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BFH-Urteil vom 18.3.2009 (I R 9/08) BStBl. 2010 II S. 560
1.
Eine Rente i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG i.d.F. vor dem JStG 2008 liegt nicht
vor, wenn als Gegenleistung für die Übertragung eines Vermögensgegenstandes
wiederkehrende Bezüge vereinbart werden, die nicht der Versorgung des
Veräußerers dienen.
2.
Wird an einem bebauten Grundstück ein Erbbaurecht bestellt und als
Gegenleistung für den Übergang des Eigentums an den Gebäuden ein über die
Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages verteiltes gleichbleibendes Entgelt
vereinbart, werden die in den Erbbauzinsen auf die Gebäude enthaltenen
Zinsanteile dem Gewinn gemäß § 8 Nr. 1 GewStG i.d.F. vor dem JStG 2008 zur
Hälfte hinzugerechnet.
ErbbauRG § 12 Abs. 1 Satz 2; GewStG i.d.F.
vor dem JStG 2008 § 8 Nr. 1, § 8 Nr. 2.
Vorinstanz: FG Münster vom 9. November 2007
9 K 2275/06 G (EFG 2008, 399)
Sachverhalt
I.
Am 22. Juni 1972 schloss die
Stadt G als Erbbauverpflichtete mit S einen Erbbaurechtsvertrag über ein
Industriegrundstück von insgesamt 25.060 qm. S war seit 1964 als
Einzelunternehmer tätig.
Auf dem Erbbaugrundstück
waren Bauwerke (Lagerhallen, Kran- und Gleisanlagen) vorhanden, die gemäß
§ 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über das Erbbaurecht
(Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO -; jetzt: Gesetz über das Erbbaurecht -
Erbbaurechtsgesetz - [ErbbauRG]) als wesentliche Bestandteile des
Erbbaurechts galten. Der jährliche Erbbauzins sollte 200.000 DM betragen. S
teilte den Gesamtbetrag in einen Bodenanteil (40.000 DM) und in einen auf
die Bauwerke entfallenden Anteil (160.000 DM) auf. Er passivierte den
Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden anteiligen
Zahlungsverpflichtung und aktivierte gegenläufig die erworbenen
Wirtschaftsgüter. Von diesen Bilanzansätzen nahm er in der Folgezeit
Absetzungen für Abnutzung vor.
Nach Ablauf von jeweils
10 Jahren sollte eine Anpassung der Höhe der Erbbauzinszahlungen an den
Preisindex für die Lebenshaltungskosten erfolgen. Dies hätte im Jahr 1982
eine Erhöhung um knapp 50 % auf 299.800 DM gerechtfertigt. Da der
Bauwerksanteil (160.000 DM) unverändert bleiben sollte, wurde jedoch nach
entsprechenden Einwendungen des S nur der Bodenanteil entsprechend der
Entwicklung der Lebenshaltungskosten um 50 % von 40.000 auf 60.000 DM
erhöht.
Im Jahr 1992 gründete S als
Alleingesellschafter die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine
GmbH. Er brachte sein Einzelunternehmen zu Buchwerten in die Klägerin ein,
deren Gegenstand die Vermietung und Verpachtung von Anlagevermögen an zwei
andere GmbH ist, die das Speditions- und Lagergeschäft betreiben.
Am 31. Mai 1994 wurde der
Erbbaurechtsvertrag unter gleichzeitiger Verlängerung der Laufzeit bis ins
Jahr 2044 (bis dahin: 2021) neu gefasst. Der Erbbauzins wurde in zwei
Teilbeträge aufgeteilt und wie folgt bemessen: Ein Teilbetrag von anfänglich
4,20 DM je Quadratmeter (105.252 DM) sollte nach Ablauf von jeweils
10 Jahren an die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltungskosten
angepasst werden. Ein zweiter Teilbetrag von 80.000 DM sollte hingegen
während der Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages unverändert bleiben. Der
zuletzt genannte Betrag sollte auf die Bauwerke entfallen.
Nach einer Prüfung gelangte
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung,
bei dem auf die Bauwerke entfallenden Anteil der Zahlungen handele es sich
um Kaufpreisraten. Aus diesen Raten sei ein Zinsanteil herauszurechnen, der
gewerbesteuerrechtlich als Entgelt für sog. Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2008 vom
20. Dezember 2007, BGBl I 2007, 3150 - GewStG a.F. -) zu beurteilen und dem
Gewinn aus Gewerbebetrieb zur Hälfte hinzuzurechnen sei.
Die gegen die entsprechend
geänderten Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1998 bis 2002
erhobene Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster
vom 9. November 2007 9 K 2275/06 G ist in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2008, 399 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das
FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA hat zu Recht den in
den Erbbauzinsen enthaltenen Zinsanteil gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zur
Hälfte dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet.
1. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. sind dem
Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG a.F.) die Hälfte der Entgelte für
Schulden hinzuzurechnen, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb
des Betriebes oder eines Anteils am Betrieb (Teilbetriebes) oder mit der
Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen oder der nicht
nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.
2. In den Erbbauzinszahlungen der Klägerin
waren anteilige Zinszahlungen für Schulden enthalten, die wirtschaftlich mit
der Erweiterung und Verbesserung des Betriebes zusammenhängen und zudem der
nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienten.
a) Wird ein Erbbaurecht an einem bereits
bebauten Grundstück bestellt, ist eine einheitliche als "Erbbauzins"
bezeichnete Zahlung aufzuteilen in ein Entgelt für die Übertragung des
Eigentums an den Bauwerken einerseits und ein Entgelt für die Nutzung des
Grund und Bodens andererseits (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533). Denn
gemäß § 12 ErbbauRG sind Bauwerke wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts.
Der Erbbauberechtigte wird daher mit der Erbbaurechtsbestellung
zivilrechtlicher und regelmäßig auch wirtschaftlicher Eigentümer des
Gebäudes (BFH-Urteil in BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533).
b) Dies hat zur Folge, dass die für die
Übertragung des Eigentums an den Bauwerken gezahlten laufenden Beträge nicht
als Nutzungsentgelt für das Erbbaurecht (vgl. hierzu Senatsurteil vom
7. März 2007 I R 60/06, BFHE 217, 100, BStBl II 2007, 654), sondern als
Anschaffungskosten der Gebäude zu beurteilen sind. Diese Anschaffungskosten
bemessen sich nach dem Barwert der Zahlungsverpflichtung, der grundsätzlich
unter Zugrundelegung eines Zinsfußes von 5,5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 des
Einkommensteuergesetzes) zu ermitteln ist (BFH-Urteile vom 19. Mai 1992
VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87; vom 2. Mai 2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002,
10).
c) Die Klägerin ist dementsprechend
verfahren und hat den Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden
anteiligen Zahlungsverpflichtungen passiviert und die erworbenen Bauwerke
gegenläufig mit diesem Wert aktiviert.
d) Soweit der Gesamtbetrag der auf die
Bauwerke zu leistenden Zahlungen die jährliche Barwertminderung
(Tilgungsanteil) übersteigt, liegen Zinsen vor. Diese Zinsen sind gemäß § 8
Nr. 1 GewStG a.F. hälftig dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen, da
die Erbbaurechtsbestellung und der damit einhergehende Erwerb der Gebäude zu
einer Erweiterung und einer Verbesserung des bisherigen Betriebes führten.
Zudem dienen die Darlehen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des
Betriebskapitals.
3. Der Anwendungsbereich des § 8 Nr. 1
GewStG a.F. ist im Streitfall nicht durch § 8 Nr. 2 GewStG a.F.
ausgeschlossen.
a) Gewerbesteuerrechtlich bedeutsam ist die
Unterscheidung zwischen Kaufpreisraten und Veräußerungsrenten für den
Anwendungsbereich des § 8 Nr. 2 GewStG a.F. Während Renten und dauernde
Lasten, die im Zusammenhang mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes
zusammenhängen, in vollem Umfang dem Gewinn aus Gewerbebetrieb
hinzuzurechnen sind, sind Schuldzinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. nur zur
Hälfte zu berücksichtigen. Unter § 8 Nr. 2 GewStG a.F. fallen Renten aller
Art (Senatsurteil vom 22. November 1972 I R 124/70, BFHE 108, 202, BStBl II
1973, 403). Nach herrschender Meinung regelt § 8 Nr. 2 GewStG a.F.
abschließend, unter welchen Voraussetzungen Renten und dauernde Lasten dem
Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind (z.B. Kratzsch in
Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 2 Rz 46, m.w.N.; Senatsurteil in BFHE 108,
202, BStBl II 1973, 403; BFH-Urteil vom 25. November 1992 X R 21/91, BFH/NV
1993, 489; Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 482; Wüllenkemper, EFG 2008,
402; a.A. FG Köln, Urteil vom 20. April 1983 V 354/81 G, EFG 1984, 362;
Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 1). Renten und dauernde
Lasten, die nicht mit der Übertragung des Betriebes zusammenhängen, erhöhen
danach den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht, auch wenn im Übrigen die
Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. vorliegen.
b) Das Verhältnis von § 8 Nr. 1 GewStG a.F.
zu § 8 Nr. 2 GewStG a.F. bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, da die
auf die Gebäude entfallenden Zahlungen Kaufpreisraten und keine Zeitrenten
sind.
aa) Grundsätzlich sind laufende Zahlungen,
die für die Übereignung eines oder mehrerer Wirtschaftsgüter zu erbringen
sind und bei denen sich Leistung und Gegenleistung nach der Vorstellung der
Vertragsparteien gleichwertig gegenüber stehen, als ratenweise erbrachte
Kaufpreiszahlungen anzusehen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1974 VIII R 131/70,
BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173). Der Veräußerer realisiert, wenn es sich
um ein betriebliches Wirtschaftsgut handelt, mit dem Übergang des
wirtschaftlichen Eigentums auf den Käufer einen Veräußerungsgewinn/-verlust
in Höhe des Barwerts der Kaufpreisforderung abzüglich des Buchwerts und der
Veräußerungskosten. Das mit der Stundung des Kaufpreises regelmäßig
vorliegende Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises ist demgegenüber als
schwebendes Geschäft zu behandeln, sodass die Zinserträge erst in den
folgenden Jahren realisiert werden (vgl. Schmidt/ Glanegger, EStG,
28. Aufl., § 6 Rz 398).
bb) Von einer Rente ist bei der
Vereinbarung wiederkehrender Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung
von Vermögensgegenständen nur auszugehen, wenn die Leistungen der Versorgung
des Bezugsberechtigten dienen sollen (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1994
X R 44/93, BFHE 176, 19, BStBl II 1996, 676). Dies gilt nicht nur, wenn dem
Übertragenden eine Rente auf Lebenszeit, sondern auch begrenzt auf einen
bestimmten Zeitraum zugesagt wird.
Die Rechtsprechung, die dem Veräußerer im
Rahmen der Betriebsveräußerung bei wagnisbehafteten wiederkehrenden Bezügen
ein Wahlrecht zwischen Sofortversteuerung und Zuflussversteuerung des
Veräußerungsgewinns gewährt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 87, m.w.N.),
lässt sich jedenfalls im Streitfall nicht zugunsten einer Einordnung als
Rente i.S. von § 8 Nr. 2 GewStG a.F. dienstbar machen. Denn wagnisbehaftet
sind wiederkehrende Bezüge nur, wenn sie mit Risiken verbunden sind, die
über die zeitlich gestreckte Umschichtung und die damit verbundene Gefahr
einer Geldentwertung hinausgehen (BFH-Urteil in BFHE 114, 79, BStBl II 1975,
173). Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn sie lebenslang zu
zahlen sind oder bei fester Laufzeit von mehr als 10 Jahren primär der
Versorgung oder bei besonders langer Zeit mindestens auch der Versorgung des
Berechtigten dienen (BFH-Urteile vom 30. Januar 1974 IV R 80/70, BFHE 111,
477, BStBl II 1974, 452; vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl
II 1984, 829; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 29. März 2007 XI B 56/06, BFH/NV
2007, 1306; vom 12. Mai 1999 IV B 52/98, BFH/NV 1999, 1330; Schmidt/ Wacker,
a.a.O., § 16 Rz 222, m.w.N.).
cc) Da im Streitfall die
Erbbauzinszahlungen weder eine Gegenleistung für die Übertragung eines
Betriebes darstellen noch der Versorgung der Erbbaurechtsbestellerin dienen,
liegt eine Rente i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG a.F. nicht vor. Ob bei einem nach
Zeit und Höhe bestimmten Kapitalbetrag als Gegenleistung für die Übertragung
eines (Teil-)Betriebes angesichts des Beschlusses des Großen Senats des BFH
vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) überhaupt noch
von einer Zeitrente auszugehen ist oder ob auch in diesem Fall nunmehr
Kaufpreisraten anzunehmen sind (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 225
a.E.; Richter/Richter, Der Betrieb 1995, 1098), kann im Streitfall
offenbleiben.
4. Die Sache ist spruchreif. Die Höhe des
in den Erbbauzinszahlungen enthaltenen Zinsanteils ist zwischen den
Beteiligten nicht im Streit. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und
die Klage vollen Umfangs abzuweisen.
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