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BFH-Urteil vom 12.1.2010 (VIII R 34/07) BStBl. 2010 II S. 612
GmbH-Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen eines Bildjournalisten -
Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit - Zugehörigkeit von
Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen
Die
GmbH-Beteiligung eines Bildjournalisten kann nicht allein deshalb als
notwendiges Betriebsvermögen des freiberuflichen Betriebs beurteilt werden,
weil der Bildjournalist 99 % seiner Umsätze aus Autorenverträgen mit der
GmbH erzielt, wenn diese Umsätze nur einen geringfügigen Anteil der
Geschäftstätigkeit der GmbH ausmachen und es wegen des Umfangs dieser
Geschäftstätigkeit und der Höhe der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der
GmbH nahe liegt, dass es dem Steuerpflichtigen nicht auf die Erschließung
eines Vertriebswegs für seine freiberufliche Tätigkeit, sondern auf die
Kapitalanlage ankommt .
EStG § 18 Abs. 3 Satz 1, § 4 Abs. 4.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 21. Juni 2006
7 K 3623/04 E (EFG 2008, 602)
Sachverhalt
I.
1
Die Beteiligten streiten
darum, ob die Anteile an der F GmbH, einem Verwertungsunternehmen für
Bildmaterial, im Zeitpunkt der Veräußerung im Veranlagungszeitraum 1998 zum
Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen gehörten.
2
Die Klägerin und
Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin) und ihr 2003 verstorbener Ehemann
erzielten als Bildjournalisten Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Der
Gewinn wurde durch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben ermittelt (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG
-).
3
Die Tätigkeit der Eheleute
bestand darin, Informationen über Tagesereignisse mit eigener
Kameraausrüstung festzuhalten. Die fotografische Tätigkeit war nicht
auftragsbezogen, wie dies etwa bei Portraitfotografie oder
Veranstaltungsfotografie der Fall ist. Vielmehr wählten die Eheleute
eigenständig Themen aus und fotografierten auf Vorrat. Das Bildmaterial
stellten sie fast ausschließlich der F GmbH zur Verfügung, deren
Unternehmensgegenstand die Herstellung, die Vermittlung und der Vertrieb von
Bildmaterial, insbesondere an Presse, Werbung und Wirtschaft war. In den
Jahren 1997 bis 1999 erzielten die Klägerin und ihr Ehemann 99 % ihres
Umsatzes über die F GmbH.
4
Die F GmbH war im Jahr 1958
vom Vater des Ehemannes gegründet worden. Dieser übertrug 1973 Anteile im
Nennwert von 16.000 DM (= 20 % des Stammkapitals) im Wege der Schenkung
unter Lebenden und im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn.
5
Die Klägerin und ihr Ehemann
schlossen erstmalig im Jahr 1986 mit der F GmbH Autorenverträge ab. Die
Gesellschaft erhöhte 1992 das Stammkapital von 80.000 DM auf 600.000 DM.
Hiervon übernahm der Ehemann einen Geschäftsanteil von 104.000 DM
(Beteiligung: 16.000 DM + 104.000 DM = 120.000 DM). 1994 geriet die F GmbH
in eine finanzielle Krise, und 1995 wurde das Kapital der Gesellschaft von
600.000 DM auf 2.400.000 DM erhöht. Hiervon übernahm der Ehemann weitere
180.000 DM (Beteiligung: 120.000 DM + 180.000 DM = 300.000 DM) und die
Klägerin einen Geschäftsanteil von 300.000 DM, so dass ab diesem Zeitpunkt
beide jeweils mit 12,5 % an der F GmbH beteiligt waren.
6
Im Dezember 1998 veräußerten
die Klägerin und ihr Ehemann ihre gesamten Anteile an der F GmbH an die K
GmbH jeweils zum Preis von 1.500.000 DM.
7
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die von den Eheleuten zu
zahlende Einkommensteuer für das Jahr 1998 erklärungsgemäß fest. Der durch
die Veräußerung der GmbH-Anteile erzielte Gewinn blieb zunächst
unberücksichtigt. Nach einer Außenprüfung war das FA der Ansicht, dass der
bei der Veräußerung der Anteile erzielte Veräußerungserlös als laufende
betriebliche Einnahme zu berücksichtigen sei, da die Anteile im Zeitpunkt
der Veräußerung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des selbständigen
Unternehmens gehörten und damit notwendiges Betriebsvermögen darstellten.
Der Einkommensteuerbescheid wurde entsprechend geändert.
8
Die dagegen erhobene Klage
hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 21.
Juni 20067 K 3623/04 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008,
602 veröffentlicht.
9
Mit der Revision rügen die
Kläger Verfahrensfehler sowie die Verletzung materiellen Rechts. Die
Klägerin und ihr Ehemann seien wie alle anderen Autoren behandelt worden und
hätten durch ihre Beteiligung keine beruflichen Vorteile erzielt. Ihr Umsatz
mit der F GmbH sei im Hinblick auf die weitere umfangreiche
Geschäftstätigkeit der GmbH unerheblich. Sie hätten keinen Einfluss auf die
Geschäftstätigkeit der GmbH gehabt.
10
Die Kläger beantragen
sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG Düsseldorf vom 21. Juni 20067
K 3623/04 E für das Jahr 1998 die Veräußerungserlöse aus den Verkäufen der
Anteile an der F GmbH in Höhe von jeweils 1.200.000 DM bei der Festsetzung
der Einkommensteuer außer Ansatz zu lassen.
11
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
12
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
13
Die tatsächlichen Feststellungen des FG
erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob im Streitjahr die
Beteiligungen an der F GmbH zum Betriebsvermögen der Klägerin und ihres
Ehemannes gehörten.
14
1. a) Zu den Einkünften aus selbständiger
Arbeit gehören gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG auch Gewinne, die bei der
Veräußerung von Vermögen, das der selbständigen Arbeit dient, erzielt
werden. Der Begriff des Dienens ist nicht näher definiert. Die notwendige
Trennung des unternehmerischen Bereichs vom privaten Bereich erfolgt über
den Begriff der "betrieblichen Veranlassung" (vgl. § 4 Abs. 4 EStG). Dabei
handelt es sich um den zentralen Begriff der betrieblichen Einkunftsarten
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. März 2006 VIII R 60/03, BFHE
212, 535, BStBl II 2006, 650; vom 27. Juni 2006 VIII R 31/04, BFHE 214, 256,
BStBl II 2006, 874). Zum Betriebsvermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die
im wirtschaftlichen Eigentum des Betriebsinhabers stehen und von diesem
betrieblich veranlasst angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden
(BFH-Urteile vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988,
424; vom 18. Dezember 1996 XI R 52/95, BFHE 182, 204, BStBl II 1997, 351).
Wirtschaftsgüter gehören zum sog. notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dem
Betrieb dergestalt dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren
Einsatz im Betrieb bestimmt sind (BFH-Urteile vom 13. September 1988 VIII R
236/81, BFHE 154, 358, BStBl II 1989, 37; vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE
164, 246, BStBl II 1991, 829; vom 4. Februar 1998 XI R 45/97, BFHE 185, 384,
BStBl II 1998, 301).
15
b) Der BFH hat "Geldgeschäfte" eines
Freiberuflers, wie die Gewährung von Darlehen, die Übernahme einer
Bürgschaft oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, grundsätzlich
als berufsfremde Vorgänge bezeichnet, die in der Gewinnermittlung außer
Betracht bleiben müssen (BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 49/00, BFHE 195,
386, BStBl II 2001, 828, m.w.N). Bei der Ausübung eines freien Berufs stehen
die eigene Arbeitskraft des Steuerpflichtigen sowie der Einsatz seines
geistigen Vermögens und der durch eine qualifizierte Ausbildung erworbenen
Kenntnisse im Vordergrund. Das den freien Berufen zugrunde liegende eigene
Berufsbild begrenzt und prägt auch den dazugehörigen Betrieb (BFH-Urteile in
BFHE 195, 386, BStBl II 2001, 828; vom 23. September 2009 IV R 14/07, BFHE
226, 332).
16
Daraus folgt, dass "Geldgeschäfte", die
ihrer Art nach zu Einkünften nach § 20 EStG führen, der
persönlichkeitsbezogenen freiberuflichen Tätigkeit grundsätzlich wesensfremd
und deshalb getrennt zu beurteilen sind (BFH-Urteile vom 23. Mai 1985 IV R
198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517; in BFHE 195, 386, BStBl II 2001,
828).
17
c) Im Einzelfall kann sich allerdings
ergeben, dass die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als
Hilfstätigkeit zur freiberuflichen Tätigkeit anzusehen ist. Eine Beteiligung
gilt dann nicht als "wesensfremd". Unter diesem Gesichtspunkt hat der BFH
die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft u.a. dann zum notwendigen
Betriebsvermögen eines Freiberuflers gerechnet, wenn die Tätigkeit der
Kapitalgesellschaft die eigene berufliche Tätigkeit ergänzte (vgl.
BFH-Urteile vom 11. März 1976 IV R 185/71, BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380
betreffend Beteiligung eines beratenden Ingenieurs für Baustatik an einer
Fachberatungs-GmbH; vom 22. Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II
1981, 564 hinsichtlich der Beteiligung eines Wirtschaftsprüfers an einer
Treuhand-GmbH) oder wenn mit der Gesellschaft eine auf die Vergabe von
Aufträgen gerichtete Geschäftsbeziehung geschaffen werden sollte
(BFH-Urteile vom 23. November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II
1979, 109 betreffend Beteiligung eines Baustatikers an einer
Wohnungsbaugesellschaft; vom 14. Januar 1982 IV R 168/78, BFHE 135, 188,
BStBl II 1982, 345 betreffend Beteiligung eines Architekten an einer
Bauträger-Gesellschaft; vom 26. April 2001 IV R 14/00, BFHE 195, 290, BStBl
II 2001, 798 betreffend Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die die
Produkte des Erfinders - Arzt und Hochschullehrer - vertreibt).
18
d) Danach ist eine Unterscheidung zu
treffen zwischen einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, bei der die
Gewinnung eines neuen Auftraggebers lediglich ein erwünschter Nebeneffekt
ist, einerseits und einer Beteiligung, die der Steuerpflichtige ohne die
Aussicht auf neue Aufträge nicht erworben hätte, andererseits.
Dementsprechend hat die Rechtsprechung in letzter Zeit darauf abgestellt, ob
das "Geldgeschäft" ein eigenes wirtschaftliches Gewicht hat und deswegen aus
der freiberuflichen Tätigkeit auszuscheiden ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE
144, 53, BStBl II 1985, 517; in BFHE 195, 386, BStBl II 2001, 828;
BFH-Beschluss vom 25. März 2008 VIII B 122/07, BFH/NV 2008, 1317;
Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 18 Rz 164).
19
e) Ein eigener wirtschaftlicher
Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft, der einen erheblichen Umfang
einnimmt, kann gegen die Annahme von notwendigem Betriebsvermögen sprechen
(BFH-Urteil vom 28. Juni 1989 II R 242/83, BFHE 157, 443, BStBl II 1989,
824). Das Unterhalten von üblichen Geschäftsbeziehungen spricht als Indiz
ebenfalls gegen notwendiges Betriebsvermögen (vgl. BFH-Urteile vom 31.
Januar 1991 IV R 2/90, BFHE 164, 309, BStBl II 1991, 786; in BFHE 185, 384,
BStBl II 1998, 301). Lediglich mittelbare Effekte und Reflexwirkungen dürfen
nicht in die Abwägung einbezogen werden (BFH-Urteile vom 23. Januar 1992 XI
R 36/88, BFHE 167, 491, BStBl II 1992, 721; in BFHE 185, 384, BStBl II 1998,
301).
20
2. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen und hat im Streitfall seinen Indizienbeweis lediglich auf die
branchengleiche Betätigung und die wirtschaftliche Bedeutung der Aufträge
der F GmbH für die Klägerin und ihren Ehemann gestützt. Weitere Indizien
wurden nicht berücksichtigt. Insbesondere fehlen Ausführungen zum
wirtschaftlichen Eigengewicht der Beteiligung und zur eigenen
Geschäftstätigkeit der F GmbH.
21
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
22
a) Das FG wird im zweiten Rechtszug
untersuchen, welchen Umfang die wirtschaftliche Tätigkeit der F GmbH
tatsächlich hatte. Im Einspruchsverfahren wurde dazu vorgetragen, dass die
Aufträge der Klägerin und ihres Ehemannes lediglich 3,73 % und 1,88 % (1997)
sowie 2,21 % und 0,82 % (1998) ausmachten. Vor diesem Hintergrund erscheint
es dem Senat naheliegend, dass es der Klägerin und ihrem Ehemann nicht auf
die Erschließung eines Vertriebswegs, sondern auf die Kapitalanlage ankam.
Wirtschaftlich waren sie mit einem Anteil von jeweils 12,5 % am gesamten
Geschäftserfolg der F GmbH beteiligt.
23
Das FG wird auch feststellen müssen, wie
die Klägerin und ihr Ehemann vor 1986 ihre Bilder verwerteten und ob die
Autorenverträge Besonderheiten aufweisen, die darauf hindeuten, dass die
Klägerin und ihr Ehemann über die Beteiligung Einfluss auf den Inhalt der
Verträge genommen haben. Dazu kann es erforderlich sein, Verträge mit
anderen Autoren heranzuziehen.
24
b) Sollte eine nicht behebbare Ungewissheit
("non liquet") verbleiben, so trifft das FA die objektive Beweislast
(Feststellungslast) für das Vorliegen notwendigen Betriebsvermögens, so dass
eine Unaufklärbarkeit des Sachverhalts zu seinen Lasten geht (vgl.
BFH-Urteil vom 25. Juli 2000 IX R 93/97, BFHE 192, 241, BStBl II 2001, 9).
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