| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 19.1.2010 (X R 17/09) BStBl. 2010 II S. 544
Beerdigungskosten als dauernde Last
Hat
sich der Vermögensübernehmer gegenüber den Vermögensübergebern (Eltern) in
einem Vermögensübergabevertrag verpflichtet, die Kosten einer standesgemäßen
Beerdigung zu tragen, so sind die dadurch nach dem Tod des Letztverstorbenen
entstandenen angemessenen Aufwendungen als dauernde Last i.S. von § 10
Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar, soweit nicht der Vermögensübernehmer, sondern
ein Dritter Erbe ist.
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1 Satz 1,
§ 24 Nr. 2.
Vorinstanz: FG München, Außensenate
Augsburg vom 11. Februar 2009 10 K 4454/07 (EFG 2009, 1455)
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) übernahm im Übergabevertrag vom 22. Juni 1990 als
Gegenleistung für die Übergabe mehrerer Grundstücke samt Gebäuden u.a. die
Verpflichtung, die Kosten für eine standesgemäße Beerdigung seiner Eltern,
der Vermögensübergeber, zu tragen.
2
Nach dem Tod der
letztversterbenden Mutter des Klägers entstanden diesem unstreitig
Beerdigungskosten in Höhe von 4.149 €. Erbin der Mutter war die Schwester
des Klägers.
3
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Einkommensteuer für das
Streitjahr 2005 fest, ohne die geltend gemachten Beerdigungskosten zu
berücksichtigen.
4
Das Finanzgericht (FG) gab
der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1455 veröffentlichtem Urteil statt.
Beerdigungskosten seien Bestandteil des Inbegriffs "typischer"
Versorgungsleistungen. Ihre Abziehbarkeit als dauernde Last ende auch nicht
deswegen, weil der letzte Altenteilsberechtigte versterbe und ein Dritter
Erbe nach dem Letztversterbenden werde. Maßgebendes Kriterium für die Frage,
ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe
gegen Versorgungsleistungen sein könne, sei die Vergleichbarkeit mit dem
Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe müsse sich so darstellen, dass
die vom Übernehmer zugesagten Leistungen - obwohl sie von ihm erwirtschaftet
werden müssen - als zuvor vom Übergeber vorbehaltene - abgespaltene -
Nettoerträge vorstellbar seien. Dies sei für die Abziehbarkeit - und
materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit - der privaten
Versorgungsrente konstituierend (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
15. Februar 2006 X R 5/04, BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160; vom 31. März
2004 X R 66/98, BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830; vom 11. Oktober 2007
X R 14/06, BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123). Auch im Streitfall habe sich
der Letztversterbende hinsichtlich der Beerdigungskosten vom Übernehmer zu
erwirtschaftende Nettoerträge vorbehalten. Gegen die Abziehbarkeit der
Beerdigungskosten als Sonderausgaben spreche auch nicht das der
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu Grunde liegende
Korrespondenzprinzip. Zum einen könne die generelle Geltung eines Prinzips,
dass wiederkehrende Leistungen beim Empfänger nach § 22 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtig seien, weshalb sie
korrespondierend beim Zahlenden als Sonderausgaben abziehbar sein müssten,
dem EStG nicht entnommen werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom
12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95). Zum anderen
könnten im Streitfall die vorbehaltenen Erträge in Gestalt der
Beerdigungskosten des Letztversterbenden einem Empfänger als wiederkehrende
Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugerechnet werden. Soweit der Kläger
aufgrund des Übergabevertrags verpflichtet sei, die Beerdigungskosten auch
für die Letztversterbende zu tragen, liege ein Vertrag zugunsten Dritter -
im Streitfall zugunsten der Erbin - vor. Die Erbin sei von den
Beerdigungskosten entlastet; die Abziehbarkeit der dauernden Last beim
Kläger entspreche deren Steuerbarkeit bei der Erbin. Damit sei der
materiell-rechtlichen Korrespondenz zwischen Abzugs- und
Besteuerungstatbestand infolge des Transfers der steuerlichen
Leistungsfähigkeit rechtstechnisch Rechnung getragen worden.
5
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts. Der Abzug der Beerdigungskosten scheitere an
dem Grundsatz der materiell-rechtlichen Korrespondenz. Aus dem Vorliegen
eines Vertrags zugunsten Dritter, der Erbin, könne nicht geschlossen werden,
die Erbin müsse die Aufwendungen als sonstige Einkünfte versteuern. Die
Erbin trete in die Rechtsstellung der Erblasserin ein. Der Erblasserin seien
Einnahmen in Höhe der Beerdigungskosten nicht mehr zugeflossen, weil sie im
Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht mehr gelebt habe. Deshalb seien auch der
Erbin insoweit keine Einnahmen zugeflossen.
6
Das FA beantragt, das
FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Kläger beantragen, die
Revision zurückzuweisen.
8
Zu Recht sei das FG von
einem Vertrag zugunsten Dritter ausgegangen. Bei der Erbin seien die
Aufwendungen der Besteuerung zu unterwerfen, die der Kläger als
Sonderausgaben abziehen könne.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht
ist das FG davon ausgegangen, dass die Aufwendungen für die Beerdigung der
Mutter des Klägers als Sonderausgaben abziehbar sind.
10
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die
auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten,
die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei
der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Handelt es
sich steuerrechtlich um eine dem Vertragstypus des
"Versorgungsvertrags"/"Altenteilsvertrags" vergleichbare Vermögensübergabe,
sind die - grundsätzlich schon aufgrund der Rechtsnatur des Vertrags
abänderbaren - wiederkehrenden Leistungen in der Regel als "dauernde Last"
abziehbar (ausführlich hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom
5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847;
zusammenfassend Senatsurteil vom 25. August 1999 X R 38/95, BFHE 190, 302,
BStBl II 2000, 21, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
11
2. Zutreffend ist das FG in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon ausgegangen, dass das
bürgerlich-rechtliche Altenteil Versorgungsleistungen verschiedener Art
umfasst, die durch die gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten ganz
oder teilweise zu versorgen, zu einer rechtlichen Einheit verbunden sind,
und dass auch die Kosten für die Beerdigung des Altenteilers Bestandteil
dieser Leistungen sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 212, 450, BStBl II 2007,
160, m.w.N.). Das FG ist der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch
insoweit gefolgt, als es die generelle Abziehbarkeit der Beerdigungskosten
als Sonderausgaben - obwohl nicht wiederkehrend - aus deren Zugehörigkeit
zum "Inbegriff der Versorgungsleistungen" folgert.
12
3. Die aufgrund der getroffenen
vertraglichen Verpflichtung geschuldeten und erbrachten Aufwendungen für die
Beerdigungskosten des letztversterbenden Altenteilers sind im Streitfall als
dauernde Last abziehbar, weil nicht der Kläger, sondern seine Schwester
Erbin der Mutter ist (so auch Schönfelder, Zeitschrift für Erbrecht und
Vermögensnachfolge 2006, 233; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG
Rz 79; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 196; Kanzler,
Finanz-Rundschau 2006, 743; anderer Ansicht Stöcker in Bordewin/ Brandt,
§ 10 EStG Rz 225, sowie Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 152, die beide darauf
abstellen, dass Beerdigungskosten nicht laufend gezahlt werden, sondern nur
einmalig entstehen können).
13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats
kennzeichnet die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, dass sich
der Vermögensübergeber Teile der nunmehr vom Vermögensübernehmer zu
erwirtschaftenden Nettoerträge vorbehält. Der Vorbehalt der Erträge stellt
sich dar als ein "Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit". Dieser wird in
der Weise rechtstechnisch verwirklicht, dass die Aufwendungen beim
Übernehmer nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar und die entsprechenden
Zuflüsse beim Übergeber nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar sind, und
bedingt eine materiell-rechtliche Korrespondenz zwischen Abzugs- und
Besteuerungstatbestand (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 219, 160, BStBl II
2008, 123). Die materiell-rechtliche Korrespondenz von Abziehbarkeit und
Steuerbarkeit ist dem Rechtsprinzip des Vorbehalts der Vermögenserträge
immanent.
14
b) Da im Streitfall eine Korrespondenz
zwischen Abziehbarkeit und Steuerbarkeit gegeben ist, können die
Beerdigungskosten als dauernde Last qualifiziert werden. Für die
Abziehbarkeit der dauernden Last ist maßgeblich, dass der Übergeber "das
Vermögen - ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt - ohne die vorbehaltenen
Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen
hat" (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004,
95, unter C.II.2.c). Die Versorgungsleistungen sind somit als vorbehaltene
Vermögenserträge zu charakterisieren. Deshalb kommt eine Abziehbarkeit von
wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben nur dann in Betracht, wenn
andererseits vorbehaltene Erträge in Gestalt der Beerdigungskosten einem
Empfänger als wiederkehrende Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugerechnet
werden können.
15
Diese Voraussetzung ist im Streitfall
erfüllt. Der Kläger war aufgrund des Übergabevertrags verpflichtet, die
Beerdigungskosten für die Letztversterbende zu tragen; diese vertragliche
Regelung geht der gesetzlichen Regelung in § 1968 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs vor. Da die Erbin damit im Innenverhältnis von der Verpflichtung
zur Tragung der Beerdigungskosten entbunden war, ist von einem Vertrag
zugunsten Dritter, der Erbin, auszugehen. Ihr und nicht der verstorbenen
Mutter, der Erblasserin, sind die Einnahmen in Höhe der ersparten
Beerdigungskosten zugeflossen und deshalb können ihr die vorbehaltenen
Erträge in Gestalt der Beerdigungskosten als wiederkehrende Einkünfte (§ 24
Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugerechnet werden. Der Grundsatz der
materiell-rechtlichen Korrespondenz ist gewahrt.
|