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BFH-Urteil vom 2.9.2008 (X R 25/07) BStBl. 2010 II S. 550
Der
Gewinn aus Losen, die Vertriebsmitarbeiter für die Erzielung bestimmter
Umsätze erhalten, ist betrieblich veranlasst.
EStG § 8 Abs. 1, § 4 Abs. 4; GewStG § 7.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
13. Februar 2007 15 K 349/04 (EFG 2007, 1462)
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob der im
Streitjahr ausgezahlte Teilbetrag eines Gewinnes aus einer Verlosung in Höhe
von 177.130 DM den Gewerbeertrag erhöht.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb seit dem 1. September 2000 eine
Handelsvertretung mit Kosmetik des Kosmetikherstellers X. X verloste im
Kalenderjahr 2001 ein Einfamilienhaus. Teilnahmeberechtigt an dem Wettbewerb
waren alle selbständig tätigen Vertriebsmitarbeiter der X. Die Höchstzahl
der Lose war begrenzt auf acht Stück je Teilnehmer. Jeweils ein Los erhielt,
wer in den beiden Monaten Januar und Februar 2001 Umsätze mit X in Höhe von
jeweils 250 DM erzielte. X garantierte jedem Teilnehmer einen Gewinn. Am
25. August 2001 gewann die Klägerin das als Hauptgewinn ausgelobte
"Traumhaus" im Wert von 500.000 DM.
Nach dem Erwerb eines
geeigneten Baugrundstücks im Jahr 2001 leistete X - entsprechend dem
Fortgang des Bauvorhabens - zweckgebundene Zahlungen bzw. Verrechnungen in
Höhe von insgesamt 500.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer. X berichtete in einer
Zeitschrift, die an X-Mitarbeiter und potentielle neue Vertriebsmitarbeiter
kostenlos verteilt wurde, zu Werbezwecken fortlaufend über die Realisierung
des Bauvorhabens.
Am 26. Oktober 2001 übergab
X der Klägerin einen Scheck über 140.000 DM für den Erwerb des Grundstücks.
Die darauf entfallende Umsatzsteuer, 22.400 DM, wurde mit Scheck vom
15. November 2001 gezahlt. Am 27. Dezember 2001 wurde ein betriebliches
Darlehen, das X der Klägerin gewährt hatte, im Wege der Verrechnung um
37.130,21 DM gemindert. Hierbei habe es sich nach Aussage der Klägerin um
den einzigen Teilbetrag der 500.000 DM gehandelt, der nicht dem Erwerb des
"Traumhauses" gedient habe. Den Scheck über die dazugehörige Umsatzsteuer in
Höhe von 5.940,83 DM erhielt sie am 10. Januar 2002. Nach Fertigstellung
habe das "Traumhaus" zu 15 % eigenbetrieblichen Zwecken gedient.
Die Klägerin erfasste in
ihren Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 die Auszahlungen des
Hauptgewinns als umsatzsteuerpflichtige Umsatzerlöse; ihre Gewinne aus
Gewerbebetrieb, die sie durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3
des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, erhöhte sie dagegen nicht um
die erhaltenen Auszahlungen.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) führte die Veranlagungen
erklärungsgemäß durch. Bei einer Außenprüfung kam der Betriebsprüfer zu der
Auffassung, dass die Auszahlungen des Gewinnes als betriebliche Einnahmen zu
erfassen seien, da der Losgewinn durch den Gewerbebetrieb veranlasst sei.
Die Betriebseinnahmen seien 2001 um 177.130 DM zu erhöhen. Es erging ein
geänderter Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2001. Der Einspruch
blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die Entscheidung
ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1462 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den
Betriebseinnahmebegriff zu weit ausgelegt.
- Im Vordergrund der
Preisverleihung stehe nicht ihre berufliche Leistung, sondern der
Werbeeffekt für X.
- Sie habe nur einen
Anspruch auf entsprechende Klebepunkte erworben. Die Gewinnchance habe
außerhalb des Einkünftebereichs gelegen.
- Der Gewinn sei ihr, der
Klägerin, nicht in ihrer Eigenschaft als Betriebsinhaberin, sondern ihrem
privaten Bereich zuteil geworden, und habe dem betrieblichen
Vertriebsinteresse von X gedient.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und in dem angefochtenen
Bescheid einen um 177.130 DM niedrigeren Gewinn anzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Die Motivation von X sei
unerheblich und hebe den inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als
Handelsvertreterin für X und ihrer Teilnahme an dem von X ausgelobten
Wettbewerb nicht auf. Die Verlosung gehöre zur betrieblichen Sphäre.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision wird gemäß § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückgewiesen. Das angefochtene
Urteil ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Gewerbeertrag ist gemäß § 7 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der nach den Vorschriften des EStG zu
ermittelnde und um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge korrigierte
Gewinn aus Gewerbebetrieb, der in dem Erhebungszeitraum zu berücksichtigen
ist. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ergibt sich im Fall der
Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG durch eine Gegenüberstellung der
Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben.
Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8
Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch
den Betrieb veranlasst sind. Ein Wertzuwachs ist betrieblich veranlasst,
wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher,
wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Von den Betriebseinnahmen zu
unterscheiden sind Wertzugänge, deren Zufluss durch private Umstände
veranlasst worden ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs
kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als
betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus
der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen
darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb
erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch
auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können auch vorliegen, wenn der
Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit
denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt, noch eine in der
Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. März 2006 VIII R 60/03, BFHE 212, 535,
BStBl II 2006, 650).
Führt ein Arbeitgeber im Rahmen des
betrieblichen Vorschlagwesens eine Verlosung durch, an der alle Arbeitnehmer
teilnehmen, die einen Verbesserungsvorschlag eingereicht haben, so sind die
verlosten Sachpreise Arbeitslohn der jeweiligen Gewinner (BFH-Urteil vom
25. November 1993 VI R 45/93, BFHE 173, 65, BStBl II 1994, 254). In
ähnlicher Weise führt die Zuwendung einer sog. Incentive-Reise zu
Betriebseinnahmen (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 X R 36/03, BFH/NV 2005,
682).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das
FG den Losgewinn zu Recht als betrieblich veranlasst erfasst. Die Klägerin
hat an einer Verlosung des Kosmetikherstellers X teilgenommen;
teilnahmeberechtigt waren (nur) alle selbständig tätigen
Vertriebsmitarbeiter der X. Der Bezug der Lose war davon abhängig, dass in
den Monaten Januar und Februar 2001 Umsätze mit X in Höhe von jeweils 250 DM
erzielt wurden. Die Lose konnten daher (nur) die Vertriebsmitarbeiter in
Anspruch nehmen, die einen bestimmten Umsatz erzielt hatten. War der Umsatz
erzielt, wurde das Los quasi "unentgeltlich" zugeteilt. Damit stellt sich
die Zuwendung der Lose - und der damit ggf. erzielte Gewinn - als
Zusatzleistung für bestimmte Umsätze dar, als betriebsbedingte, wenn auch
von einem Losverfahren abhängige bzw. in ein Losverfahren eingebundene
Prämie.
3. Dass X die Verlosung nicht im Interesse
der Klägerin durchgeführt haben mag, steht der betrieblichen Veranlassung
der Zuwendung aus der Sicht der Klägerin nicht entgegen. Die Klägerin hat
die Zuwendung erhalten, weil sie bestimmte Umsätze erzielt hatte, die zur
Teilnahme an der Verlosung berechtigten. Der Umstand, dass die Berechtigung
zur Teilnahme an der Verlosung durch den Anspruch auf entsprechende
Klebepunkte begründet wurde, ist nicht geeignet, die betriebliche
Veranlassung der Verlosung zu überlagern oder zu verdrängen. Der Gewinn ist
der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Betriebsinhaberin zuteil geworden; X
erbrachte im Hinblick auf die besonderen Leistungen der Klägerin dieser
gegenüber eine Zusatzleistung, die zum Gewinn des "Traumhauses" führte. Der
Umstand, dass diese Zusatzleistung von dem "zufälligen Losgewinn" (also von
einem aleatorischen Moment) abhing, beseitigt den betrieblichen Zusammenhang
nicht. Durch die Realisierung des Losgewinns ist keine neue Ursachenkette in
Gang gesetzt worden. Insoweit unterscheidet sich dieser Fall von der mit
Urteil vom 2. September 2008 X R 8/06 (zur Veröffentlichung bestimmt)
entschiedenen Sache, in der ein Losegewinn auf einer nachträglichen
Einkommensverwendung beruhte.
Dass die Höhe von Einnahmen von
nachfolgenden Ereignissen beeinflusst wird, ist nicht ungewöhnlich. Wird
einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ein nicht
handelbares Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem
bestimmten Übernahmepreis gewährt, so fließt ein geldwerter Vorteil dem
Berechtigten erst zu, wenn dieser die Option ausübt und der Kurswert der
Aktien den Übernahmepreis übersteigt (BFH-Urteil vom 24. Januar 2001
I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512).
4. Kein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn
zwischen dem Erwerb des Loses und dem Eintritt des Lotteriegewinnes
unterschieden wird. Die (aufschiebend bedingte) Gewinnchance (das Los) ist
im betrieblichen Bereich erwirtschaftet; die Verwirklichung dieser Chance
führt zu einer Betriebseinnahme. Eine Entnahme der Gewinnchance ist nicht
möglich. Die Realisierung von Erträgen, deren Entstehung im betrieblichen
Bereich angelegt ist, kann nicht (z.B. durch Entnahme oder durch
unentgeltliche Übertragung auf nahe Angehörige) in den privaten Bereich
verlagert werden. In vergleichbarer Weise können z.B. auch bestrittene
Forderungen nicht entnommen werden (BFH-Urteil vom 10. April 1994
IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564).
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