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BFH-Beschluss vom 21.9.2009
(GrS 1/06) BStBl. 2010 II S. 672
Aufteilung der Aufwendungen
für eine gemischt veranlasste Reise
1. Aufwendungen für die Hin-
und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten
Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder
Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private
Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile
der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile
feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.
2. Das unterschiedliche
Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall
erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von
einer Aufteilung abzusehen.
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1
Satz 1, § 12 Nr. 1 Sätze 1 und 2.
Vorinstanz: FG Köln vom
21. Juni 2001 10 K 6288/96 (EFG 2001, 1186)
Sachverhalt
1
A. Vorgelegte Rechtsfrage,
Sachverhalt und Ausgangsverfahren, Anrufungsbeschluss, Stellungnahmen der
Beteiligten
2
I. Vorgelegte Rechtsfrage
3
Der VI. Senat des
Bundesfinanzhofs (BFH) hat dem Großen Senat folgende Rechtsfrage zur
Entscheidung vorgelegt:
4
Können Aufwendungen für die
Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat
veranlassten Reisen in abziehbare Werbungskosten (Betriebsausgaben) und
nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der
beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Zeitanteile der Reise
aufgeteilt werden, wenn die beruflich (betrieblich) veranlassten Zeitanteile
feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind?
5
II. Sachverhalt und
Ausgangsverfahren
6
Die Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte
Ehegatten. Der Kläger, der früher auch in den USA berufstätig war, bezog im
Streitjahr (1994) als kaufmännischer Angestellter Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit zunächst bei einem im Bereich der
Informationstechnologie tätigen Unternehmen und im zweiten Halbjahr aus
einer Tätigkeit als "EDV-Controller" bei einem Unternehmen der
Versicherungsbranche.
7
Er besuchte - wie auch in
den Vorjahren - eine Computer-Messe in Las Vegas, auf der er im Vorjahr
einen Vortrag gehalten hatte. Er flog am Freitag, dem 11. November 1994 -
ohne die Klägerin -, nach Las Vegas. Die Messe begann am darauf folgenden
Montag und endete an dem darauf folgenden Donnerstag. Von Montag bis
Mittwoch fanden in der Zeit von 10:30 Uhr bis 17:00 Uhr (mit drei
halbstündigen Pausen) Fachveranstaltungen und Fachdiskussionen statt. Am
Donnerstag dauerten die Fachveranstaltungen von 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr. Am
darauf folgenden Samstag flog der Kläger von Las Vegas zurück nach Köln;
dort traf er am Sonntag ein.
8
Der Kläger machte die
Aufwendungen für die Reise als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend: Flugkosten (inklusive
Flughafengebühren), Tagungsgebühren, Verpflegungsmehraufwand und Hotelkosten
für sechs Übernachtungen.
9
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte nur die
Tagungsgebühren als Werbungskosten. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen
erhobenen Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2001,
1186). Von den sieben Tagen des USA-Aufenthalts seien nur vier Tage einem
eindeutigen beruflichen Anlass zuzuordnen. Deshalb seien nur Kosten für vier
Übernachtungen und Verpflegungsmehraufwendungen für fünf Tage zu
berücksichtigen. Die Flugkosten seien zu 4/7 als Werbungskosten
anzuerkennen. Die Aufteilung dieser Kosten sei möglich, weil an den
einzelnen Messetagen ganztägig berufliche Veranstaltungen stattgefunden
hätten.
10
Mit der Revision (Az.
VI R 94/01) rügt das FA die Verletzung von § 12 Nr. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe die Flugkosten abweichend von
der Rechtsprechung des BFH zu Unrecht aufgeteilt. Die Berücksichtigung der
Übernachtungskosten und Verpflegungsmehraufwendungen durch das FG hält das
FA hingegen für zutreffend. Das FG habe jedoch übersehen, dass die
Tagungsgebühren bereits vom FA zum Abzug zugelassen worden seien.
11
Das FA beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung
weiterer Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 1.896 DM (969,41 €) festzusetzen.
12
Die Kläger beantragen, die
Revision zurückzuweisen.
13
III. Vorlagebeschluss des
VI. Senats
14
Der VI. Senat hält das
Urteil der Vorinstanz auch insoweit für zutreffend, als das FG die Kosten
des Hin- und Rückflugs aufgeteilt und zu 4/7 als Werbungskosten des Klägers
berücksichtigt hat. Der VI. Senat möchte der Revision des FA gleichwohl
stattgeben und die Vorentscheidung aufheben, weil das FG die
Tagungsgebühren, die das FA bereits berücksichtigt hatte, irrtümlich
nochmals als Werbungskosten abgezogen hat. Nur insoweit beabsichtigt der
VI. Senat, die Einkommensteuer der Kläger anderweitig festzusetzen.
15
Der VI. Senat sieht sich an
der beabsichtigten Entscheidung jedoch gehindert, weil seine
Rechtsauffassung von den Urteilen des IV. Senats vom 5. Dezember 1968
IV R 46/67 (BFHE 94, 484, BStBl II 1969, 235) und vom 28. Oktober 1976
IV R 35/76 (BFHE 121, 35, BStBl II 1977, 238) abweicht.
16
Auf Anfrage des VI. Senats
hat der IV. Senat mitgeteilt, er neige dazu, dem VI. Senat in dessen
Auffassung zu folgen, dass die folgerichtige Umsetzung der mit dem
objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung ein Aufteilungs-
und Abzugsverbot für Kosten einer lediglich teilweise durch die
Einkunftserzielung veranlassten Reise nur erfordere, wenn die Kosten der
Reise nicht nach objektiven Kriterien aufgeteilt oder keine sicheren
Feststellungen zu Grund und Höhe der durch die Einkunftserzielung
veranlassten Kosten getroffen werden könnten. Er sehe sich an einer
Zustimmung zur Abweichung von seinen Urteilen aber durch die Rechtsprechung
des Großen Senats gehindert.
17
Der VI. Senat hat daraufhin
gemäß § 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Großen Senat
angerufen. Er stützt seinen Vorlagebeschluss ferner auf § 11 Abs. 4 FGO,
weil die vorgelegte Rechtsfrage für eine Vielzahl ähnlicher Fälle Bedeutung
habe und wegen der unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und
Schrifttum eine Entscheidung des Großen Senats geboten sei. Hinsichtlich der
Begründung im Einzelnen wird auf den Vorlagebeschluss vom 20. Juli 2006
VI R 94/01 (BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121) Bezug genommen.
18
IV. Stellungnahmen der
Beteiligten
19
1. Die Kläger und das FA
haben sich nicht mehr geäußert.
20
2. Das Bundesministerium der
Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 FGO) und hat wie
folgt Stellung genommen: Der Auffassung des vorlegenden Senats, auch
Reisekosten seien generell aufteilbar und mit dem betrieblich/beruflich
veranlassten Anteil abziehbar, sei nicht zu folgen. Mit dieser
Vorgehensweise werde das im Gesetz angelegte Aufteilungs- und Abzugsverbot
im Ergebnis außer Kraft gesetzt und der Abzug der Aufwendungen lediglich
dann ausgeschlossen, wenn die betrieblich/beruflich veranlassten Zeitanteile
gegenüber den privat veranlassten nicht ins Gewicht fallen. Diese Wertung
kehre das Aufteilungs- und Abzugsverbot in ein weitgehendes Aufteilungs- und
Abzugsgebot um und sei mit dem Sinngehalt des § 12 Nr. 1 EStG unvereinbar.
Aus dieser Vorschrift sei abzuleiten, dass der Aufwand für Reisekosten in
Fällen einer nicht unerheblichen privaten Mitveranlassung grundsätzlich
nicht abziehbar sei. Der Abzug der Aufwendungen setze voraus, dass sie nach
objektiven und einfach nachprüfbaren Kriterien unmittelbar dem
beruflichen/betrieblichen Bereich zugeordnet werden könnten. Das sei bei
einer nicht unerheblichen privaten Mitveranlassung nicht der Fall. Die
beruflichen/betrieblichen Zeitanteile des Aufenthalts seien wegen der
eingeschränkten Verifikationsmöglichkeiten als Aufteilungsmaßstab
unbrauchbar.
21
Allerdings lasse die
Rechtsprechung bei einer Reihe von anderen Lebenssachverhalten eine
Aufteilung nach Zeitanteilen zu (z.B. bei Aufwendungen für Kraftfahrzeuge
oder der Telefongrundgebühr). Diese differenzierende Behandlung sei auf die
Eigenart der betreffenden Lebenssachverhalte zurückzuführen; sie sei jedoch
nicht Ausdruck eines allgemeinen Prinzips. Daher bestehe kein Anlass, sie
auf Reisekosten auszudehnen. Die Gerechtigkeitserwägungen, die der
bisherigen Rechtsprechung des Großen Senats zugrunde gelegen hätten, seien
gerade für Reisekosten von hoher Bedeutung, weil sich die Möglichkeit, an
Reisen mit beruflichen Berührungspunkten teilzunehmen, für einzelne
Berufsgruppen ganz unterschiedlich darstelle. Auch sei die Abgrenzung von
beruflichen und privaten Berührungspunkten bei Reisen, insbesondere bei
Auslandsreisen, häufig schwierig und hänge vom Geschick der Darstellung
durch den Steuerpflichtigen ab. Die Auffassung des vorlegenden Senats führe
auch nicht zu einer Vereinfachung, weil danach immer noch die Fälle
abzugrenzen seien, in denen die beruflichen Berührungspunkte nicht ins
Gewicht fielen. In Zukunft würden zudem die Steuerpflichtigen für die Kosten
zahlreicher Reisen, die sie bisher mangels Erfolgsaussicht nicht geltend
gemacht hätten, einen anteiligen Abzug verlangen.
Entscheidungsgründe
22
B. Entscheidung des Großen
Senats zu Verfahrensfragen
23
1. Der Große Senat
entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil
eine weitere Förderung der Sache durch eine mündliche Verhandlung nicht zu
erwarten ist. Keiner der Beteiligten hat mündliche Verhandlung beantragt.
24
2. Die Vorlage an den Großen
Senat ist gemäß § 11 Abs. 2 bis 4 FGO zulässig. Die Auffassung des
vorlegenden Senats weicht von den Urteilen des IV. Senats in BFHE 94, 484,
BStBl II 1969, 235 und in BFHE 121, 35, BStBl II 1977, 238 ab. Auf Anfrage
des vorlegenden Senats hat der IV. Senat mit Beschluss vom 1. Juni 2006
IV ER-S-1/06 mitgeteilt, er sehe sich an einer Zustimmung zu der
beabsichtigten Abweichung durch die bisherige Rechtsprechung des Großen
Senats gehindert. Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen in
Rechtsprechung und Schrifttum sowie der erheblichen Bedeutung der
Rechtsfrage für die Praxis kommt der Frage auch grundsätzliche Bedeutung
i.S. des § 11 Abs. 4 FGO zu.
25
3. Die vorgelegte Rechtsfrage
ist für die Entscheidung des VI. Senats in der Revisionssache VI R 94/01
entscheidungserheblich. Bejaht der Große Senat die Vorlagefrage, so ist die
Revision des FA zwar begründet und das angefochtene Urteil des FG
aufzuheben, die Steuer ist jedoch nur insoweit anderweitig festzusetzen, als
das FG die bereits vom FA berücksichtigte Tagungsgebühr irrtümlich nochmals
abgezogen hat. Verneint der Große Senat hingegen die Vorlagefrage, so hat
die Revision des FA in vollem Umfang Erfolg. Das FG-Urteil ist in diesem
Fall aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als das FG die Flugkosten
zu 4/7 als Werbungskosten berücksichtigt hat.
26
C. Entscheidung des Großen
Senats über die vorgelegte Rechtsfrage
27
Der Große Senat folgt im
Wesentlichen der Auffassung des vorlegenden Senats.
28
I. Rechtsentwicklung
29
1. Gesetzgebung und
Rechtsprechung zur Beurteilung gemischter Aufwendungen (ohne
Reiseaufwendungen)
30
Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind
Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Nach § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen; sie sind bei der
Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1
EStG (eingeführt durch das Einkommensteuergesetz 1934 vom 16. Oktober 1934,
RGBl I 1934, 1005, RStBl 1934, 1261) dürfen - abgesehen von den hier nicht
maßgeblichen Ausnahmen im Einleitungssatz der Vorschrift - die für den
Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner
Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei der Einkommensermittlung nicht
abgezogen werden. Dazu gehören nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch die
Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder
gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn
sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen
erfolgen.
31
a) Die dem § 12 Nr. 1 EStG
1934 vorausgehende Gesetzgebung
32
Der Grundsatz, dass
Aufwendungen für die private Lebensführung nicht abziehbar sind, war bereits
in den dieser Vorschrift vorangehenden Bestimmungen geregelt.
33
aa) So waren bereits nach § 9
Abs. II. Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891
(Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1891, 175)
insbesondere die zur Bestreitung des Haushalts der Steuerpflichtigen und zum
Unterhalte ihrer Angehörigen gemachten Ausgaben "nicht abzugsfähig".
34
bb) Die Vorschrift des § 8
Abs. III. Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. vom 19. Juni 1906
(Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1906, 259),
übernahm die vorgenannte Regelung und erweiterte sie dahin, dass
insbesondere alle Aufwendungen zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse
"nicht abzugsfähig" waren.
35
Allerdings war damals
anerkannt, dass Aufwendungen, die sowohl persönlichen als auch beruflichen
Bedürfnissen dienen, aufzuteilen und zu einem entsprechenden Teil abziehbar
sind (Fuisting/Strutz, Die Preußischen direkten Steuern, Erster Band,
Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. 1915, § 8 Anm. 57; Königlich
Preußisches Oberverwaltungsgericht - PrOVG -, Entscheidung vom 26. September
1901 Rep. XI.a.88/01., PrOVGE 10, 86 – zu den Löhnen einer Viehmagd und
einer Haushälterin, die jeweils im Haushalt und in der Landwirtschaft
eingesetzt waren; danach sollte die nur gelegentliche Verwendung eines für
den Betrieb eingestellten Dienstboten im Haushalt dem Abzug der gesamten
Kosten nicht entgegenstehen).
36
cc) Die Bestimmungen des § 15
Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 1920 (RGBl I 1920, 359) und
des § 18 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes vom 10. August 1925 - EStG
1925 - (RGBl I 1925, 189) nahmen ebenfalls die Formulierung der
Vorläufervorschriften auf. § 18 Abs. 1 EStG 1925 verdeutlichte zusätzlich,
dass grundsätzlich solche Ausgaben nicht abgesetzt werden dürfen, die sich
als Verwendung des Einkommens darstellen. Auch nach diesen Vorschriften galt
zunächst - im Anschluss an die Entscheidung in PrOVGE 10, 86 - der
Grundsatz, dass, wo die Verwendung für persönliche Zwecke gegenüber der
Verwendung für berufliche Zwecke nicht ganz unerheblich ist, eine
entsprechende Teilung der Aufwendungen in einen als Werbungskosten
abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil erforderlich ist (Strutz,
Kommentar zum EStG 1925, Bd. 1, 1927, § 18 Anm. 20).
37
b) Rechtsprechung des
Reichsfinanzhofs unter der Geltung des Einkommensteuergesetzes 1925
38
Während der Geltung des
Einkommensteuergesetzes 1925 hatte der Reichsfinanzhof (RFH) zunehmend über
den Abzug von Aufwendungen zu entscheiden, die im Wesentlichen privat
veranlasst waren und nur in einem losen, allenfalls mittelbaren Zusammenhang
zur Berufstätigkeit standen (vgl. Enno Becker, Die Grundlagen der
Einkommensteuer, München/Berlin 1940, § 11 S. 15). Er beurteilte solche
Aufwendungen, insbesondere so genannte Repräsentationsaufwendungen,
grundsätzlich als nicht abziehbare Kosten der Lebensführung, weil in
derartigen Fällen wegen der Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen
Lebenshaltungskosten und Werbungskosten der Nichtabziehbarkeit von
Lebenshaltungskosten der Vorrang einzuräumen sei (Urteile vom 7. März 1928
VI A 207/28, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1928 Bd. II, Sp. 312 - Haushalt
und Bedienung; vom 2. August 1930 VI A 1267/30, RStBl 1930, 679 – Villa des
Generaldirektors; vom 10. Juni 1931 VI A 686/31, StuW 1931 Bd. II, Sp. 1305;
vom 4. Mai 1932 VI A 1646/31, RStBl 1932, 727 - Einladungen und Bewirtung;
vom 13. November 1930 VI A 558/30, RStBl 1931, 108 - Verleihung des
Ehrentitels eines bayerischen Kommerzienrats; vom 15. Oktober 1930
VI A 1754/30, RStBl 1931, 23 - Wahl der Tochter eines Kaufmanns zur
Schützenkönigin; vom 20. März 1930 VI A 147/30, RFHE 27, 82; vom 27. August
1930 VI A 1216/30, RStBl 1931, 740 - jeweils zu Beiträgen an politische
Parteien; vom 23. Juni 1933 VI A 1493/30, RStBl 1933, 811; vom 23. Juni 1933
VI A 170/32, RStBl 1933, 812 - jeweils zu Zuwendungen für wohltätige
Zwecke).
39
Allerdings ging der RFH auch
weiterhin davon aus, dass solche wesentlich privat veranlassten Aufwendungen
teilweise abziehbar sein könnten, soweit ein abgrenzbarer beruflicher
Mehraufwand gegeben sei (Urteile in StuW 1928 Bd. II, Sp. 312; vom
15. Januar 1930 VI A 1675/29, RStBl 1930, 265 – Mehraufwendungen für
Verpflegung; vom 17. Juli 1930 VI A 1134/30, RStBl 1931, 6 -
Hörgerätebatterien; vom 29. April 1931 VI A 860/31, RStBl 1931, 905 -
PKW-Kosten; in RStBl 1932, 727; vom 16. September 1931 VI A 1711/30, RStBl
1931, 921 - Bekleidungsaufwand). Der abziehbare Teil der Aufwendungen war
danach notfalls zu schätzen (RFH-Urteile in StuW 1928 Bd. II, Sp. 312; in
RStBl 1931, 6; 1931, 905).
40
c) Einführung des § 12 EStG
1934 und darauf folgende Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs
41
Die vorgenannte
Rechtsprechung griff der Gesetzgeber 1934 mit der auch heute noch geltenden
Vorschrift des § 12 EStG ausdrücklich auf (Gesetzesbegründung, RStBl 1935,
33, 41). Der RFH setzte unter der Geltung dieser Vorschrift seine
überkommene Rechtsprechung fort, dass dann, wenn die Abgrenzung zwischen
Lebenshaltungskosten und beruflichen Aufwendungen schwierig ist,
grundsätzlich nicht abziehbare Ausgaben anzunehmen sind (Urteil vom
15. November 1939 VI 572/39, RStBl 1940, 28 – Aufwendungen eines Fabrikanten
zur Wiederherstellung der Jägerehre), dass jedoch ein beruflich veranlasster
Mehraufwand oder ein ausschließlich beruflich veranlasster Teil der
Aufwendungen abziehbar und notfalls durch Schätzung zu ermitteln ist
(Urteile vom 14. November 1934 VI A 688/34, RStBl 1935, 413; vom 8. April
1936 VI A 253/36, RFHE 39, 250; vom 20. Januar 1937 VI A 526/36, RStBl 1937,
778).
42
d) Rechtsprechung des
Obersten Finanzgerichtshofs und daran anknüpfende Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs
43
Der Oberste Finanzgerichtshof
(OFH) knüpfte an diese Rechtsprechung ausdrücklich an und entwickelte für
den Abzug des in gemischten Aufwendungen enthaltenen beruflich veranlassten
Anteils erstmals die Formulierung, dass solche Aufwendungen als
Werbungskosten zu beurteilen seien, wenn "sie sich von den Kosten der
Lebensführung leicht und einwandfrei trennen lassen" (Urteil vom 15. Oktober
1948 III 37/48, RFHE 54, 270 – Verschleiß von Schuhsohlen und bürgerlicher
Kleidung eines Außendienstmitarbeiters). Diese Formulierung übernahm
nachfolgend der BFH in seine Rechtsprechung (z.B. Urteile vom 24. November
1950 IV 91/50 U, BFHE 55, 59, BStBl III 1951, 23; vom 10. März 1955
IV 633/54 U, BFHE 60, 343, BStBl III 1955, 131; vom 24. April 1956
I 228/55 U, BFHE 63, 3, BStBl III 1956, 195). Hinzu kam nun die Überlegung,
es würde die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährden, wenn
Steuerpflichtigen, die als Einkunft den Gewinn versteuern, ohne besondere
Schwierigkeit private Kosten als Betriebsausgabe behandeln könnten;
Arbeitnehmer hätten eine solche Möglichkeit im Allgemeinen nicht (BFH-Urteil
in BFHE 63, 3, BStBl III 1956, 195).
44
e) Weitere Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs
45
Die weitere Entwicklung der
Rechtsprechung verlief uneinheitlich.
46
aa) So beurteilte der BFH mit
Rücksicht auf § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG u.a. die folgenden Aufwendungen
insgesamt als Kosten der Lebensführung, ohne eine Aufteilung zuzulassen:
Aufwendungen für ein Hörgerät (Urteil vom 8. April 1954 IV 345/53 U, BFHE
58, 689, BStBl III 1954, 174), für das Nachschlagewerk eines Lehrers und
eines Anwalts (Urteile vom 5. Juli 1957 VI 39/56 U, BFHE 65, 246, BStBl III
1957, 328 - unter Hinweis auf eine entsprechende Beurteilung der
Aufwendungen für eine Tageszeitung, einen Radioapparat, ein Fernsehgerät,
für Unterhaltungslektüre und allgemeinbildende Literatur; vom 5. April 1962
IV 127/60 U, BFHE 75, 279, BStBl III 1962, 368), für Tonbandgerät und
Farbdias eines Lehrers (Urteile vom 6. Mai 1959 VI 183/57 U, BFHE 69, 81,
BStBl III 1959, 292; vom 8. April 1960 VI 164/59 U, BFHE 71, 70, BStBl III
1960, 274; vom 25. August 1961 VI 286/60 U, BFHE 73, 605, BStBl III 1961,
486), für das Rundfunkgerät im Büro eines Steuerbevollmächtigten (Urteil vom
26. Juli 1962 IV 438/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR -
1963, 286) und das Fernsehgerät eines Rundfunk- und Fernsehschriftstellers
(Urteil vom 13. August 1964 IV 53/61 U, BFHE 80, 146, BStBl III 1964, 528),
für das von Arbeitnehmern mitbenutzte Segelboot eines Gewerbetreibenden
(Urteil vom 25. April 1963 IV 237/61, HFR 1964, 193) sowie für einen auf
einem Binnenschiff von der Familie des Schiffers und den drei Schiffsjungen
benutzten Kühlschrank (Urteil vom 22. November 1960 I 212/60 U, BFHE 72, 95,
BStBl III 1961, 37).
47
bb) Hingegen beurteilte der
BFH Aufwendungen für die Anschaffung eines (gebrauchten) Flügels und eines
Tonbandgerätes bei einem Musiklehrer in vollem Umfang als Werbungskosten
(Urteil vom 24. August 1962 VI 57/62, HFR 1963, 57; für einen neuen Flügel
später allerdings a.A. das BFH-Urteil vom 10. März 1978 VI R 111/76, BFHE
125, 52, BStBl II 1978, 459). Aufwendungen für einen sowohl privat als auch
zur gewerblichen Zimmervermietung genutzten Kühlschrank hielt der BFH für
aufteilbar (Urteil vom 9. Oktober 1963 I 397/60, HFR 1964, 77), ebenso
Aufwendungen für die Waschmaschine und den Heimbügler eines Arztes (Urteile
vom 13. April 1961 IV 54/60 U, BFHE 73, 106, BStBl III 1961, 308; vom
13. März 1964 IV 158/61 S, BFHE 79, 605, BStBl III 1964, 455). Auch die
(festen und die variablen) Kosten für einen PKW sind nach ständiger
Rechtsprechung aufteilbar (seit dem BFH-Urteil vom 9. Oktober 1953
IV 536/52 U, BFHE 58, 120, BStBl III 1953, 337, das an die Rechtsprechung
des RFH anknüpft), ebenso die Kosten für einen Telefonanschluss
(ursprünglich bereits einschließlich der Grundgebühr: BFH-Urteil vom
16. Dezember 1966 VI 133/64, BFHE 87, 622, BStBl III 1967, 249).
48
cc) Mit Beschlüssen vom
20. November 1969 IV 348/64 (BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 308) und vom
16. Januar 1970 VI R 31/68 (BFHE 97, 425, BStBl II 1970, 187) riefen der IV.
und der VI. Senat den Großen Senat an mit dem Ziel, für gemischt genutzte
Wirtschaftsgüter in weiterem Umfang als bisher eine Aufteilung der Kosten zu
erreichen. Der IV. Senat hielt eine griffweise Schätzung des beruflichen
Nutzungsanteils bei einem Fernsehgerät für geboten, das der Inhaber eines
Film-Informationsdienstes und Drehbuchautor angeschafft hatte. Der VI. Senat
wollte das Urteil des FG bestätigen, das für einen Gerichtsassessor die
Anschaffungskosten einer Schreibmaschine zu 90 % und die eines Tonbandgeräts
zu 50 % als beruflich veranlasst anerkannt hatte.
49
dd) Der Große Senat erteilte
diesem Vorstoß eine Absage (Beschluss vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE
100, 309, BStBl II 1971, 17; darauf Bezug nehmend Beschluss vom 19. Oktober
1970 GrS 3/70, BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21). Die Bedeutung des § 12
Nr. 1 Satz 2 EStG liege in der steuerlichen Behandlung der gemischten
Aufwendungen. Sowohl der Wortlaut des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG als auch dessen
Sinn und Zweck schlössen die Aufteilung von einheitlichen Aufwendungen
grundsätzlich aus.
50
ee) Trotz der Entscheidung
des Großen Senats in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 verlief die
Entwicklung auch weiterhin uneinheitlich.
51
(1) So gab der BFH mit
Rücksicht auf den vorgenannten Beschluss des Großen Senats seine frühere
Rechtsprechung zur Abziehbarkeit von Telefongrundgebühren auf: Er hielt mit
Rücksicht auf das Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG eine
schätzungsweise Aufteilung der Grundgebühren bei einem teils beruflich und
teils privat benutzten privaten Telefonanschluss in der Wohnung des
Arbeitnehmers nicht mehr für zulässig (Urteile vom 19. Dezember 1977
VI R 198/76, BFHE 124, 428, BStBl II 1978, 287; vom 9. November 1978
VI R 195/77, BFHE 126, 418, BStBl II 1979, 149).
52
(2) Andererseits entwickelte
sich die Rechtsprechung zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG schon wenige Jahre nach
der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17
wieder in die Gegenrichtung. Einzelne Entscheidungen traten dem Beschluss
des Großen Senats sogar offen entgegen. So führte der IV. Senat im Urteil
vom 11. November 1976 IV R 3/73 (Betriebs-Berater - BB - 1978, 1293) aus,
das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG könne nach dem
Grundsatz der Steuergerechtigkeit dann nicht gelten, wenn es zu einer
offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führte. Der beruflich veranlasste
Anteil an den Aufwendungen für Kleidung, Friseur und Kosmetika einer
selbständigen Sängerin wurde im Streitfall nach dem
Werbungskostenpauschbetrag für unselbständig tätige Sängerinnen geschätzt.
Allerdings schränkte der IV. Senat diese Beurteilung später wieder ein
(BFH-Urteile vom 6. Juli 1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990,
49; vom 18. April 1991 IV R 13/90, BFHE 164, 419, BStBl II 1991, 751).
53
Ferner änderte der BFH erneut
seine Rechtsprechung zur Abziehbarkeit von Telefongrundgebühren. Der
Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebiete es,
Telefongrundgebühren nicht anders als die fixen Kosten von Kraftfahrzeugen
zu behandeln, da insoweit in jeder Hinsicht vergleichbare Sachverhalte
vorlägen (Urteil vom 21. November 1980 VI R 202/79, BFHE 132, 63, BStBl II
1981, 131).
54
ff) In der Folgezeit traten
weitere Fallgruppen hinzu, in denen der BFH eine Aufteilung gemischt
veranlasster Aufwendungen grundsätzlich zuließ, so etwa Aufwendungen für ein
Privatflugzeug oder einen Hubschrauber (Urteile vom 4. August 1977
IV R 157/74, BFHE 123, 158, BStBl II 1978, 93; vom 27. Februar 1985
I R 20/82, BFHE 143, 440, BStBl II 1985, 458), für eine auch im Betrieb
eingesetzte Hausgehilfin (Urteil vom 8. November 1979 IV R 66/77, BFHE 129,
134, BStBl II 1980, 117), für die Reinigung typischer Berufskleidung in der
privaten Waschmaschine (Urteile vom 29. Juni 1993 VI R 77/91, BFHE 171, 525,
BStBl II 1993, 837; vom 29. Juni 1993 VI R 53/92, BFHE 171, 527, BStBl II
1993, 838), für Versicherungsprämien (Urteile vom 19. Februar 1993
VI R 42/92, BFHE 170, 560, BStBl II 1993, 519; vom 31. Januar 1997
VI R 97/94, BFH/NV 1997, 346; vom 20. Mai 2009 VIII R 6/07, BFH/NV 2009,
1519), Kontoführungsgebühren (Urteil vom 9. Mai 1984 VI R 63/80, BFHE 141,
50, BStBl II 1984, 560), Zinsen für eine durch betriebliche und private
Auszahlungen entstandene Kontokorrentverbindlichkeit (Beschluss des Großen
Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) sowie
Aufwendungen für die Leerstandszeiten einer Ferienwohnung (Urteil vom
6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) und für
einen privat angeschafften und in der privaten Wohnung aufgestellten PC
(Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl II 2004,
958).
55
2. Rechtsprechung zur
Berücksichtigung von Aufwendungen für Reisen
56
a) Rechtsprechung des
Reichsfinanzhofs
57
Der RFH hielt die Aufteilung
der Kosten einer gleichermaßen beruflich und privat veranlassten Reise für
zulässig. Danach konnten Aufwendungen für eine Weltreise eines im Betrieb
tätigen Sohnes des Geschäftsinhabers, die sowohl der Betätigung für die
Firma als auch der Ausbildung des Sohnes diente, zur Hälfte als
Betriebsausgaben abgezogen werden (Urteil vom 19. Februar 1930 VI A 37/30,
StuW 1930 Bd. II, Nr. 488). Für die Studienreise eines Innenarchitekten nach
Italien und in den Orient hielt der RFH für den Fall, dass die Reise
gleichermaßen beruflichen Zwecken und dem Vergnügen gedient hatte, ebenfalls
eine Teilung der Kosten für angebracht (Urteil vom 5. März 1930
VI A 1960/29, StuW 1930 Bd. II Nr. 497).
58
b) Ältere Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs
59
Demgegenüber war die
Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung von Aufwendungen für Reisen
enger.
60
Der BFH war ursprünglich zwar
der Auffassung, dass es zu weit ginge, die Kosten einer Studienreise nur
dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie ausschließlich im beruflichen
Interesse aufgewendet würden; es genüge, wenn weitaus überwiegend der
Gesichtspunkt des beruflichen Interesses ausschlaggebend sei (Urteil vom
29. Juli 1954 IV 479/53 U, BFHE 59, 144, BStBl III 1954, 264). Liege eine
Reise im weitaus überwiegenden betrieblichen Interesse, könne gleichwohl für
einen Teil der Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG (Kosten der Lebensführung)
der Abzug als Betriebsausgabe zu versagen sein. Wenn für die Abgrenzung der
betrieblichen Aufwendungen von den Kosten der Lebensführung keine Unterlagen
zur Verfügung stünden, sei die Aufteilung im Wege der Schätzung vorzunehmen
(Urteile vom 28. August 1958 IV 229/57 U, BFHE 68, 113, BStBl III 1959, 44 -
Ärztefortbildung in Meran; vom 16. November 1961 IV 105/60 U, BFHE 74, 481,
BStBl III 1962, 181 - Anwaltsfortbildung in Österreich und der Schweiz; vom
2. Dezember 1965 IV 6/65 U, BFHE 84, 187, BStBl III 1966, 69 -
Betriebsausgabenabzug bis zur Landesgrenze für einen Ärztekongress in
Davos).
61
Auch dann, wenn die Reise als
privat zu beurteilen sei, könnten einzelne abtrennbare Vorgänge auf dieser
Reise zu Werbungskosten führen (Urteile vom 27. Januar 1955 IV 199/54 U,
BFHE 60, 331, BStBl III 1955, 126; vom 11. Oktober 1962 IV 432/60 U, BFHE
76, 97, BStBl III 1963, 36). Zur Prüfung der beruflichen Veranlassung einer
Reise stellte der BFH indiziell darauf ab, ob die Reise im Rahmen eines
straff organisierten Programms stattfindet, das die Wahrnehmung privater
Interessen praktisch ausschließt (Urteile in BFHE 59, 144, BStBl III 1954,
264; in BFHE 68, 113, BStBl III 1959, 44; vom 9. Dezember 1960 IV 241/60 U,
BFHE 72, 263, BStBl III 1961, 99 – kein Betriebsausgabenabzug für
Studienreise eines Architekten nach Florenz; vom 9. Dezember 1960
IV 232/60 U, BFHE 72, 335, BStBl III 1961, 126 – kein Betriebsausgabenabzug
für Reise eines Arztes nach Lambarene; vom 24. August 1962 VI 106/62 U, BFHE
75, 673, BStBl III 1962, 512 – kein Werbungskostenabzug für Reise eines
Pastors in biblische Länder; vom 18. Februar 1965 IV 36/64 U, BFHE 82, 88,
BStBl III 1965, 279; vom 4. August 1967 VI R 62/66, BFHE 90, 43). In
Ausnahmefällen könne der beruflich bedingte Reisezweck jedoch auch ohne das
Vorhandensein einer straffen Organisation auf andere Weise nachgewiesen
werden (Urteile in BFHE 72, 263, BStBl III 1961, 99; in BFHE 76, 97, BStBl
III 1963, 36; in BFHE 90, 43).
62
Nach diesen Maßstäben
beurteilte der BFH Aufwendungen eines Möbelkaufmanns für eine fachlich
organisierte USA-Reise (einschließlich des Flugs von Deutschland in die USA
und zurück) als Betriebsausgaben; lediglich die Kosten eines in den USA
vorgeschalteten privaten Reiseteils, der aber kürzer als der berufliche Teil
war, wurden als nicht abziehbar ausgeschieden (Urteil in BFHE 82, 88, BStBl
III 1965, 279). Demgegenüber teilte der BFH die Kosten der Reise eines
Augenarztes zu einem internationalen Ärztekongress in Athen nicht in einen
beruflichen und einen privaten Reiseteil auf, sondern sah insgesamt eine
Privatreise als gegeben an, weil die Flugkosten relativ hoch waren und nur
fünf Tage auf den Kongress, 12 Tage dagegen auf den Privataufenthalt (in
Begleitung der Ehefrau zu einer günstigen Reisezeit) entfielen; daher
beurteilte der BFH nur die durch die Tagung entstandenen Mehrkosten als
abziehbar (Urteil vom 22. Juli 1965 IV 269/64 U, BFHE 83, 401, BStBl III
1965, 644).
63
In der Folgezeit betrachtete
der BFH zunehmend jeweils die gesamte Reise als Einheit: Sei eine
ausschließliche oder weitaus überwiegende betriebliche Veranlassung, die der
Steuerpflichtige zu beweisen habe, nicht gegeben, so folge aus § 12 Nr. 1
EStG, dass die gesamten Kosten der Reise grundsätzlich zu den
Lebenshaltungskosten gehörten, selbst wenn eine berufliche Tätigkeit
gefördert werde; eine Aufteilung der Reisekosten komme dann grundsätzlich
nicht in Betracht (Urteile vom 22. Juli 1965 IV 55/65 U, BFHE 83, 406, BStBl
III 1965, 646; vom 4. August 1967 VI R 289/66, BFHE 90, 52, BStBl III 1967,
776 – Reise eines Geografielehrers mit seiner Ehefrau nach Ostafrika; vom
4. August 1967 VI R 192/66, BFHE 90, 50, BStBl III 1967, 774 – Reise eines
Englischlehrers mit seinem PKW nach England; vom 1. April 1971 IV R 72/70,
BFHE 102, 90, BStBl II 1971, 524; vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113,
274, BStBl II 1975, 70; auch Beschluss des Großen Senats in BFHE 100, 309,
BStBl II 1971, 17, unter II. 7.; ferner Urteile vom 15. Juli 1976
IV R 90/73, BFHE 120, 28, BStBl II 1977, 54; vom 28. Oktober 1976
IV R 63/75, BFHE 121, 31, BStBl II 1977, 203; in BFHE 121, 35, BStBl II
1977, 238).
64
Allerdings könnten die
anlässlich einer Privatreise im beruflichen Interesse abgrenzbar und
nachweisbar aufgewendeten Mehrkosten abgezogen werden (vgl. außer den
vorstehenden Zitaten z.B. BFH-Urteile in BFHE 90, 43 – Fahrtkosten eines
Kunsthistorikers zur Teilnahme an einem Kongress in Spanien sind nur für den
beruflichen Umweg abziehbar; vom 4. Dezember 1974 I R 112/73, BFHE 114, 488,
BStBl II 1975, 379).
65
So berücksichtigte der BFH
jedoch z.B. die Kosten der ersten (lehrgangsmäßig mit Fachvorträgen an der
örtlichen Universität ausgefüllten) Woche einer siebenwöchigen Studienreise
einer Englischlehrerin in die USA nicht als Werbungskosten, weil die
Klägerin allein wegen der fünf Vorträge die teure Reise in die USA
sicherlich nicht angetreten hätte (Urteil vom 4. August 1967 VI R 186/66,
BFHE 90, 47, BStBl III 1967, 773). Und die 17.1/2-tägige (straff
organisierte, aber durch großräumige Reiseetappen gekennzeichnete) USA-Reise
eines Augenarztehepaars beurteilte der BFH, ohne eine Aufteilung zu erwägen,
insgesamt als privat, obwohl an sechs Tagen ein Fachprogramm geboten wurde
(Urteil vom 8. August 1968 IV R 62/68, BFHE 93, 88, BStBl II 1968, 680).
Ebenso lehnte der BFH die Aufteilung der Reisekosten für die 17-tägige Reise
eines Zahnarztes zum Welt-Zahnarztkongress in Mexiko ab, weil der Kongress
nur neun Tage gedauert hatte und die Ehefrau mitgereist war (Urteil in BFHE
121, 35, BStBl II 1977, 238).
66
Die Aufteilung von Flug- oder
Fahrtkosten einer nicht ganz überwiegend beruflichen Reise in einen
beruflichen und einen privaten Teil je nach den Zeitanteilen lehnte der BFH
generell ab. Vielmehr rechnete er diese Kosten in vollem Umfang dem privaten
Bereich zu (z.B. Urteile in BFHE 90, 47, BStBl III 1967, 773; in BFHE 93,
88, BStBl II 1968, 680; in BFHE 94, 484, BStBl II 1969, 235; in BFHE 102,
90, BStBl II 1971, 524). Allerdings hat der VI. Senat in einem solchen Fall
(überwiegend privat veranlasste Reise, unterbrochen durch den Besuch eines
Kongresses) die gesamten notwendigen Fahrtkosten zu dem Kongress als
abziehbar beurteilt, weil der Kläger die Reise ins Ausland auch dann
unternommen haben würde, wenn keine privaten Zwecke damit verfolgt worden
wären (Urteil vom 17. Dezember 1971 VI R 235/70, nicht veröffentlicht).
67
c) Anrufung des Großen Senats
im Verfahren GrS 8/77
68
Der I. Senat legte mit
Beschluss vom 26. Januar 1977 I R 53/75 (BFHE 123, 320, BStBl II 1978, 52,
Gründe wiedergegeben im Beschluss des Großen Senats vom 27. November 1978
GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) dem Großen Senat folgende
Rechtsfragen zur Entscheidung vor:
69
1. Können Aufwendungen für
die Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken
Betriebsausgaben sein, wenn mit der Reise
a) programmgemäß auch ein
allgemein-touristisches Interesse befriedigt wird,
b) außerhalb des
Gruppenprogramms ein Privataufenthalt des Steuerpflichtigen verbunden wird,
wobei die Informationsreise (1. a) auch ohne diesen privaten Reiseteil
(1. b) unternommen worden wäre?
70
2. Sind im Falle der Bejahung
der Rechtsfrage zu 1. b die Gesamtkosten der Reise in der Weise aufzuteilen,
dass nur die durch den privaten Reiseteil veranlassten Mehrkosten von der
Berücksichtigung als Betriebsausgaben ausgenommen werden?
71
Der I. Senat beabsichtigte,
ein FG-Urteil zu bestätigen, dass die Kosten eines Unternehmers für eine von
einem Fachverband organisierte Informationsreise in die USA im Wesentlichen
als Betriebsausgaben anerkannt hatte. An die Gruppenreise, die auch
touristische Punkte enthielt, hatte sich ein individuell organisierter
privater Reiseteil angeschlossen, dessen Kosten der Kläger bereits aus den
Betriebsausgaben ausgeschieden hatte. Der I. Senat war der Auffassung, der
betriebliche Charakter der Informationsreise werde durch den anschließenden
privaten Aufenthalt nicht in Frage gestellt, und zwar selbst dann nicht,
wenn der private Aufenthalt zeitlich den betrieblichen überschreite.
Maßgebend sei, dass der private Teil der Reise für die gesamte Reise nicht
ursächlich gewesen und von dem betrieblichen Reiseabschnitt klar abgrenzbar
sei.
72
d) Beschluss des Großen
Senats vom 27. November 1978 GrS 8/77 (BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213)
73
Der Große Senat beantwortete
mit seinem Beschluss in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 die ihm
vorgelegten Rechtsfragen wie folgt:
74
1. Aufwendungen für die
Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken sind keine
Betriebsausgaben oder Werbungskosten, wenn
a) sie nicht objektiv durch
den Betrieb (Beruf) des Steuerpflichtigen veranlasst sind, insbesondere wenn
mit der Reise programmgemäß auch ein allgemein-touristisches Interesse
befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist,
b) außerhalb des
Gruppenprogramms mit der Gruppenreise ein Privataufenthalt verbunden wird,
dem im Rahmen der Gesamtreise mehr als nur untergeordnete Bedeutung zukommt.
75
2. Ist die Gesamtreise (1.)
als nicht betrieblich (beruflich) veranlasst zu beurteilen, sind einzelne
abgrenzbare Aufwendungen, die ausschließlich betrieblich (beruflich)
veranlasst sind, als Betriebsausgaben (Werbungskosten) abziehbar.
76
Der Große Senat hat damals
ausgeführt: Eine Auslandsgruppenreise sei insgesamt und als Einheit zu
beurteilen, weil die einzelnen Teile einer solchen Reise von der
Organisation und der Durchführung her nur im Zusammenhang gesehen werden
könnten. Könnten Aufwendungen für eine Auslandsgruppenreise, die teils aus
privaten, teils aus beruflichen Erwägungen durchgeführt worden sei,
steuerlich abgesetzt werden, würden dem Aufteilungsverbot zuwider
Aufwendungen, die auch der Lebensführung dienten, steuerlich abgezogen. Nach
Wortlaut, Sinn und Zweck des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sei eine Aufteilung
teils beruflich, teils privat veranlasster Aufwendungen selbst dann
ausgeschlossen, wenn die Aufteilung "wenigstens theoretisch in quantitativ
messbare Abschnitte" möglich wäre, der Umfang der einzelnen Teile an einer
Reise aber nicht feststellbar und nicht nach objektiven Maßstäben
nachprüfbar sei.
77
Ergebe die Gesamtbeurteilung,
dass auch private Reiseinteressen vorgelegen hätten, sei regelmäßig die
betriebliche (berufliche) Veranlassung der gesamten Auslandsgruppenreise zu
verneinen. Das Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verbiete es, auf
das einfache Überwiegen des einen (privaten) oder des anderen
(betrieblichen, beruflichen) Zwecks abzustellen. Die Abziehbarkeit von
Aufwendungen könne nur dann in vollem Umfang anerkannt werden, wenn die
Förderung des Betriebs (Berufs) bei weitem überwiege und die Lebensführung
ganz in den Hintergrund trete.
78
Die Verbindung zwischen einer
Gruppenreise, die noch nicht als privat veranlasst zu beurteilen wäre, mit
einem Privataufenthalt spreche regelmäßig für die private Veranlassung der
gesamten Reise, weil beide Teile der Reise im Zusammenhang miteinander
geplant und durchgeführt sowie insbesondere die Beförderungskosten für beide
Teile aufgewendet würden.
79
Die Aufteilung von
Fahrtkosten einer Reise, bei der Gesichtspunkte der Lebensführung eine nicht
ganz untergeordnete Rolle gespielt hätten, sei in aller Regel
ausgeschlossen. Aufwendungen der einheitlich zu würdigenden Reise fielen
unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot. Aus den Aufwendungen einer
insgesamt als privat zu beurteilenden Reise dürften deshalb nicht einzelne
Aufwendungen herausgelöst und ihrerseits als betrieblich anerkannt werden.
Derartige Kosten entstünden für die als Einheit zu behandelnde (private)
Reise und seien mangels objektiver, leicht nachprüfbarer Umstände nicht
aufteilbar. Dies gelte selbst dann, wenn einzelne Reiseabschnitte - isoliert
betrachtet - als betrieblich veranlasst angesehen werden könnten.
80
Jedoch könnten einzelne
Aufwendungen, die zusätzlich zu den Aufwendungen für eine als privat zu
beurteilende Reise entstünden und die ausschließlich betrieblich (beruflich)
veranlasst seien, als Betriebsausgaben (Werbungskosten) anerkannt werden.
Dagegen seien alle Aufwendungen, die auch ohne den einzelnen betrieblichen
(beruflichen) Anlass entstanden wären, nicht als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten abziehbar.
81
e) Weitere Entwicklungen in
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Reiseaufwendungen
82
Die weitere Entwicklung der
Rechtsprechung verlief wie folgt: Der BFH teilte im Anschluss an den
Beschluss des Großen Senats in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 die Kosten
der An- und Abreise, auch wenn die Reise sowohl beruflich genutzte als auch
privat genutzte Zeitanteile enthielt, nicht auf; vielmehr ließ er die
Reisekosten entweder ganz (dazu nachfolgend aa) oder aber gar nicht (dazu
nachfolgend bb) zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu. In
jüngerer Zeit kam es sodann zu einer Akzentverschiebung in der
Rechtsprechung in Richtung einer weitergehenden Abziehbarkeit von
Reiseaufwendungen (dazu nachfolgend cc).
83
aa) Bereits unmittelbar nach
der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213
bestätigte der IV. Senat ein FG-Urteil, das die Aufwendungen eines
Facharztes für eine 28-tägige Südafrika-Reise, auf der lediglich 15 Tage den
beruflichen Interessen des Klägers gedient hatten, vollständig als
Betriebsausgaben anerkannt hatte; der IV. Senat führte dazu aus, die für
Auslandsgruppenreisen geltenden Erwägungen des Großen Senats ließen sich
nicht ohne weiteres auf Reisen übertragen, denen offensichtlich ein
unmittelbarer betrieblicher Anlass zugrunde liege (Urteil vom 12. April 1979
IV R 106/77, BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513; vgl. ferner Urteile vom
15. Dezember 1982 I R 73/79, BFHE 138, 40, BStBl II 1983, 409; vom
13. Dezember 1984 VIII R 296/81, BFHE 143, 53, BStBl II 1985, 325; vom
16. Oktober 1986 IV R 138/83, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208 – Reise
einer Kunstmalerin zu den Seychellen).
84
bb) Demgegenüber ließ der BFH
in zahlreichen anderen Fällen Reisekosten trotz beruflicher Mitveranlassung
insgesamt nicht zum Abzug zu (Urteile vom 13. Februar 1980 I R 178/78, BFHE
130, 48, BStBl II 1980, 386 – Studienreisen eines Herstellers und
Vertreibers von orthopädischen Hilfsmitteln; vom 8. Juli 1988 VI R 118/86,
BFH/NV 1989, 93 – Türkeireise einer Berufsschullehrerin, die fast
ausschließlich türkische Schülerinnen unterrichtet; vom 14. Juli 1988
IV R 57/87, BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19 – Steuerberater-Symposium auf
der "Finnjet"; vom 1. Dezember 1989 VI R 135/86, BFH/NV 1990, 558; vom
8. August 1991 VI R 161/87, BFH/NV 1992, 100 – jeweils Studienreise eines
Lehrers in die DDR; vom 7. September 1990 VI R 110/87, BFH/NV 1991, 232; vom
24. Oktober 1991 VI R 134/87, BFH/NV 1992, 240; vom 14. Mai 1993 VI R 29/92,
BFH/NV 1993, 653 – jeweils vom Dienstherrn genehmigte Auslandsstudienreise
von Referendaren; vom 27. März 1991 VI R 51/88, BFHE 164, 75, BStBl II 1991,
575 – von der Hochschule genehmigte Auslandsstudienreise eines
Geographieprofessors; vom 2. März 1995 IV R 59/94, BFH/NV 1995, 959 –
Fortbildungsveranstaltung für Rechtsanwälte in Sils Maria; vom 21. August
1995 VI R 47/95, BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10 – Englandreise einer
Englischlehrerin; vom 29. November 2006 VI R 36/02, BFH/NV 2007, 681 –
Israelreise einer Religionslehrerin mit dem Schulkollegium).
85
cc) Eine Modifizierung der
vom Großen Senat in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 entwickelten Maßstäbe
vollzog sich mit dem BFH-Urteil vom 23. April 1992 IV R 27/91 (BFHE 168,
254, BStBl II 1992, 898): Danach steht dem Betriebsausgabenabzug der Kosten
für die Teilnahme an einer beruflichen Fortbildungsveranstaltung nicht
entgegen, dass dieser Veranstaltung ein Urlaubsaufenthalt an demselben Ort
vorangeht; die Kosten der Reise zum Veranstaltungsort und zurück
einschließlich Reisenebenkosten können in diesem Fall jedoch ebenso wie die
Kosten des Urlaubsaufenthalts nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden
(vgl. ferner BFH-Urteile vom 23. Januar 1997 IV R 39/96, BFHE 182, 536,
BStBl II 1997, 357; vom 18. Mai 2005 VIII R 43/03, BFH/NV 2005, 2174).
86
Des Weiteren führte der
X. Senat im Urteil vom 26. November 1997 X R 146/94 (BFH/NV 1998, 961) aus,
die für die einkommensteuerrechtliche Zuordnung einer Auslandsreise
erforderliche Gesamtbeurteilung könne auch im Fall des zweiwöchigen
Japanaufenthalts einer mehrköpfigen Familie für ein Familienmitglied einen
unmittelbar betrieblichen Anlass (z.B. Abschluss eines wichtigen Vertrages)
ergeben, der es ausnahmsweise erlaube, familiäre Aspekte und touristische
Begleitumstände der Unternehmung insoweit in den Hintergrund treten zu
lassen und den damit verbundenen Aufwand (hier An- und Abreisekosten) dieser
Person anteilig als Betriebsausgaben anzuerkennen.
87
Sodann änderte der VI. Senat
mit Rücksicht auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften vom 28. Oktober 1999 Rs. C-55/98 (EuGHE I-1999, 7641 -
Vestergaard) seine Rechtsprechung zu Sprachkursen im Ausland: Danach kann
abweichend von der bisherigen Rechtsprechung bei einem Sprachkurs in einem
anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union nicht mehr typischerweise
unterstellt werden, dass dieser wegen der jeder Auslandsreise innewohnenden
touristischen Elemente eher Berührungspunkte zur privaten Lebensführung
aufweist als ein Inlandssprachkurs (Urteil vom 13. Juni 2002 VI R 168/00,
BFHE 199, 347, BStBl II 2003, 765 – Sprachkurs in Südfrankreich mit
unterrichtsfreien Nachmittagen). Auch im Übrigen fand in der Rechtsprechung
des VI. Senats eine Akzentverschiebung statt. Danach ist nicht mehr
erforderlich, dass die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen
oder von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Reisekosten sind vielmehr in
der Regel schon dann vollständig abziehbar, wenn der Reise ein unmittelbarer
beruflicher Anlass zugrunde liegt und die Verfolgung privater
Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (BFH-Urteil vom
27. August 2002 VI R 22/01, BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369, m.w.N. –
Teilnahme einer wissenschaftlichen Hilfskraft an einem Universitätsinstitut
für Geographie an einer Exkursion in die USA "Nationalparks und Naturkunde
des Wilden Westens"; vgl. auch BFH-Urteile vom 19. Dezember 2005 VI R 63/01,
BFH/NV 2006, 728; VI R 88/02, BFH/NV 2006, 730; VI R 65/04, BFH/NV 2006,
1075; VI R 89/02, BFH/NV 2006, 934 - Sprachkurs in Andalusien im Mai; vom
22. Juni 2006 VI R 61/02, BFHE 213, 566, BStBl II 2006, 782; vom 11. Januar
2007 VI R 8/05, BFHE 216, 325, BStBl II 2007, 457; vom 22. Juli 2008
VI R 2/07, BFH/NV 2008, 1837 - Fortbildungskongress der
Bundesapothekerkammer in Meran mit ganztägigen Exkursionen zum Monte Baldo
und zur Seiser Alpe). Der Grundsatz, dass die Kosten der An- und Abreise nur
einheitlich entweder ganz oder gar nicht abziehbar sind, blieb indes bisher
unverändert.
88
II. Auffassungen im
Schrifttum
89
Nach der überwiegenden
Auffassung im Schrifttum lässt sich aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein
allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot ableiten (Arndt, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 12 Rz B 3 ff.; Nolde in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 67; Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl.,
§ 12 Rz 14 ff.; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 12 EStG Rz 97; Claßen in
Lademann, EStG, § 12 EStG Rz 23 ff.; Blümich/Lindberg, § 12 EStG Rz 53;
Kurzeja in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 12
Rz 130 ff.; Dürr in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 12
Rz 48; Rundshagen in Korn, § 12 EStG Rz 24; Birk, Steuerrecht, 12. Aufl.,
§ 5 Rz 967 ff., 1019 ff.; Jakob, Einkommensteuer, 4. Aufl. 2008, Rz 219 ff.;
Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz 243 ff.; Tiedtke,
Einkommensteuer- und Bilanzsteuerrecht, 2. Aufl. 1995, 466; Tipke, Die
Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl., Köln 2003, 769; Eisendick, Das
Aufteilungs- und Abzugsverbot, Diss., Bochum 1993, Frankfurt a.M. u.a. 1995;
Scheich, Das Abzugsgebot und -verbot gemischter Aufwendungen, München 1996;
Ehlers, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1973, 269; Tipke, StuW 1979, 193,
203 ff.; Söhn, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft - DStJG - 3, 1980,
13, 51 ff.; Ruppe, DStJG 3, 1980, 103, 139 ff.; Gorski, Deutsche
Steuer-Zeitung 1981, 111, 113; Wassermeyer, StuW 1981, 245; Kottke, DStR
1992, 129; Kruse, Festschrift für Klaus Offerhaus, Köln 1999, 491, 496;
Wissenschaftlicher Beirat der Ernst & Young AG, BB 2004, 1024, 1028 ff.;
Strahl, Kölner Steuerdialog - KÖSDI - 2004, 14019; Offerhaus, DStR 2005,
446; Weber, StuW 2009, 184, 194).
90
Der bisherigen Rechtsprechung
zum Aufteilungs- und Abzugsverbot folgen hingegen Görlich, Der Betrieb 1979,
711, 713; D'Avis in Dankmeyer/Giloy, Einkommensteuer, § 12 Rz 26; Völlmeke,
DStR 1995, 745; Crezelius, Steuerrecht II, Die einzelnen Steuerarten,
2. Aufl., § 9 Rz 4; von Sicherer, Einkommensteuer, 1998, 72; Seiler in
Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 12 Rz 3.
91
III. Auffassung des Großen
Senats
92
Der Große Senat folgt im
Grundsatz der Auffassung des vorlegenden Senats. Aufwendungen für die Hin-
und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten
Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder
Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private
Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile
der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile
feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Das
unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es
jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab
heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen.
93
1. a) Bei der Ermittlung der
Einkünfte sind Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder
Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen, wenn sie durch die
Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist dann
gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv
zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des
Einkommensteuergesetzes stehen (vgl. Beschluss des Großen Senats in BFHE
161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2., m.w.N.). Prägend für das
Einkommensteuergesetz ist die Unterscheidung zwischen der durch die
einzelnen Einkunftsarten definierten Erwerbssphäre und der Sphäre der
Einkommensverwendung. Demgemäß bedarf es der Trennung zwischen den den
jeweiligen Einkünften zuzuordnenden Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben,
Werbungskosten) einerseits und den - grundsätzlich nicht abziehbaren -
Kosten der Lebensführung andererseits. Nach dem Regelungsziel des
Einkommensteuergesetzes sind Aufwendungen dann als durch eine Einkunftsart
veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich
anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich dafür, ob
ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die - wertende - Beurteilung
des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen
Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergibt
diese Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße
auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden
Umständen beruhen, so sind sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten
grundsätzlich abzuziehen (Beschluss des Großen Senats in BFHE 161, 290,
BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2. b aa und bb). Beruhen die Aufwendungen
hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen, so
sind sie nicht abziehbar.
94
b) Die gesetzlichen
Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten sind Ausdruck des
objektiven Nettoprinzips, nach dem der Steuergesetzgeber die für die
Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht u.a. maßgebliche objektive
finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst. Danach unterliegt der
Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus
den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/ beruflichen)
Erwerbsaufwendungen andererseits. Das objektive Nettoprinzip hat
verfassungsrechtliche Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den
Anforderungen an die hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren
Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen (st. Rspr., vgl.
zuletzt Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9. Dezember 2008
2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, unter
C. I. 3.). Daneben ist das objektive Nettoprinzip bei der Rechtsanwendung
als Auslegungsrichtschnur heranzuziehen (vgl. z.B. Beschlüsse des Großen
Senats vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281,
unter C. III. 1.; vom 23. August 1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl II
1999, 778, unter C. II. 2. b; BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 98/04,
BFHE 221, 129, BStBl II 2008, 749).
95
2. Ob und inwieweit
Aufwendungen für eine Reise in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer
Einkunftsart stehen, hängt von den Gründen ab, aus denen der
Steuerpflichtige die Reise oder verschiedene Teile einer Reise unternimmt.
Die Gründe bilden das "auslösende Moment", das den Steuerpflichtigen bewogen
hat, die Reisekosten zu tragen.
96
a) Die Gründe des
Steuerpflichtigen für eine bestimmte Reise sind anhand der gesamten Umstände
des jeweiligen Einzelfalles zu ermitteln; das ist grundsätzlich Aufgabe der
Finanzgerichte als Tatsacheninstanz (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Lassen sich
keine Gründe feststellen, die eine berufliche Veranlassung der Reise
belegen, gehen entsprechende Zweifel zu Lasten des Steuerpflichtigen.
97
b) Seit der Entscheidung in
PrOVGE 10, 86 ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine unbedeutende
private Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder
Werbungskosten nicht entgegensteht und dass umgekehrt eine unbedeutende
berufliche Mitveranlassung von Aufwendungen für die Lebensführung keinen
Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug eröffnet.
98
c) Enthält eine Reise
abgrenzbare berufliche und private Veranlassungsbeiträge, die jeweils nicht
von völlig untergeordneter Bedeutung sind (z.B. einer beruflich veranlassten
Reise wird ein Urlaub hinzugefügt), so erfordert es das Nettoprinzip, den
beruflich veranlassten Teil der Reisekosten zum Abzug zuzulassen. Der Umfang
des beruflichen Kostenanteils ist notfalls zu schätzen (vgl. im Grundsatz
bereits Entscheidung in PrOVGE 10, 86).
99
d) Reisekosten, die sowohl
den beruflichen als auch den privaten Reiseteil betreffen (z.B. Kosten der
Hin- und Rückreise zu einem Auslandsaufenthalt, der berufliche und private
Teile umfasst), sind zur Umsetzung des Nettoprinzips ebenfalls aufzuteilen.
Insoweit gelten die Grundsätze sinngemäß, die die Rechtsprechung bereits zum
Abzug fixer PKW-Kosten und der Telefongrundgebühr entwickelt hat
(BFH-Urteile in BFHE 58, 120, BStBl III 1953, 337; in BFHE 132, 63, BStBl II
1981, 131).
100
3. Die Vorschrift des § 12
Nr. 1 Satz 2 EStG steht einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber
anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht
entgegen. Der Große Senat ist nach erneuter Überprüfung der Auffassung, dass
§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot
normiert.
101
a) Für einen engen
Anwendungsbereich spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Gemäß § 12
Nr. 1 Satz 1 EStG dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für
den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei der
Einkommensermittlung nicht abgezogen werden. Dazu gehören nach § 12 Nr. 1
Satz 2 EStG auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die
wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit
sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des
Steuerpflichtigen erfolgen.
102
Die Anknüpfung "dazu gehören"
stellt einen Zusammenhang her zwischen den in Satz 2 der Vorschrift
genannten Lebensführungsaufwendungen und den Aufwendungen im Sinne des
Satzes 1 der Vorschrift (Aufwendungen für Haushalt und Unterhalt der
Familie). Zudem gilt Satz 2 der Vorschrift nach seinem Wortlaut keineswegs
für alle, sondern nur für solche Lebensführungsaufwendungen, die die
wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit
sich bringt (vgl. Enno Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, München/
Berlin 1940, § 11 S. 15: "Was ist man seiner Stellung schuldig?"). Derartige
ihrer Natur nach private Aufwendungen werden nicht dadurch zu abziehbaren
Betriebsausgaben oder Werbungskosten, dass sie zur Förderung des Berufs
dienen. Weiter reicht der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 12 Nr. 1
Satz 2 EStG nach ihrem Wortlaut nicht.
103
b) Das aus dem Wortlaut zu
entnehmende Auslegungsergebnis wird durch den aus der Entstehungsgeschichte
abzuleitenden Gesetzeszweck bestätigt. Die Gesetzesbegründung lautet (RStBl
1935, 33, 41):
104
"§ 12 gilt für sämtliche
Einkunftsarten. In Ziffer 1 sind – entsprechend der Rechtsprechung des
Reichsfinanzhofs – als nicht abzugsfähig auch aufgeführt die Aufwendungen
für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche
Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung
des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Damit ist
klargestellt, dass die sogenannten Repräsentationsaufwendungen nur dann zu
den Betriebsausgaben oder zu den Werbungskosten gerechnet werden können,
wenn sie ausschließlich zur ... beruflichen ... Tätigkeit gehören und nichts
mit dem Privatleben zu tun haben. Wenn bei Repräsentationsaufwendungen
private und berufliche Gründe zusammenwirken und eine Trennung nicht
erfolgen kann, sind die Ausgaben nicht abzugsfähig."
105
Wie daraus hervorgeht,
bezweckt die Vorschrift, die Rechtsprechung des RFH zu den so genannten
Repräsentationsaufwendungen umzusetzen. Der RFH hatte für
Repräsentationsaufwendungen wegen der Schwierigkeiten der Abgrenzung
zwischen Lebenshaltungskosten und Werbungskosten zwar der Nichtabziehbarkeit
von Lebenshaltungskosten den Vorrang eingeräumt (Urteile in RFHE 27, 82; in
StuW 1931 Bd. II, Sp. 1305; in RStBl 1931, 108; 1932, 727; 1933, 811). Er
hatte indes einen beruflich veranlassten Mehraufwand zum Abzug zugelassen
(Urteile in StuW 1928 Bd. II, Sp. 312; in RStBl 1930, 265; 1931, 6; 1931,
905; 1931, 921; 1932, 727). Der berufliche Kostenanteil war notfalls durch
Schätzung zu ermitteln (Urteile in StuW 1928 Bd. II, Sp. 312; in RStBl 1931,
6; 1931, 905). Ferner verdeutlicht die Gesetzesbegründung, dass ein
Abzugsverbot nur dann bestehen soll, wenn private und berufliche Gründe so
zusammenwirken, dass eine Trennung nicht möglich ist. Ein allgemeines
Aufteilungsverbot lässt sich daraus gerade nicht herleiten.
106
c) Dieses Auslegungsergebnis
steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung, die bereits in
zahlreichen (als Ausnahmen bezeichneten) Fällen eine Aufteilung gemischter
Aufwendungen für geboten erachtet hat und derentwegen im Schrifttum zu Recht
von einer "Perforation des Aufteilungsverbots" gesprochen wird (Kruse,
Festschrift für Klaus Offerhaus, Köln 1999, 491, 496). Zu Unrecht macht das
BMF in seiner Stellungnahme geltend, diese differenzierende Behandlung sei
auf die Eigenart der betreffenden Lebenssachverhalte zurückzuführen. So sind
z.B. für fixe PKW-Kosten, Telefongrundgebühren, Versicherungsbeiträge und
Betriebskosten einer Waschmaschine keine besonderen Eigenarten erkennbar,
die im Vergleich zu anderen gemischten Aufwendungen eine Aufteilung
einfacher oder nach dem Maßstab des Nettoprinzips sachgerechter erscheinen
ließen. Vielmehr tragen die zahlreichen Ausnahmen in der Rechtsprechung zur
Rechtsunsicherheit bei und lassen die Auswahl der Fallgruppen, für die die
Rechtsprechung am Aufteilungs- und Abzugsverbot festgehalten hat, eher
willkürlich erscheinen.
107
d) Allerdings hat der Große
Senat seinerzeit in seinem Beschluss in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17
ausgeführt, das von ihm in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verortete
Aufteilungsverbot diene in erster Linie der steuerlichen Gerechtigkeit. Es
solle verhindern, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger
zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und
privaten Erwägungen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil
in einen einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern könnten, weil sie
einen entsprechenden Beruf hätten, während andere Steuerpflichtige
gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssten. Dazu
hat das BMF in diesem Verfahren ergänzend ausgeführt, die
Gerechtigkeitserwägungen, die der bisherigen Rechtsprechung des Großen
Senats zugrunde gelegen hätten, seien gerade für Reisekosten von hoher
Bedeutung, weil sich die Möglichkeit, an Reisen mit beruflichen
Berührungspunkten teilzunehmen, für einzelne Berufsgruppen ganz
unterschiedlich darstelle.
108
Der Große Senat hält nach
erneuter Überprüfung an seiner früheren Argumentation nicht mehr fest. Ein
aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG folgendes Aufteilungsverbot lässt sich nicht aus
dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit ableiten.
109
Der Begriff der
Steuergerechtigkeit (als Rechtsbegriff) bedeutet, dass im Interesse
verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf
abgezielt werden muss, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch
gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in
vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der
Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen gestaltet werden muss (vgl.
BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210; BFH-Urteil vom 26. November 2008
X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710; vgl. BVerfG-Beschluss vom
29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990,
653, unter C. III. 3. c).
110
Dem vom Großen Senat in BFHE
100, 309, BStBl II 1971, 17 formulierten Argument, es müsse verhindert
werden, dass Steuerpflichtige Aufwendungen für ihre Lebensführung zum Teil
in den einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern könnten, liegt
offenbar der Gedanke zugrunde, es drohe eine ungleiche Belastung
(Besserstellung) im Vergleich zu denjenigen Steuerpflichtigen, denen ihr
Beruf keine solchen Möglichkeiten biete. Diese Argumentation übersieht
jedoch, dass diese Gefahr dann nicht besteht, wenn aufteilbare Aufwendungen
tatsächlich aufgeteilt und nur die beruflich veranlassten Kostenanteile
abgezogen werden. Der Steuerpflichtige, dem derartige Aufwendungen
entstanden sind, wird auf diese Weise zutreffend nach seiner
Leistungsfähigkeit besteuert. Der Steuerpflichtige hingegen, dem keine
solchen beruflichen Kostenanteile entstanden sind, ist durch den in seinem
Fall nicht erforderlichen Abzug nicht benachteiligt. Im Übrigen kann
Steuerpflichtigen der Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht
mit der Begründung versagt werden, ihr Beruf erfordere Aufwendungen, die für
andere Steuerpflichtige Privataufwendungen sind. So ist z.B. ein
Hobby-Skiläufer nicht dadurch benachteiligt, dass für den Berufs-Skilehrer
die neu angeschafften Skier Arbeitsmittel i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG
sind. Und so ist auch ein IT-Fachmann, der - wie im Ausgangsverfahren vom FG
festgestellt - aus beruflichen Gründen eine Messe der IT-Industrie in den
USA besucht, gegenüber einem Touristen nicht sachwidrig privilegiert,
sondern wird vielmehr entsprechend seiner Leistungsfähigkeit besteuert, wenn
er nur die Kosten des beruflichen Anteils der Reise, nicht aber auch die des
privaten Reiseanteils bei seiner Einkünfteermittlung abziehen kann.
111
Das Gebot der
Steuergerechtigkeit (Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit) vermag also ein generelles Aufteilungs- und
Abzugsverbot, das auch einen zweifelsfrei nachgewiesenen beruflichen
Kostenanteil nicht zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten
zulässt, nicht zu rechtfertigen; vielmehr gebietet das
Leistungsfähigkeitsprinzip die Berücksichtigung des beruflichen Anteils
durch Aufteilung, notfalls durch Schätzung.
112
Durch eine Aufteilung wird
auch vermieden, dass Aufwendungen insgesamt als beruflich veranlasst
anerkannt werden, obwohl sich eine private Mitveranlassung aufdrängt. So hat
der BFH in manchen Fällen Aufwendungen für Fernreisen insgesamt als
beruflich beurteilt, obwohl bei diesen Reisen eine touristische Komponente
nahe lag, der besser durch Aufteilung - ggf. im Wege der Schätzung - hätte
Rechnung getragen werden können (vgl. insbesondere Urteile in BFHE 127, 533,
BStBl II 1979, 513 – Südafrikareise eines Facharztes; in BFHE 148, 262,
BStBl II 1987, 208 – Reise einer Kunstmalerin zu den Seychellen; in
BFH/NV 2008, 1837 - Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in Meran
mit ganztägigen Exkursionen zum Monte Baldo und zur Seiser Alpe).
113
e) Des Weiteren hat der Große
Senat in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 das Aufteilungsverbot damit
gerechtfertigt, die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG wolle im Interesse
der steuerlichen Gerechtigkeit verhindern, dass Aufwendungen für die
Lebensführung als vom Steuerpflichtigen durch den Betrieb veranlasst
dargestellt würden, ohne dass für das FA die Möglichkeit bestehe, diese
Angaben nachzuprüfen und die tatsächliche berufliche oder private
Veranlassung festzustellen. Das BMF hat in seiner Stellungnahme dazu
ergänzend ausgeführt, die Abgrenzung von beruflichen und privaten
Berührungspunkten bei Reisen, insbesondere bei Auslandsreisen, sei häufig
schwierig und hänge vom Geschick der Darstellung durch den Steuerpflichtigen
ab.
114
Auch insoweit hält der Große
Senat nach erneuter Überprüfung an seiner früheren Argumentation nicht mehr
fest. Bestehen nach Ausschöpfung der im Einzelfall angezeigten
Ermittlungsmaßnahmen des FA (oder im Gerichtsverfahren des FG) und der
gebotenen Mitwirkung des Steuerpflichtigen weiterhin gewichtige Zweifel,
dass den als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemachten
Aufwendungen eine berufliche Veranlassung zugrunde liegt, so kommt für die
strittigen Aufwendungen schon aus diesem Grund ein Abzug insgesamt nicht in
Betracht.
115
Bestehen hingegen keine
Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich
veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist
dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen
(§ 162 der Abgabenordnung, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
116
f) Auch der Grundsatz der
Praktikabilität (der gleichmäßigen Durchführbarkeit; dazu Tipke, Die
Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl., 2000, 359) der Steuergesetze erfordert
es nicht, die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG weiterhin im Sinne eines
allgemeinen Aufteilungs- und Abzugsverbots zu verstehen.
117
Allerdings vertritt das BMF
in seiner Stellungnahme die Auffassung, der Abzug von Reiseaufwendungen
setze voraus, dass sie nach objektiven und einfach nachprüfbaren Kriterien
unmittelbar dem beruflichen/betrieblichen Bereich zugeordnet werden könnten.
Das sei bei einer nicht unerheblichen privaten Mitveranlassung nicht der
Fall. Die beruflichen/betrieblichen Zeitanteile des Aufenthalts seien wegen
der eingeschränkten Verifikationsmöglichkeiten als Aufteilungsmaßstab
unbrauchbar.
118
Dieser Argumentation vermag
sich der Große Senat nicht anzuschließen. Schon nach der bisherigen - vom
allgemeinen Aufteilungs- und Abzugsverbot geprägten - Rechtsprechung musste
die Frage, ob ein Steuerpflichtiger eine Auslandsreise aus betrieblichen
(beruflichen) oder privaten Gründen unternommen hat, anhand objektiver
Merkmale beurteilt werden; die tatsächlichen Feststellungen dieser Merkmale
und ihre Gewichtung (Würdigung) für die einzelne Reise waren auch bisher im
Einzelfall Aufgabe der Finanzämter und der Finanzgerichte als der
steuergerichtlichen Tatsacheninstanz (Beschluss des Großen Senats in BFHE
126, 533, BStBl II 1979, 213, unter C. II.). Schon bisher galt das
allgemeine Aufteilungs- und Abzugsverbot dann nicht, wenn die private
Mitveranlassung von ganz untergeordneter Bedeutung war oder wenn eine
Aufteilung der Aufwendungen nach objektiven und leicht nachprüfbaren
Maßstäben möglich erschien (Beschluss des Großen Senats in BFHE 100, 309,
BStBl II 1971, 17, unter C. II. 6.). So hatte der Große Senat speziell für
Reiseaufwendungen entschieden, die Abgrenzung und Entscheidung, ob (private)
Lebenshaltungskosten oder betriebs(berufs-)bedingte Aufwendungen vorliegen,
könne bei Auslandsgruppenreisen zu Informationszwecken nur auf Grund einer
Würdigung aller Umstände des einzelnen Falles getroffen werden; es sei
deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang private
Gründe die Reise (mit-)veranlasst hätten (Beschluss in BFHE 126, 533, BStBl
II 1979, 213, unter C. II. 2). Dabei konnten bisher auch im Falle einer
insgesamt als privat gewürdigten Reise einzelne Aufwendungen, die
ausschließlich betrieblich (beruflich) veranlasst waren, zum Abzug als
Betriebsausgaben zugelassen werden. Insoweit war schon in der bisherigen
Rechtsprechung eine Aufteilung der Reise nach Zeitanteilen angelegt. Der
Große Senat hatte nämlich in seinem Beschluss in BFHE 126, 533, BStBl II
1979, 213 (unter C. IV. 2. b) ausgeführt, die Abgrenzbarkeit beruflich
veranlasster Reiseaufwendungen sei auch anzuerkennen, wenn ein
Steuerpflichtiger während einer Auslandsgruppenreise in Abweichung von dem
Gruppenreiseprogramm an einem Tag z.B. einen Geschäftsfreund aufsuche oder
eine ausschließlich betrieblich (beruflich) veranlasste Besichtigung in Form
eines Abstechers vom Programm durchführe.
119
Danach kommen auf der
Grundlage der vom Großen Senat nunmehr weiterentwickelten Rechtsauffassung,
nach der § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und
Abzugsverbot zu entnehmen ist, die beruflichen und privaten Zeitanteile
einer Reise als nahe liegender und sachgerechter Aufteilungsmaßstab in
Betracht. Ihre Verifikation ist nicht schwieriger als die umfassende
Würdigung der einzelnen Merkmale, die aufgrund der bisherigen Rechtsprechung
des BFH der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten abverlangt worden war.
Dies gilt umso mehr, als die Aufteilung auch im Wege der Schätzung geschehen
kann und im Übrigen ein Abzug der strittigen Aufwendungen als
Betriebsausgaben oder Werbungskosten ohnehin ausscheidet, wenn die
berufliche Veranlassung nicht durch zureichende Gründe belegt ist.
120
g) Der Große Senat ist an
einer Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zum Aufteilungs- und
Abzugsverbot weder unter dem Aspekt des Gewohnheitsrechts noch im Hinblick
auf das Gebot zur Wahrung der Rechtsprechungskontinuität gehindert (vgl.
dazu Beschluss des Großen Senats vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220,
129, BStBl II 2008, 608, m.w.N.). Die frühere Auslegung des § 12 Nr. 1
Satz 2 EStG konnte sich nicht gewohnheitsrechtlich verfestigen, weil, wie
dargelegt, von Anfang an und auf Dauer zahlreiche und gewichtige Stimmen im
Schrifttum die Existenz eines gesetzlichen Aufteilungs- und Abzugsverbots
bestritten hatten. Auch unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und
des Vertrauensschutzes ist das Festhalten an der über Jahrzehnte
praktizierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geboten. Diese
Rechtsprechung hat keinen Vertrauenstatbestand begründet, der zu
Dispositionen hätte Anlass geben können.
121
4. Danach sind Aufwendungen
für Reisen, die abgrenzbare berufliche und private Anteile enthalten,
grundsätzlich aufzuteilen, sofern die berufliche oder private Veranlassung
nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist.
122
a) Damit unterscheiden sich
Reisekosten von den grundsätzlich nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren
unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung, die nach Maßgabe des
subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des
steuerlichen Existenzminimums (§ 32a Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 6 EStG; dazu
Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz 81 ff., m.w.N.) pauschal
abgegolten oder als Sonderausgaben (insbesondere gemäß § 10 EStG) oder
außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 ff. EStG) abziehbar sind. Zwar ließen
sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine
Brille oder für eine Armbanduhr bei feststehender Arbeitszeit durchaus
entsprechend aufteilen (Ruppe, DStJG 3, 1980, 103, 143 f.). Derartige
Aufwendungen sind aber, wenn sie nach den Vorschriften über das steuerliche
Existenzminimum, als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen zu
berücksichtigen sind, grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und
des § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden (vgl.
Ruppe, a.a.O., S. 143 f.). Inwieweit gleichwohl ein etwa gegebener
beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, bleibt danach in erster
Linie der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen (vgl. z.B. § 4 Abs. 5
Nr. 5 EStG; § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG: "typische Berufskleidung").
123
Dem entspricht im Ergebnis
die bisherige Rechtsprechung, die derartige Aufwendungen als nicht abziehbar
beurteilt hat (OFH-Urteil in RFHE 54, 270 – Verschleiß von Schuhsohlen und
bürgerlicher Kleidung; BFH-Urteil in BFHE 58, 689, BStBl III 1954, 174;
BFH-Beschluss vom 22. April 2003 VI B 275/00, BFH/NV 2003, 1052 – jeweils
zur Anschaffung eines Hörgeräts; BFH-Urteile in BFHE 158, 221, BStBl II
1990, 49; in BFHE 164, 419, BStBl II 1991, 751; vom 20. März 1992
VI R 55/89, BFHE 168, 83, BStBl II 1993, 192; vom 27. Mai 1994 VI R 67/92,
BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17 – jeweils zu bürgerlicher Kleidung; vom
23. Oktober 1992 VI R 31/92, BFHE 169, 350, BStBl II 1993, 193; vom 20. Juli
2005 VI R 50/03, BFH/NV 2005, 2185 – jeweils zu den Kosten einer Brille).
Aus den gleichen Gründen sind z.B. auch Aufwendungen zur Förderung der
Gesundheit grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten
abziehbar (st. Rspr., vgl. bereits Entscheidung des PrOVG vom 13. März 1894
Rep. V.C.1395/93, PrOVGE 2, 453).
124
b) Der Große Senat geht nach
wie vor von dem seit der Entscheidung in PrOVGE 10, 86 geltenden und seither
die Rechtsprechung prägenden Grundsatz aus, dass eine unbedeutende private
Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder
Werbungskosten nicht entgegensteht und dass umgekehrt eine unbedeutende
berufliche Mitveranlassung von Aufwendungen für die Lebensführung keinen
Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug eröffnet.
125
c) Greifen die - für sich
gesehen jeweils nicht unbedeutenden - beruflichen und privaten
Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation
für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt
es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so kommt ein
Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht (vgl. Söhn, Festschrift
für Klaus Offerhaus, Köln 1999, 477, 485; Scheich, Das Abzugsgebot und
-verbot gemischter Aufwendungen, München 1996, S. 39, 50).
126
d) An der Grenzlinie zwischen
Berufs- und Privatsphäre besteht ein Anreiz für die Steuerpflichtigen,
Privataufwendungen als beruflich veranlasst darzustellen, um so den Abzug
dieser Aufwendungen zu erreichen. Dem haben die Finanzverwaltung und die
Finanzgerichte bei der Sachverhaltsaufklärung und bei der Rechtsanwendung
besonders Rechnung zu tragen. So dürfen sich die Finanzgerichte in der Regel
nicht allein auf die Darstellung des Steuerpflichtigen stützen, wenn es an
entsprechenden Nachweisen für dessen Sachvortrag fehlt. Vielmehr hat der
Steuerpflichtige die berufliche Veranlassung der Aufwendungen im Einzelnen
umfassend darzulegen und nachzuweisen (BFH-Urteile vom 27. September 1991
VI R 1/90, BFHE 166, 61, BStBl II 1992, 195; vom 21. Juni 1994 VI R 16/94,
BFH/NV 1995, 216; Völlmeke, DStR 1995, 745, 750). Diese Anforderungen, die
nach der bisherigen Rechtsprechung nur die Frage betrafen, ob der Abzug der
Aufwendungen insgesamt in Betracht kam, gelten nunmehr nach der geänderten
Auslegung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch für die Frage, ob ein Teil der
Aufwendungen als beruflich veranlasst anerkannt werden kann.
127
e) In Abkehr von der
bisherigen Rechtsprechung (Beschluss des Großen Senats in BFHE 126, 533,
BStBl II 1979, 213, unter C. II. 2. a) sind Reisen nicht mehr in jedem Falle
insgesamt als Einheit zu beurteilen. Vielmehr können unterschiedliche
Reiseabschnitte unterschiedlich beruflich oder privat veranlasst und die
Aufwendungen hierfür entsprechend aufzuteilen sein.
128
Als sachgerechter
Aufteilungsmaßstab kommt in derartigen Fällen das Verhältnis der beruflichen
und privaten Zeitanteile der Reise in Betracht. Das unterschiedliche Gewicht
der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall
erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder von einer
Aufteilung ganz abzusehen.
129
Nimmt der Steuerpflichtige
zum Beispiel aufgrund einer Weisung seines Arbeitgebers einen beruflichen
Termin wahr, so können die Kosten der Hin- und Rückreise auch dann in vollem
Umfang beruflich veranlasst sein, wenn der Steuerpflichtige den beruflichen
Pflichttermin mit einem vorangehenden oder nachfolgenden Privataufenthalt
verbindet (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 82, 88, BStBl III 1965, 279; zum
umgekehrten Fall einer insgesamt privaten Veranlassung vgl. BFH-Urteil in
BFHE 90, 47, BStBl III 1967, 773). Dabei kommt es nicht notwendig darauf an,
ob der private Teil der Reise kürzer oder länger ist als der berufliche Teil
(a.A. insoweit BFH-Urteil in BFHE 83, 401, BStBl III 1965, 644).
130
An den im Beschluss in BFHE
126, 533, BStBl II 1979, 213 (unter C. II. 1. der Gründe) für
Auslandsgruppenreisen entwickelten Abgrenzungsmerkmalen hält der Große Senat
grundsätzlich fest. Vor dem Hintergrund des Beschlusses des BVerfG vom
7. November 1995 2 BvR 802/90 (BStBl II 1996, 34 - Oderkonto) vermögen
die Indizien indes keine Gesamtwürdigung im Einzelfall zu ersetzen, sie
dürfen nicht schematisch geprüft und wie rechtliche Tatbestandsmerkmale
verselbständigt werden. Auch stehen sie einer Aufteilung der Kosten nach den
beruflichen und privaten Zeitanteilen der Reise nicht entgegen.
131
IV. Entscheidung des Großen
Senats über die vorgelegte Rechtsfrage
132
Der Große Senat beantwortet
die ihm vorgelegte Rechtsfrage wie folgt:
133
1. Aufwendungen für die Hin-
und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten
Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder
Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private
Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile
der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile
feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.
134
2. Das unterschiedliche
Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall
erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von
einer Aufteilung abzusehen.
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