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BFH-Urteil vom 22.4.2010 (V R 26/08) BStBl. 2010 II S. 883
Bemessungsgrundlage bei Umsätzen von Spielautomaten
Bei
Umsätzen mit Spielautomaten mit oder ohne Gewinnmöglichkeit ist die
Vergnügungsteuer nicht aus der Bemessungsgrundlage herauszurechnen.
UStG 1999/2005 § 10; Richtlinie 77/388/EWG
Art. 11 Teil A Abs. 2 Buchst. a.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 3.
Juli 2008 16 K 481/07 (EFG 2008, 2005)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Spielautomaten mit und ohne
Gewinnmöglichkeit. In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2004
und 2005 erklärte sie die Umsätze anhand der Brutto-Kasseneinnahmen
abzüglich der Umsatzsteuer, was unter Berücksichtigung der Vorsteuern für
2004 zu einer Steuer von ... EUR und für 2005 von ... EUR führte. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stimmte den
Erklärungen zu.
2
Gegen den
Umsatzsteuerbescheid 2005 legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte
die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2004 und 2005 jeweils mit der
Begründung, die zu zahlende Vergnügungsteuer müsse aus der
Bemessungsgrundlage herausgerechnet werden. Hierbei berufe sie sich nicht
auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur
Steuerfreiheit von Glücksspielgeräten (Urteil vom 17. Februar 2005 C-453/02,
Linneweber, Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94), sondern begehre die
Besteuerung nach nationalem Recht.
3
Nach erfolglosem
Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Nach § 10 Abs.
1 Satz 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) gehöre zum Umsatz
alles, was der Leistungsempfänger aufwende, außer der Umsatzsteuer. Bei
Umsätzen mit Geldspielgeräten sei nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil
vom 5. Mai 1994 C-38/93, Glawe, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) der
gesetzlich festgelegte Gewinnanteil der Spieler sowie die Umsatzsteuer
abzuziehen, nicht jedoch die Vergnügungsteuer. Bei der Vergnügungsteuer
handele es sich auch nicht um einen durchlaufenden Posten i.S. des § 10 Abs.
1 Satz 6 UStG 2005, weil die Klägerin die Spieleinsätze nicht im Namen und
für Rechnung der Gemeinde einbehalte. Diese trete gegenüber den Spielern in
keiner Weise in Erscheinung. Bei Erhebung der Vergnügungsteuer habe der
Unternehmer vielmehr eine eigene Steuerverbindlichkeit zu erfüllen.
4
Das Urteil ist in
"Entscheidungen der Finanzgerichte" 2008, 2005 veröffentlicht.
5
Hiergegen wendet sich die
Klägerin mit der Revision. Das Urteil des FG verletze § 10 UStG und Art. 11
Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977
zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Der Rechtsauffassung,
wonach die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer nicht um die
Vergnügungsteuer zu kürzen sei, liege ein Denkfehler zugrunde. Die
Vergnügungsteuer sei als Aufwandsteuer auf Abwälzung auf den Verbraucher
angelegt. Der Klägerin sei aber eine Abwälzung nicht möglich, weil ein
reguliertes Einsatz - Gewinnverhältnis mit einem Höchstsatz von 0,20 EUR in
der Spielverordnung vorgeschrieben sei. Zwar sei in Art. 78 Buchst. a der
Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie geregelt, dass Steuern, Zölle und Abgaben in
die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen seien. Gemeint seien
jedoch nur Steuern, die "direkt" etwas mit der Leistung des
Automatenaufstellers zu tun hätten, nicht aber die Vergnügungsteuer. Die
Besteuerung des Umsatzes ohne Herausrechnung der Vergnügungsteuer
widerspreche auch dem EuGH-Urteil Glawe in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994,
548, wonach als Umsatz nur die dem Unternehmer frei zur Verfügung stehende
Gestaltungsmasse anzusehen sei. Schließlich handele es sich bei der
Vergnügungsteuer um einen durchlaufenden Posten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 6
UStG 2005. Dies habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit
Beschluss vom 20. Juni 199013 OVG A 42/88 entschieden. Es habe ausgeführt,
dass für den Charakter als Aufwandsteuer entscheidend sei, ob die Steuerlast
letztlich vom Spieler durch den Spieleinsatz finanziert werde und "mithin in
der Kalkulation des Aufstellers nur einen durchlaufenden Posten darstelle".
6
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Umsatzsteuer 2004 um ... EUR
und die Umsatzsteuer 2005 um ... EUR herabzusetzen.
7
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
9
Das FG hat zu Recht entschieden, dass bei
der Bemessung der Umsatzsteuer von Spielautomaten - gleich ob mit oder ohne
Gewinnmöglichkeit - die Vergnügungsteuer nicht herauszurechnen ist.
10
1. Die Umsätze der Klägerin als
Automatenaufsteller sind nicht gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG steuerbefreit,
weil sie nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen und es sich
nicht um Umsätze einer zugelassenen Spielbank handelt. Zwar kann sich ein
Aufsteller von Geldspielautomaten auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach
Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen,
dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG keine Anwendung findet
(EuGH-Urteil Linneweber in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94;
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Mai 2005 V R 7/02, BFHE 210,
164, BStBl II 2005, 617). Eine Berufung auf die Richtlinie hat die Klägerin
jedoch (im Hinblick auf den bei steuerfreien Leistungen ansonsten
entfallenden Vorsteuerabzug) ausdrücklich abgelehnt.
11
2. Zu Recht hat das FG entschieden, dass
bei der Bemessung des Umsatzes nur die Umsatzsteuer, nicht aber die
Vergnügungsteuer abzuziehen ist.
12
a) Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG
wird der Umsatz für die sonstige Leistung nach dem Entgelt bemessen, wozu
alles gehört, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu
erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Zusätzlich stellt Satz 4 der
Vorschrift klar, dass beim innergemeinschaftlichen Erwerb (auch)
Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die
Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind.
13
Diese Regelungen entsprechen Art. 11 Teil A
Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, der ausdrücklich klarstellt,
dass in die Besteuerungsgrundlage "Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben
mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst" einzubeziehen sind. Danach ergibt
sich, dass außer der Umsatzsteuer Verbrauchsteuern wie hier die
Vergnügungsteuer nicht aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden sind
(bereits BFH-Urteil vom 25. November 1969 II R 22/69, BFHE 97, 444, BStBl II
1970, 386; ebenso z.B. Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rz 182; Heidner
in Bunjes/Geist, 6. Aufl., UStG § 10 Rz 13; Schuhmann in Rau/Dürrwächter,
UStG, 9. Aufl., § 10 Rz 215). Hier gilt nichts anderes als bei den übrigen
überwälzbaren Verbrauchsteuern wie z.B. der Teesteuer, Kaffeesteuer,
Zuckersteuer, Süßstoffsteuer, Tabaksteuer, Biersteuer und der
Branntweinmonopolabgabe (BFH-Urteil in BFHE 97, 444, BStBl II 1970, 386).
14
b) Ein Abzug der Vergnügungsteuer von der
Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer wäre gemäß § 10 UStG nur dann möglich,
wenn die Vergnügungsteuer die Merkmale einer Umsatzsteuer erfüllen würde. In
diesem Falle würde den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehlen, da nach
Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes den Ländern die Gesetzgebungskompetenz
über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern zustehen, "solange und
soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind". Dies
ist jedoch nicht der Fall. Denn sowohl der EuGH (Urteil vom 19. März 1991
C-109/90, Giant NV, Umsatzsteuer-Rundschau 1992, 313), das
Bundesverfassungsgericht - BVerfG - (Beschlüsse vom 1. März 19972 BvR
1599/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1997, 512, und vom
4. Februar 20091 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068, unter C.I.2.
zum Hamburgischen Spielgerätesteuergesetz), als auch der BFH (Beschluss vom
27. November 2009 II B 102/09, juris) haben bereits entschieden, dass die
Vergnügungsteuer nicht die abstrakten Wesensmerkmale einer Umsatzsteuer
aufweist, weil sie keine allgemeine Steuer ist, nicht auf jeder Produktions-
und Vertriebsstufe erhoben wird und sich nicht auf den bei jedem Umsatz
erzielten Mehrwert, sondern "auf den Bruttobetrag aller Einnahmen" bezieht.
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c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
dem EuGH-Urteil Glawe in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548. Danach
besteht bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund
zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt sind, dass ein
bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler
ausgezahlt wird, die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten
tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den
er effektiv selbst verfügen kann. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin
folgt aber hieraus nicht, dass als umsatzsteuerrechtliches Entgelt nur noch
der dem Unternehmer nach Abzug sonstiger Steuern und Betriebsausgaben
verbleibende Reinerlös zu besteuern wäre, denn nicht der Gewinn, sondern der
Umsatz ist Besteuerungsgrundlage der Umsatzsteuer. So hat der EuGH
inzwischen entschieden, dass bei der Veranstaltung von Ratewettbewerben die
gesamte Gegenleistung ohne Abzug der ausgeschütteten Preise zur
Bemessungsgrundlage gehört; diese ständen - anders als im Fall Glawe, in dem
ein Teil der Einnahmen durch eine technische Trennung der Verfügungsgewalt
des Leistenden entzogen war - dem Veranstalter in vollem Umfang zu und
erlaubten ihm, die mit seiner Tätigkeit verbundenen Kosten zu decken
(EuGH-Urteil vom 17.
September 2002 C-498/99, Town & Country Factors Ltd., Slg. 2002, I-7173,
BFH/NV Beilage 2003, 35 Rdnrn. 28
ff.). Dementsprechend hat auch der BFH bei Brieftaubenwetten die gesamten
Wetteinsätze in die Bemessungsgrundlage einbezogen (BFH-Urteil vom 18.
August 2005 V R 42/02, BFHE 211, 80, BStBl II 2007, 137).
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d) Für den Abzug der Vergnügungsteuer von
der Bemessungsgrundlage bei Umsätzen aus Geldspielgeräten spricht nicht,
dass die Vergnügungsteuer auf Abwälzung auf den Verbraucher angelegt und
nach der Darstellung der Klägerin dies wegen der Gewinnbeschränkung der
Spielverordnung nicht möglich ist.
17
aa) Worauf bereits das FG zutreffend
hingewiesen hat, wäre die etwaige Rechtswidrigkeit der Vergnügungsteuer für
die vorliegend maßgebliche Rechtsfrage der Rechtmäßigkeit der
Umsatzsteuerbescheide rechtlich unerheblich (vgl. dazu schon BFH-Urteil in
BFHE 97, 444, BStBl II 1970, 386).
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bb) Im Übrigen hat das BVerfG bereits
entschieden, dass es für die Rechtmäßigkeit einer Vergnügungsteuer genügt,
wenn sie auf die Überwälzung auf den Kunden angelegt ist, auch wenn dies
nicht in jedem Einzelfall gelingt. Die Abwälzbarkeit sei weder durch die
Mindestquote des auszuschüttenden Gewinns noch durch den Höchstbetrag des
Einsatzes ausgeschlossen, da der Automatenaufsteller nicht gehindert sei,
seinen Umsatz zu steigern oder seine Betriebskosten zu senken
(BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068 Leitsatz 3d).
Inwieweit die von der Klägerin erhobene Vergnügungsteuer diesen rechtlichen
Vorgaben genügt, braucht der Senat aus den unter 2.d.aa) genannten Gründen
für die Frage der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide nicht zu
überprüfen (zur Bemessungsgrundlage der Spielgerätesteuer vgl. im Einzelnen
BFH-Beschluss vom 27. November 2009 II B 102/09, juris; Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 20. November 1970 VII C 17.69, HFR
1971, 242; BVerwG-Beschluss vom 10. März 2009 9 B 27/08, BFH/NV 2009, 1391
zur "Bruttokasse" als Steuermaßstab).
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e) Die Vergnügungsteuer ist schließlich
auch kein durchlaufender Posten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG (1999) bzw.
Satz 6 UStG (2005). Nach dieser Vorschrift gehören die Beträge, die der
Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und
verausgabt (durchlaufende Posten), nicht zum Entgelt. Umsatzsteuerrechtlich
ist ein Handeln als sog. Zwischenperson oder als Vermittler nur dann
anzuerkennen, wenn unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen zwei Beteiligten
bestehen, in die die vermittelnde Person zwischengeschaltet ist
(BFH-Beschluss vom 27. Februar 1989 V B 75/88, BFH/NV 1989, 744). Die
Klägerin tritt aber nicht als Vermittler der Vergnügungsteuer zwischen dem
Spieler und der Gemeinde auf. Der Name des Spielers wird der Gemeinde nicht
bekannt. Sie schuldet die Vergnügungsteuer als eigene Schuld. Maßgebend ist
die rechtliche und nicht die wirtschaftliche Betrachtung, da ansonsten auch
die Umsatzsteuer selbst als durchlaufender Posten anzusehen wäre, was die
ausdrückliche Erwähnung in § 10 UStG als Abzugsposten überflüssig machen
würde.
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