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BFH-Urteil vom 8.6.2010 (VII R 39/09) BStBl. 2010 II S. 839
Durch Telefax übersandte Abtretungsanzeige ist formwirksam. Zum
Aufrechnungs- oder Verrechnungsvertrag.
1.
Die auf einem vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck erklärte und
eigenhändig unterschriebene Abtretungsanzeige wird wirksam, wenn sie dem FA
per Telefax zugeht (Änderung der Senatsrechtsprechung).
2.
Das FA kann gegen einen Anspruch auf Investitionszulage mit Ablauf des
Wirtschaftsjahres, in dem die Investitionen vorgenommen worden sind, mit
fälligen Steuerforderungen aufrechnen. Auf den Zeitpunkt der Festsetzung
oder Fälligkeit der Investitionszulage kommt es nicht an.
3.
Ein Aufrechnungs- oder Verrechnungsvertrag kommt nicht schon dadurch
zustande, dass das FA einem dem Investitionszulageantrag beigefügten Antrag
auf Stundung fälliger Steuern zur Verrechnung mit der noch festzusetzenden
Investitionszulage durch zinslose Stundung der Steuern entspricht.
AO § 37 Abs. 2, § 38, § 46, § 222, § 226;
BGB § 387, § 388, § 389, § 406.
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 1.
Juli 2009 14 K 2532/04 B (EFG 2009, 1614)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Versicherungsunternehmen. Zur Sicherung
eines von ihr mit Vertrag vom 13. Juni 2001 gewährten Darlehens trat der
Darlehensnehmer (A) am 3. Januar 2002 seinen erwarteten Anspruch auf
Investitionszulage 2001, die ihm auf seinen Antrag vom 10. Januar 2002 mit
Bescheid vom 8. April 2002 in Höhe von 1.334.607 EUR gewährt worden ist, an
die Klägerin ab. Die Klägerin übersandte dem seinerzeit zuständigen
Finanzamt H mit Telefax vom 13. Februar 2002 die Abtretungsanzeige.
2
Der A schuldete zu diesem
Zeitpunkt Abgaben, die ihm das Finanzamt H zu einem erheblichen Teil auf
seine, dem Investitionszulageantrag beigefügten Anträge hin gestundet hatte.
In diesen Anträgen hatte der A - wie schon in Vorjahren - unter Verwendung
des Begriffs "Verrechnungsstundung" gebeten, von Vollstreckungsmaßnahmen
abzusehen und keine Säumniszuschläge anzufordern, bis das Guthaben aus der
Investitionszulage 2001 zur Verrechnung zur Verfügung stehen werde.
3
Nach diversen Verrechnungen
mit Abgabenrückständen und zinslosen Verrechnungsstundungen, u.a.
hinsichtlich Umsatzsteuer in Höhe von 536.126,10 EUR bis zum 30. April 2002
(Stundungsverfügungen vom 21. Dezember 2001 und 22. Januar 2002), überwies
das Finanzamt H in den Jahren 2002 und 2003 in Teilbeträgen insgesamt
444.361,76 EUR an die Klägerin.
4
Gegen die Auskunft des
Finanzamts H über die zur Verrechnung mit dem Guthaben aus der
Investitionszulage verwendeten Abgabenschulden legte die Klägerin
"Einspruch" ein, mit dem sie sich gegen die Verrechnung der an sie
abgetretenen Investitionszulage mit nicht fälligen Steuerforderungen wandte
und die Zahlung weiterer 578.372,70 EUR forderte. Das zuständig gewordene
Finanzamt T (Beklagter und Revisionskläger - FA -) rügte zunächst, dass die
Abtretungsanzeige nicht im Original vorliege, und erließ - nachdem die
Klägerin das Original zwischenzeitlich vorgelegt hatte - am 14. Juli 2004
einen Rückforderungsbescheid nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) über
444.361,76 EUR wegen Unwirksamkeit der seinerzeit nur in Kopie vorgelegten
Abtretungsanzeige. Der Einspruch der Klägerin, der zum einen mit dem Fehlen
eines für die Rückforderung erforderlichen Abrechnungsbescheids nach § 218
Abs. 2 AO, zum anderen mit der Formwirksamkeit der durch Telefax
übermittelten Abtretungsanzeige und schließlich damit begründet war, das FA
könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die Formunwirksamkeit berufen, da
das Finanzamt H die Anzeige am 18. Februar 2002 nicht beanstandet, sondern
bestätigt habe, blieb erfolglos.
5
Am Tage der
Einspruchsentscheidung erließ das FA einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218
Abs. 2 AO, in dem es die Zahlung der geforderten weiteren 578.372,70 EUR
wegen Formunwirksamkeit der Abtretungsanzeige ablehnte. Das Klageverfahren
ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.
6
Der Klage gegen den
Rückforderungsbescheid hat das FG stattgegeben. Es ist anders als der
erkennende Senat im Urteil vom 13. Oktober 1987 VII R 166/84 (BFH/NV 1988,
416) der Auffassung, dass die per Telefax übermittelte Abtretungsanzeige
formwirksam sei. Der Zweck der nach § 46 Abs. 3 Satz 2 AO geforderten
Unterschrift des A, ihm die Bedeutung seiner Erklärung vor Augen zu führen,
bedeute nicht, dass die Unterschrift im Original eingehen müsse, sondern
dass sich deren Bedeutung dem Erklärenden bereits durch den Vollzug der
eigenhändigen Unterschrift erschließe. Auch lasse sich den Geboten der
Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks, der Schriftlichkeit und
der Feststellung der Urheberschaft der Erklärung und deren Wirkung für den
Rechtsverkehr nicht nur anhand des Originals Rechnung tragen; vielmehr
könnten sich diese ebenso gut aus einer per Telefax übermittelten Kopie
ergeben. Auch das am 10. Januar 2002 zugestellte vorläufige Zahlungsverbot
und der von einer Bank erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der
Investitionszulage in Höhe von 675.097,01 EUR stünden der wirksamen
Abtretung schon deshalb nicht entgegen, weil auch unter Berücksichtigung
dieser Pfändung von der Investitionszulage noch ein überschüssiger Betrag
von 659.509,99 EUR habe wirksam abgetreten werden können. Das FA könne einen
Rückzahlungsanspruch auch nicht aus den von ihm genannten Aufrechnungen
herleiten. Denn hinsichtlich der Forderungen, mit denen das Finanzamt H
aufgerechnet habe, habe zu einem hier entscheidenden Teil am 13. Februar
2002 keine Aufrechnungslage bestanden. Dies betreffe u.a. die bis zum 30.
April 2002 gestundeten 536.126,10 EUR Umsatzsteuer, die am 13. Februar 2002
somit nicht fällig gewesen seien. Das Finanzamt H habe demnach nur mit den
übrigen am 13. Februar 2002 fälligen Forderungen in Höhe von 172.317,69 EUR
wirksam aufrechnen können. Daraus ergebe sich rechnerisch ein verbleibender
Anspruch der Klägerin in Höhe von 487.192,30 EUR (1.334.607 EUR
Investitionszulage minus 675.097,01 EUR Bankpfändung minus 172.317,69 EUR
berechtigte Aufrechnung des FA). Der Betrag liege unter dem vom Finanzamt H
an die Klägerin ausgezahlten und zurückgeforderten Betrag von 444.361,76
EUR. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 1614
veröffentlicht.
7
Das FA begründet seine
Revision zum einen damit, dass die Übermittlung einer Abtretungsanzeige per
Telefax nicht dem Formerfordernis des § 46 Abs. 3 AO entspreche und dass an
der vom Bundesfinanzhof (BFH) vertretenen Rechtsauffassung dazu festzuhalten
sei. Zum anderen hält es die Auffassung des FG für rechtsfehlerhaft, dass
die zur Aufrechnung mit der Investitionszulage gestellten
Umsatzsteuerrückstände wegen der bei Erlass des Investitionszulagebescheids
fortbestehenden Stundung nicht fällig gewesen seien und das Finanzamt H
deshalb damit nicht rechtswirksam habe aufrechnen können.
8
Die Klägerin hält die
Abtretung für wirksam, weil auch durch die Übermittlung der Anzeige per Fax
das mit dem Formerfordernis der eigenhändigen Unterschrift verfolgte Ziel,
den unerfahrenen Steuerpflichtigen davor zu schützen, seine Ansprüche
unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare
abzutreten, gewahrt werde und die neuere Rechtsprechung und Gesetzgebung zur
Anwendung neuer Kommunikationsmittel eine Änderung der Rechtsprechung
betreffend die Formwirksamkeit von Abtretungsanzeigen per Fax rechtfertige.
Irrig sei die Annahme, die Finanzbehörde könne bei Faxübermittlung durch den
Zessionar nicht erkennen, ob der A die Abtretungsanzeige tatsächlich habe in
den Verkehr bringen wollen oder ob er sich zu diesem Zeitpunkt vom Zessionar
das Original bereits habe aushändigen lassen, um es zu vernichten. Dies sei
nicht möglich. Reiche nämlich der Zessionar nicht das Original ein, so habe
das FA nach der Rechtsprechung des BFH unabhängig von der Vorlage der
Anzeige durch Fax eine Prüfung der Bevollmächtigung zur Einreichung der
Anzeige vorzunehmen, weil diese nur bei Vorlage der
Originalabtretungsanzeige als nachgewiesen gelte. Für das FA sei daher sehr
wohl erkennbar, dass der Sachverhalt weiter zu prüfen sei.
9
Richtig sei auch, dass die
Aufrechnung des Finanzamts H wegen der fortbestehenden Stundung der
Steuerrückstände unwirksam gewesen sei. Für ein Abweichen von der in § 406
des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geforderten gleichzeitigen Fälligkeit von
Haupt- und Gegenforderung bestehe ebenso wie in den vom BFH zu § 406 BGB
entschiedenen Fällen keine Veranlassung. Das FA habe bei der Gewährung der
Stundung selbst alle Gestaltungsmittel in der Hand, sich bei Entstehung der
Hauptforderung durch Aufrechnung von der Auszahlung der Investitionszulage
zu befreien. Dass es diese Möglichkeit nicht genutzt, sondern durch Stundung
selbst vereitelt habe, könne nicht zulasten der Klägerin gehen.
Entscheidungsgründe
II.
10
Die Revision ist unbegründet. Das Urteil
des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO -).
11
Der Rückforderungsbescheid ist
rechtswidrig. Das FA hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des an die Klägerin
ausgezahlten Betrages von 444.361,76 EUR.
12
1. Die Rückforderung ist nicht - wie das FA
meint - schon deshalb berechtigt, weil die Abtretung am 13. Februar 2002
wegen der Übersendung der Abtretungsanzeige per Telefax nicht wirksam
geworden ist.
13
Gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO wird die
Abtretung erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde
unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und
Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem vom
Abtretenden und vom Abtretungsempfänger unterschriebenen amtlich
vorgeschriebenen Vordruck anzeigt. Der Senat schließt sich der
Rechtsauffassung des FG an, dass eine durch Telefax übersandte
Abtretungsanzeige diesen Anforderungen genügt. An der in seiner Entscheidung
in BFH/NV 1988, 416 geäußerten Rechtsauffassung, dass die Abtretungsanzeige
i.S. des § 46 AO nur bei Vorlage des eigenhändig unterschriebenen Originals
rechtswirksam sei, hält der Senat nicht mehr fest.
14
Die formalisierte Abtretungsanzeige soll
die Zedenten davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu
unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten; darüber
hinaus soll sie der Finanzbehörde die Bearbeitung der Erstattungsanträge
erleichtern (Urteile des Senats vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83, BFHE 155,
40, BStBl II 1989, 223; vom 25. Juni 1985 VII R 195/82, BFHE 144, 2, 5,
BStBl II 1985, 572, m.w.N.). Bei den Anforderungen an die Wahrung der
Formerfordernisse des § 46 Abs. 3 AO ist zu beachten, dass deren
Schutzfunktion für den Abtretenden die Regelung des § 46 Abs. 5 AO
gegenübersteht. Danach müssen Abtretender und Abtretungsempfänger der
Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen,
auch wenn sie nicht erfolgt, nicht wirksam oder nichtig ist. Durch diese der
Vorschrift des § 409 Abs. 1 BGB nachgebildete Regelung soll das durch die
Abtretungsanzeige des Gläubigers erzeugte Vertrauen des Schuldners, hier des
FA, darauf, dass die Forderung abgetreten ist, geschützt werden. Nach der
Rechtsprechung des Senats braucht die Finanzbehörde die Wirksamkeit der
Abtretung nicht zu prüfen und kann, wenn ihr die Abtretung angezeigt ist,
grundsätzlich auch dann mit befreiender Wirkung an den Abtretungsempfänger
leisten, wenn sie positiv weiß, dass die Abtretungsanzeige nicht der
vorgeschriebenen Form entspricht oder die Abtretung aus sonstigen Gründen
unwirksam ist (vgl. Beschluss vom 24. April 2006 VII B 322/05, BFH/NV 2006,
1442, m.w.N.). Diese einschneidenden Wirkungen misst der Senat allerdings
nur einer Abtretungsanzeige zu, die der Abtretende oder sein Vertreter
selbst unterschrieben hat; bei fehlender oder gefälschter Unterschrift kann
das FA als Schuldner nicht beanspruchen, mit befreiender Wirkung an den in
der Anzeige angegebenen Abtretungsempfänger leisten zu können (Beschluss vom
19. März 2009 VII B 45/08, BFH/NV 2009, 1236). Nach den Feststellungen des
FG haben Zessionarin (durch ihren gesetzlichen Vertreter) und Zedent jedoch
im Streitfall die Abtretungsanzeige eigenhändig unterzeichnet.
15
In seiner Entscheidung in BFH/NV 1988, 416
hat der Senat dem FA den Schutz des § 46 Abs. 5 AO aber dann versagt, wenn
ihm die Anzeige lediglich durch Telefax übermittelt worden ist. Zur
Begründung heißt es dort, die nach § 46 Abs. 2 und 3 AO vorgesehene
formalisierte Anzeige sei nur in ihrer formgerechten Verkörperung im
Original zugangsfähig. Die Anzeige müsse daher demjenigen, an den sie
gerichtet ist, in eben der vorgeschriebenen Form zugehen. Es genüge nicht
den Anforderungen des § 46 Abs. 2 und 3 AO, wenn die Anzeige dem FA
lediglich gezeigt, aber nicht übergeben oder eine Ablichtung davon übersandt
werde.
16
Nach nochmaliger Überprüfung gelangt der
Senat zu der Auffassung, dass diese Einschränkung des durch § 46 Abs. 5 AO
geschützten Schuldnerinteresses nicht gerechtfertigt ist. Der mit den
Formvorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO bezweckte Schutz des Zedenten vor
einer unüberlegten, die Tragweite der Entscheidung verkennenden Abtretung
wird allein durch die Faxübermittlung der auf einem amtlichen Vordruck von
Zessionar und Zedenten unterschriebenen Anzeige nicht beeinträchtigt. Der
Wortlaut des § 46 Abs. 2 und 3 AO verlangt, dass der Gläubiger die Abtretung
in der vorgeschriebenen Form, also "unter Angabe des Abtretenden, des
Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und
des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck" und vom
Abtretenden und vom Abtretungsempfänger unterschrieben anzeigt. Auch die
Faxkopie des amtlichen Vordrucks erfüllt diese Voraussetzung der Anzeige
"auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck", auch wenn es sich nicht mehr
um den Originalvordruck, sondern um ein Bild davon handelt. Zwar mag der
Wortlaut für sich genommen nahelegen, dass die Übersendung des
Originalvordrucks verlangt wird. Da der Gesetzgeber aber in - soweit
ersichtlich - allen anderen, die Nutzung eines amtlichen Vordrucks
anordnenden Regelungen die Formulierung gewählt hat, dass die Erklärung
"nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck" abzugeben ist (§ 138 AO Anzeigen
über die Erwerbstätigkeit, § 150 AO Form und Inhalt der Steuererklärungen, §
6 des Außensteuergesetzes, Besteuerung des Vermögenszuwachses etc.) und sich
aus der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 7/2852, § 159 der
Reichsabgabenordnung - RAO -, S. 47) keine Hinweise auf eine absichtsvolle
abweichende Wortwahl ergeben, ist davon auszugehen, dass diesem Wortlaut
allein keine entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Im Übrigen hat der
Senat bereits zur Verwendung eines überholten Anzeigevordrucks geurteilt,
dass die Vordrucke keinen Selbstzweck haben; mit ihnen soll lediglich die
Warn- und Schutzfunktion zugunsten des Abtretenden und eine
Bearbeitungserleichterung zugunsten der Verwaltung sichergestellt werden.
Werden diese Zwecke erreicht, so ist auch die Verwendung eines nicht mehr
"amtlichen" Anzeigevordrucks für die Frage der Wirksamkeit der Abtretung
unschädlich (Urteile vom 26. September 1995 VII R 29/95, BFH/NV 1996, 385,
und vom 5. Oktober 2004 VII R 37/03, BFHE 208, 1, BStBl II 2005, 238). Diese
Auffassung wird in Rechtsprechung und Literatur weitgehend geteilt (vgl. die
Nachweise im Urteil des Niedersächsischen FG vom 30. November 20099 K 73/07,
EFG 2010, 540).
17
Auch die Gefahr einer vom Zedenten nicht
gewollten Übermittlung der Anzeige, etwa einer unberechtigt gezogenen Kopie
oder eines vorbereiteten, aber noch nicht zur Weitergabe vorgesehenen
Vordrucks, rechtfertigt es trotz der weitreichenden Folgen, die sich aus der
Übermittlung der Anzeige nach § 46 Abs. 5 AO ergeben, nicht, die per Fax
übermittelte Abtretungsanzeige als (form-)unwirksam anzusehen. Denn der
Schutz des Zedenten soll nach § 46 Abs. 2 und 3 AO durch das Ausfüllen und
Unterschreiben des amtlichen Vordrucks sichergestellt werden. Die Art der
Übermittlung dieses Vordrucks - im Original per Post oder durch Telefax -
erfüllt danach keine Schutzfunktion. Gelangt die Anzeige - auf welchem Weg
auch immer - in den Bereich des FA, so greift vielmehr der Schuldnerschutz
des § 46 Abs. 5 AO. Dementsprechend hat der Senat bereits ausgeführt, dass
der Abtretende, der eine formgerechte Abtretungsanzeige unterzeichnet und
sie dem Abtretungsempfänger in der Weise überlassen hat, dass dieser
zumindest tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die Anzeige der
Finanzbehörde zu übermitteln, sich dem FA gegenüber auch dann nicht auf die
Unwirksamkeit der Abtretung berufen könne, wenn es an der Bevollmächtigung
zur Anzeige der Abtretung durch den Abtretungsempfänger bzw. zur
Übermittlung der Abtretungsanzeige durch diesen als Boten fehle. Denn der
Schuldnerschutz greift nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 5 AO generell ein,
wenn die angezeigte Abtretung "nicht erfolgt oder nicht wirksam oder ...
nichtig ist". Die Unwirksamkeit einer Abtretung im Sinne dieser Vorschrift
kann sich danach gemäß § 46 Abs. 2 AO auch daraus ergeben, dass die
vorgeschriebene Anzeige an das FA zwar im tatsächlichen Sinne erfolgt, aber
rechtlich nicht wirksam ist, weil es an der Bevollmächtigung des hierzu nach
dem Gesetz nicht ermächtigten Abtretungsempfängers durch den Abtretenden
fehlt (Senatsurteil vom 22. März 1994 VII R 117/92, BFHE 174, 112, BStBl II
1994, 789). Hat aber die Nichtberechtigung zur Übermittlung der
Original-Abtretungsanzeige keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des § 46
Abs. 5 AO, so erschließt sich nicht, weshalb dies bei nicht autorisierter
Übermittlung einer Kopie der Abtretungsanzeige per Fax anders sein sollte.
Das bei der Regelung des § 46 Abs. 5 AO im Vordergrund stehende Ziel der
Bearbeitungserleichterung für das FA gebietet vielmehr nicht zuletzt im
Hinblick auf die fortgeschrittene Entwicklung der elektronischen
Datenübermittlung, die Wirksamkeit der Faxübermittlung nicht an den
theoretischen Möglichkeiten der unrechtmäßigen Nutzung einer ausgefüllten
Abtretungsanzeige scheitern zu lassen.
18
2. Die Rückforderung des der Klägerin vom
Finanzamt H ausgezahlten Betrags von 444.361,76 EUR ist rechtswidrig, weil
der Anspruch des A auf die Investitionszulage 2001 bei Zugang der
Abtretungsanzeige beim Finanzamt H jedenfalls in Höhe des an die Klägerin
ausgezahlten Betrags noch bestand und nicht durch Verrechnung gegenüber dem
A oder Aufrechnung gegenüber der Klägerin erloschen war. Die Auszahlung an
die Klägerin ist mithin mit Rechtsgrund erfolgt, so dass das FA nicht nach §
37 Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt ist, den Betrag zurückzufordern.
19
Nach den Feststellungen des FG ergab sich
rechnerisch ein verbleibender Anspruch aus der abgetretenen
Investitionszulage in Höhe von 487.192,30 EUR (1.334.607 EUR
Investitionszulage minus 675.097,01 EUR vorrangige Bankpfändung, minus
172.317,69 EUR nach Auffassung des FG berechtigte Aufrechnung des FA). Dabei
hat das FG - im Ergebnis zu Recht - verneint, dass auch die rückständigen
Umsatzsteuern in Höhe von 536.126,10 EUR mit der Investitionszulage
verrechnet worden sind.
20
Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die
Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sinngemäß die
Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 387 BGB können Forderungen,
die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, gegeneinander aufgerechnet
werden, sobald die eine Leistung gefordert und die andere Leistung bewirkt
werden kann. Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich
decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur
Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB).
21
Die Aufrechnungslage bestand hinsichtlich
der Umsatzsteuern in Höhe von 536.126,10 EUR bis zur Stundung am 22. Januar
2002. Diese Steuern waren nach den finanzgerichtlichen Feststellungen
sämtlich fällig und das FA konnte die ihm obliegende Leistung, die
Investitionszulage 2001, bewirken. Der Aufrechnende kann die ihm obliegende
Leistung bewirken, wenn seine Schuld existiert. Auf den Zeitpunkt der
Festsetzung oder Fälligkeit kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V
R 105/86, BFH/NV 1992, 77, m.w.N.). Der Anspruch auf Investitionszulage ist
mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem die Investitionen vorgenommen
worden sind, hier also zum 31. Dezember 2001, entstanden (§ 38 AO; vgl.
BFH-Urteil vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000,
208, m.w.N.).
22
a) Gegenüber dem A hat das FA jedoch vor
Eingang der Abtretungsanzeige nicht aufgerechnet.
23
aa) Gegen die Annahme einer Aufrechnung
spricht zwar nicht von vornherein, dass das Finanzamt H in der Folgezeit den
jetzt zurückgeforderten Betrag an die Klägerin ausgezahlt hat. Allein daraus
kann nicht geschlossen werden, dass das Finanzamt H selbst nicht von einer
Auf- oder Verrechnung der offenen Umsatzsteuerschuld ausgegangen ist. Denn
die Auszahlungen sind ersichtlich darauf zurück zu führen, dass die
vorrangige Pfändung einer Bank in Höhe von 675.097,01 EUR bis dahin
übersehen worden war und das Finanzamt H deshalb von einem nach Verrechnung
verbleibenden Restbetrag aus der Investitionszulage 2001 ausging.
24
bb) Im Urteil des FG ist eine Erklärung der
Aufrechnung des Finanzamts H gegenüber dem A indes nicht festgestellt. Nach
den in Bezug genommenen Teilen der Verwaltungsakten lässt sich eine
Aufrechnungserklärung nicht entnehmen. Allerdings hat die höchstrichterliche
Rechtsprechung an die Form der Aufrechnungserklärung keine strengen
Anforderungen gestellt; sie hat sogar schlüssige Handlungen genügen lassen,
wenn der Wille zur Tilgung und Verrechnung klar und unzweideutig erkennbar
war (BFH-Urteil vom 21. November 1995 VII R 30/95, BFH/NV 1996, 387). Jedoch
spricht im Streitfall die Stundungsverfügung vom 22. Januar 2002 gerade
gegen eine Aufrechnung zu diesem Zeitpunkt, da die Steuerforderungen mit der
Aufrechnung erlöschen und eine Stundung ins Leere gegangen wäre.
25
Ob eine antragsgemäß gewährte
Verrechnungsstundung konkludent als aufschiebend bedingte
Aufrechnungserklärung des FA gewertet werden könnte, bedarf keiner
Erörterung, da eine Aufrechnungserklärung gemäß § 388 BGB unwirksam ist,
wenn sie unter einer Bedingung abgegeben wird.
26
cc) Dem vorliegenden Schriftverkehr ist
auch nicht zu entnehmen, dass das Finanzamt H mit A einen Aufrechnungs- oder
Verrechnungsvertrag geschlossen hat.
27
Durch Aufrechnungs- oder
Verrechnungsvertrag können die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung
weitgehend abbedungen werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 77).
Insbesondere kann eine aufschiebend bedingte Verrechnung vereinbart werden
(Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - BayVGH - vom 12. März
20104 ZB 08.2455, juris, Rz 10). Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem
obligatorischen Verrechnungsvertrag, aufgrund dessen das FA einseitig
verrechnen darf, und dem verfügenden Verrechnungsvertrag, durch den die
Verrechnung aufschiebend bedingt, aber unmittelbar, d.h. ohne weitere
Verfügung - und zwar rückwirkend auf den Zeitpunkt der erstmals bestehenden
Aufrechnungslage (§ 389 BGB) - erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember
1984 VIII R 263/82, BFHE 143, 1, BStBl II 1985, 278; BFH-Urteil in BFH/NV
1992, 77; Beschluss des BayVGH vom 12. März 20104 ZB 08.2455, juris;
Staudinger/ Gursky, Vorbemerkungen zu §§ 387 ff. Rz 66; Erman/Wagner, BGB,
12. Aufl., § 388 Rz 18 und 21). Eine solche Aufrechnungsvereinbarung ist,
auch wenn sie im Hinblick auf eine bereits bestehende Aufrechnungslage
objektiv überflüssig wäre, als Ausfluss der Vertragsfreiheit rechtlich
zulässig (vgl. Staudinger/Gursky, a.a.O.).
28
A hat mit seinem Antrag auf Stundung
(bezeichnet als "Verrechnungsstundung") der Umsatzsteuern 2001 vom 10.
Januar 2002 mitgeteilt, dass diese Umsatzsteuern mit der für 2001
auszuzahlenden Investitionszulage verrechnet werden sollten. Das Finanzamt H
hat dem Antrag mit der Stundungsverfügung vom 22. Januar 2002, von der A
Kenntnis hatte, entsprochen. In der Verfügung vom 22. Januar 2002 ist auch
handschriftlich auf den Zulagenantrag vom 10. Januar 2002 Bezug genommen.
Gleichwohl finden sich keine hinreichenden Anzeichen für einen über Antrag
und Gewährung einer Stundung hinausgehenden auf eine
Verrechnungsvereinbarung gerichteten Bindungswillen der Beteiligten. Nach
Form und Inhalt waren vielmehr sowohl Antrag als auch Gewährung auf Erlass
einer - hoheitlichen - Stundungsverfügung gerichtet, wie sie nach der
Rechtsprechung des BFH in Fällen, in denen der Steuerpflichtige in Kürze mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem Gegenanspruch rechnen
kann, als sog. technische Stundung oder Verrechnungsstundung unter Verzicht
auf Stundungszinsen zu gewähren ist (vgl. BFH-Urteile vom 24. März 1998 I R
120/97, BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3; vom 7. März 1985 IV R 161/81, BFHE
143, 397, BStBl II 1985, 449; Beschluss vom 29. November 1984 V B 44/84,
BFHE 142, 418, BStBl II 1985, 194; AO-Kartei § 222 Karte 3 Tz 3).
Dementsprechend sind die Finanzämter angewiesen, Verrechnungsstundungen
regelmäßig bis zu der im Stundungsantrag genannten Festsetzung des
Gegenanspruchs, längstens bis zu einem besonders benannten Zeitpunkt
auszusprechen (AO-Kartei § 222 Karte 3 Tz 7).
29
Im Streitfall hat sich das Finanzamt H
antragsgemäß und entsprechend der Verwaltungsanweisung verhalten, was sich
nicht zuletzt daran zeigt, dass die Stundung im Hinblick auf die ausstehende
Festsetzung der Investitionszulage zinslos gewährt worden ist.
30
Auch seitens des A kann ein auf einen
Verrechnungsvertrag gerichteter Erklärungswille nicht unterstellt werden.
Denn nach den Feststellungen des FG hatte er den Anspruch auf
Investitionszulage bereits am 3. Januar 2002 an die Klägerin abgetreten.
Wenn diese Abtretung dem FA gegenüber auch erst mit Zugang der
Abtretungsanzeige wirksam wurde, war sie doch im Innenverhältnis zwischen A
und der Klägerin wirksam, so dass eine nachfolgende Verrechnungsvereinbarung
mit dem FA in diesem Verhältnis Schadenersatzansprüche hätte auslösen
können. Ohne konkrete Anhaltspunkte, die vom FG nicht festgestellt sind und
zu deren ergänzenden Ermittlung auch nach Aktenlage kein Anlass besteht,
kann deshalb allein aus dem Stundungsantrag nicht auf einen weitergehenden
Bindungswillen geschlossen werden.
31
b) Das FA kann sich auch nicht darauf
berufen, dass die Klägerin mit der Abtretung des Investitionszulageanspruchs
in die Gläubigerstellung des Zedenten A gerückt ist und deshalb ihr
gegenüber habe aufgerechnet werden können. Allerdings kann nach § 406 BGB
der Schuldner mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger (Altgläubiger,
Zedenten) zustehenden Forderung auch dem neuen Gläubiger (Neugläubiger,
Zessionar) gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er beim Erwerb der
Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach
Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig
geworden ist. Der allgemeine Rechtsgedanke dieser Vorschrift und der in ihr
zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die Abtretung einer Forderung nicht
die rechtliche Stellung des Schuldners beeinträchtigen darf, gelten auch im
öffentlichen Recht und damit auch für die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO
(Senatsurteil vom 25. April 1989 VII R 36/87, BFHE 156, 392, BStBl II 1990,
352). Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert aber bereits daran, dass das
FG - für den Senat bindend - nicht festgestellt hat, dass das Finanzamt H
gegenüber der Klägerin die Aufrechnung erklärt hat. Es bedarf deshalb keiner
Erörterung, ob die im Streitfall verfügte Stundung der Umsatzsteuern bis zum
30. April 2002 zum Ausschluss der Aufrechnung gegenüber der Klägerin i.S.
des § 406 BGB (zweite Ausschlussalternative) führt, weil sie die Fälligkeit
der Umsatzsteuer auf einen Zeitpunkt nach Eingang der Abtretungsanzeige
hinausgeschoben hat, oder ob der Zessionar eine Aufrechnungslage, die vor
Zugang der Abtretungsanzeige schon einmal bestanden hat, stets gegen sich
gelten lassen muss.
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c) Nach alledem sind der Klägerin die vom
FA zurückgeforderten Beträge infolge wirksamer Abtretung und mangels
Aufrechnungserklärung zu Recht ausgezahlt worden. Einen Anspruch auf
Rückzahlung nach § 37 Abs. 2 AO hat das FA nicht.
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