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BFH-Urteil vom 11.2.2010 (VI R 65/08) BStBl. 2010 II S. 628
Vermögensermittlung beim Unterhaltsempfänger (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG)
1.
Bei Ermittlung des für den Unterhaltshöchstbetrag schädlichen Vermögens sind
Verbindlichkeiten und Verwertungshindernisse vom Verkehrswert der aktiven
Vermögensgegenstände, der mit dem gemeinen Wert nach dem BewG zu ermitteln
ist, in Abzug zu bringen (Nettovermögen).
2.
Die Bodenrichtwerte nach dem BauGB sind für die Ermittlung des
Verkehrswertes von Grundvermögen i.S. des § 33a EStG nicht verbindlich.
3.
Die Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache (§ 173 AO) entfällt nicht
allein wegen einer zuvor unterlassenen Änderung durch das FA hinsichtlich
einer anderen Tatsache.
EStG § 33a; AO § 173; BauGB § 196.
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 5. Dezember
2006 I 315/2004
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob die
Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001
nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) vorgelegen haben sowie ob
Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu
berücksichtigen sind.
2
Die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt.
3
Seit dem Veranlagungsjahr
1998 hatten die Kläger Unterhaltsleistungen an die 1934 geborene und
verwitwete Mutter (M) der Klägerin als außergewöhnliche Belastung geltend
gemacht. In der Einkommensteuererklärung für 1998 gaben sie an, M verfüge
über keinerlei Barschaft, ihr Vermögen bestehe nur aus einem kleinen
Häuschen. In den Erklärungen für die Streitjahre 1999 bis 2001 gaben die
Kläger als Einkünfte der M deren Rente und als Vermögen - mit dem Hinweis
"siehe Vorjahr" - das Einfamilienhaus an. In den Einkommensteuerbescheiden
für 1999 vom 20. Juni 2000, für 2000 vom 30. August 2001 und für 2001 vom
15. November 2002 sind jeweils Unterhaltszahlungen an die M in Höhe von
3.600 DM als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden.
4
Im Rahmen der Veranlagung
1999 fragte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) am
7. April 2000 bei den Klägern an, wie die land- und forstwirtschaftlichen
Flächen der Klägerin genutzt würden. In den Akten befindet sich eine
Veräußerungsanzeige mit Eingangsstempel vom 22. August 2000, wonach die
Klägerin am 10. August 2000 unbebaute Grundstücke für 74.000 DM verkauft
hatte. Die Bewertungsstelle hatte dazu am 4. Oktober 2000 auf Anfrage
mitgeteilt, die Grundstücke seien am 1. November 1993 und am 12. Juli 1999
durch Schenkung erworben worden und als land- und forstwirtschaftliches
Vermögen bewertet. Angaben über den Schenker enthält die Mitteilung nicht.
5
Anlässlich einer
Einspruchsbearbeitung stellte die Rechtsbehelfsstelle des FA im Jahr 2004
fest, dass M nicht nur Eigentümerin des selbst genutzten Grundstücks sowie
eines - nicht angrenzenden - Gartengrundstücks war, sondern auch Miterbin zu
1/2 nach dem Vater der Klägerin, und dass die Miterben - in
Erbengemeinschaft - Eigentümer eines 1.160 qm großen Bauplatzes waren. Des
Weiteren wurde ermittelt, dass der Erbengemeinschaft 12.230 qm Ackerland und
2.806 qm Wald gehört hatten, die durch notariellen Vertrag vom 12. Juli 1999
ohne Gegenleistung der Klägerin zu Alleineigentum übertragen worden waren.
Eine Kopie des Vertrages war am 26. Juli 1999 beim FA eingegangen, in die
Grunderwerbsteuerstelle gelangt und dort abgeheftet worden.
6
Das FA teilte den Klägern
daraufhin mit, es habe festgestellt, dass M Inhaberin eines nicht nur
geringen Vermögens sei. Sie verfüge neben dem selbst bewohnten
Einfamilienhaus über weiteren Grundbesitz. Es könne zudem davon ausgegangen
werden, dass M über Bankguthaben in nicht nur geringem Umfang verfüge. Dies
ergebe sich aus ihren von der Zinsabschlagsteuer freigestellten
Zinserträgen. Darüber hinaus liege keine außergewöhnliche Belastung vor,
wenn die unterstützte Person aufgrund von Unterhaltsgefährdung einen
Anspruch auf Herausgabe verschenkten Vermögens habe. Das FA änderte am
20. September 2004 die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 nach § 173
Abs. 1 Nr. 1 AO und berücksichtigte die Unterhaltsleistungen nicht mehr.
7
Das Finanzgericht (FG) wies
die Sprungklage ab.
8
Mit der Revision rügen die
Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
9
Die Kläger beantragen
sinngemäß, das Urteil des FG Nürnberg vom 5. Dezember 2006 I 315/2004 sowie
die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 20. September 2004
aufzuheben.
10
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
11
Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat das FG das Vorliegen
der Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bejaht.
Seine Versagung des Abzugs für Unterhaltsaufwendungen unter Hinweis auf zu
hohes Vermögen der unterstützten M hält einer revisionsrechtlichen
Überprüfung jedoch nicht stand.
12
1. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem
FG die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Die
Kläger haben ihre Revision auch auf Verletzung materiellen Rechts gestützt.
In einem solchen Fall muss der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil
in vollem Umfang auf eine Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an
die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. § 118 Abs. 3 Satz 2
FGO). Da die Revision aus materiellen Gründen zur Aufhebung der
Vorentscheidung führt, kann offenbleiben, ob sie auch infolge eines
Verfahrensfehlers begründet ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 2007
V R 28/04, BFHE 217, 59, BFH/NV 2007, 1604, unter II.1., m.w.N.).
13
2. Zutreffend ist die Ansicht des FG, die
Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für den Erlass der
Änderungsbescheide hätten vorgelegen. Nach dieser Vorschrift sind
Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder
Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer
führen. Zu diesen Tatsachen zählen auch sämtliche Umstände, die zur Annahme
von eigenem Vermögen einer unterstützten Person im Rahmen des § 33a Abs. 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen. Danach sind das Eigentum der M an
dem Gartengrundstück, das Miteigentum am Baugrundstück, die Übertragung des
Miterbenanteils von M auf die Klägerin ebenso wie das Geldvermögen der M
Tatsachen, die voneinander unabhängig den Abzug von Unterhaltsleistungen
nach § 33a Abs. 1 EStG ausschließen können. Eine Tatsache ist dem FA dann
i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt, wenn es positive Kenntnis erlangt
hat (BFH-Urteil vom 26. Februar 2009 II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599).
14
a) Das FG hat in revisionsrechtlich nicht
zu beanstandender Weise festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass das FA weder
von dem Eigentum der M am Gartengrundstück noch von ihrem Miteigentum am
Baugrundstück oder von ihrem Geldvermögen Kenntnis zum Zeitpunkt der
abschließenden Zeichnung im Rahmen der Erstveranlagungen hatte. Dies wird
durch die Kläger auch nicht angegriffen. Zudem konnte das FG zu Recht
offenlassen, ob das FA bereits im Rahmen der Erstveranlagungen Kenntnis von
den Übertragungsvorgängen zwischen M und der Klägerin hatte. § 173 AO knüpft
die Rechtsfolge der Änderungsmöglichkeit an eine bestimmte Tatsache. Dass es
daneben eine oder weitere andere Tatsachen gegeben hat, die möglicherweise
bekannt waren und zu einer Änderung hätten führen müssen, ist unbeachtlich.
Insoweit hätte der von den Klägern angebotene Zeugenbeweis mangels
Entscheidungserheblichkeit keine weiterführenden Erkenntnisse bringen
können.
15
b) Die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
scheitert auch nicht, wie die Kläger meinen, an der fehlenden
Rechtserheblichkeit. Die Unkenntnis des FA von der bestimmten Tatsache muss
für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen sein. Das ist nach der
zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ergangenen Entscheidung des Großen Senats vom
23. November 1987 GrS 1/86 (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) der Fall,
wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts in der
ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Von diesem Grundsatz ist auch bei
der hier strittigen Änderungsbefugnis gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auszugehen
(vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 1989 II R 73/87, BFH/NV 1990, 415). Für die
Frage, wie das FA bei rechtzeitiger Kenntnis entschieden hätte, ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass der Sachverhalt vom FA zutreffend
gewürdigt worden wäre (Senatsbeschluss vom 14. September 2005 VI R 18/03,
BFH/NV 2006, 13). Dies gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
das FA selbst bei Kenntnis der Tatsache eine andere Würdigung aus
rechtlichen Erwägungen vorgenommen hätte. § 173 AO ist keine Rechtsgrundlage
für die Beseitigung von Rechtsfehlern (BFH-Urteil vom 11. Juni 1997
X R 117/95, BFH/NV 1997, 853). Hinweise auf eine andere rechtliche
Beurteilung können sich aus der Auslegung des Gesetzes nach der damaligen
Rechtsprechung des BFH oder aus Verwaltungsanweisungen, die im Zeitpunkt des
ursprünglichen Bescheiderlasses durch das FA gegolten haben, ergeben
(Beschluss des Großen Senats in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180).
16
Nach diesen Grundsätzen sind die
nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen rechtserheblich. Die Unkenntnis des
FA über die Tatsachen, dass M Eigentümerin eines Garten- und Miteigentümerin
eines Baugrundstücks ist sowie über Geldvermögen verfügt, war ursächlich für
den im Rahmen der Erstveranlagungen der Kläger gewährten
Unterhaltskostenabzug als außergewöhnliche Belastung. Es ist davon
auszugehen, dass das FA diesen Abzug versagt hätte, wenn es gewusst hätte,
dass M über derartiges Vermögen verfügt. Anhaltspunkte für eine abweichende
rechtliche Beurteilung aufgrund entgegenstehender Verwaltungsanweisungen
oder abweichender Auslegung des § 33a Abs. 1 EStG durch die Rechtsprechung
in den Streitjahren sind nicht vorhanden. Insbesondere lassen sich keine
Hinweise finden, dass das FA die Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG in
den Streitjahren nicht beachten wollte. Selbst wenn also, wie die Kläger
behaupten, das FA von den Übertragungsvorgängen zwischen M und der Klägerin
Kenntnis gehabt und den Abzug der Unterhaltsaufwendung nicht versagt hätte,
würde dies an der Rechtserheblichkeit der Tatsachen nichts ändern. Aus einem
- unterstellt - unrichtigen Verhalten des FA bezüglich einer Tatsache kann
nicht ohne weiteres auf eine Wiederholung bei einer weiteren Tatsache
geschlossen werden. Es ist daher unerheblich, ob das FA Kenntnis von den
Übertragungsvorgängen zwischen M und der Klägerin bei der Erstveranlagung
hatte.
17
Schließlich hat das FG zu Recht
entschieden, dass das FA auch nicht durch Treu und Glauben an einer Änderung
der Bescheide gehindert war. Das FG konnte auf der Grundlage seiner
tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, dass das FA die ihm
obliegende Ermittlungspflicht nicht verletzt hat. Daher kann offenbleiben,
ob die Kläger ihrerseits die ihnen obliegende Pflicht, den steuerlich
relevanten Sachverhalt dem FA vollständig und deutlich zur Prüfung
vorzulegen, verletzt haben.
18
3. Zu Unrecht hat das FG jedoch im Rahmen
des § 33a Abs. 1 EStG zur Ermittlung der Höhe des schädlichen Eigenvermögens
der unterstützten Person hinsichtlich unbebauter Grundstücke allein auf die
Bodenrichtwerte nach dem Baugesetzbuch (BauGB) abgestellt.
19
a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen
Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber
gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die
Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu einem
Höchstbetrag von 13.020 DM (1999), 13.500 DM (2000) bzw. 14.040 DM (2001) im
Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1
Satz 1 EStG). Voraussetzung für den Abzug ist u.a., dass die unterhaltene
Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 Satz 3
EStG). Der Gesetzgeber geht dabei typisierend davon aus, dass bei eigenem,
nicht nur geringfügigem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben
ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen
(BFH-Urteil vom 14. August 1997 III R 68/96, BFHE 184, 315, BStBl II 1998,
241, zu § 33a Abs. 1 EStG a.F.). Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder
nur geringes Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt, ist
unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu entscheiden; ein
Vermögen von bis zu 15.500 € (30.000 DM) ist in der Regel gering (BFH-Urteil
vom 12. Dezember 2002 III R 41/01, BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655). Diese
Grenze von 15.500 € (30.000 DM) ist für die Streitjahre trotz der seit 1975
eingetretenen Geldentwertung nicht zu erhöhen (BFH-Urteil vom 29. Mai 2008
III R 48/05, BFHE 221, 221, BStBl II 2009, 361). Sie liegt in den
Streitjahren deutlich über dem Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung
des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG. Auch die seit 1. Januar 2005 geltenden neuen
Grenzen für das Schonvermögen im Sozialrecht des § 12 Abs. 2 Nr. 1 des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch überschreiten die Grenze von 30.000 DM
(15.500 €) nicht.
20
b) Das FG hat festgestellt, dass M als
unterstützte Person Eigentümerin eines Gartengrundstücks sowie
Miteigentümerin eines Baugrundstücks ist. Dem FG ist darin zuzustimmen, dass
die Verkehrswerte dieser Grundstücke zu ermitteln sind. Zu Unrecht hat das
FG jedoch die Bodenrichtwerte nach § 196 BauGB für allein maßgeblich zur
Bestimmung des Verkehrswertes i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gehalten.
21
Unter Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3
EStG ist das Nettovermögen zu verstehen, d.h. der Wert der aktiven
Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltsempfängers
(BFH-Urteil in BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655). Denn durch den
kreditfinanzierten Erwerb von Wirtschaftsgütern vermindert sich die
unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht. Zur Ermittlung des Nettovermögens
ist daher zunächst der objektive Verkehrswert (Bruttovermögenswert) der
Vermögensgegenstände zu ermitteln. Im Anschluss sind diese Werte
einzelfallbezogen nach dem Sinn und Zweck des § 33a EStG zu mindern.
22
aa) Zur Ermittlung des Bruttovermögens sind
die einzelnen Vermögensgegenstände zu bewerten. Dies erfolgt für alle
bundesgesetzlich geregelten Abgaben, die durch Bundes- oder Landesbehörden
verwaltet werden, grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes
(BewG) in Anwendung des allgemeinen Teils (§§ 1 bis 16 BewG). Dies gilt
gemäß § 1 Abs. 2 BewG nicht, wenn im jeweiligen Einzelsteuergesetz oder im
besonderen Teil des Bewertungsgesetzes Sonderregelungen zur Bewertung von
Vermögensgegenständen normiert sind. § 33a Abs. 1 EStG enthält keine
Regelung, nach welchem Verfahren das Vermögen der unterstützten Person zu
ermitteln ist. Zwar zählen die Grundstücke der M zum Grundvermögen i.S. der
§§ 68ff. BewG. Jedoch enthält § 72 BewG für unbebaute Grundstücke keine
Sonderregelung für die Bewertung. Damit gilt zur Verkehrswertermittlung der
allgemeine Teil und somit der gemeine Wert nach § 9 BewG. Der gemeine Wert
unbebauter Grundstücke ist nach der Rechtsprechung des BFH entweder
unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte vergleichbare Grundstücke
oder auf der Grundlage von Durchschnittswerten (Richtwerten) oder - in
Ausnahmefällen - durch Einzelgutachten zu ermitteln (BFH-Entscheidungen vom
21. Mai 1982 III B 32/81, BFHE 136, 141, BStBl II 1982, 604, und vom
26. September 1980 III R 21/78, BFHE 132, 101, BStBl II 1981, 153). Zwar
kommt der Wertermittlung unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte
Vergleichsgrundstücke grundsätzlich der Vorrang vor den anderen
Wertermittlungsmethoden zu. Voraussetzung für die Wertermittlung durch
unmittelbaren Vergleich mit Verkaufspreisen ist jedoch, dass eine
ausreichende Zahl repräsentativer und stichtagsnaher Verkaufsfälle in der
näheren Umgebung vorliegt. Anderenfalls verdient - und dies dürfte in der
Praxis die Regel sein - aus Gründen der gleichmäßigen Besteuerung die
Ableitung des gemeinen Wertes aus Richtwerten den Vorzug (BFH in BFHE 136,
141, 144, BStBl II 1982, 604, 606, und in BFHE 132, 101, 104, BStBl II 1981,
153, 154). Dabei ist der für das Streitjahr festgestellte Richtwert zu
Grunde zu legen.
23
Die vom FG angenommene Verbindlichkeit der
Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) als Bewertungsmaßstab für unbebaute
Grundstücke in sämtlichen Steuerrechtsverhältnissen ergibt sich nicht aus
dem Gesetz. Der Regelung der Bodenrichtwerte im Baugesetzbuch soll ebenso
wie den Gutachten der Gutachterausschüsse (§ 193 Abs. 3 BauGB) keine
Verbindlichkeit zukommen (Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,
Baugesetzbuch, § 196 Rz 10). Dies entspricht auch dem in der
Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers in Bezug
auf das Steuerrecht (BTDrucks 7/4793 zu § 143b des Bundesbaugesetzes 1976).
Auch aus dem Bewertungsgesetz lässt sich keine Allgemeinverbindlichkeit der
Bodenrichtwerte herleiten. Der Gesetzgeber hat zwar für die Ermittlung des
Bedarfswertes (§ 145 BewG) eine Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte
normiert. Die §§ 138ff. BewG wurden jedoch nur zur Neuregelung der
Grunderwerb- und der Erbschaftsteuer eingeführt. Auch eine analoge Anwendung
dieser Vorschriften auf andere Steuerrechtsgebiete kommt nicht in Betracht.
Die Vorschriften sind in den Streitjahren nicht auf die Ermittlung des
gemeinen Wertes gerichtet gewesen, sondern auf einen deutlich
darunterliegenden. Zudem waren die Bodenrichtwerte auf den Stichtag
1. Januar 1996 bis zum Jahr 2007 festgelegt. Damit waren die aktuellen
Wertverhältnisse nicht berücksichtigt (Knittel in: Gürsching/Stenger,
Bewertungsrecht, § 9 BewG [ErbStG] Rz 3, 20).
24
Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich
eine Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte für den Streitfall auch nicht aus
den in der Vorentscheidung zitierten Urteilen des BFH vom 12. Juli 2006
II R 1/04 (BFHE 213, 387, BStBl II 2006, 742) sowie vom 11. Mai 2005
II R 21/02 (BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686). Beide Entscheidungen beziehen
sich allein auf die Ermittlung von Grundstückswerten für die
Bedarfsbewertung. Dass die Bodenrichtwerte auch für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG
verbindlich sein sollten, lässt sich den Urteilen nicht entnehmen.
25
bb) Allerdings kann auch nicht der gemeine
Wert der Ermittlung des für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG maßgeblichen
Nettovermögens zugrunde gelegt werden. Denn nach § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m.
Abs. 3 Satz 1 BewG sind persönliche Verhältnisse, wie nachhaltige
Verfügungsbeschränkungen oder Verwertungshindernisse, unberücksichtigt zu
lassen. Solche in der Person des Steuerpflichtigen oder seines
Rechtsvorgängers begründeten Umstände sind bei Ermittlung des schädlichen
Vermögens nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen, weil sie die
unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht ausschließen. Ausgangspunkt ist
danach der gemeine Wert, der um die Belastungen auf Grund ungewöhnlicher
oder persönlicher Verhältnisse zu mindern ist (s. auch BFH in BFHE 221, 221,
BStBl II 2009, 361).
26
cc) Nach alledem hat das FG zu Unrecht
einen Verkehrswert für die unbebauten Grundstücke allein aus den
Bodenrichtwerten nach dem Baugesetzbuch abgeleitet. Das FG hat ausgehend von
seiner Rechtsauffassung vorliegend keine Feststellungen darüber getroffen,
ob eine Ermittlung des gemeinen Wertes aus Kaufpreisen für vergleichbare
Grundstücke möglich gewesen wäre. Des Weiteren fehlen Feststellungen zu den
besonderen Umständen des vorliegenden Falls. Dazu gehören Feststellungen zu
Verbindlichkeiten, Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkungen sowie zur
Verwertbarkeit des Grundvermögens.
27
4. Die Vorentscheidung beruht auf einer
anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch
nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG wird den
dargelegten Grundsätzen folgend eine neue Bewertung des Vermögens der M
vorzunehmen haben. Zur Ermittlung der Verkehrswerte der Grundstücke sind
alle erkennbaren Umstände miteinzubeziehen. Ausgangspunkt ist dabei der
gemeine Wert der Grundstücke nach § 9 BewG. Zu dessen Ermittlung sind
vorrangig Verkaufspreise für vergleichbare Grundstücke heranzuziehen. Sollte
dies nicht möglich sein, kann der gemeine Wert aus den für die Streitjahre
festgestellten Bodenrichtwerten abgeleitet werden. Im zweiten Schritt sind
sämtliche Belastungen des Bruttovermögens, die einer kurzfristigen
Verwertung entgegenstehen, festzustellen und der Minderungswert,
gegebenenfalls im Schätzungswege, zu ermitteln.
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