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BFH-Urteil vom 17.2.2010 (II R 23/09) BStBl. 2010 II S. 641
Kein Abzug der auf geerbten Forderungen ruhenden latenten
Einkommensteuerlast des Erben als Nachlassverbindlichkeit
1.
Gehören zu einem erbschaftsteuerlichen Erwerb festverzinsliche Wertpapiere,
sind die bis zum Tod des Erblassers angefallenen, aber noch nicht fälligen
Zinsansprüche (sog. Stückzinsen) mit ihrem Nennwert ohne Abzug der
Kapitalertragsteuer anzusetzen.
2.
Fließen die Zinsen dem Erben zu, kann die dafür bei ihm entstehende
Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der
Erbschaftsteuer abgezogen werden. Das gilt auch für die
Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008, in denen nach der Aufhebung des § 35
EStG a.F. und vor der Einführung des § 35b EStG die Doppelbelastung nicht
durch eine Anrechnungsregelung bei der Einkommensteuer abgemildert wird.
3.
Eine wegen der kumulativen Belastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer
behauptete Übermaßbesteuerung (Art. 14 Abs. 1 GG) ist durch Rechtsbehelf
gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen.
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; BewG §
12; ErbStG § 10 Abs. 5; EStG § 35 a.F., § 35b.
Vorinstanz: FG München vom 18. Februar 2009
4 K 1131/07 (EFG 2009, 946)
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seines am 20. Dezember 2001
verstorbenen Bruders. Im Nachlass befanden sich u.a. festverzinsliche
Wertpapiere, auf die bis zum Tod des Erblassers Stückzinsen in Höhe von
190.354 DM entfielen. Die Zinsen wurden dem Kläger im Jahr 2002 unter
Einbehalt der Kapitalertragsteuer von 30 v.H. ausbezahlt und führten bei ihm
insoweit zu einer Einkommensteuer von 49.798,30 EUR.
2
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegen den Kläger zuletzt mit
Bescheid vom 20. September 2004 Erbschaftsteuer in Höhe von 2.450.388,84 EUR
fest, wobei er die auf die Zinsen entfallende Einkommensteuerschuld des
Klägers nicht als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zuließ.
3
Der Einspruch blieb
erfolglos. Das FA erhöhte die Steuer in der Einspruchsentscheidung
geringfügig auf 2.451.255,99 EUR. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) bestätigte mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009,
946 veröffentlichtem Urteil die Auffassung des FA, dass die
Einkommensteuerschuld des Klägers keine Nachlassverbindlichkeit sei.
4
Mit der Revision rügt der
Kläger fehlerhafte Anwendung von § 12 des Bewertungsgesetzes (BewG) und § 10
Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Das
FG habe zu Unrecht die Zinsforderung mit ihrem Nennwert angesetzt und die
einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht als "besonderen Umstand" i.S. des §
12 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG berücksichtigt. Zumindest sei seine
(latente) Einkommensteuerlast als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5
Nr. 1 ErbStG abzuziehen; dies sei geboten, da nach der Aufhebung des § 35
des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. und vor der Einführung des § 35b
EStG die Doppelbelastung der Zinsen mit Einkommen- und Erbschaftsteuer nicht
bei der Einkommensteuer ausgeglichen werde.
5
Zudem macht der Kläger eine
Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes - GG -) geltend. Hätte der Erblasser die Zinsen noch zu dessen
Lebzeiten vereinnahmt, könnte er als Erbe die dann beim Erblasser
angefallene Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit abziehen. Außerdem
würden Kapitalanlageformen ungleich behandelt, weil insbesondere Dividenden
- anders als Zinsen - nicht anteilig bis zum Tod des Erblassers dem Nachlass
zugerechnet würden. Die Besteuerung sowohl mit Erbschaftsteuer als auch mit
Einkommensteuer führe bei ihm zu einer erdrosselnden Gesamtsteuerbelastung
der Zinsen von 83,17 v.H., die gegen das Übermaßverbot (Art. 14 Abs. 1 GG)
verstoße.
6
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben sowie die Erbschaftsteuer unter Änderung des
angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 8. März 2007 herabzusetzen und (latente) Einkommensteuer von 49.798,30
EUR als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.
7
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
zu Recht die Zinsforderung des Erblassers mit ihrem Nennwert in den
steuerpflichtigen Erwerb einbezogen und die im Zusammenhang mit dem Zufluss
der Zinsen entstehende Einkommensteuerschuld des Klägers nicht als
Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt.
9
1. Zum Vermögen des Erblassers gehörte bei
seinem Tod eine Forderung in Höhe von 190.354 DM über die bis zu diesem
Zeitpunkt anteilig angefallenen Zinserträge aus Wertpapieren.
10
a) Der Anspruch auf Zinsen als
selbständiger Vermögensgegenstand neben den Wertpapieren entsteht laufend
für die Zeit der Nutzung des überlassenen Kapitals, unabhängig von ihrer
Fälligkeit (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Oktober 1984 II R
194/82, BFHE 142, 166, BStBl II 1985, 73, m.w.N.). Die fortlaufende
Entstehung unterscheidet Zinsen von Erträgen aus Anteilen an
Kapitalgesellschaften (insbesondere Dividenden), die erst mit dem
Wirksamwerden entsprechender Gesellschafterbeschlüsse zu zivilrechtlich
verfestigten Rechtspositionen werden (Hüffer, Aktiengesetz, 8. Aufl. 2008, §
58 Rz 28; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 29 Rz
49). Da sich der Umfang des Nachlasses wegen der Gesamtrechtsnachfolge (§
1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) nach diesen -
verschiedenen - bürgerlich-rechtlichen Vorgaben richtet, liegt die vom
Kläger insoweit gerügte Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3
Abs. 1 GG) nicht vor.
11
b) Die Zinsforderung hat das FG zutreffend
gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG mit ihrem Nennwert angesetzt und die
einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht als "besonderen Umstand" i.S. des §
12 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG berücksichtigt. Ein solcher "besonderer
Umstand" setzt voraus, dass es sich um eine besondere Eigenschaft der
Forderung selbst handelt, der der Forderung innewohnt, d.h. ihr immanent ist
(BFH-Urteile vom 15. Dezember 1967 III 225/64, BFHE 91, 423, BStBl II 1968,
338; vom 16. März 1984 III R 140/83, BFHE 140, 500, BStBl II 1984, 539). Das
trifft zumindest auf die Kapitalertragsteuer vor Einführung der
Abgeltungssteuer ab dem Jahr 2009 durch das Unternehmensteuerreformgesetz
2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) nicht zu, weil sie
wirtschaftlich nur eine bei Zufluss eines Geldbetrages beim Schuldner der
Kapitalerträge in einem besonderen Verfahren erhobene
Einkommensteuervorauszahlung des Steuerpflichtigen ist (vgl. § 43 Abs. 1
EStG). Die endgültige Einkommensteuerschuld bemisst sich vielmehr nach den
persönlichen Verhältnissen und den sonstigen Einkünften des
Steuerpflichtigen. Hierauf wird die vom Schuldner der Kapitalerträge
entrichtete Kapitalertragsteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG).
12
2. Das FG hat zu Recht die auf die Zinsen
entfallende Einkommensteuer des Klägers nicht als Nachlassverbindlichkeit
abgezogen.
13
a) Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom
Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden persönlichen
(Steuer-)Schulden, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 der
Abgabenordnung auf den Erben übergegangen sind, als
Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Der Abzug von (Steuer-)Schulden setzt
voraus, dass sie am Todestag des Erblassers als dem gemäß § 11 i.V.m. § 9
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG maßgebenden Stichtag rechtlich bestehen und den Erben
wirtschaftlich belasten (BFH-Urteile vom 24. März 1999 II R 34/97, BFH/NV
1999, 1339, m.w.N.; vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574).
14
Sind Zinsen aus Wertpapieren zum
Todeszeitpunkt noch nicht zugeflossen, besteht am maßgebenden Stichtag keine
Einkommensteuerschuld des Erblassers. Zwar mögen auch die bis zu seinem Tod
angefallenen Stückzinsen auf dem Kapital und der Anlageentscheidung des
Erblassers beruhen. Damit wird die Steuer auf die Zinsen aber nicht zu
seiner Einkommensteuerschuld. Denn der Einkommensteuertatbestand wird erst
nach dem erbschaftsteuerrechtlich maßgebenden Stichtag (§ 11 i.V.m. § 9 Abs.
1 Nr. 1 ErbStG) mit Zufluss der Zinsen in der Person des Erben verwirklicht
(§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dem entspricht es, dass § 24 Nr. 2 EStG u.a.
Einkünfte aus einem früheren Rechtsverhältnis i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr.
5 EStG mit rechtsbegründender Wirkung dem Erben zurechnet, wenn sie ihm als
Rechtsnachfolger zufließen (vgl. zur "gespaltenen
Tatbestandsverwirklichung": BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04,
BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.III.5.a). Zugeflossen sind die
Zinsen in diesem Fall aber ausschließlich dem Erben. Bei der
Einkommensteuerschuld handelt es sich mithin nicht um eine Steuerschuld des
Erblassers, sondern um eine des Erben.
15
b) Die beim Erbfall (latent) auf der
Zinsforderung ruhende Einkommensteuerlast des Erben ist auch nicht über die
in § 10 Abs. 5 ErbStG geregelten Fälle hinaus als Nachlassverbindlichkeit
abziehbar, denn Erbschaftsteuer und Einkommensteuer greifen auf verschiedene
Steuerobjekte zu und folgen dabei ihrer jeweiligen Sachgerechtigkeit. Die
Erbschaftsteuer belastet den Vermögensanfall durch Erbschaft und
berücksichtigt hierbei bereicherungsmindernd nur Verbindlichkeiten, die zum
maßgebenden Stichtag (Tod des Erblassers) tatsächlich bestehen. Die
Einkommensteuer erfasst demgegenüber das Einkommen beim Erben als
Rechtsnachfolger des Erblassers auch dann, wenn der Erblasser zu seinen
Lebzeiten eine Ursache für diese Einkünfte gesetzt hat. Die mögliche
künftige Einkommensteuer trifft den Erben dabei aber nicht in seiner
Eigenschaft als Bedachter einer unentgeltlichen Zuwendung, sondern als
Einkommensbezieher und richtet sich demgemäß allein nach den für ihn
geltenden Merkmalen, vor allem nach der Höhe des von ihm erzielten
steuerlichen Einkommens (BFH-Urteile vom 6. Juli 1956 III 33/56 S, BFHE 63,
145, BStBl III 1956, 253; vom 22. Dezember 1976 II R 58/67, BFHE 121, 487,
BStBl II 1977, 420; vom 5. Juli 1978 II R 64/73, BFHE 126, 55, BStBl II
1979, 23; vom 26. November 1986 II R 190/81, BFHE 148, 324, BStBl II 1987,
175).
16
c) Einen nachträglichen Abzug der
Einkommensteuerschuld des Erben ermöglicht auch nicht § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5
Abs. 2 BewG (vgl. dazu Keuk, Der Betrieb 1973, 634, 636). Die Regelung
enthält keinen den § 10 Abs. 5 ErbStG ergänzenden, weiteren
Abzugstatbestand. Sie betrifft überdies nur rechtsgeschäftliche Bedingungen
und erfasst damit nicht Steuerschulden, die kraft Gesetzes entstehen
(BFH-Entscheidungen vom 11. Januar 1961 II 272/58 U, BFHE 72, 440, BStBl III
1961, 162, und in BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23, sowie vom 6. Dezember
1989 II B 70/89, BFH/NV 1990, 643).
17
d) Der Gesetzgeber hat die Doppelbelastung
mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer einschließlich der damit verbundenen
Härten in Kauf genommen. Vom Veranlagungszeitraum 1925 bis einschließlich
1974 beseitigten § 31 Satz 1 EStG 1925 und später § 16 Abs. 5 EStG 1934 die
Doppelbelastung bei der Einkommensteuer "aus Billigkeit" (RTDrucks III.
Wahlperiode 1924/25, Nr. 795, S. 57) lediglich für den hier nicht gegebenen
Fall, dass der Erbe innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb durch
Veräußerung des Betriebs vom Erblasser geschaffene stille Reserven bei den
Wirtschaftsgütern aufdeckte (vgl. BFH-Urteil vom 9. September 1988 III R
191/84, BFHE 154, 430, BStBl II 1989, 9). Für geerbte, bei Zufluss der
Einkommensteuer unterliegende Forderungen berücksichtigte § 35 EStG a.F. die
Doppelbelastung durch eine Anrechnungsregelung bei der Einkommensteuer "zur
Milderung besonderer Härten" (BTDrucks 7/2180, S. 21) erst ab dem
Veranlagungszeitraum 1975. Die Vorschrift wurde durch das
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402)
zum Veranlagungszeitraum 1999 "aus Vereinfachungsgründen" (BTDrucks 14/23,
S. 183) wieder aufgehoben und ab dem Veranlagungszeitraum 2009 mit § 35b
EStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008 (BGBl I
2008, 3018) nahezu wortgleich wieder eingeführt. Zu keiner Zeit
berücksichtigte das Gesetz damit die Doppelbelastung bei der Erbschaftsteuer
durch Abzug der (latenten) Einkommensteuerlast von der Bereicherung. Es
spricht daher nichts für einen Willen des Gesetzgebers, in dem hier zu
beurteilenden Zeitraum zwischen der Streichung des § 35 EStG a.F. und der
Einführung des § 35b EStG die Doppelbelastung auf der Ebene der
Erbschaftsteuer zu beseitigen.
18
3. Der vom Kläger begehrte Abzug der
Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit ist auch nicht aus
Verfassungsgründen geboten.
19
a) Einen Verfassungsrechtssatz des Inhalts,
dass alle Steuern zur Vermeidung von Lücken oder von Mehrfachbelastung
aufeinander abgestimmt werden müssten, gibt es nicht (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 19991 BvL 14/98, BStBl II 1999,
152). In einem Vielsteuersystem lassen sich Doppelbelastungen selbst dann
nicht vermeiden, wenn jede Einzelsteuer für sich genommen folgerichtig
ausgestaltet ist. Der hier in Rede stehende doppelte Steuerzugriff auf die
Zinsforderung beruht letztlich auf der Grundentscheidung des Gesetzgebers,
eine Erbschaftsteuer neben der Einkommensteuer zu erheben, wobei die
Erfassung nachträglicher Einkünfte beim Erben (Realisationsprinzip) und die
Bemessung der Bereicherung zum Bewertungsstichtag (Stichtagsprinzip) jeweils
folgerichtig der Systematik der Einzelsteuergesetze entsprechen.
20
b) Eine Verletzung des allgemeinen
Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) kann entgegen der Auffassung des
Klägers nicht daraus hergeleitet werden, dass seine Gesamtbelastung aus
Erbschaftsteuer und Einkommensteuer niedriger gewesen wäre, wenn der
Erblasser die bis zu dessen Tod entstandenen Zinsen noch zu dessen Lebzeiten
vereinnahmt hätte. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass dann der Nachlass um
die bereits bezahlte Einkommensteuer gemindert oder jedenfalls die
Einkommensteuerschuld des Erblassers als Erblasserschuld abzuziehen wäre.
Das "Mehr" der Gesamtbelastung des Klägers besteht rechnerisch in Höhe der
Erbschaftsteuer auf die nicht zum Abzug zugelassene (latente)
Einkommensteuerlast. Die Überlegung des Klägers zielt jedoch darauf ab, eine
fiktive Einkommensteuer des Erblassers, nicht des Erben, von der
Bereicherung des Erben abzuziehen. Das liefe im wirtschaftlichen Ergebnis
auf eine Schlussbesteuerung beim Erblasser hinaus, die das
Einkommensteuergesetz gerade nicht vorsieht (vgl. § 24 Nr. 2 EStG). Zudem
übernimmt der Erbe nach dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden
Stichtagsprinzip (§ 11 ErbStG) das Vermögen in dem Zustand, in dem es beim
Tod des Erblassers vorhanden war. Dies schließt die Berücksichtigung sowohl
von fiktiven Verbindlichkeiten des Erblassers als auch von zukünftigen
Verbindlichkeiten des Erben aus. Das Stichtagsprinzip belastet keineswegs
einseitig den Steuerpflichtigen. Die Einkommensbesteuerung beim Erben kann
sich auch positiv auswirken, wenn der anzuwendende Einkommensteuersatz des
Erben deutlich niedriger als der des Erblassers ist oder wenn beim Erben
aufgrund des Grundfreibetrags oder anderweitigen Verlusten überhaupt keine
Einkommensteuer anfällt.
21
c) Schließlich ergibt sich auch unter dem
Gesichtspunkt einer sonst drohenden Übermaßbesteuerung (Art. 14 Abs. 1 GG)
keine Notwendigkeit zu einem Abzug der (latenten) Einkommensteuerlast als
Nachlassverbindlichkeit. Dem steht bereits entgegen, dass die
Einkommensteuerbelastung des Erben unter dem Gesichtspunkt einer
Übermaßbesteuerung im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung nicht geprüft
werden kann. Ob und in welcher Höhe der Forderungsbetrag überhaupt zufließt
und dabei Einkommensteuer anfällt, ist aus der Sicht des für die
Erbschaftsteuer maßgebenden Stichtagsprinzips offen, denn dies hängt unter
anderem von dem weiteren Einkommen des Erben und seinen sonstigen für die
Besteuerung maßgebenden Merkmalen (z.B. Verheiratung) in dem betreffenden
Veranlagungszeitraum ab. Der Gesetzgeber hat sich, nachdem die
Einkommensteuer erst nach der Erbschaftsteuer entsteht, bei der Einführung
des § 35 EStG a.F. im Jahr 1975 für eine Steuerermäßigung bei der
Einkommensteuer entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1990 X R 72/89,
BFHE 163, 137, BStBl II 1991, 350). Aus diesem Grund kann der Erbe eine sich
aus der kumulativen Belastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer etwaig
ergebende Übermaßbesteuerung allenfalls im Rahmen der
Einkommensteuerfestsetzung geltend machen. Erst mit der
Einkommensteuerfestsetzung zeigt sich das Ausmaß der Doppelbelastung. Das
gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - die Einkommensteuer
bestandskräftig festgesetzt ist, während die Festsetzung der Erbschaftsteuer
noch offen ist. Dies ändert nichts daran, dass bei der Entstehung der
Erbschaftsteuer mit dem Tod des Erblassers die später aufgrund des Zuflusses
der Forderung entstehende Einkommensteuer des Erben dem Grund und der Höhe
nach noch nicht absehbar ist und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf
den Erbfall zurückbezogen werden kann.
22
Die in diesem Verfahren lediglich zu
prüfende Erbschaftsteuerbelastung begegnet keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Der Kläger ist bei einer Bereicherung von etwa 7,5 Mio. EUR mit
knapp 2,5 Mio. EUR Erbschaftsteuer belastet.
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