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BFH-Urteil vom 15.10.2009 (XI R 52/06) BStBl. 2010 II S. 869
Umsätze aus sog. Mailingaktionen als einheitliche sonstige Leistungen
Ein
Unternehmer, der im Rahmen sog. "Mailingaktionen" an gemeinnützige
Organisationen in Italien ein Bündel von Leistungen zur Planung,
Herstellung, Verteilung und Erfolgskontrolle von Serienbriefen erbringt, um
deren Adressaten zur Zahlung von Spenden zu bewegen, führt gegenüber seinen
Auftraggebern eine einheitliche sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG
und keine steuerermäßigte Lieferung von Druckschriften aus.
UStG § 3 Abs. 9, § 3a Abs. 1,
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 49 der Anlage.
Vorinstanz: Niedersächsisches
FG vom 23. Februar 2006 5 K 697/03 (EFG 2006, 1014)
Sachverhalt
I.
Streitig ist die
umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen im Zusammenhang mit der
Planung, Herstellung und Distribution sog. Mailings (Serienbriefe zum Zwecke
der Information und des Spendensammelns) für gemeinnützige Organisationen in
Italien.
Im Streitjahr 2001 gründete
die S-AG die im Inland ansässige S-GmbH. Unternehmensgegenstand der S-GmbH
war der Aufbau und Betrieb von Direktmarketing-Aktivitäten in Italien.
Während des Revisionsverfahrens wurde sie auf die K-GmbH, die (nunmehrige)
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), verschmolzen.
Die S-GmbH erstellte in
Abstimmung mit dem jeweiligen Auftraggeber eine Informationsschrift, wobei
sie die gesamte Redaktion übernahm. Sie mietete von Listeneignern die
Adressen "spendenaffiner" Personen zum einmaligen Gebrauch an. Sie vergab
den Druckauftrag an eine Druckerei. Zur Versendung wurden die Briefe
entweder an einen "Lettershop" nach Italien übersandt, der die Briefe
kuvertierte, oder sie wurden bereits in der Druckerei kuvertiert und von
dort direkt nach Italien geschafft.
Anhand der Kennziffern der
in den versandten Briefen enthaltenen Überweisungsträger ermittelte die
S-GmbH, welche der angeschriebenen Personen gespendet hatten. Sie erstellte
hierüber für ihre Auftraggeber eine Statistik. Diese nachbereitenden
Arbeiten dienten wiederum der Vorbereitung weiterer Mailings (sog.
Housemailings) im Rahmen des jeweiligen Mailplans.
Für den
Voranmeldungszeitraum August 2001 erklärte die S-GmbH nicht steuerbare und
nicht steuerpflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen,
und machte gleichzeitig Vorsteuern in Höhe von 26.541 EUR geltend. Im
Verlauf einer anschließenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung reichte sie weitere
Voranmeldungen für September bis Dezember 2001 ein, in denen sie ebenfalls
nicht steuerbare und nicht steuerpflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug
nicht ausschließen, sowie Vorsteuern in Höhe von insgesamt 60.480 EUR
geltend machte.
Im Anschluss an die
Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA -) zu dem Ergebnis, dass die S-GmbH gemäß § 3a Abs. 1 des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) im Inland steuerpflichtige sonstige
Leistungen ausführe, die dem Regelsteuersatz unterlägen. Mit ihren
Leistungen erbringe sie - auch aus Sicht der Leistungsempfänger - nicht nur
die Lieferung von versandfertigen Werbedrucksachen, sondern ein
Leistungsbündel, das eine einheitliche sonstige Leistung in Gestalt einer
jeweils strategisch angelegten, individuell abgestimmten und auf Dauer
ausgerichteten Werbekampagne beinhalte. Die Kunden seien nicht an dem
körperlichen Erhalt der Mailings, sondern an der damit verknüpften
Geistestätigkeit der S-GmbH und dem erhofften Effekt eines Anstiegs der
Mitgliedschaften und des Spendeneingangs interessiert. Das FA erließ hierauf
entsprechend geänderte Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Juli bis
Dezember 2001.
Ebenso wurde im
Steuerbescheid vom 17. Juli 2003 hinsichtlich der - während des
Einspruchsverfahrens abgegebenen - Umsatzsteuerjahreserklärung für 2001
verfahren.
In der mündlichen
Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) verständigten sich die Beteiligten
dahingehend, dass der Anteil der Adressenbeschaffung 25 % der
Ausgangsumsätze betragen habe.
Die Klage hatte keinen
Erfolg (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte
- EFG - 2006, 1014). Die Umsätze aus den Mailingaktionen seien gemäß § 3
Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 UStG in Deutschland steuerbar. Zu Recht
habe das FA die streitigen Leistungen der S-GmbH als einheitliche
Gesamtleistung beurteilt, bei der weder die Adressengestellung noch die
Herstellung und der Versand der Informationsschriften als selbständige
Leistungen anzusehen seien. Diese Leistungen seien zwar am Markt auch
getrennt zu bekommen, im Streitfall aber eingebettet in eine
Komplettdienstleistung im Rahmen des Spendenmarketings. Die Information über
die Organisationen und ihre aktuellen Projekte sei kein Selbstzweck, sondern
bezwecke, Spendengelder und Mitgliedschaften einzuwerben, wie sich den
regelmäßig beigefügten Spendenaufrufen mit vorbereiteten Überweisungsträgern
und deren Auswertung entnehmen lasse.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Dem FG könne zwar
darin gefolgt werden, dass es sich bei den Tätigkeiten der S-GmbH um eine
einheitliche Leistung handele und - im Gegensatz zu dem Urteil des FG Köln
vom 13. Februar 200315 K 600/99 (EFG 2003, 810) - dass die
Adressengestellung nicht als selbständige Hauptleistung anzusehen sei,
sondern in eine komplette Dienstleistung eingebettet sei.
Leistungsgegenstand sei aber
immer die Herstellung der Informationsschriften bzw. das Endprodukt
"Mailing" gewesen, vergleichbar der Erstellung einer Zeitschrift. Die damit
einhergehenden notwendigen Nebenleistungen hätten für ihre Kunden keine
eigenen Zwecke gehabt, sondern nur ermöglicht, die Hauptleistung "Mailing"
unter optimalen Bedingungen zu erhalten. Diese unterliege gemäß § 12 Abs. 2
Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der dazugehörigen Anlage zum UStG dem ermäßigten
Steuersatz. Die Bezeichnung Komplettdienstleistung durch das FG sei
irreführend, da Lieferungen typischerweise stets mit Dienstleistungen
verbunden seien, die auch individuell und kundenspezifisch ausgerichtet
seien. Das FG habe versäumt, Beweis über die Tatsache zu erheben, ob es sich
im Streitfall um "Komplettdienstleistungen im Bereich des Spendenmarketings"
gehandelt habe.
Selbst wenn die
Spendeneinwerbung im Vordergrund gestanden haben sollte, so wäre die
Tätigkeit der S-GmbH jedenfalls deshalb gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m.
Nr. 49 der dazugehörigen Anlage zum UStG steuerbegünstigt, weil
gemeinnützige Organisationen keine Werbungtreibende im Sinne dieser
Vorschrift seien. Es sei zu unterscheiden zwischen Druckerzeugnissen zur
Werbung für entgeltliche Leistungen (geschäftliche Werbung) und solchen für
andere Zwecke, wie z.B. Beitrittswerbung. Spendenwerbung sei keine Werbung,
die eine entgeltliche Leistung betreffe.
Während des
Revisionsverfahrens hat das FA den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom
17. Juli 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2003
durch Bescheide vom 24. April 2006 und vom 17. Juli 2006 geändert. Die
Beteiligten haben erklärt, die Änderungsbescheide berührten die
tatsächlichen Grundlagen des Streitfalls nicht.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer 2001 auf ./. 70.447,72
EUR herabzusetzen, hilfsweise die erbrachte Leistung entsprechend dem Urteil
des FG Köln in EFG 2003, 810 zu beurteilen, indem 25 % der Umsätze als
Lieferung behandelt und nur die restlichen 75 % dem ermäßigten Steuersatz
unterworfen werden.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Die S-GmbH habe eine
Komplettdienstleistung im Rahmen des Spendenmarketings (sog. Fundraising)
erbracht, die nicht in ihre Einzelbestandteile zergliedert werden könne.
Eine Bewertung der Bereitstellung der angemieteten Adressen als selbständige
Hauptleistung verstoße gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung.
Dass Informationsschriften isoliert betrachtet als Druckerzeugnisse in die
Nr. 49 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG einzureihen seien, besage nichts
für die Frage, ob die Leistung im Streitfall eine einheitliche sonstige
Leistung sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision führt zwar aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, hat aber in
der Sache keinen Erfolg. Der Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache
selbst und weist die Klage auf der Grundlage der fortgeltenden
finanzgerichtlichen Feststellungen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 12. September 2007 VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37, m.w.N.) als
unbegründet ab. Die streitigen Umsätze sind einheitliche sonstige Leistungen
und im Inland mit dem Regelsteuersatz steuerbar (§ 3 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. §
3a Abs. 1, § 12 Abs. 1 UStG).
1. Das FG hat über den angefochtenen
Umsatzsteuerbescheid vom 17. Juli 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 18. August 2003 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids traten
während des Revisionsverfahrens die Änderungsbescheide vom 24. April 2006
und vom 17. Juli 2006. Damit liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung
suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil
insoweit keinen Bestand mehr haben kann (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember
2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; in BFH/NV 2008, 37; vom
13. Dezember 2006 VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568, und vom
28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
Die Änderungsbescheide vom 24. April 2006
und vom 17. Juli 2006 wurden nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO
Gegenstand des Revisionsverfahrens (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 55, BStBl
II 2008, 695). Da sich hinsichtlich der streitigen Punkte durch diese
Bescheide keine Änderungen ergeben haben und die Klägerin auch keinen
weitergehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der
Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an
einem Verfahrensmangel, sodass die vom FG getroffenen tatsächlichen
Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie
bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (vgl.
BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 37, m.w.N.).
Die Verschmelzung der ursprünglichen
Klägerin, der S-GmbH, auf die K-GmbH führte zur Gesamtrechtsnachfolge (vgl.
BFH-Urteil vom 9. August 2007 V R 27/04, BFHE 217, 314) und damit zum
gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des
Umwandlungsgesetzes). Die K-GmbH ist daher an Stelle der S-GmbH nunmehr als
Klägerin beteiligt.
2. Die Mailingaktionen der S-GmbH sind vom
FG zu Recht als jeweils einheitliche Leistung beurteilt worden.
a) Für die Annahme einer einheitlichen
Leistung sind im Wesentlichen die folgenden gemeinschaftsrechtlich geklärten
Grundsätze zu berücksichtigen (vgl. z.B. Urteile des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 - CPP
-, Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1999, 254, Randnrn. 28
ff., und vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04 - Levob Verzekeringen und OV Bank
-, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Randnrn. 19 ff.; BFH-Urteile
vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98; vom 6.
Dezember 2007 V R 66/05, BFHE 221, 60, BStBl II 2008, 638, und vom 24.
Januar 2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, m.w.N.): Zum einen
ist jede Leistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu
betrachten, zum anderen darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im
Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich
aufgespalten werden. Daher ist das Wesen bzw. sind die charakteristischen
Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der
Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder
eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des
Durchschnittsverbrauchers abzustellen.
Tragen mehrere, untereinander gleich zu
wertende Faktoren zur Erreichung eines Zieles bei und gehören sie aus diesem
Grunde zusammen, so ist die Annahme einer einheitlichen Leistung nur
gerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, dass sie
bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten (vgl. BFH-Urteil
vom 15. September 1994 XI R 51/91, BFH/NV 1995, 553; BFH-Beschluss vom 18.
Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197). Nach dem
EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 (Levob
Verzekeringen und OV Bank) ist bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel
darstellt, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder
mehrere getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung und
ob im letztgenannten Fall diese einheitliche Leistung als Dienstleistung
einzustufen ist.
b) Auf der Grundlage der tatsächlichen
Feststellungen des FG ist im Streitfall bei der jeweiligen Mailingaktion von
einer einheitlichen Leistung auszugehen. Aus der maßgeblichen Sicht des
Durchschnittsverbrauchers bot die S-GmbH ein Leistungsbündel an, in dem die
einzelnen Leistungen aufeinander abgestimmt waren, um die
Spendenbereitschaft der Adressaten der Spendenbriefe zu wecken. Dadurch,
dass die S-GmbH anhand der Kennziffern auf den Überweisungsträgern die
Spender feststellen konnte, war sie in der Lage, gezielt erneute
Spendenbriefe als sog. Housemailings nur an diejenigen Adressaten zu
versenden (Nachfassaktion), die bereits auf frühere Mailings der jeweiligen
Organisation reagiert hatten. Grundlage hierfür war aber die erstmalige
Beschaffung der Adressen geeigneter potentieller Spender von den
Listeneignern durch die S-GmbH. Die Leistungen der S-GmbH bauten somit
aufeinander auf und gingen über die schlichte Herstellung und Versendung der
Informationsschriften bzw. Mailings hinaus, wobei die einzelnen Leistungen
jeweils ineinander griffen. Eine Herauslösung etwa der Beschaffung der
Adressenlisten aus dem von der S-GmbH geschuldeten Leistungsbündel erschiene
danach künstlich. Das wird im Revisionsverfahren von der Klägerin auch zu
Recht nicht mehr in Frage gestellt.
3. Die jeweiligen Mailingaktionen der
S-GmbH sind einheitliche sonstige Leistungen und keine steuerbegünstigten
Lieferungen von Druckwerken (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage
zum UStG).
a) Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen
eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein
Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im
eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 UStG Leistungen,
die keine Lieferungen sind.
Ob bei einer einheitlichen Leistung, die
sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist,
der Umsatz als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung (sonstige
Leistung) zu beurteilen ist, richtet sich im Wesentlichen nach folgenden
gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätzen: Im Rahmen einer
Gesamtbetrachtung ist das Wesen des Vorgangs zu ermitteln; maßgebend ist die
Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 1999, I-973,
UR 1999, 254, Randnr. 28; vom 17. Mai 2001 Rs. C-322/99 und C-323/99 -
Fischer und Brandenstein -, Slg. 2001, I-4049, BFH/NV Beilage 2001, 177,
Randnr. 62, und in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38; BFH-Urteile
vom 9. Oktober 2002 V R 5/02, BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470, und in BFHE
210, 182, BStBl II 2006, 98). Wenn die Lieferungen nur einen Teil des
Umsatzes darstellen, die Dienstleistungen aber qualitativ überwiegen, ist
der Umsatz als Dienstleistung zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2001,
I-4049, BFH/NV Beilage 2001, 177, Randnr. 62; vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94 -
Faaborg-Gelting Linien -, Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282, Randnr. 14;
BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 55/06, BFHE 223, 539).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt
sich bei einer Gesamtbetrachtung der von der S-GmbH entfalteten komplexen
Tätigkeit die jeweilige Mailingaktion ihrem gesamten Wesen und ihrer
Zielsetzung nach als einheitliche sonstige Leistung dar.
Bei einer qualitativen Abwägung zwischen
den Lieferelementen und den Leistungselementen überwiegen die
Dienstleistungselemente. Denn der wirtschaftliche Gehalt des Umsatzes liegt
entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in der Zuwendung eines in den
Werbebriefen verkörperten Sachwerts und dem Bedrucken von Papier durch die
damit beauftragten Druckereien (Lieferung), sondern darin, durch ein
abgestuftes und aufeinander abgestimmtes Vorgehen möglichst gezielt
geeignete potentielle Spender der jeweiligen Organisationen anzusprechen und
ein möglichst hohes Spendenaufkommen zu erreichen. Unter den
Einzelleistungen überwiegen diejenigen mit Dienstleistungscharakter, nämlich
die Anmietung der Adressenlisten "spendenaffiner" Personen, die
Erfolgskontrolle anhand der Spendeneingänge zur Optimierung weiterer
Aktionen und die der Durchführung zugrunde liegende Gesamtkonzeption; der
Lieferung der Informationsschriften allein ist im Vergleich hierzu kein
vergleichbares Gewicht beizumessen. Dass die Informationsschriften einen für
die Gesamtleistung notwendigen Teil darstellen, ändert insoweit nichts, denn
dies gilt gleichermaßen für die Anmietung der Adressen und die nachträgliche
Erfolgskontrolle.
c) Gemäß § 3a Abs. 1 UStG wurden die
streitigen Dienstleistungen an dem Ort ausgeführt, von dem aus die S-GmbH
ihr Unternehmen betrieben hat. Sie sind somit im Inland steuerbar und
steuerpflichtig. Dass sich der Leistungsort im Streitfall aufgrund von
Sonderregelungen - etwa des § 3a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 4 UStG -
nicht nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt, ist weder vorgetragen noch anhand der
Feststellungen des FG ersichtlich.
4. Das Vorbringen, das FG habe es versäumt,
Beweis zu erheben über die "Tatsachenfrage", ob die S-GmbH
"Komplettdienstleistungen im Bereich des Spendenmarketings" erbrachte, ist
nicht geeignet, einen Verfahrensmangel des FG darzulegen. Die Frage, ob es
sich im Streitfall um "Komplettdienstleistungen im Bereich des
Spendenmarketings" handelt, ist anhand der einzelnen vom FG festgestellten
Teilelemente des Leistungsprogramms der S-GmbH und der sonstigen
Begleitumstände zu beurteilen. Welche konkreten Sachverhalte noch weiterer
Aufklärung bedurften und was dazu zu veranlassen gewesen wäre, hat die
Klägerin nicht dargetan. Sie trägt insoweit lediglich vor, die Herstellung
und der Versand der Informationsschriften seien das Ziel gewesen und die
anderen Tätigkeiten lediglich das Mittel zu diesem Zweck. Damit gibt sie
aber nur ihre Wertung des Sachverhalts wieder und benennt keine Tatsachen,
die zusätzlich zu den Feststellungen des FG konkret zu beweisen wären. Im
Grunde wendet sie sich gegen die rechtliche Wertung ihrer Leistungen als
Dienstleistungen und nicht als Lieferungen. Dies ist aber keine Tat- sondern
eine Rechtsfrage.
5. Aus den von der Klägerin vorgelegten
unverbindlichen Zolltarifauskünften, in denen die Mailings zolltariflich als
steuerbegünstigte Lieferungen klassifiziert wurden, folgt nicht, dass die
Leistungen der S-GmbH dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Ausgangspunkt
für die Bestimmung des Steuersatzes ist zunächst die umsatzsteuerrechtliche
Beurteilung, ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt. Erst wenn
geklärt ist, dass die Lieferung eines Gegenstands vorliegt, kann geprüft
werden, ob der Gegenstand unter eine Nummer der Liste der dem ermäßigten
Steuersatz unterliegenden Gegenstände fällt (vgl. Birkenfeld,
Umsatzsteuer-Handbuch, § 141 Rz 116 und 121). Da die S-GmbH im Streitfall
sonstige Leistungen erbracht und es somit bereits an der Lieferung eines
Gegenstands gefehlt hat, kommt der zollrechtlichen Tarifierung keine
Bedeutung zu.
6. Die Revision hat auch mit ihrem
Hilfsantrag keinen Erfolg. Der Auffassung, die jeweils erbrachte Leistung
sei entsprechend dem Urteil des FG Köln in EFG 2003, 810 als zwei
(selbständige) - unterschiedlichen Steuersätzen unterliegende -
Hauptleistungen zu beurteilen (25 % der Umsätze für die Adressengestellung
und die restlichen 75 % für die Informationsschriften), ist aus dem unter
II.2. angeführten Gründen nicht zu folgen.
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