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BFH-Urteil vom 21.1.2010 (VI R 2/08) BStBl. 2010 II S. 639
Übernahme von Steuerberatungskosten ist Arbeitslohn
Die
Übernahme von Steuerberatungskosten für die Erstellung von
Einkommensteuererklärungen der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber führt bei
Vorliegen einer Nettolohnvereinbarung zu Arbeitslohn.
EStG §§ 42d Abs. 1 Nr. 1, 41a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2, 38 Abs. 3 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 5. Dezember
2007 7 K 1743/07 H(L) (EFG 2008, 545)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob die
Übernahme von Steuerberatungskosten im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung zu
Arbeitslohn führt.
2
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) beschäftigt u.a. von ihrer Muttergesellschaft
aus Japan entsandte Arbeitnehmer. Mit diesen bestehen
Nettolohnvereinbarungen. Danach trägt der Arbeitgeber Steuern und
Sozialabgaben für die Arbeitnehmer; diese treten dem Arbeitgeber
unwiderruflich alle Erstattungen von Steuern und Sozialabgaben ab. Nach den
Feststellungen einer im Jahr 2004 bei der Klägerin durchgeführten
Lohnsteuer-Außenprüfung hatte die Klägerin im Jahr 2003 für fünf japanische
Mitarbeiter die Kosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen
2001 übernommen. Der Prüfer vertrat die Auffassung, insoweit liege
steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Von der Nachversteuerung für zwei bereits
vor dem Kalenderjahr 2003 ins Ausland verzogene Mitarbeiter wurde abgesehen.
Bei den übrigen drei Arbeitnehmern berechnete der Prüfer die Mehrsteuern
netto zu Lasten des Arbeitgebers (Nettobetrag 1.067,20 €, Lohnsteuer
3.196 €). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm die
Klägerin insoweit durch Haftungsbescheid vom 4. Juni 2004 über Lohnsteuer in
Höhe von 3.196 € zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 175,78 € sowie
wegen weiterer hier nicht streitiger Punkte in Anspruch. Gegen den Bescheid
legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 10. April
2007 wurde die Haftungssumme aus anderen Gründen teilweise herabgesetzt;
hinsichtlich der Übernahme der Steuerberatungskosten wies das FA den
Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen
erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 545
veröffentlichten Gründen ab.
3
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
4
Die Klägerin beantragt, das
Urteil des FG Düsseldorf vom 5. Dezember 2007 7 K 1743/07 H(L)
aufzuheben und den Haftungsbescheid vom 4. Juni 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10. April 2007 insoweit abzuändern, als die
Klägerin wegen der Übernahme der Steuerberatungskosten für ihre Arbeitnehmer
in Haftung genommen wird.
5
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
6
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
zu Recht entschieden, dass die Übernahme der Kosten für die Erstellung der
persönlichen Steuererklärungen ihrer japanischen Arbeitnehmer durch die
Klägerin zu Arbeitslohn führt und deshalb der angefochtene Haftungsbescheid
auch hinsichtlich der auf diese Beiträge entfallenden Lohnsteuer (zuzüglich
Annexsteuern) rechtmäßig ist.
7
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer,
die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn
für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 EStG abzuführen hat. Hiervon ist im Streitfall - auch nach
übereinstimmender Auffassung der Beteiligten - auszugehen. Insbesondere
steht die Ermessensentscheidung des FA, die Klägerin in Haftung zu nehmen,
zu Recht außer Streit.
8
2. Die Übernahme der Steuerberatungskosten
für die Erstellung der Steuererklärungen ihrer japanischen Arbeitnehmer
durch die Klägerin führt zu Arbeitslohn.
9
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger
Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der
Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen
sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung
aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige
Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.
10
Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend
eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung
aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte
betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz
überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes
eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen,
vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat
insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten,
freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur
Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils
verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des
Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine
Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem eigenbetrieblichen
Interesse des Arbeitgebers - ein nicht unerhebliches Interesse des
Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz
überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. April 2006
VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691, m.w.N.; vom 26. Juli 2007
VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892; vom 17. Januar 2008
VI R 26/06, BFHE 220, 266, BStBl II 2008, 378; vom 12. Februar 2009
VI R 32/08, BFHE 224, 314, BStBl II 2009, 462, m.w.N.).
11
b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG eine
Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Übernahme der Steuerberatungskosten für die Steuererklärungen der
japanischen Arbeitnehmer durch die Klägerin auch im eigenen Interesse der
ausländischen Arbeitnehmer erfolgte und deshalb Arbeitslohn anzunehmen sei.
Diese Gesamtwürdigung, die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist
(vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211,
BStBl II 2005, 488; vom 10. November 2005 VI B 75/05, BFH/NV 2006, 530;
BFH-Urteil vom 12. April 2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643; in BFHE 224,
314, BStBl II 2009, 462; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
§ 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 118 FGO Rz 87, m.w.N.), ist möglich; sie lässt keinen Rechtsfehler
erkennen.
12
aa) Nach den von der Klägerin nicht mit
zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des
FG gründet die Übernahme der Steuerberatungskosten auf der zwischen der
Klägerin und ihren ausländischen Arbeitnehmern getroffenen Nettolohnabrede.
Deshalb - die Klägerin übernimmt nach eigenem Vorbringen die
Steuerberatungskosten nur beim Vorliegen solcher Vereinbarungen - ist es
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG das ganz überwiegend
eigenbetriebliche Interesse an der Kostenübernahme nach den Motiven für den
Abschluss der Nettolohnvereinbarung insgesamt bestimmt und nicht nach dem
wirtschaftlichen Verbleib der Steuererstattungen im Einzelnen beurteilt.
13
bb) Auch die Würdigung, dass der Abschluss
der Nettolohnvereinbarungen im Streitfall sogar im überwiegenden Interesse
der ausländischen Arbeitnehmer liegt, ist frei von Rechtsfehlern. Dieser
Schluss liegt schon deshalb nahe, weil die Nettolohnvereinbarung für den
Arbeitgeber unzweckmäßig (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Aufl. 2009,
§ 71 Rz 108) und risikobehaftet (Küttner/Griese, Personalbuch 2009,
Stichwort Nettolohnvereinbarung, Rz 1) ist. Dies deshalb, weil der
(ausländische) Arbeitnehmer die Lohnkostenbelastung durch Änderung von in
seiner Sphäre liegenden individuellen Umständen beeinflussen kann. Außerdem
wirken sich Beitragserhöhungen zu Lasten des Arbeitgebers aus. In diesem
Fall muss er einen höheren Bruttolohn berechnen, um dem Arbeitnehmer den
vereinbarten Nettolohn zu zahlen. Darüber hinaus ist für den Arbeitgeber
kalkulatorisch ohne Belang, ob er eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung
abschließt. Die Arbeitskosten sind auch bei der Nettolohnabrede ein - wenn
auch aus dem Nettolohn hochgerechnetes - Bruttoentgelt (vgl. Senatsurteil
vom 30. Juli 2009 VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148).
14
Den ausländischen Arbeitnehmern hingegen
wird mit dem zugesagten Nettolohn eine handhabbare Entscheidungs- und
Vergleichsgröße zur Verfügung gestellt, die ihnen erlaubt, den
wirtschaftlichen Nutzen des Auslandsaufenthalts zu bewerten. Darüber hinaus
muss sich der Arbeitnehmer bei einer Nettolohnabrede weder mit steuer- und
sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einer ausländischen
Rechtsordnung noch mit den Fragen grenzüberschreitender Besteuerung
befassen. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass sich die Attraktivität
der Auslandsvergütung für den Arbeitnehmer nach dem zur Verfügung stehenden
Nettolohn bemesse und deshalb üblicherweise bei der Entsendung ins Ausland
ein Nettolohn vereinbart werde. Dabei verkennt der Senat nicht, dass
vorliegend die Nettolohnvereinbarungen auch im Interesse der Klägerin
liegen. Derartige Vereinbarungen dienen im Streitfall der Minimierung von
Lohnkosten. Eine Bruttolohnvereinbarung würde bei jeder Veränderung der für
die Berechnung des Nettolohns maßgeblichen Größen eine Vertragsanpassung
erfordern und wäre daher mit einem administrativen Mehraufwand für die
Klägerin verbunden. Gleichwohl vermag dieser Umstand ein ganz überwiegend
eigenbetriebliches Interesse der Klägerin am Abschluss von
Nettolohnvereinbarungen nicht zu begründen. Er macht vielmehr deutlich, dass
die Nettolohnvereinbarung einerseits auf dem Wunsch der Arbeitnehmer nach
Vergleichbarkeit von Inlands- und Auslandsgehalt beruht und andererseits dem
Interesse des Arbeitgebers, diesem Wunsch möglichst kostengünstig, leicht
administrierbar und flexibel Rechnung zu tragen, dient.
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Die vom FG auf dieser Grundlage
vorgenommene Gewichtung, dass der Abschluss der Nettolohnvereinbarung und
damit auch die Übernahme der Steuerberatungskosten durch die Klägerin nicht
in ihrem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse, sondern zumindest
auch im Eigeninteresse der Arbeitnehmer lag, ist jedenfalls möglich und
lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die eigenbetrieblichen Interessen der
Klägerin an der Übernahme der streitigen Kosten treten gegenüber dem
offenkundigen eigenen Interesse der ausländischen Arbeitnehmer zumindest
nicht evident hervor. Die vom FG angestellte Gesamtwürdigung ist daher aus
revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
16
cc) Die BFH-Entscheidung vom 14. August
2001 XI R 22/00 (BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180 <Outplacement-Beratung>)
vermag das Begehren der Klägerin ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Dort hat
der BFH entschieden, dass eine Entlassungsentschädigung auch dann als
steuerbegünstigter Arbeitslohn zu beurteilen ist, wenn in einem späteren
Veranlagungszeitraum aus sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit
ergänzende Entschädigungszusatzleistungen (beispielsweise eine
Outplacement-Beratung) erbracht werden. Der Umstand, dass sozial motivierte
Zusatzleistungen einer Zusammenballung von Einkünften i.S. von §§ 34, 24
Nr. 1 EStG nicht entgegenstehen, erlaubt keinen Schluss, ob vorliegend die
Übernahme der Steuerberatungskosten zum Arbeitslohn zu zählen ist.
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3. Dass das FA die streitbefangene
Lohnsteuer nebst Annexsteuern - ungeachtet der Frage des eigenbetrieblichen
Interesses - durch einen Haftungsbescheid festsetzen durfte, ist zwischen
den Beteiligten zu Recht ebenso wenig streitig wie die Bemessung der
Haftungsschuld selbst.
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