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BFH-Urteil vom 3.6.2009 (XI R 34/08) BStBl. 2010 II S. 857
1.
Die entgeltliche Überlassung von Eintrittskarten zu einem sportlichen oder
kulturellen Ereignis an einen Reiseveranstalter ist keine Lieferung, sondern
eine sonstige Leistung.
2.
Der Ort dieser Leistung bestimmt sich in Ermangelung einer Spezialregelung
gemäß § 3a Abs. 1 UStG nach dem Sitzort des leistenden Unternehmers.
UStG
1993 § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 9, § 3a Abs. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
6. März 2008 5 K 684/02 (EFG 2009, 217)
Sachverhalt
I.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) stellte im Streitjahr 1996 für
Reiseveranstalter Paketreisen zusammen. Diese enthielten auch Umsätze aus
der Veräußerung von Eintrittskarten für ausländische Veranstaltungen. Im
Wesentlichen handelt es sich dabei um Autorennen in Monza, Imola und Monte
Carlo. Der Ein- und Verkauf der Karten erfolgte im eigenen Namen und für
eigene Rechnung. Das wirtschaftliche Risiko aus dem Kartenhandel lag
ausschließlich bei der Klägerin. Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf
erfasste die Klägerin nicht in ihrer Umsatzsteuererklärung 1996.
Dem folgte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Anschluss an eine Außenprüfung
bei der Klägerin nicht. Er ging vielmehr davon aus, dass die
streitbefangenen Leistungen nach § 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993
(UStG) im Inland steuerbar seien. Die abweichende Regelung in § 3a Abs. 2
Nr. 3 Buchst. a UStG sei hier nicht einschlägig. Die Klägerin sei nicht als
Veranstalter anzusehen, weil sie nicht selbst Ort und Zeit der Darbietung
bestimmen könne. Sie übertrage mit dem Kartenverkauf lediglich das Recht auf
Teilnahme an der Veranstaltung. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne
Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2009, 217 veröffentlicht.
Zur Begründung der Revision
trägt die Klägerin vor, sie sei abweichend von der Rechtsauffassung des FG
der Meinung, dass es sich bei dem Kartenverkauf nicht um eine sonstige
Leistung, sondern um eine Lieferung handle. Dies habe zur Folge, dass sich
der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 UStG an dem jeweiligen
Veranstaltungsort befinde, an dem den Reiseteilnehmern die Eintrittskarten
ausgehändigt worden seien. Mithin liege ein nicht steuerbarer Auslandsumsatz
vor.
Da das FG noch keine
tatsächlichen Feststellungen dahingehend getroffen habe, wo die
Eintrittskarten tatsächlich ausgehändigt worden seien - nämlich überwiegend
am Veranstaltungsort -, müsse die Sache ggf. zur Bestimmung des Orts der
Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG bzw. § 3 Abs. 7 UStG an das FG
zurückverwiesen werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz den Umsatzsteuerbescheid
1996 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung dahingehend zu
ändern, dass die Umsatzsteuer auf ./. 6.092,28 DM (./. 3.114,93 EUR)
festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zu Recht angenommen, dass die
Erlöse der Klägerin aus dem Verkauf der Eintrittskarten im Inland steuerbar
sind.
1. Der Zwischenhandel mit Eintrittskarten
ist umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs. 9 UStG.
a) Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9
UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Eine Lieferung ist nach § 3
Abs. 1 UStG gegeben, wenn der Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter
einen Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen
Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
b) Entscheidend für die Abgrenzung einer
Lieferung von einer sonstigen Leistung ist der Charakter des Umsatzes aus
der Sicht des Durchschnittsverbrauchers. Maßgebend ist dabei, welche
Elemente überwiegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Juni
2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, m.w.N.). Es kommt darauf
an, welche Bestandteile der Leistung unter Berücksichtigung des Willens der
Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bedingen (vgl.
BFH-Urteil vom 25. November 1976 V R 71/72, BFHE 120, 568, BStBl II 1977,
270).
Dient die Übertragung des Gegenstands dazu,
die Übertragung eines Rechts oder eine bestimmte Nutzung zu ermöglichen,
steht regelmäßig die Dienstleistung im Vordergrund. Die Überlassung von
Gegenständen, die zur Übertragung, Auswertung oder Ausnutzung eines Rechts
erforderlich sind, ist in aller Regel von untergeordneter Bedeutung (vgl.
Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 51; Leonard in Bunjes/Geist,
UStG, 9. Aufl., § 3 Rz 41, jeweils m.w.N.).
Mit einer Fahrkarte oder einer
Eintrittskarte, die zivil-rechtlich als sog. kleine Inhaberpapiere i.S. von
§ 807 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten (vgl. Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 11. September 2008 I ZR 74/06, BGHZ 178, 63, unter
III.), erwirbt der Inhaber das Recht, eine bestimmte Leistung des
Verpflichteten in Empfang zu nehmen. Der wesentliche Inhalt des Geschäfts
ist der mit dem Erwerb der Eintrittskarte verbundene Anspruch auf eine
Dienstleistung. Der wirtschaftliche Gehalt der Leistung ist auf den Besuch
einer Veranstaltung gerichtet. Der Verkauf einer Eintrittskarte stellt daher
keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung dar. Dies entspricht auch
der ganz überwiegend in der Literatur und finanzgerichtlichen Rechtsprechung
vertretenen Auffassung (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Februar
2002 4 V 1751/00, EFG 2002, 720; Hessisches FG, Beschluss vom 2. März 20076
V 3503/06, juris; Möhlenkamp, Deutsches Steuerrecht 2006, 981; Grambeck,
Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2009, 220; Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., §
3 Rz 58; Kossack in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3a UStG Rz 18; Michl in
Offerhaus/ Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 22).
Auch im Gemeinschaftsrecht wird die
Überlassung von Eintrittskarten als sonstige Leistung und nicht als
Lieferung beurteilt.
Durch Art. 3 der Richtlinie 2008/8/EG des
Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich
des Ortes der Dienstleistung (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 44/11)
sind deren Art. 53 und 54 mit Wirkung vom 1. Januar 2011 neu gefasst worden.
In dieser Fassung des Art. 53 wird ausdrücklich der "Ort einer
Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen betreffend die
Eintrittsberechtigung" genannt. Daraus ergibt sich unmissverständlich, dass
die Eintrittsberechtigung gemeinschaftsrechtlich als Dienstleistung und
nicht etwa als Lieferung angesehen wird.
Der Senat vermag sich daher nicht der
abweichenden Literaturmeinung anzuschließen, wonach der Zwischenhandel mit
Eintrittskarten als Lieferung anzusehen ist (vgl. Hey/Hoffsümmer, UR 2005,
641).
Dem steht auch nicht entgegen, dass die
Überlassung eines Lotterieloses nach der Rechtsprechung des BFH als
Lieferung gilt (Urteil vom 10. Dezember 1959 V 317/57 U, BFHE 70, 209, BStBl
III 1960, 77). Denn der BFH stellt in dieser Entscheidung maßgeblich darauf
ab, dass ein Lotterielos nach seiner verkehrssteuerrechtlich geprägten
Auffassung keine Inhaberschuldverschreibung und damit auch kein Wertpapier
ist. Der Senat kann offenlassen, ob er sich dieser Meinung anschließen
könnte. Jedenfalls für den Fall einer Eintrittskarte folgt der Senat - wie
aufgezeigt - der zivilrechtlichen Betrachtungsweise, wonach diese ein
Wertpapier darstellt, das den die Leistung prägenden Anspruch auf den Besuch
einer Veranstaltung verbrieft. Schon darin liegt ein
entscheidungserheblicher Unterschied zu dem genannten Urteil des BFH zur
umsatzsteuerrechtlichen Einordnung der Überlassung eines Lotterieloses.
2. Dem FG ist auch darin zu folgen, dass
sich der Ort der von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen nach § 3a Abs.
1 UStG an ihrem Geschäftssitz befindet.
a) Insbesondere greift nicht die in § 3a
Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG enthaltene Spezialregelung ein. Nach dieser
Vorschrift gilt "für künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende,
sportliche, unterhaltende und ähnliche Leistungen einschließlich der
Leistungen der jeweiligen Veranstalter" der Tätigkeitsort als Leistungsort.
Veranstalter ist derjenige, der die bezeichneten Tätigkeiten im eigenen
Namen und für eigene Rechnung einem größeren Publikum zugänglich macht (vgl.
Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3a Rz 88, m.w.N.). Der Veranstalter
trifft die organisatorischen Maßnahmen dafür, dass die Veranstaltung
stattfinden kann und bestimmt dabei die Umstände, den Ort und die Zeit
seiner Darbietungen selbst (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1995 XI R 20/94,
BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519, m.w.N.).
aa) Die Klägerin ist nicht als
Veranstalterin in diesem Sinne anzusehen. Denn sie hat nach den den Senat
bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO
lediglich im Rahmen ihres Unternehmens die Eintrittskarten veräußert. Die
Organisation der Veranstaltungen selbst oblag anderen Unternehmen.
bb) Aus diesem Grund ist der Verkauf von
Eintrittskarten im Streitfall auch keine Nebenleistung zur Hauptleistung des
jeweiligen Veranstalters. Denn dies würde voraussetzen, dass es sich um
Tätigkeiten desselben Unternehmers handelt. Entgeltliche Leistungen
verschiedener Unternehmer sind auch dann jeweils für sich zu beurteilen,
wenn sie gegenüber demselben Leistungsempfänger erbracht werden und die
weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung
erfüllt sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Oktober
2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, m.w.N.).
cc) Der Zwischenhandel mit Eintrittskarten
stellt auch keine mit der Veranstaltung zusammenhängende unerlässliche
Nebenleistung i.S. von § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG dar. Denn dies gilt
ausschließlich für Leistungen, die für die jeweilige künstlerische,
wissenschaftliche etc. Leistung unerlässlich sind, wie z.B. die
tontechnische Unterstützung der Darstellung, Bühnenbeleuchtung, Dekoration
etc. (vgl. im Einzelnen Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3a Rz 95,
m.w.N.). Dazu gehört der Zwischenhandel mit Eintrittskarten nicht.
Dieser Auslegung steht auch nicht Art. 9
Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG
des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern entgegen. Nach dieser Bestimmung gilt
"als Ort der folgenden Dienstleistungen der Ort, an dem diese
Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden:
- Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur,
der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der
Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten, einschließlich derjenigen der
Veranstalter solcher Tätigkeiten sowie gegebenenfalls der damit
zusammenhängenden Tätigkeiten, ..."
Der Wortlaut dieser Bestimmung ist zwar
weiter gefasst als § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG. Nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind aber nur "alle jene
Leistungen als mit einer Tätigkeit insbesondere auf dem Gebiet der Künste
oder der Unterhaltung zusammenhängende Dienstleistungen anzusehen, die zwar
selbst keine solche Tätigkeit darstellen, aber für ihre Ausübung
unerlässlich sind" (vgl. Urteil vom 26. September 1996 Rs. C-327/94 - Dudda
-, Slg. 1996, I-4595, Randnr. 27). Der Zwischenhandel mit Eintrittskarten
stellt keine Tätigkeit dar, die für die Ausübung der künstlerischen oder
unterhaltenden Tätigkeit unerlässlich ist.
b) Ferner kann offenbleiben, ob der Verkauf
der Eintrittskarten im Rahmen der jeweiligen Paketreise an andere
Unternehmer als eine einheitliche Leistung anzusehen ist. Denn auch für
diesen Fall bleibt es bei dem in § 3a Abs. 1 UStG vorgesehenen Leistungsort
am Geschäftssitz der Klägerin.
Läge eine einheitliche Leistung in der Form
von Haupt- und Nebenleistungen vor, gäbe im Streitfall aus Sicht der
Veranstaltungsteilnehmer der Besuch der konkreten Veranstaltung als sog.
"Spitzenereignis" dem Leistungspaket das Gepräge. In diesem Fall wäre der
Verkauf der Eintrittskarten jedenfalls keine Nebenleistung zur Unterbringung
der Veranstaltungsteilnehmer im Hotel, da es sich insoweit - anders als bei
einer Verpflegungsleistung - nicht um eine übliche Nebenleistung handelt.
Als Leistungsort käme daher auch nicht der Belegenheitsort der jeweiligen
Hotels nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG in Betracht (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15.
Januar 2009 V R 9/06, BFHE 224, 166). Vielmehr bliebe es für diesen Fall
hinsichtlich des Zwischenhandels mit den Eintrittskarten bei der
Leistungsortbestimmung des § 3a Abs. 1 UStG.
Handelte es sich aus Sicht des
Durchschnittsbetrachters um eine einheitliche Leistung unter dem
Gesichtspunkt, dass eine Aufspaltung derselben wirklichkeitsfremd wäre, wäre
der Leistungsort ebenfalls nach der Auffangregel des § 3a Abs. 1 UStG zu
bestimmen (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3a Rz 42, m.w.N.). Denn
diese einheitliche Leistung bestünde aus mehreren Dienstleistungselementen,
die jeweils für sich betrachtet - wie im Streitfall - unter verschiedene
Leistungsortregelungen fielen. In einem solchen Fall wäre gleichermaßen § 3a
Abs. 1 UStG für die Bestimmung des Leistungsorts anwendbar.
c) Schließlich handelt es sich bei dem
Zwischenhandel mit Eintrittskarten auch nicht um eine Besorgungsleistung
i.S. von § 3 Abs. 11 UStG, weil die Klägerin nach den den Senat bindenden
tatsächlichen Feststellungen des FG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
gehandelt hat (vgl. auch Urteil des FG Rheinland-Pfalz in EFG 2002, 720).
3. Soweit der bezifferte Klageantrag auch
den Verkauf von Eintrittskarten für inländische Veranstaltungen umfasst,
bestimmt sich der Ort der von der Klägerin ausgeführten Dienstleistungen
ebenfalls nach § 3a Abs. 1 UStG und liegt damit gleichermaßen im Inland. Die
Leistungen sind daher nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine
Steuerfreiheit der Leistungen nach § 4 Nr. 20 UStG scheidet schon deshalb
aus, weil die Klägerin nicht selbst Veranstalterin war. Hierzu wird auf die
Ausführungen unter II.2.a aa verwiesen.
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