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BFH-Urteil vom 23.7.2009 (V R 20/08) BStBl. 2010 II S. 719
1.
Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG für gemeinnützige
Körperschaften ist nur zu gewähren, wenn die Vereinssatzung die formellen
Anforderungen an die sog. Vermögensbindung nach § 61 AO erfüllt.
2.
Hierzu ist erforderlich, dass die Vereinssatzung eine Regelung sowohl
hinsichtlich der Auflösung und der Aufhebung als auch bei Zweckänderung
enthält.
UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 8; AO § 61.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
23. November 2006 16 K 9/06
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein. Vereinszweck ist die
Reinzucht einer bestimmten Hunderasse. Er fördert alle Bestrebungen, die der
Erfüllung dieses Zwecks dienen wie die Erhaltung und Festigung des
Rassehundes, seines Wesens, seiner Konstitution und seines formvollendeten
Erscheinungsbildes.
§ 63 der im Streitjahr 1997
geltenden Vereinssatzung enthielt keine Regelung für den Fall der Aufhebung
und Zweckänderung des Vereins, sondern lautete:
"Auflösung:
1. Wird die Auflösung des
Vereins beschlossen, so hat der Vorstand die laufenden Geschäfte zu
beendigen.
2. Die Mitgliederversammlung
beschließt zugleich mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verwendung des
Vereinsvermögens. Dieses muss entweder einem als gemeinnützig anerkannten
Tierschutzverein oder einer anderen als gemeinnützig anerkannten
kynologischen Organisation –die Zustimmung des zuständigen Finanzamtes
vorausgesetzt- zufließen."
Nachdem der Kläger seine
Umsätze mit dem begünstigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) erklärt hatte, besteuerte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Umsätze nach dem
Regelsteuersatz. Zur Begründung führte das FA aus, die Vereinssatzung genüge
nicht den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen, weil entgegen § 61 der
Abgabenordnung (AO) die Vermögensbindung zwar für den Fall der Auflösung,
nicht aber für den Fall der Änderung oder bei Wegfall des Vereinszwecks
bestimmt sei.
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage ab. Der begünstigte Steuersatz sei nicht anwendbar, weil nach den
Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 55, 61 AO) "in der Satzung"
geregelt sein müsse, dass bei Auflösung, Aufhebung und Zweckänderung des
Vereins das Vermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werde. Daran
fehle es, weil § 63 der Satzung keine Regelung für den Fall der
Zweckänderung enthalte. Auf der Grundlage der Satzung könne nicht geprüft
werden, was in diesem Falle mit dem Vereinsvermögen geschehen solle. Da § 61
AO eindeutig sei und gerade die Beachtung der Form verlange, liege hierin
auch keine unverhältnismäßige Überspannung der Anforderungen.
Hiergegen wendet sich der
Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Begründung des FG sei
widersprüchlich, weil es einerseits die Regelungen in der Vereinssatzung der
Vermögensbindung nach § 61 AO (Auflösung, Aufhebung oder Zweckänderung) als
"absolut eindeutige" formelle Voraussetzungen bezeichne, selbst aber nur das
Fehlen der Satzungsregelung zur Zweckänderung (und nicht bei Aufhebung)
beanstande. Auch in der Mustersatzung der Finanzverwaltung (Anwendungserlass
zur Abgabenordnung vom 31. August 1987 - AEAO -, Anlage 1 zu § 60 AO, BStBl
I 1987, 664, 678) seien zwar Auflösung und Zweckänderung, nicht dagegen die
Aufhebung genannt. Im AEAO zu § 61 AO sei zudem bestimmt, dass die
Vermögensbindung "vor allem" bei der Auflösung des Vereins aus der Satzung
hervorgehen müsse. Dies lasse darauf schließen, dass der Bundesminister der
Finanzen - BMF -) Ausnahmen zulasse. Die Notwendigkeit einer
Satzungsregelung zu den beiden anderen Änderungsgründen (Aufhebung und
Zweckänderung) werde auch in den AO-Kommentaren nicht erwähnt. Die
Nichtnennung der beiden Alternativen sei ausnahmsweise dann unschädlich,
wenn dies bei dem konkreten Verein "keiner praktischen Bedeutung" zukomme.
Während das Niedersächsische FG (Urteile vom 31. Oktober 1991 VI 283/87 und
vom 20. Oktober 1992 VI 247/88, beide veröffentlicht in JURIS) die
gesetzliche Vorgabe als eindeutig und nicht interpretationsfähig angesehen
habe, habe das FG Hamburg (Urteil vom 12. November 2002 VII 122/01,
Deutsches Steuerrecht Eildienst 2003, 634) entschieden, dass nur "die bei
der Aufstellung der Satzung nahe liegenden Fälle" geregelt sein müssten.
Nach dieser Entscheidung sei eine Zweckänderung bei einem nach der Satzung
bestehenden Mehrheitserfordernis von 2/3 fernliegend. Umso mehr gelte dies
für den Kläger, nach dessen Satzung (§ 25) die Zustimmung aller Mitglieder
für eine Änderung des Vereinszwecks erforderlich sei. Bei Aufstellung der
Satzung sei daher die Alternative "Wegfall ihres bisherigen Zwecks" als
fernliegend nicht in Betracht gezogen worden und das Fehlen einer
entsprechenden Regelung führe ausnahmsweise nicht zur Aberkennung der
Gemeinnützigkeit.
Der Kläger beantragt, unter
Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom
16. Dezember 2004 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember
2005 dahingehend zu ändern, dass die erklärten steuerpflichtigen Umsätze mit
dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden.
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Eine Zweckänderung des
klagenden Vereins sei im Unterschied zu dem vom FG Hamburg entschiedenen
Fall, in dem der weit gefasste Vereinszweck in der zeitlich unbegrenzten
"Förderung der systematischen und vergleichbaren Musikwissenschaft" bestand,
durchaus möglich. Hierauf hat der Kläger erwidert, der Wegfall der Förderung
einer bestimmten Hunderasse als Vereinszweck sei "noch weitaus
unwahrscheinlicher".
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet; sie war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
zu Recht die Umsätze des Klägers nicht als steuerbegünstigt nach § 12 Abs. 2
Nr. 8 UStG angesehen, weil die Regelungen der Vereinssatzung über die
Vermögensbindung nicht den Anforderungen des § 61 AO genügen.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG unterliegen
die Leistungen der gemeinnützigen Körperschaften (§ 51 bis § 68 AO) - hier
wegen Förderung der Tierzucht (§ 52 Abs. 2 Nr. 23 AO) - dem ermäßigten
Steuersatz. Nach § 59 AO wird der ermäßigte Steuersatz u.a. gewährt, wenn
sich "aus der Satzung" der Körperschaft ergibt, welchen Zweck sie verfolgt
und dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht. In
Ausfüllung dieser Anforderungen an die sog. formelle Satzungsmäßigkeit
bestimmt § 61 Abs. 1 AO, dass eine Vermögensbindung i.S. des § 55 Abs. 1
Nr. 4 AO nur vorliegt, "wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung
oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks
verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund
der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt
ist".
Eine Ausnahme für die satzungsmäßige
Vermögensbindung galt nach dem im Streitjahr geltenden § 62 AO nur für
Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts,
staatlich beaufsichtigte Stiftungen, für durch Körperschaften des
öffentlichen Rechts verwaltete unselbständige Stiftungen und für geistliche
Genossenschaften, zu denen der Kläger nicht gehört.
2. Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) hat die gesetzlich vorgeschriebene Festlegung der
künftigen Vermögensverwendung die Funktion eines Buchnachweises (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 10. November 1998 I R 95/97, BFH/NV 1999, 739; vom
26. Februar 1992 I R 47/89, BFH/NV 1992, 695; vom 5. August 1992 X R 165/88,
BFHE 169, 3, BStBl II 1992, 1048; vom 19. April 1989 I R 3/88, BFHE 156,
381, BStBl II 1989, 595; vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330,
BStBl II 1979, 482). Fehlerhafte Satzungsbestimmungen können daher weder
durch außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen noch durch Regelungen
in anderen Satzungen ergänzt werden. Ohne Bedeutung ist auch eine den
steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung des
Vereins (BFH-Urteil vom 21. Juli 1999 I R 2/98, BFH/NV 2000, 297), denn die
Berücksichtigung außerhalb der Satzung liegender Begleitumstände oder des
nicht in der Satzung manifestierten Willens der Mitglieder würde dem Gebot
des Buchnachweises widersprechen (BFH-Beschluss vom 3. September 1999
I B 75/98, BFH/NV 2000, 301). Daher müssen Regelungen über die
Vermögensbindung sowohl bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder
bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks in der Satzung selbst getroffen werden
(ebenso Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 61 AO Rz 2).
3. Ausnahmen können entgegen der
Rechtsansicht des Klägers im Anschluss an das FG Hamburg (a.a.O.) auch nicht
für den Fall zugelassen werden, dass der Wegfall des bisherigen Zwecks "so
fern liegend ist, dass er gar nicht in den Gesichtskreis der
Gründungsmitglieder getreten ist" oder für den Fall, dass eine Änderung des
Vereinszwecks nur einstimmig oder mit 2/3 Mehrheit beschlossen werden kann.
Denn derartige Ausnahmeregelungen genügen nicht dem Erfordernis der Satzung
als Buchnachweis und sind wegen Unbestimmtheit mit dem Ziel einer einfachen
und vorhersehbaren Steuerrechtsanwendung nicht zu vereinbaren. Dies gilt
gerade im Streitfall, in dem nach § 63 der Vereinssatzung über die
Verwendung des Vereinsvermögens bereits mit einfacher Stimmenmehrheit, nach
§ 25 der Vereinssatzung Satzungsänderungen mit 2/3 der Stimmen, die
Auflösung mit 4/5 und eine Änderung des Vereinszwecks nur einstimmig
beschlossen werden kann.
4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht
daraus, dass der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 2009 in § 60 Abs. 1
Satz 2 AO (eingefügt durch Art. 10 Nr. 5 des Jahressteuergesetzes 2009 vom
19. Dezember 2008, BGBl I 2008, 2794) durch Bezug auf die Mustersatzung
bestimmt hat, dass die Satzung Festlegungen für die "Auflösung oder
Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke"
enthalten muss. Daraus folgt nicht, dass vor dem 1. Januar 2009 die
Regelungen des § 61 AO zur Vermögensbindung entgegen der Rechtsprechung des
BFH unverbindlich waren. Vielmehr sollte durch die Gesetzesänderung
(strenger als nach dem BFH-Urteil vom 14. Juli 2004 I R 94/02, BFHE 206,
350, BStBl II 2005, 721) klargestellt werden, dass die formelle
Satzungsbindung auch die Begriffe "ausschließlich und unmittelbar" enthalten
muss (von Wedelstädt, Der Betrieb 2009, 84, 85).
5. Der Kläger kann sich schließlich nicht
darauf berufen, dass die Mustersatzung des BMF (BStBl I 1987, 678) bei
Vereinen in § 5 des Mustertextes lediglich die Auflösung und die
Zweckänderung, nicht aber die Aufhebung nennt ("Bei Auflösung des Vereins
oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen des Vereins
..."). Denn der BFH ist bei der Gesetzesauslegung nicht an
Verwaltungsvorschriften gebunden (BFH-Urteil vom 31. Juli 2008 V R 21/06,
BFH/NV 2009, 95). Ob im Streitfall ein Erlass der Steuerschuld nach § 227 AO
geboten ist, weil der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit von
Verwaltungsanweisungen Dispositionen getroffen hat, war im vorliegenden
Verfahren nicht zu entscheiden. Hierbei wäre allerdings auch zu
berücksichtigen, dass der Kläger neben der fehlenden Regelung bei Aufhebung
des Vereins auch keine Regelung zur Zweckänderung getroffen hat, die in der
Mustersatzung ausdrücklich vorgesehen ist.
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