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BFH-Urteil vom 6.5.2010 (VI R 25/09) BStBl. 2010 II S. 851
Aufwendungen für das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sind Werbungskosten
Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV (sog.
Statusfeststellungsverfahren) sind durch das Arbeitsverhältnis veranlasst
und deshalb als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit zu berücksichtigen.
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2
und 3; SGB IV § 7, § 7a Abs. 1.
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 25. März
2009 2 K 1478/07 (EFG 2009, 994)
Sachverhalt
I.
1
Streitig ist, ob
Aufwendungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für
betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
2
Der Kläger erzielt Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der H-GmbH. Er schloss im
Oktober 2004 mit einem Beratungsunternehmen eine Vereinbarung über eine
betriebswirtschaftliche Beratung. Gegenstand dieser Beratung war die
Erörterung, ob für die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer Beiträge zu
den Sozialversicherungen abgeführt werden müssen. Zudem schlossen der Kläger
und die von ihm beauftragte Unternehmerberatung eine Honorarvereinbarung,
wonach der Kläger ein Basishonorar in Höhe von 2.900 EUR zuzüglich
Umsatzsteuer zahlen musste, wenn die Sozialversicherungspflicht des Klägers
verneint wird. Zudem wurde für den Fall, dass Beiträge aus der Vergangenheit
erstattet werden, ein Erstattungshonorar in Höhe von 12 % der bei
Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingehenden Bruttoerstattungen zuzüglich
Umsatzsteuer vereinbart. Ende des Jahres 2004 teilte die angerufene
Krankenkasse mit, dass der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig sei.
Daraufhin stellte die von dem Kläger beauftragte Unternehmerberatung dem
Kläger das Basishonorar in Höhe von 3.364 EUR in Rechnung. Diesen Betrag
überwies der Kläger noch im Dezember 2004. Im Laufe des Jahres 2005
erstattete die Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz dem Kläger die
entrichteten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 31.973,86
EUR und die Agentur für Arbeit die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in
Höhe von 9.158,82 EUR. Dem nachfolgend stellte die Unternehmerberatung ein
Erstattungshonorar in Höhe von 8.901,52 EUR und in Höhe von 2.549,81 EUR in
Rechnung. Die Rechnungen beglich der Kläger im Veranlagungszeitraum 2005.
3
In seiner
Einkommensteuererklärung für den streitigen Veranlagungszeitraum 2005 gab
der Kläger die erstatteten Sozialversicherungsbeiträge an und legte die
beiden Rechnungen über die Erstattungshonorare in Höhe von insgesamt
11.451,33 EUR vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -)
änderte daraufhin gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO)
die Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2002 und 2003 dergestalt,
dass die erstatteten Versicherungsbeiträge nicht mehr zum
Sonderausgabenabzug zugelassen wurden. Im Einkommensteuerbescheid 2005 vom
26. Oktober 2006 wurden die Beraterkosten in Höhe von 11.451,33 EUR weder
als Werbungskosten noch als Sonderausgaben berücksichtigt. Das Finanzgericht
(FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit den in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 994 veröffentlichten Gründen ab.
4
Mit der Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
5
Der Kläger beantragt, das
Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 25. März 20092 K 1478/07 aufzuheben und
die Einkommensteuer unter Abänderung des Bescheids vom 26. Oktober 2006 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2007 unter
Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.451,33 EUR
herabzusetzen, hilfsweise die Aufwendungen von den als negative
Sonderausgaben berücksichtigten erstatteten Versicherungsbeiträgen
abzusetzen.
6
Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
7
Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Ansicht der
Vorinstanz sind die streitbefangenen Beratungshonorare als Werbungskosten
bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
8
1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG -).
9
a) Sie liegen nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den
Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht. Dabei muss die Frage, ob der
Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es
sich um Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG
handelt, anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden
werden (ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise BFH-Urteile vom 1.
Februar 2007 VI R 25/03, BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459; vom 11. Januar
2007 VI R 52/03, BFHE 216, 320, BStBl II 2007, 317; vom 24. Mai 2007 VI R
78/04, BFHE 218, 177, BStBl II 2007, 721; vom 6. März 2008 VI R 68/06,
BFH/NV 2008, 1316, und vom 22. Juli 2008 VI R 2/07, BFH/NV 2008, 1837). Die
sogenannte Bedingungslehre begründet als logisch naturwissenschaftliches
Prinzip allerdings noch keinen Zurechnungszusammenhang. Sie allein ist
deshalb zur Abgrenzung von beruflicher und privater Sphäre ungeeignet (vgl.
BFH-Beschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl II 2008,
234). Ein lediglich abstrakter Kausalzusammenhang (Ursache-Folgeverhältnis
im Sinne einer conditio sine qua non) rechtfertigt allein die
einkommensteuerliche Zuordnung von Aufwendungen zur Erwerbssphäre noch
nicht. Denn nach dem Einkommensteuergesetz sind Aufwendungen vielmehr nur
dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in
einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die
wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments
und zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur
einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH-Urteil vom 17.
September 2009 VI R 24/08, BFHE 226, 321, BStBl II 2010, 198). Ob sich der
streitige Aufwand konkret auf die Höhe des Arbeitslohns auswirkt, ist dabei
ohne Belang (BFH-Urteil in BFHE 216, 320, BStBl II 2007, 317).
10
b) Auch Kosten der Rechtsverfolgung
(Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) können danach Werbungskosten
sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt,
in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Der Zusammenhang
mit der Einkunftsart ist nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den
Vorstellungen des Steuerpflichtigen, zu entscheiden. Mit der Einkunftsart
der nichtselbständigen Arbeit hängen die das Arbeitsverhältnis betreffenden
bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zusammen
(BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II
1984, 314).
11
Aber auch die mit einer Beschäftigung (§ 7
des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV -) einhergehenden
öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten weisen den erforderlichen
Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus § 19 EStG auf. Denn die
Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelmäßig Ausfluss eines
Arbeitsverhältnisses (Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 19. August
20085 AZB 75/08, Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung -
USK - 2008, 50). Deshalb zählen insbesondere Aufwendungen des
Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV
(sog. Statusfeststellungsverfahren), das die Feststellung der
Sozialversicherungspflicht einer Beschäftigung zum Gegenstand hat (Urteile
des Bundessozialgerichts vom 11. März 2009 B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17, und
vom 4. Juni 2009 B 12 R 6/08 R, USK 2009, 72), zu den Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
12
2. Die Entscheidung des FG, den
streitbefangenen Honoraraufwand wegen des nur losen (mittelbaren)
Zusammenhangs mit dem Einkünfteerzielungstatbestand nach § 19 EStG als
steuerunerhebliche Aufwendungen der Lebensführung nicht zum
Werbungskostenabzug zuzulassen, entspricht diesen Grundsätzen nicht. Sie
verkennt den Veranlassungszusammenhang von honorierter Beratungsleistung und
Arbeitsverhältnis. Die Vorinstanz hat insoweit bindend festgestellt, dass
die Beratung auf die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des
Klägers (vgl. § 7a SGB IV) zielte. Diese Frage beantwortet sich nach der Art
der Beschäftigung (§ 7 SGB IV) und steht damit in unmittelbarem Zusammenhang
mit dem Arbeitsverhältnis. Der Umstand, dass das Steuerrecht den gesetzlich
verwendungsgebundenen Teil des Arbeitseinkommens, den Arbeitnehmeranteil am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag, als Vorsorgeaufwendungen durch einen
beschränkten Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG
entlastet, lässt diesen Veranlassungszusammenhang entgegen der Auffassung
des FG nicht entfallen. Insbesondere wird der Beratungsaufwand dadurch nicht
zu einer Angelegenheit des Sonderausgabenabzugs. Ob der Steuerpflichtige
sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, betrifft das Arbeitsverhältnis
als solches und damit die Ebene der Einkommenserzielung, insbesondere die
Höhe des vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Gehalts. Fragen
der privaten Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen waren hingegen nicht
Gegenstand der Beratungsleistung. Auch dieser Umstand zeigt, dass die
streitigen Aufwendungen nicht als Kosten der Lebensführung einzuordnen sind,
sondern in einem einkommensteuerlich erheblichen Bezug zum Arbeitsverhältnis
stehen.
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Demnach hat die Vorinstanz den
Werbungskostenabzug der geltend gemachten Beratungshonoraraufwendungen zu
Unrecht versagt, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage
stattzugeben ist.
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