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BFH-Urteil vom 15.4.2010 (VI R 20/08) BStBl. 2010 II S. 805
Abgeltung einer Leasingsonderzahlung durch Entfernungspauschale
1.
Bei der Benutzung eines Fahrzeugs als Arbeitsmittel zu Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte geht die Nr. 4 des § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG der Nr.
6 dieser Vorschrift vor.
2.
Durch die Entfernungspauschale wird auch eine Leasingsonderzahlung
abgegolten.
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 4 und 6.
Vorinstanz: FG Köln vom 31. März 2008 14 K
2865/07 (EFG 2008, 1192)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist die steuerliche
Behandlung einer Leasingsonderzahlung als Werbungskosten bei den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit.
2
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) bezog im Streitjahr (2004) als Systemberater
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Aufgabe bestand in der
Beratung und Unterstützung von Kunden des Arbeitgebers vor Ort. Für die
Auswärtstätigkeiten und die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte setzte
der Kläger sein eigenes Kraftfahrzeug ein.
3
Im November des Streitjahres
schloss der Kläger mit der BMW Financial Services einen Leasingvertrag über
ein Fahrzeug vom Typ 525D ab. Neben monatlichen Leasingraten von 99,16 EUR
wurde dabei eine Leasingsonderzahlung von 23.000 EUR vereinbart und am 27.
Dezember 2004 bezahlt. Das Fahrzeug wurde am 2. Januar 2005 an den Kläger
ausgeliefert.
4
Der Kläger machte in der
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die Leasingsonderzahlung in Höhe
von 21.418 EUR als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit geltend. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:
23.000 EUR - 483 EUR
(Gutschrift) = 22.517 EUR, davon 95,12 % (beruflicher Anteil) = 21.418 EUR.
5
Der Kläger ermittelte den
beruflichen Anteil auf der Grundlage der Fahrleistungen des im Streitjahr
eingesetzten Kraftfahrzeugs wie folgt:
6
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ im Einkommensteuerbescheid die
Leasingsonderzahlung gänzlich unberücksichtigt. In der
Einspruchsentscheidung behandelte das FA die Zahlung anteilig in Höhe von
14,95 % als Werbungskosten.
7
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1192).
8
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
9
Der Kläger beantragt, die
Leasingsonderzahlung als Werbungskosten zu berücksichtigen, soweit diese auf
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und Auswärtstätigkeiten entfällt.
10
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
11
Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat das FG entschieden,
dass in Höhe der auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
entfallenden anteiligen Nutzung des PKW ein Abzug der Leasingsonderzahlung
ausscheidet. Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings
noch keine abschließende Beurteilung, ob ein Werbungskostenabzug auch in
Höhe der anteiligen sonstigen beruflichen Nutzung außer Betracht bleiben
muss.
12
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des
Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung
dieser Aufwendungen ist eine Entfernungspauschale anzusetzen (§ 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch
die Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die
Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte veranlasst sind.
13
a) Danach ist auch die Leasingsonderzahlung
durch die Entfernungspauschale abgegolten. Die Tatsache, dass im Streitfall
der Kläger mit dem erst im Jahr 2005 ausgelieferten Fahrzeug im Streitjahr
noch keine Fahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG durchgeführt hat,
steht dem nicht entgegen. Der Werbungskostencharakter der Aufwendungen und
damit die Möglichkeit ihrer Abziehbarkeit schon im Streitjahr ergeben sich
aus der beabsichtigten zukünftigen beruflichen Nutzung (Senatsentscheidungen
vom 9. November 2005 VI R 19/04, BFHE 211, 505, BStBl II 2006, 328; vom 23.
Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600). Ohne diesen Bezug
kann die berufliche Veranlassung nicht bejaht werden. Wenn aber für die
Qualifizierung von Aufwendungen die zukünftige Nutzung maßgeblich ist, sind
auch die entsprechenden steuerlichen Vorgaben bzw. Einschränkungen zu
berücksichtigen. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung steht dem nicht
entgegen (BFH-Urteil in BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600).
14
b) Unter den in der Senatsentscheidung vom
5. Mai 1994 VI R 100/93 (BFHE 174, 359, BStBl II 1994, 643) genannten
Voraussetzungen gehört die Leasingsonderzahlung in Höhe des auf
Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils grundsätzlich zu den sofort
abziehbaren Werbungskosten. Dies scheidet jedoch aus, soweit der
Arbeitnehmer während der Laufzeit des Leasingvertrags die
Kraftfahrzeugkosten nach pauschalen Kilometersätzen als Werbungskosten
geltend macht. Durch die Pauschalbetragsrechnung (s. etwa H 38 des
Lohnsteuer-Handbuchs 2004), die der Senat in ständiger Rechtsprechung als
vertretbare Schätzung der Finanzverwaltung anerkannt hat, sind regelmäßig
sämtliche mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Aufwendungen abgegolten
(Senatsurteil vom 26. Juli 1991 VI R 114/88, BFHE 165, 374, BStBl II 1992,
105, m.w.N.; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 297, m.w.N.).
Diese Abgeltungswirkung erfasst auch, wie die Vorinstanz zu Recht
entschieden hat, eine Leasingsonderzahlung.
15
2. Mangels Spruchreife geht die Sache an
das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
16
a) Nach den genannten Grundsätzen hat das
FG den Abzug der Leasingsonderzahlung in Höhe des auf die Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Nutzungsanteils zu Recht versagt.
Hinsichtlich des die Auswärtstätigkeiten betreffenden Anteils hat das FG
allerdings nicht festgestellt, ob der Kläger während der gesamten Laufzeit
des Leasingvertrags (2005 bis 2007) die Kraftfahrzeugkosten nach pauschalen
Kilometersätzen als Werbungskosten geltend zu machen beabsichtigte (s. II.
1. b der Entscheidungsgründe). Das FG hat insoweit zu Unrecht auf die
Verhältnisse in 2004 abgestellt. Aus den genannten Gründen ist hier jedoch
für die Qualifizierung der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach die
beabsichtigte zukünftige Nutzung im Vertragszeitraum maßgeblich. Die
insoweit erforderlichen Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang zu
treffen haben. Welche Absicht der Kläger im fraglichen Zeitpunkt verfolgte,
belegt die Behandlung der Kraftfahrzeugkosten in den
Einkommensteuererklärungen 2005 bis 2007. Stellt demnach das FG fest, dass
der Kläger - wie im Jahr 2005 - auch in den beiden Folgejahren die Kosten
nach pauschalen Kilometersätzen bemessen hat, scheidet ein Abzug der
Leasingsonderzahlung auch in Höhe des auf die Auswärtstätigkeiten
entfallenden Anteils und damit insgesamt aus.
17
b) Kommt das FG zu dem Ergebnis, dass der
Kläger in 2006 oder/und 2007 die Kraftfahrzeugkosten abweichend von den
Vorjahren in tatsächlicher Höhe geltend gemacht hat, kann - bezogen auf
diesen Zeitraum - ein anteiliger sofortiger Abzug der Leasingsonderzahlung
schon im Streitjahr in Betracht kommen. Dazu bedarf es allerdings noch der
ergänzenden Feststellung des auf die Auswärtstätigkeiten entfallenden
Nutzungsanteils im fraglichen Zeitraum (2006 und/oder 2007).
18
c) Zu beachten ist aber, dass ein solcher
Werbungskostenabzug im Streitjahr ausscheidet, wenn die Voraussetzungen des
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG vorliegen. Das ist der Fall,
wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den
Eigentumserwerb bzw. um Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts handelt, die
nur in Form von Absetzungen für Abnutzung (AfA) berücksichtigt werden
können. Nach der Rechtsprechung des Senats gehört die Leasingsonderzahlung
in Höhe der anteiligen beruflichen Nutzung nur dann zu den abziehbaren
Werbungskosten, wenn es sich nicht um Anschaffungskosten handelt
(Senatsentscheidung in BFHE 174, 359, BStBl II 1994, 643; s. auch
Blümich/Brandis, § 7 EStG Rz 149 ff.). Das FG hat zu dieser Frage, aus
seiner Sicht zu Recht, keine Feststellungen getroffen. Diese sind nunmehr
gegebenenfalls nachzuholen. Kommt das FG dabei zu dem Ergebnis, dass die
Leasingsonderzahlung zu Anschaffungskosten führt, ist der Abzug einer AfA im
Streitjahr ausgeschlossen, weil das Wirtschaftsgut erst in dem auf das
Streitjahr folgenden Jahr genutzt wird (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStG).
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