungen an sich zu binden oder Neukunden zu werben. Maßgeblich
und für die Annahme einer "Einrichtung" ausreichend ist allein, dass sich
die in § 11 SGB V genannten Aufgaben der Klägerin und das Vermitteln der
Versicherungen voneinander unterscheiden und trennen lassen. Dass dies
möglich ist, zeigt sich schon daran, dass die Klägerin in der Lage war,
hinsichtlich dieser Tätigkeit eine Einnahmen-Ausgabenrechnung zu erstellen
und die durch die Vermittlung der Verträge entstandenen Kosten ihrem
privaten Versicherungspartner in Rechnung zu stellen. Dies ist ohne eine
Trennung beider Tätigkeitsbereiche nicht möglich. Überdies folgt eine
gewisse organisatorische Verselbständigung der Vermittlungstätigkeit daraus,
dass es Aufzeichnungen darüber bedarf, welche Versicherungsnehmer bereits
auf die Zusatzversicherungen angesprochen wurden und welche eine derartige
Versicherung abgeschlossen haben.
13
b) Die Klägerin ist auch mit
Einnahmeerzielungsabsicht tätig. Sie hat mit ihrem privaten
Kooperationspartner einen Kostenersatz als Gegenleistung für ihre Tätigkeit
vereinbart. Sie wird daher zur Erzielung von Einnahmen tätig. Nach welchen
Maßstäben sie ihre Leistungen gegenüber den privaten Versicherungen in
Rechnung stellt - Kostenersatz oder Kostenersatz zzgl. Gewinnaufschlag - und
wie die Einnahmen bezeichnet werden, etwa als Preis, Gebühr oder Beitrag
(Landwehr, a.a.O., S. 232), ist für die Frage, ob die Klägerin mit
Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist, ohne Bedeutung. Ebenso wenig kommt es
darauf an, ob sie mit ihrer Tätigkeit weitere Ziele, etwa die Gewährleistung
eines umfassenden Versicherungsschutzes für die bei ihr Versicherten,
verfolgt. Denn die Einnahmeerzielung muss weder nach dem Wortlaut des § 4
Abs. 1 Satz 1 KStG noch nach dessen Zweck - der Vermeidung von
Wettbewerbsbeeinträchtigungen der privaten Wirtschaft - Hauptziel der
Tätigkeit sein (Landwehr, a.a.O., S. 232; Buciek in Beermann/Gosch,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 14 AO Rz 49). Es genügt vielmehr,
dass die Klägerin die privaten Versicherungen gegen Entgelt - also im Rahmen
eines gegenseitigen Vertrages - vermittelt.
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c) Die Klägerin übt mit der Vermittlung der
Zusatzversicherungen keine hoheitliche, sondern eine wirtschaftliche
Tätigkeit aus.
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aa) Zur hoheitlichen Tätigkeit bzw. zur
Ausübung öffentlicher Gewalt i.S. von § 4 Abs. 5 KStG gehören solche
Tätigkeiten, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts
"eigentümlich und vorbehalten" sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung
spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt
abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der
Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung
verpflichtet ist. Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist insoweit
ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit
entfaltet, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten
gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet (ständige
Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile vom 7. November 2007 I R 52/06, BFHE 219,
563, BStBl II 2009, 248; vom 29. Oktober 2008 I R 51/07, BFHE 223, 232,
jeweils m.w.N.). Dann bewegt sich auch die juristische Person des
öffentlichen Rechts in Bereichen der unternehmerischen Berufs- und
Gewerbeausübung, in denen private Unternehmen durch den Wettbewerb mit
Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht benachteiligt werden
dürfen (Senatsurteil vom 25. Januar 2005 I R 63/03, BFHE 209, 195, BStBl II
2005, 501, m.w.N.).
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bb) Der Streitfall bietet keine
Veranlassung, näher auf die Frage einzugehen, ob und ggf. inwieweit die
Klägerin in ihrem Kernbereich - soweit sie Pflichtversicherten und
freiwillig Versicherten Krankenschutz gewährt - hoheitlich tätig ist (vgl.
Boetius, Der Betrieb 1996, Beilage 17; Hüttemann, a.a.O., S. 100; vgl. auch
Senatsurteil vom 4. Februar 1976 I R 200/73, BFHE 118, 31, BStBl II 1976,
355, zu einer Versorgungseinrichtung des öffentlichen Rechts). Denn mit der
Vermittlung privater Zusatzversicherungen übt sie jedenfalls eine Tätigkeit
aus, die sich von der gewerblicher Versicherungsmakler nicht unterscheidet.
Auch diese können den bei der Klägerin versicherten Personen
Zusatzversicherungsverträge, z.B. über die Wahlarztbehandlung im Krankenhaus
oder den Ein- oder Zweibettzuschlag im Krankenhaus, vermitteln. Bliebe die
Tätigkeit der Klägerin unbesteuert, könnte dies zu Wettbewerbsnachteilen
privater Versicherungsmakler gegenüber der Klägerin führen. Es handelt sich
damit um eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG.
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Allein die Zuweisung einer Aufgabe an eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts genügt entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht, einen Hoheitsbetrieb anzunehmen. Dies folgt schon daraus,
dass gemäß § 4 Abs. 3 KStG Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit
Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem
Hafenbetrieb dienen, Betriebe gewerblicher Art sind, obwohl die dort
genannten Tätigkeiten den Kommunen regelmäßig als öffentliche Aufgabe
zugewiesen sind. Maßgeblich ist allein, ob die Tätigkeit, bliebe sie
unbesteuert, zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen der privaten Wirtschaft führen
kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Wettbewerb tatsächlich im
konkreten Fall beeinträchtigt wird. Ausreichend ist vielmehr, dass der
Betrieb gewerblicher Art in einem potentiellen Wettbewerb zur
Privatwirtschaft steht (Senatsurteile vom 23. Oktober 1996 I R 2/94, BFHE
181, 322, BStBl II 1997, 139; vom 14. März 1990 I R 156/87, BFHE 161, 46,
BStBl II 1990, 866; BFH-Urteil vom 30. Juni 1988 V R 79/84, BFHE 154, 192,
BStBl II 1988, 910; Seer, DStR 1992, 1751; Seer/Wendt, DStR 2001, 825; Bott
in Ernst & Young, a.a.O., § 4 Rz 130; Hüttemann, a.a.O., S. 91; Siegel,
a.a.O., S. 177; Heger, Finanz-Rundschau 2009, 301). Davon ist auszugehen,
wenn dieselbe Tätigkeit auch von privaten Unternehmen wahrgenommen werden
kann.
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Es kommt daher nicht darauf an, ob das
Vermitteln der Versicherungen eine (selbst geschaffene) öffentliche Aufgabe
der gesetzlichen Krankenkassen ist, wie dies die Klägerin als Auffassung des
Bundesgesundheitsministeriums und dessen nachgeordneter Behörden darstellt.
Ebenso ist im Streitfall unerheblich, dass für die Klägerin das
Versicherungsprivatrecht und/oder die sog. Europäische Vermittler-Richtlinie
2002/92/EG vom 9. Dezember 2002 (Amtsblatt der Europäischen Union 2003
Nr. L 9, 3) möglicherweise nicht gelten und sie bei ihrer
Vermittlertätigkeit der Aufsicht ihres Verwaltungsrates unterliegt. Es
spielt auch keine Rolle, ob der Gesetzgeber den gesetzlichen Krankenkassen
deshalb die Möglichkeit eingeräumt hat, private Zusatzversicherungen zu
vermitteln, um sie bei der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgabe zu
unterstützen und zu stärken. Maßgeblich ist allein, ob ihrer Tätigkeit eine
(potentielle) Wettbewerbsrelevanz zukommt. Eine solche besteht hier jedoch
schon deshalb, weil die Klägerin Produkte vermittelt, die auch von privaten
Versicherungsmaklern an gesetzlich Versicherte vermittelt werden können.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass gesetzliche
Krankenkassen nicht mehr in der Lage wären, ihre Pflichtaufgaben zu
erfüllen, wenn die Erträge aus der Vermittlung privater Zusatzversicherungen
der Besteuerung unterlägen.
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