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BFH-Urteil vom 11.11.2009 (I R 83/08) BStBl. 2010 II S. 781
Freistellung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992
erfasst auch die Einkünfte leitender Angestellter von schweizerischen
Kapitalgesellschaften aus Tätigkeiten außerhalb der Schweiz
Die
Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine
schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 fällt, wird auch insoweit i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst.
d DBA-Schweiz 1992 "in der Schweiz ausgeübt", als sie tatsächlich außerhalb
der Schweiz verrichtet wird (Bestätigung des Senatsurteils vom 25. Oktober
2006 I R 81/04, BFHE 215, 237).
DBA-Schweiz 1992 Art. 4 Abs. 2, Art. 15
Abs. 4, Art. 15a Abs. 2 Satz 2, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d;
DBA-Schweiz 1931/1959 Art. 4 Abs. 1 Satz 1; WÜRV Art. 31 Abs. 3 Buchst. b;
EStG 1997 § 32b.
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 1.
April 2008 11 K 138/05 (EFG 2009, 385)
Sachverhalt
1
Der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1999 und 2000
Geschäftsführer einer Schweizer AG, der K-AG mit Sitz in der Schweiz. Er
wohnte mit seiner Ehefrau und seiner Tochter, die sich in den Streitjahren
in Ausbildung befand, in einem Einfamilienhaus in Baden-Württemberg (dort in
R). Gleichzeitig unterhielt er in den Streitjahren eine Wohnung in der
Schweiz (dort in T). Der Kläger wurde in den Streitjahren mit seinen
gesamten Einkünften aus der Tätigkeit als Geschäftsführer in der Schweiz
besteuert.
2
In einer Besprechung vom 21.
Oktober 2003 verständigte der Kläger sich mit dem Vorsteher des Beklagten
und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) wegen der umfangreichen
Reisetätigkeit des Klägers in Drittstaaten in tatsächlicher Hinsicht darauf,
dass bei insgesamt 250 Arbeitstagen in den Streitjahren jeweils 80
Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519)
i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I
1993, 928) - DBA-Schweiz 1992 - vorlagen.
3
Das FA bezog bei der
Veranlagung des Klägers und seiner Ehefrau für die Streitjahre die Einkünfte
des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der K-AG mit
dem auf die Tätigkeit in Drittstaaten entfallenden Anteil, für die es
entsprechend der tatsächlichen Verständigung 80 Tage ansetzte, in die
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein. Es ging hierbei davon aus, dass
der Kläger und seine Ehefrau im Inland ansässig waren. Der Einspruch blieb
erfolglos.
4
Der hiergegen erhobenen
Klage gab das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 1. April
200811 K 138/05, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2009, 385, statt.
5
Mit der Revision rügt das FA
die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
7
Dem Revisionsverfahren sind
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Finanzministerium des
Landes Baden-Württemberg (FinMin) beigetreten (§ 122 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das BMF hat ebenso wie das FinMin keinen
Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Einkünfte des Klägers aus der
Tätigkeit als Geschäftsführer der K-AG sind auch insoweit unter Anwendung
des Progressionsvorbehalts von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer
auszunehmen, als sie auf Tätigkeiten in Drittstaaten entfallen.
9
1. Der Kläger war in den Streitjahren gemäß
§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) unbeschränkt
steuerpflichtig; er unterlag daher mit allen in den Streitjahren erzielten
Einkünften der Einkommensteuer. Nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger in den
Streitjahren einen Wohnsitz im Inland.
10
2. Die Ausübung des hiernach bestehenden
Besteuerungsrechts war aber, soweit es um die hier streitigen Einkünfte
geht, durch das DBA-Schweiz 1992 eingeschränkt.
11
a) Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst.
d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland) ansässigen Person Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen
i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17
DBA-Schweiz 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer
ausgenommen, wenn sie nach dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden
können und die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird.
12
b) Der Kläger war in den Streitjahren i.S.
des Art. 4 DBA-Schweiz 1992 in Deutschland ansässig. Nach den Feststellungen
des FG verfügte der Kläger in den Streitjahren sowohl in Deutschland als
auch in der Schweiz über eine ständige Wohnstätte. Für die Beurteilung der
Ansässigkeit kommt es damit nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz 1992
darauf an, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers befand.
Die Würdigung des FG, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers
in Deutschland lag, wird von den Beteiligten nicht angegriffen und ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
13
c) Die Einkünfte des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit können nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 in der
Schweiz besteuert werden.
14
Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992
können vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 die Einkünfte einer in
Deutschland ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied,
Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen
Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert werden, sofern die Tätigkeit
nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz
umfasst. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, so können sie in
Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).
15
Der Kläger war nach den Feststellungen des
FG Geschäftsführer der in der Schweiz ansässigen K-AG; er gehörte damit zum
Kreis der in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 genannten leitenden
Angestellten. Das FG hat nicht festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers
lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasste. Schließlich wurden die
Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Geschäftsführer in den
Streitjahren in der Schweiz besteuert.
16
Die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 Satz 1
DBA-Schweiz 1992 wird im Streitfall nicht durch Art. 15a DBA-Schweiz 1992
ausgeschlossen. Denn der Kläger ist kein Grenzgänger i.S. des Art. 15a
DBA-Schweiz 1992, da er in den Streitjahren jeweils an mehr als 60
Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz
zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Dies ergibt
sich aus der tatsächlichen Verständigung zwischen dem Kläger und dem FA,
nach der in den Streitjahren infolge der vom Kläger unternommenen Reisen in
Drittstaaten jeweils 80 Nichtrückkehrtage vorgelegen haben. Auf Seiten des
FA war der Vorsteher als zuständiger Amtsträger an der Verständigung
beteiligt. Die tatsächliche Verständigung betraf einen Sachverhalt der
Vergangenheit (Reisetätigkeit des Klägers), dessen Ermittlung erschwert war.
Die Beteiligten sind daher an den Inhalt der tatsächlichen Verständigung
gebunden (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 2008 I R 63/07, BFHE 223, 194,
BStBl II 2009, 121, m.w.N.).
17
d) Das FG hat zutreffend angenommen, dass
der Kläger seine Arbeit in den Streitjahren auch insoweit i.S. des Art. 24
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz ausgeübt hat,
als er in Drittstaaten tätig geworden ist.
18
aa) Nach dem Senatsurteil vom 25. Oktober
2006 I R 81/04 (BFHE 215, 237) wird die Tätigkeit eines in Deutschland
ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische
Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 fällt, auch
insoweit i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 "in
der Schweiz ausgeübt", als sie tatsächlich außerhalb der Schweiz verrichtet
wird. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 enthält danach für seinen
Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsortes, die auch bei der
Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 zu
berücksichtigen ist. Hieran hält der Senat fest.
19
bb) Die in Art. 15 Abs. 4 Satz 1
DBA-Schweiz 1992 enthaltene Fiktion des Tätigkeitsortes ergibt sich nicht
nur aus der Entstehungsgeschichte (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil in
BFHE 215, 237, unter II.2.b aa), sondern auch aus dem Regelungszusammenhang
und der übereinstimmenden Praxis der Vertragsparteien bei der Auslegung der
Vorschrift.
20
aaa) Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992
knüpft das Besteuerungsrecht der Schweiz an die Tätigkeit als leitender
Angestellter einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft. Das
Besteuerungsrecht ist indessen nicht vollständig vom örtlichen Bezug dieser
Tätigkeit gelöst. Denn die Zuordnung des Besteuerungsrechts gilt nur für
Tätigkeiten, die nicht so abgegrenzt sind, dass sie lediglich Aufgaben
außerhalb der Schweiz umfassen. Der Regelungszusammenhang des Art. 15 Abs. 4
Satz 1 DBA-Schweiz 1992 liefert damit Anhaltspunkte für die Übernahme der
von den Vertragsparteien zu Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1931/1959
(BStBl I 1959, 1006) vertretenen Auslegung (Senatsbeschluss vom 15. Dezember
1998 I B 45/98, BFH/NV 1999, 751; Senatsurteil in BFHE 215, 237, unter
II.2.b aa).
21
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz
1931/1959 bestand für Einkünfte aus Arbeit ein ausschließliches
Besteuerungsrecht des Vertragsstaats, in dessen Gebiet die persönliche
Tätigkeit ausgeübt wurde, aus der die Einkünfte herrührten. Für leitende
Angestellte von Kapitalgesellschaften ist die deutsche Seite in diesem
Zusammenhang stets davon ausgegangen, dass die persönliche Tätigkeit am Sitz
der Gesellschaft ausgeübt wird, soweit sie nicht so abgegrenzt ist, dass sie
lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfasst (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. August 1960 VI 300/58 S, BFHE 71, 514,
BStBl III 1960, 441, m.w.N.; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15.
November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68). Dass dieselbe
Abgrenzung sodann im Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 ihren
Niederschlag gefunden hat, deutet darauf hin, dass die Vertragsstaaten
übereinstimmend dem deutschen Verständnis im Hinblick auf den Arbeitsort
gefolgt sind.
22
bbb) Die Fiktion des Tätigkeitsortes folgt
nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der
Verträge (WÜRV) vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985, 926) auch aus der
übereinstimmenden Praxis der Vertragsparteien bei der Auslegung des Art. 15
Abs. 4 DBA-Schweiz 1992. Nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WÜRV ist bei der
Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags jede spätere Übung bei der
Anwendung des Vertrags zu berücksichtigen, aus der die Übereinstimmung der
Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht; durch das WÜRV wurde
insoweit eine Regelung des Völkergewohnheitsrechts kodifiziert (Senatsurteil
in BFHE 215, 237, unter II.2.b cc).
23
Im Hinblick auf Art. 15 Abs. 5 DBA-Schweiz
1971 (BGBl II 1972, 1022), der unverändert in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 übernommen wurde, haben beide Vertragsparteien übereinstimmend
angenommen, dass der Ort des Sitzes der Kapitalgesellschaft als
Tätigkeitsort des leitenden Angestellten anzusehen ist (vgl. Tz. 6 der
Denkschrift der Bundesregierung vom 21. Januar 1972, BTDrucks VI/3233, S.
15, 17; Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 20. Oktober
1971, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb,
Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, Kommentar, A 3.1.1;
Tz.B.II.4 Buchst. a des Kreisschreibens der Eidgenössischen Steuerverwaltung
- EStV - vom 29. Februar 1972, abgedruckt in Flick/
Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, Materialien, 6.2).
24
cc) Die in Art. 15 Abs. 4 Satz 1
DBA-Schweiz 1992 enthaltene Fiktion des Tätigkeitsortes ist für die
Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992
maßgeblich.
25
aaa) Die Freistellung wird nach Art. 24
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 für Einkünfte aus der
Tätigkeit als leitender Angestellter einer schweizerischen
Kapitalgesellschaft gewährt, soweit die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird.
Der Wortlaut der Vorschrift lässt es damit zu, den Tätigkeitsort bei
leitenden Angestellten nicht nach der tatsächlichen Verrichtung der
Tätigkeit, sondern entsprechend der Auslegung des Merkmals der persönlichen
Ausübung der Tätigkeit in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1931/1959 nach
dem Ort der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft zu bestimmen. Ein solches
Verständnis des Tätigkeitsortes wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich
der Tätigkeitsort i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz
1992 bei anderen Arbeitnehmern danach richtet, wo die Arbeit tatsächlich
verrichtet wird (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 751, m.w.N.; FG
Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 200312 K 172/01, EFG 2004, 870).
26
Der Sachzusammenhang und die systematische
Verknüpfung zwischen Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 und Art. 24 Abs.
1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 sprechen dafür, dass die Fiktion
des Tätigkeitsortes hier wie dort gleichermaßen einschlägig ist (vgl. zur
einheitlichen Auslegung von Verteilungs- und Methodenartikel im
DBA-Luxemburg Senatsurteil vom 4. Juni 2008 I R 62/06, BFHE 222, 255, BStBl
II 2008, 793, unter II.3.a). Zwar wären die Vertragsstaaten nicht gehindert
gewesen, für die Zuweisung des Besteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz 1992 von einem anders definierten Tätigkeitsort auszugehen als
für die Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Art. 24 Abs. 1 Nr.
1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im
Vertragstext und erkennbarer Gründe für eine derartige Differenzierung liegt
es aber näher, für die abkommensrechtliche Zuweisung des Besteuerungsrechts
und die Freistellungsmethode ein einheitliches Verständnis des
Tätigkeitsortes leitender Angestellter i.S. des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 anzunehmen (Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 751).
27
bbb) Das einheitliche Verständnis des
Tätigkeitsortes trägt ferner dem Bedürfnis Rechnung, für die Anwendung der
Freistellungsmethode auf die Einkünfte leitender Angestellter von
Kapitalgesellschaften eine praktikable Regelung zu schaffen und
Nachweisprobleme zu vermeiden. Denn die Tätigkeit dieses Personenkreises ist
häufig durch eine umfangreiche Reisetätigkeit geprägt. Hinge die Reichweite
der Freistellung von der tatsächlichen Verrichtung der Tätigkeit in der
Schweiz ab, so müsste der leitende Angestellte hierfür taggenaue
Aufzeichnungen über seine Tätigkeit führen, während solche Aufzeichnungen
für die Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 nicht erforderlich sind.
28
ccc) Dass die in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 enthaltene Fiktion des Tätigkeitsortes bei der Auslegung des Art. 24
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 berücksichtigt wird, steht
nicht im Widerspruch dazu, dass der Senat für die mit Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz 1992 vergleichbare Regelung des Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1992
eine solche Fiktion abgelehnt und für Einkünfte aus der Tätigkeit an Bord
eines Schiffes oder Luftfahrzeugs die Anrechnungsmethode angenommen hat,
soweit die Tätigkeiten tatsächlich außerhalb der Schweiz ausgeübt werden
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. Oktober 2003 I R 53/02, BFHE 204, 102,
BStBl II 2004, 704). Denn Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1992 knüpft für die
Zuordnung des Besteuerungsrechts ausschließlich an den Ort der
Geschäftsleitung des Unternehmens an; ein Bezug zu der tatsächlichen
Verrichtung der Tätigkeit fehlt und die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist in
seinem Anwendungsbereich in aller Regel auch nicht geschäftsleitender Natur.
Der Regelungszusammenhang der Vorschrift enthält daher - im Gegensatz zu
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 - keine Anhaltspunkte dafür, dass der
räumliche Anknüpfungspunkt der Besteuerungszuständigkeit zugleich als
Tätigkeitsort i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz
1992 anzusehen ist (Senatsurteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704, unter
II.4.). Hieraus ergibt sich zugleich, dass die in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz
1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 vorgesehene Beschränkung der Freistellung auf
die Einkünfte aus der in der Schweiz ausgeübten Arbeit bei einer
Berücksichtigung der Fiktion des Tätigkeitsortes in den Fällen des Art. 15
Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 nicht leer läuft, da sie jedenfalls für die
Freistellung der Einkünfte aus der Tätigkeit an Bord eines Schiffes oder
Luftfahrzeugs nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1992 ihre Bedeutung behält.
29
ddd) Gegen eine Berücksichtigung der
Fiktion des Tätigkeitsortes bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz
1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 lässt sich schließlich nicht anführen, dass
diese Fiktion auf der Ebene der Zuweisungsnorm des Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz 1992 einschränkend auszulegen sei, um bei einer Tätigkeit des
leitenden Angestellten in einem Drittstaat von mehr als 183 Tagen Konflikte
zwischen dem Besteuerungsrecht der Schweiz und dem Besteuerungsrecht des
Drittstaates zu vermeiden. Denn derartige Konflikte ergeben sich aus dem
Zusammentreffen unterschiedlicher Doppelbesteuerungsabkommen; sie können
damit für die Auslegung eines einzelnen Abkommens nicht von entscheidender
Bedeutung sein.
30
eee) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE
215, 237 zur Begründung des einheitlichen Verständnisses des Tätigkeitsortes
maßgeblich auf die langjährige Praxis der Vertragsstaaten bei der Auslegung
des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 abgestellt. Die
übereinstimmende Vertragspraxis hat er hierbei aus dem BMF-Schreiben vom 7.
Juli 1997 (BStBl I 1997, 723) und dem Schreiben der EStV vom 4. Juli 1997
(abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., A 3.3.11)
abgeleitet. Das BMF hat im Schreiben in BStBl I 1997, 723 dargelegt, ab dem
Veranlagungszeitraum 1996 nicht mehr an der zuvor angewandten Freistellung
der Einkünfte leitender Angestellter aus Inlands- oder
Drittstaatstätigkeiten festzuhalten. Im BMF-Schreiben wird zugleich
hervorgehoben, dass die EStV sich dieser geänderten Auffassung nicht
anschließen könne (vgl. auch Schreiben der EStV vom 4. Juli 1997, ebenda).
Die von der EStV im Schreiben vom 30. September 1999 (abgedruckt in
Locher/Meier/ von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.4 Nr. 17) zum Ausdruck
gebrachte Ablehnung der einseitig "nach über 20 Jahren erfolgte(n)
Praxisänderung" durch das BMF deutet ebenfalls darauf hin, dass zuvor
zwischen dem BMF und der EStV Übereinstimmung bei der Auslegung des Art. 24
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 bestand.
31
Zweifel an der vom Senat im Urteil in BFHE
215, 237 angenommenen übereinstimmenden ursprünglichen Vertragspraxis bei
der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992
könnten sich zwar aus den Schreiben der EStV vom 19. Juni 1985 und vom 13.
November 1985 (abgedruckt bis zur 16. Ergänzungslieferung [September 1996]
in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.4 Nr. 4) ergeben. Die EStV
führt in diesen Schreiben aus, dass die Unterscheidung zwischen Tätigkeiten
der leitenden Angestellten im Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft und
Tätigkeiten im Wohnsitzstaat oder in Drittstaaten nur insofern eine Rolle
spiele, als die Freistellung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d
DBA-Schweiz 1992 nur für Einkünfte aus Tätigkeiten zu gewähren sei, die in
der Schweiz ausgeübt würden. Der Senat kann aber dahinstehen lassen, ob
trotz dieser möglichen Zweifel weiterhin eine langjährige übereinstimmende
Praxis der Vertragsstaaten bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
Buchst. d DBA-Schweiz 1992 angenommen werden kann. Denn durch eine solche
Vertragspraxis würde lediglich das bereits aus der Abkommenssystematik und
den Praktikabilitätserwägungen abgeleitete Auslegungsergebnis bestätigt.
32
3. Das FG hat daher zutreffend angenommen,
dass sämtliche Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Geschäftsführer
der K-AG nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 von der
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen werden. Die Einkünfte
sind im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32b EStG 1997 bei der
Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen (vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1
Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Dem entspricht das angefochtene Urteil, weshalb
die dagegen gerichtete Revision unbegründet ist.
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