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BFH-Urteil vom 11.3.2010 (VI R 7/08) BStBl. 2010 II S. 763
Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse
1.
Bei einer einheitlich zu beurteilenden Sachzuwendung an Arbeitnehmer
scheidet eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen
Eigeninteresse aus.
2.
Die Übernahme von Kurkosten durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich als
Arbeitslohn zu werten.
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.
Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom
10. Juli 2007 5 K 369/02 (EFG 2008, 943)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob die vom
Arbeitgeber getragenen Kosten für eine Regenerierungskur eines Fluglotsen in
vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn sind.
2
Die Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr (2001) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Fluglotse Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Im Arbeitsvertrag war u.a. die Geltung des
Bundesangestelltentarifvertrags und der Sonderregelungen für die
Angestellten im Flugsicherungsdienst (SR 2 h BAT) vereinbart. Danach war der
Kläger verpflichtet, sich auf Verlangen seines Arbeitgebers in Abständen von
längstens fünf Jahren einer Regenerierungskur zu unterziehen.
3
Nachdem der Arbeitgeber
zuvor mehrere Kuren zur Auswahl angeboten hatte, nahm der Kläger im
Streitjahr nach Anmeldung durch den Arbeitgeber an einer vierwöchigen
Regenerierungskur für Fluglotsen teil. Der Arbeitgeber übernahm sämtliche
Kosten der Kur (5.040 DM). Zum Kurprogramm gehörten im Wesentlichen
Fitnesstraining und Massagen. An drei Tagen wurde der Kläger ärztlich
untersucht. Bei der letzten Untersuchung wurde die Arbeitsfähigkeit
bescheinigt.
4
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfasste im Einkommensteuerbescheid
für das Streitjahr die Übernahme der Kosten der Regenerierungskur durch den
Arbeitgeber als geldwerten Vorteil.
5
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage nach erfolglosem Vorverfahren insoweit statt, als es die Kosten
nur zur Hälfte dem Arbeitslohn des Klägers hinzurechnete. Zur Begründung
führte das FG in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 943
veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus, dass die Kostenübernahme nach
einer Gesamtwürdigung aller Umstände als gemischt veranlasst zu werten sei.
Da keine Kostenbestandteile leicht und eindeutig abgetrennt werden könnten,
seien die Kosten im Wege sachgerechter Schätzung aufzuteilen. In Ermangelung
eines anderweitigen geeigneten Aufteilungsmaßstabs sei für die
schätzungsweise Aufteilung auf das Verhältnis des Interesses des Klägers an
der Erhaltung seiner Fitness und des Arbeitgebers an gesunden und
leistungsfähigen Mitarbeitern abzustellen. Dabei scheine das Interesse
beider Vertragsparteien in etwa gleich groß zu sein.
6
Mit der Revision macht das
FA formelle und materielle Mängel geltend.
7
Das FA beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Die Kläger beantragen, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die Revision des FA ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist zu
Unrecht von einer Aufteilung der Kosten in Arbeitslohn und Zuwendungen im
betrieblichen Eigeninteresse ausgegangen.
10
1. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem
FG die vom FA gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind, da die Revision
schon aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Klageabweisung führt.
11
2. Zu Unrecht hat das FG die Kosten für die
Regenerierungskur als gemischt veranlasst gewertet und sie dann zur Hälfte
als Arbeitslohn des Klägers erfasst.
12
a) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist
dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder
geldwerte Vorteile) zufließen, die "für" seine Arbeitsleistung gewährt
werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen,
dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil
Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben
muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche
Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände
nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung
betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (s. etwa Senatsentscheidungen vom
18. August 2005 VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30; vom 16.
November 2005 VI R 118/01, BFHE 212, 55, BStBl II 2006, 444; vom 11. April
2006 VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691; vom 26. Juli 2007 VI R
64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892; vom 17. Januar 2008 VI R 26/06,
BFHE 220, 266, BStBl II 2008, 378).
13
Das Ergebnis einer solchen, den
Arbeitslohncharakter verneinenden Würdigung hat der Senat damit beschrieben,
dass der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt
werden muss. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlungen
zugrunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und
insbesondere Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur
gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils
und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen
Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein
damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden
Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Dabei besteht eine
Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des
Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus
der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer
zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche
Interesse (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - in BFHE 212, 574, BStBl II
2006, 691, m.w.N.).
14
b) Ob sich eine unentgeltlich oder
verbilligt überlassene Sachzuwendung als geldwerter Vorteil oder als
notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung des
Arbeitgebers erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ergibt die
Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, dass die Zuwendung ausschließlich
oder ganz überwiegend der Entlohnung des Arbeitnehmers dient, ist der
geldwerte Vorteil in voller Höhe Arbeitslohn. Ergibt die Würdigung
demgegenüber, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige
Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt
kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Dies gilt auch, wenn die Zuwendung
für den Arbeitnehmer mit angenehmen Begleitumständen verbunden ist.
15
Liegt der geldwerte Vorteil in der
Zuwendung einer für den Arbeitnehmer unentgeltlichen oder verbilligten
Reise, kann nach der Rechtsprechung des Senats die Zuwendung gemischt
veranlasst sein und eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im
betrieblichen Eigeninteresse in Betracht kommen (Senatsentscheidungen in
BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30; vom 30. April 2009 VI R 55/07, BFHE 225,
58, BStBl II 2009, 726). Voraussetzung ist, dass die Reise sowohl Elemente
beinhaltet, bei denen die betriebliche Zielsetzung des Arbeitgebers ganz im
Vordergrund steht, als auch Bestandteile umfasst, deren Zuwendung sich als
geldwerter Vorteil darstellt. Lässt sich der Charakter einer Sachzuwendung
dagegen nur einheitlich beurteilen, ist die Zuwendung im Rahmen einer
Gesamtwürdigung einheitlich dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen
(s. etwa BFH-Urteile in BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691; vom 5. April 2006
IX R 109/00, BFHE 213, 337, BStBl II 2006, 541; vom 22. Juni 2006 VI R
21/05, BFHE 214, 252, BStBl II 2006, 915).
16
c) Nach diesen Grundsätzen ist auch zu
entscheiden, ob Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen
Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung (s. dazu § 3
Nr. 34 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009) zu Arbeitslohn führen.
Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Senats ist in der Übernahme von
Kurkosten durch den Arbeitgeber grundsätzlich Arbeitslohn zu sehen (Urteile
vom 5. November 1993 VI R 56/93, BFH/NV 1994, 313; vom 31. Oktober 1986 VI R
73/83, BFHE 148, 61, BStBl II 1987, 142; s. aber BFH-Urteil vom 24. Januar
1975 VI R 242/71, BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340). Dagegen können vom
Arbeitgeber veranlasste unentgeltliche Vorsorgeuntersuchungen seiner
leitenden Angestellten ebenso im ganz überwiegend eigenbetrieblichen
Interesse liegen (BFH-Urteil vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137,
13, BStBl II 1983, 39) wie Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter
Krankheiten (BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl
II 2001, 671; s. dazu Pust in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001,
1060).
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3. Das FG ist teilweise von anderen
Grundsätzen ausgegangen. Das vorinstanzliche Urteil ist daher aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif.
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a) Das FG hat zu Unrecht die Aufwendungen
der Arbeitgeberin für die Regenerierungskur in Anknüpfung an das BFH-Urteil
in BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30 als gemischt veranlasst angesehen. Eine
Aufteilung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer in Arbeitslohn und
Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse scheidet aus, wenn die
jeweiligen Veranlassungsbeiträge so ineinandergreifen, dass eine Trennung
nicht möglich und daher von einer einheitlich zu beurteilenden Zuwendung
auszugehen ist (s. zur Aufteilung von Aufwendungen für eine gemischt
veranlasste Reise BFH-Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227,
1, BFH/NV 2010, 285). Davon ist im Streitfall auszugehen. Die vom Kläger
durchgeführte Regenerierungskur kann wie jede andere Kur nur einheitlich
beurteilt werden. Sie kann nicht in betriebsfunktionale Bestandteile und
Elemente mit Vorteilscharakter unterschieden werden.
19
b) Daraus folgt, dass die in der Übernahme
der Kosten liegende Zuwendung der Arbeitgeberin vollumfänglich als
Arbeitslohn zu berücksichtigen ist. Denn das FG ist im Rahmen seiner
Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kostenübernahme in
gleicher Weise "sowohl durch das Arbeitsverhältnis als auch durch ein
eigenbetriebliches Interesse" der Arbeitgeberin veranlasst gewesen sei.
Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist, wie dargestellt, nur dann nicht
anzunehmen, wenn sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige
Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist.
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