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BFH-Urteil vom 3.2.2010 (I R 23/09) BStBl. 2010 II S. 599
Keine "Finalität" ausländischer Betriebsstättenverluste trotz zeitlich
begrenzten Verlustvortrags im Betriebsstättenstaat - Vereinbarkeit von § 2
Abs. 1 AuslInvG mit der Niederlassungsfreiheit
1.
Der Senat hält auch für Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg daran fest, dass
Deutschland für Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in
seiner in Luxemburg befindlichen Betriebsstätte erwirtschaftet, kein
Besteuerungsrecht hat (ständige Rechtsprechung).
2.
Von der in § 2 Abs. 1 Satz 3 AuslInvG bestimmten Nachversteuerung negativer
ausländischer Betriebsstätteneinkünfte, welche in einem vorangegangenen
Veranlagungszeitraum nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AuslInvG bei der Ermittlung des
Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen worden sind, kann nach Maßgabe von § 2
Abs. 1 Satz 4 AuslInvG nur dann abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige
nachweist, dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen
Staates ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr
allgemein nicht beansprucht werden kann. An einem derartigen "allgemeinen"
Ausschluss des Verlustabzugs fehlt es, wenn sich der Abzugsausschluss
lediglich aus Gründen der verwirklichten Gegebenheiten des Einzelfalles
verbietet (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 29. November 2006 I R
45/05, BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398).
3.
Art. 43 EG (= Art. 49 AEUV) steht einer nationalen Steuerregelung wie jener
in § 2 Abs. 1 AuslInvG nicht entgegen, nach der der Verlust einer
Betriebsstätte, die in einem ausländischen Staat belegen ist, bei der
Festsetzung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden
kann, später aber, sobald die Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftet,
steuerlich wieder hinzugerechnet werden muss, wenn der Betriebsstättenstaat
nur einen zeitlich begrenzten Vortrag von Verlusten zulässt und wenn nach
einem zwischen den beiden Staaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung die Einkünfte der Betriebsstätte von der Steuer
befreit sind (Anschluss an EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008 C-157/07
"Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt", IStR 2008, 769).
AuslInvG § 2 Abs. 1; AuslInvG i.d.F. des
JStG 2009 § 8 Abs. 5; EG Art. 43 (= Art. 49 AEUV).
Vorinstanz: FG Köln vom 5. Februar 2010 9 K
654/03 (EFG 2009, 1754)
Sachverhalt
I.
1
Die inländische WM-GmbH war
seit 1986 Kommanditistin der R-KG, einer luxemburgischen KG, für deren
deutsche Gesellschafter die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - die
deutsche Zweigniederlassung einer luxemburgischen Société Anonyme (S.A.) -
gemeinsame Empfangsbevollmächtigte i.S. des § 183 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO) ist.
2
In den Jahren 1986 bis 1989
hatte die WM-GmbH aus ihrer Beteiligung anteilige Verluste von 21.717.232 DM
erlitten. Diese Verluste blieben im Rahmen der inländischen Besteuerung nach
Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung
der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem
Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern
und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) vom 23. August 1958 (BGBl II 1959,
1270) im Grundsatz unberücksichtigt; sie wurden jedoch auf Antrag der
Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 des Gesetzes über steuerliche
Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft - AuslInvG -
(BGBl I 1969, 1211, 1214, BStBl I 1969, 477, 480) abgezogen.
3
Ab 1990 fielen für die
WM-GmbH aus der Beteiligung an der Klägerin anteilige Gewinne an, die für
1990 bis 1994 insgesamt 2.806.651 DM und von 1995 bis 1998 insgesamt 963.865
DM betrugen. Im Streitjahr 1999 wurde ein Gewinn von 449.076 DM
erwirtschaftet. Diesen Gewinn stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA -) - nach § 2 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 8 AuslInvG unter
Hinzurechnung der zuvor nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AuslInvG abgezogenen Verluste
- einheitlich und gesondert fest. Der Feststellungsbescheid erging gegenüber
der Klägerin. Gleichermaßen war in den Jahren 1990 bis 1994 verfahren
worden; in den Jahren 1995 bis 1998 erfolgte keine Hinzurechnung der in
Luxemburg erzielten Gewinne.
4
Die gegen den für das
Streitjahr ergangenen Feststellungsbescheid gerichtete Klage blieb
erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Köln wies sie mit Urteil vom 5. Februar
20099 K 654/03 als unbegründet ab; das Urteil ist in Entscheidungen der
Finanzgerichte (EFG) 2009, 1754 abgedruckt.
5
Ihre Revision stützt die
Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass der mit
449.076 DM festgestellte Anteil der WM-GmbH auf 0 DM herabgesetzt wird,
hilfsweise die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (ab 1.
Dezember 2009: Gerichtshof der Europäischen Union) - EuGH - zur
Vorabentscheidung vorzulegen.
6
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
7
Das dem Revisionsverfahren
beigetretene Bundesministerium der Finanzen hat sich in der Sache dem FA
angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision ist unbegründet.
9
1. Die im Inland ansässige und hier mit
ihren sämtlichen Einkünften (vgl. § 1 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) unbeschränkt steuerpflichtige WM-GmbH
erwirtschaftete aus ihrer Beteiligung an der luxemburgischen R-KG seit 1989
bis zum Streitjahr 1999 Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen i.S.
von Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg. Da es sich bei der R-KG um eine
Personengesellschaft handelt, vermittelte diese ihren Gesellschaftern und
damit auch der WM-GmbH jeweils Betriebsstätten, die in Luxemburg belegen
sind. Die Einkünfte aus diesen Betriebsstätten dürfen gemäß Art. 5 Abs. 1
Satz 2 DBA-Luxemburg in Luxemburg besteuert werden und sind von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (Art. 20 Abs. 2 Satz 1
DBA-Luxemburg). Die insoweit anzustellende Einkünfteermittlung richtet sich
nach deutschem Recht.
10
2. Da sich der Begriff der
Betriebsstätteneinkünfte auf einen Nettobetrag bezieht, entspricht es
ständiger Rechtsprechung des Senats, dass auch Betriebsstättenverluste aus
der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind; das gilt auch
für die mit Luxemburg vereinbarte Abkommenslage. Auf das Senatsurteil vom
17. Juli 2008 I R 84/04 (BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630) und die dort
gegebenen weiteren Nachweise wird verwiesen.
11
3. Allerdings wirkt sich die geschilderte
Abkommenslage für gewerbliche Einkünfte aus einer in einem ausländischen
Staat belegenen Betriebsstätte nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 5 AuslInvG (hier
und im Folgenden: i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht aus, falls der
Steuerpflichtige beantragt, einen Verlust nach Maßgabe dieser Vorschriften
bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen. Ein solcher
Antrag wurde im Streitfall gestellt; das FA ist dementsprechend verfahren.
12
4. Der abgezogene Betrag ist aber, soweit
sich in einem der folgenden Veranlagungszeiträume bei den nach dem
betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen zu befreienden Einkünften aus
gewerblicher Tätigkeit aus in diesem ausländischen Staat belegenen
Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag ergibt, nach § 2 Abs. 1 Satz
3 AuslInvG in dem betreffenden Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des
Gesamtbetrags der Einkünfte wieder hinzuzurechnen. Davon ist nach § 2 Abs. 1
Satz 4 AuslInvG (nur dann) abzusehen, wenn der Steuerpflichtige nachweist,
dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staates ein
Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht
beansprucht werden kann.
13
a) Die vorbezeichneten
Nachversteuerungsvorschriften des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AuslInvG sind im
Streitfall und für die hier in Rede stehenden (Alt-)Verluste aus den Jahren
1986 bis 1989 (noch) anzuwenden. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 5 AuslInvG
i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 (BGBl I 2008, 2794).
14
b) Die WM-GmbH hat u.a. im Streitjahr
positive Einkünfte aus ihrer Beteiligung in Luxemburg und ihrer dort
belegenen Betriebsstätte erzielt. Der Nachversteuerungstatbestand des § 2
Abs. 1 Satz 3 AuslInvG ist sonach erfüllt.
15
c) Fraglich und unter den Beteiligten
streitig ist jedoch, ob die WM-GmbH nach Satz 4 dieser Vorschrift von der
Nachversteuerung zu verschonen ist. Das ist mit dem FG zu verneinen. Denn
davon, dass die WM-GmbH einen Abzug ihrer Betriebsstättenverluste in
Luxemburg "allgemein" nicht hätte beanspruchen können, kann keine Rede sein.
Nach dem einschlägigen luxemburgischen Steuerrecht (Art. 114 Abs. 2 Nr. 1
des dortigen Loi sur l'impôt sur le revenue - L.I.R. - in der für das
Streitjahr maßgeblichen Fassung) konnte sie dies nach den insoweit bindenden
(vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Feststellungen des FG
nur deswegen nicht, weil das luxemburgische Steuerrecht einen auf fünf Jahre
begrenzten Verlustvortrag vorsah und dieser Zeitraum für die Verluste aus
den Jahren 1986 bis 1989 spätestens im Jahre 1994 abgelaufen war.
"Allgemein" stand ihr der Verlustabzug also in anderen Jahren als dem
Verlustjahr zu, er verbot sich lediglich konkret aus Gründen der
verwirklichten Gegebenheiten des Einzelfalles. Das aber reicht nicht aus, um
eine "allgemeine" Versagung des Verlustabzugs i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 4
AuslInvG annehmen zu können. Der Gefahr einer doppelten Beanspruchung von
Verlustabzügen soll hierdurch abstrakt, nicht aber konkret vorgebeugt
werden.
16
Der Regelungswortlaut ist insoweit
eindeutig. Er begrenzt etwaige Auslegungsmöglichkeiten und belässt in diesem
Punkt keine Auslegungsspielräume. Das entspricht dem Regelungsverständnis
des Senats im Beschluss vom 29. November 2006 I R 45/05 (BFHE 216, 149,
BStBl II 2007, 398, m.w.N., dort bezogen auf die österreichische
Rechtslage), und daran ist festzuhalten (ebenso z.B. Probst in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 2a EStG Rz 550 ff.; Mössner
in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2a Rz E 39; Gosch in Kirchhof, EStG,
8. Aufl., § 2a Rz 95). Dass das FA in den Jahren 1995 bis 1998 gleichwohl
von Hinzurechnungen der in Luxemburg erzielten Gewinne abgesehen hat, ändert
daran schon angesichts des Prinzips der Abschnittsbesteuerung nichts.
17
5. Die so verstandene Regelungslage
widerspricht gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen und hierbei der in Art.
43 i.V.m. Art. 48 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung
des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften (EG), sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C-340, 1),
jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des
Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C
306/01) verbürgten freien Wahl der Niederlassung nicht. Das ergibt sich aus
dem EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008 C-157/07 "Krankenheim Ruhesitz am
Wannsee-Seniorenheimstatt" (Internationales Steuerrecht - IStR - 2008, 769).
Der EuGH hat sich in diesem Urteil für einen vergleichbaren
Nachversteuerungsfall und im Hinblick auf den insoweit mit Art. 43 EG
inhaltlich übereinstimmenden Art. 31 des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) - im 2. Leitsatz der Entscheidung - wie folgt
geäußert:
18
"Art. 31 (des EWR-Abkommens) steht einer
nationalen Steuerregelung nicht entgegen, nach der die Verluste einer
Betriebsstätte, die in einem anderen Staat als dem Ansässigkeitsstaat ihres
Stammhauses belegen ist, bei der Festsetzung der Einkommensteuer des
Stammhauses berücksichtigt werden können, später aber, sobald die
Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftet, steuerlich wieder hinzugerechnet
werden müssen, wenn der Betriebsstättenstaat keinen Vortrag von Verlusten
einer Betriebsstätte einer in einem anderen Staat ansässigen Gesellschaft
zulässt und wenn nach einem zwischen den beiden betreffenden Staaten
abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einkünfte
einer solchen Einheit im Ansässigkeitsstaat ihres Stammhauses von der Steuer
befreit sind.
19
Eine solche Steuerregelung führt zwar zu
einer Beschränkung des Rechts aus Art. 31 des EWR-Abkommens, da die
steuerliche Situation einer Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz in
einem Mitgliedstaat hat und eine Betriebsstätte in einem anderen
Mitgliedstaat besitzt, weniger günstig ist als die, in der sie sich befände,
wenn die Betriebsstätte im erstgenannten Mitgliedstaat belegen wäre. Auch
wenn nämlich in einem ersten Schritt bei der Veranlagung des Stammhauses im
erstgenannten Mitgliedstaat die gesamten Verluste aus der in einem anderen
Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte von den Gewinnen des Stammhauses
abgezogen werden und der erstgenannte Mitgliedstaat damit einen
Steuervorteil in der gleichen Weise gewährt, wie wenn die Betriebsstätte im
Inland belegen wäre, entzieht die nationale Steuerregelung, indem in einem
zweiten Schritt die Verluste der Betriebsstätte zum zu versteuernden
Einkommen ihres Stammhauses wieder hinzugerechnet werden, sobald die
Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftet, diesen Steuervorteil doch wieder und
behandelt damit gebietsansässige Gesellschaften mit Betriebsstätten in einem
anderen Mitgliedstaat steuerlich ungünstiger als gebietsansässige
Gesellschaften mit Betriebsstätten im Inland. Aufgrund dieses Unterschieds
in der steuerlichen Behandlung könnte eine gebietsansässige Gesellschaft
davon abgehalten werden, ihre Tätigkeiten weiterhin über eine in einem
anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte auszuüben.
20
Eine solche Beschränkung ist jedoch durch
das Erfordernis, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten,
gerechtfertigt. Die von der fraglichen Steuerregelung vorgesehene
Hinzurechnung der Verluste darf nicht von der vorangegangenen
Berücksichtigung dieser Verluste getrennt werden. Die Hinzurechnung folgt
nämlich im Fall einer Gesellschaft mit einer in einem anderen Staat
belegenen Betriebsstätte, für die dem Ansässigkeitsstaat dieser Gesellschaft
kein Besteuerungsrecht zusteht, einer spiegelbildlichen Logik. Somit besteht
ein direkter, persönlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden
Komponenten der fraglichen Steuerregelung, da die Hinzurechnung das logische
Pendant zum vorher gewährten Abzug darstellt. Diese Beschränkung ist auch
für die Erreichung eines solchen Ziels geeignet, da sie vollkommen
symmetrisch vorgeht, indem nur die in Abzug gebrachten Verluste wieder
hinzugerechnet werden. Zudem ist die Beschränkung in Bezug auf das
angestrebte Ziel verhältnismäßig, denn die Verluste werden nur bis zur Höhe
der erwirtschafteten Gewinne wieder hinzugerechnet.
21
Diese Beurteilung kann nicht durch das
Zusammenwirken der vorgenannten Steuerregelung mit den Steuervorschriften
des Betriebsstättenstaats in Frage gestellt werden. In Ermangelung
gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen bleiben
die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Kriterien für die Besteuerung des
Einkommens und des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung
gegebenenfalls im Vertragswege zu beseitigen. Diese Zuständigkeit beinhaltet
auch, dass ein Staat für die Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht
verpflichtet sein kann, die eventuell ungünstigen Auswirkungen der
Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen, die
auf eine Betriebsstätte anwendbar ist, die in diesem Staat belegen ist und
zu einer im erstgenannten Staat ansässigen Gesellschaft gehört. Selbst wenn
man unterstellt, dass das Zusammenwirken der Besteuerung im
Ansässigkeitsstaat des Stammhauses der betreffenden Betriebsstätte mit der
Besteuerung im Betriebsstättenstaat zu einer Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit führen kann, ist eine solche Beschränkung
ausschließlich dem letztgenannten Staat zuzurechnen, da sich die
Beschränkung nicht aus der fraglichen Steuerregelung ergäbe, sondern aus der
Aufteilung der Steuerhoheit durch das zwischen den beiden betreffenden
Staaten abgeschlossene Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.
22
Die Wertung, dass die sich aus der
fraglichen Steuerregelung ergebende Beschränkung durch das Erfordernis, die
Kohärenz dieser Regelung zu gewährleisten, gerechtfertigt ist, kann auch
nicht durch den Umstand in Frage gestellt werden, dass die betreffende
Betriebsstätte von ihrem Stammhaus aufgegeben wurde und die Gewinne und
Verluste, die die Betriebsstätte, solange sie bestand, erzielt hatte,
insgesamt zu einem Negativsaldo führten. Die Hinzurechnung der
Betriebsstättenverluste zu den Einkünften des Stammhauses ist nämlich das
untrennbare und logische Pendant der vorangegangenen Berücksichtigung dieser
Verluste."
23
Genau diese Beurteilung des EuGH greift
auch im Streitfall: Indem Art. 114 Abs. 2 Nr. 1 L.I.R. den Abzug von
Verlustvorträgen in Luxemburg auf fünf Jahre begrenzt, verhindert diese
Vorschrift zwar den Verlustabzug im Ergebnis endgültig. Deutschland als
Ansässigkeitsstaat ist indes angesichts des derzeitigen Standes der
gemeinschaftlichen Harmonisierung nicht verpflichtet, diesen Nachteil
auszugleichen. Dass Luxemburg seinerseits mit der beschriebenen
Verlustabzugsbeschränkung nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen haben
dürfte, tut insofern nichts zur Sache. Über die Frage des
Gemeinschaftsrechtsverstoßes durch den Quellenstaat war zwar - dort in Bezug
auf Österreich - vom EuGH in IStR 2008, 769 zu urteilen; darauf war die
zweite, hilfsweise formulierte Vorlagefrage des Senats in dessen
vorangegangenen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH durch Beschluss in
BFHE 216, 149, BStBl II 2007, 398 gerichtet. Es ist aber nichts dafür
ersichtlich, dass die Entscheidung des EuGH darauf zu verengen wäre. Der
EuGH hat die zweite (Hilfs-)Rechtsfrage im Gegenteil nicht mehr beantwortet,
nachdem er bereits die erste und weiter gehende Frage nach der
Nachversteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaates im Gewinnfall bejaht
hatte (im Ergebnis ebenso z.B. Hohenwarter, Verlustverwertung im Konzern,
2010, S. 327 f.; Lamprecht, IStR 2008, 766; Schulz-Trieglaff, Steuer und
Bilanzen 2009, 260, 263; Herkenroth/Striegel in Herrmann/ Heuer/Raupach,
EStG und KStG, § 2a Rz 10; Gosch, BFH/PR 2009, 18; Cordewener,
Internationale Wirtschafts-Briefe Fach 11, Gruppe 2, 989; Wagner, Der
Konzern 2009, 235, 240; Lühn, Betriebs-Berater 2009, 90, 92;
Lavrelashvili/Müller, Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht 2009, 164,
167; anders z.B. FG Hamburg, Urteil vom 18. November 20096 K 147/08, IStR
2010, 109; Knipping, IStR 2009, 275; Breuninger/Ernst, Deutsches Steuerrecht
2009, 1981; Ditz/Plansky, Der Betrieb 2009, 1669, 1671; zweifelnd Jü.
Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/ Brink [Hrsg.], Verluste im Steuerrecht,
2010, S. 181 f.; Haslehner, Steuer und Wirtschaft International 2008, 561).
24
Der Senat erachtet die aufgezeigte
Gemeinschaftsrechtslage in Anbetracht der zitierten Ausführungen des EuGH
jedenfalls für eine "asymmetrische" Verlustberücksichtigung durch Abzug und
Nachbesteuerung bei späterer Gewinnerzielung, wie sie im Streitfall in Rede
steht, als eindeutig. Einer (abermaligen) Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267
Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 AEUV bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil
vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415).
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