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BFH-Urteil vom 6.5.2010 (V R 29/09) BStBl. 2010 II S. 885
"Sphärentheorie": Vorsteuerabzug eines Unternehmers aus der Begebung von
Inhaberschuldverschreibung
1.
Dient eine vom Unternehmer begebene Inhaberschuldverschreibung dazu, seine
umsatzsteuerpflichtige Unternehmenstätigkeit zu finanzieren, ist der
Unternehmer aus den bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibung
entstehenden Kosten zum Vorsteuerabzug berechtigt.
2.
Zur richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 UStG nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG.
UStG 1999/2005 §§ 4, 15; Richtlinie
77/388/EWG Art. 17.
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 24.
Juni 2009 12 K 1944/09 (EFG 2009, 1861)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, die nach ihrem
Unternehmensgegenstand steuerpflichtige Umsätze erbringt, begab als
Anleiheschuldnerin zwei Inhaber-Teilschuldverschreibungen über einen
Gesamtbetrag von … EUR und einer Laufzeit vom 1. Februar 2005 bis 31. Januar
2010. Die Klägerin hatte die Teilschuldverschreibungen mit 7 % zu verzinsen.
Die Teilschuldverschreibungen und die sich aus ihr ergebenden Zinsansprüche
waren für die gesamte Laufzeit der Anleihe in einer bei der A-AG
hinterlegten Sammelurkunde verbrieft. Die Klägerin verpflichtete sich, die
Teilschuldverschreibungen am 1. Februar 2010 zum Nennbetrag zurückzuzahlen.
Als Zahlstelle war die B-Bank für die Klägerin tätig. Die Zahlstelle hatte
die zu zahlenden Beträge als Beauftragte der Klägerin an die C-AG zur
Zahlung an die Anleihegläubiger zu überweisen.
2
Nach den mit der B-Bank für
jede der beiden Schuldverschreibungen gesondert abgeschlossenen Verträgen
über Abwicklungsdienstleistungen und Zahlstellendienst übertrug die Klägerin
auf die B-Bank den Zahlstellendienst als Zentralzahlstelle. Die Klägerin
stellte der B-Bank eine Globalurkunde zur Verfügung, die die B-Bank nach
Prüfung der Sammelverwahrfähigkeit bei der A-AG zur Verwahrung einzureichen
hatte. Der Vertrieb der beiden Schuldverschreibungen sollte durch die
Klägerin ohne Einschaltung der Bank erfolgen. Die Klägerin hatte die Käufer
der beiden Schuldverschreibungen aufzufordern, den jeweiligen Kaufpreis auf
ein bei der B-Bank geführtes Konto zu überweisen. Die Klägerin hatte nach
Eingang des jeweiligen Kaufpreises die B-Bank zu beauftragen,
Schuldverschreibungen in der entsprechenden Stückzahl an den angegebenen
Käufer bei dessen Depotbanken zu übertragen, wodurch das bei der B-Bank
geführte Emissionsdepot der Klägerin entsprechend belastet wurde. Die B-Bank
übernahm Planung, Koordination und Durchführung des Einlösungsdienstes, aber
keine Beratungs- oder Überwachungspflichten hinsichtlich der Vorbereitung
und Platzierung der Schuldverschreibungen, der kapitalmarktrechtlichen
Verpflichtungen wie Prospekt- oder Mitteilungspflichten während der Laufzeit
der beiden Anleihen.
3
Für die Übernahme und
Einrichtung der Zahlstellenfunktion (Konten- und Depoteinrichtungen,
Vornahme und Abgleich von Depotüberträgen sowie Disposition der
Anlagebeträge) erhielt die B-Bank nach beiden Verträgen 1,6 % des
platzierten Anleihevolumens sowie für die Durchführung des
Zahlstellendienstes (Einlösung von Zinsscheinen und Anleiherückzahlung) nach
einem der Verträge weitere 3.000 EUR jährlich. Diese Entgelte "verstanden
sich zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer".
4
Für die Begebung der Anlage
nahm die Klägerin in den Streitjahren 2004 und 2005 Leistungen anderer
Unternehmen für die Prospekterstellung, die Erstellung eines Gesamtkonzepts,
zum "Business Process Outsourcing" zur Zeichnungsabwicklung sowie
Beratungsleistungen in Anspruch. Diese Leistungen wurden ebenso wie die
Leistungen der B-Bank gegenüber der Klägerin umsatzsteuerpflichtig
abgerechnet.
5
Da die Klägerin das durch
die Begebung der beiden Schuldverschreibungen aufgenommene Kapital für ihre
umsatzsteuerpflichtige Unternehmenstätigkeit verwendete, ging sie davon aus,
dass sie aus den für die Begebung der beiden Anleihen entstandenen Kosten
zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
6
Im Anschluss an eine
Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -)
demgegenüber der Auffassung, dass die Klägerin mit der Begebung der
Schuldverschreibungen eine nach § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005
(UStG) steuerfreie Leistung erbracht habe und sie daher nicht zum
Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das FA erließ entsprechende
Änderungsbescheide für beide Streitjahre.
7
Das Finanzgericht (FG) gab
der hiergegen mit Zustimmung des FA eingelegten Sprungklage nach § 45 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) überwiegend statt. Die Klägerin sei zum
Vorsteuerabzug berechtigt, da die für die Begebung der beiden
Schuldverschreibungen bezogenen Leistungen mit der wirtschaftlichen
Gesamttätigkeit der Klägerin direkt und unmittelbar zusammenhingen. Durch
die Begebung der beiden Anleihen selbst habe die Klägerin ebenso wie bei der
Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage keine steuerbare Leistung
erbracht. Es sei insoweit nicht zwischen Eigen- und Fremdkapital zu
differenzieren. Der Vorsteuerabzug sei daher nur insoweit zu versagen, als
die Klägerin im Rahmen ihrer Gesamttätigkeit zu 0,60 % (2004) und 0,64 %
(2005) auch steuerfreie Leistungen ohne Recht auf Vorsteuerabzug erbracht
habe.
8
Die Entscheidung des FG ist
in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2009, 1861 veröffentlicht.
9
Hiergegen wendet sich das FA
mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Bei
den Inhaberschuldverschreibungen handele es sich um Wertpapiere, deren
Ausgabe steuerbar und nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerfrei sei. Es
handele sich nicht um die erstmalige Ausgabe einer gesellschaftsrechtlichen
Beteiligung. Im Vordergrund habe die Beschaffung von Fremdkapital wie bei
einer Darlehensaufnahme gestanden, so dass es auf die Beurteilung bei der
Beschaffung von Eigenkapital nicht ankomme. Die Klägerin sei wie bei einem
gewerbsmäßigen Wertpapierhandel nachhaltig tätig geworden. Ebenso wie bei
einer steuerbaren und steuerfreien Kreditgewährung handele es sich bei der
Emission von Inhaberschuldverschreibungen um die Zurverfügungstellung von
Fremdkapital. Die Beurteilung der Ausgabe neuer Aktien im Rahmen einer
Börseneinführung sei nicht entscheidungserheblich, da sich die Klägerin auf
dem allgemeinen gewerblichen Kreditmarkt betätigt habe.
10
Das FA beantragt, den
Gerichtsbescheid des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
12
Ebenso wie bei der Ausgabe
einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung liege auch bei der Emission von
Inhaberschuldverschreibungen keine steuerbare Leistung vor. Der Umstand,
dass die Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen zur zeitlich befristeten
Aufnahme von Fremdmitteln führe, sei unerheblich, da auf die Sicht der
emittierenden Gesellschaft und den bei ihr fehlenden Leistungswillen
abzustellen sei. Es bestehe kein Unterschied zwischen Eigenkapital und einem
eine Kapitalforderung verbriefenden Wertpapier. In beiden Fällen sei der
Erwerb von Kapital für den Emittenten maßgeblich. Auch für den Erwerber
handele es sich in beiden Fällen um eine Kapitalanlage. Zumindest unter
Berücksichtigung der zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ergangenen Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (seit 1. Dezember 2009:
Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH -) sei sie zum Vorsteuerabzug
berechtigt.
Entscheidungsgründe
II.
13
Die Revision des FA ist aus anderen als den
geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und
die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Wie das FG
zwar zutreffend entschieden hat, ist die Klägerin aus den zur Begebung der
Schuldverschreibungen angefallenen Kosten dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug
berechtigt. Der Senat kann jedoch nicht entscheiden, in welchem Umfang die
Klägerin für die Begebung der beiden Anleihen umsatzsteuerpflichtige
Leistungen bezogen hat. Dies ist entscheidungserheblich, weil nur die
"geschuldete" Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehbar ist.
14
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann
der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und
sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der
Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der
Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.
15
Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs.
2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und sind entsprechend dieser
Bestimmung richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juli 2008 V R 51/06, BFHE 222,
128, BStBl II 2009, 213, unter II.2.b). Soweit der Steuerpflichtige
(Unternehmer) Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten
Umsätze verwendet, ist er nach dieser Bestimmung befugt, die im Inland
geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und
Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder
erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.
16
Trotz der Unterschiede im Wortlaut
entspricht das nationale Recht im Ergebnis Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG. Denn das Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 UStG umfasst (nur) "die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des
Unternehmers" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) und daher nur eine "nachhaltige
Tätigkeit zur Einnahmeerzielung" (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). "Für das
Unternehmen" i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG wird eine Leistung daher
nur bezogen, wenn sie zur (beabsichtigten) Verwendung für Zwecke einer
nachhaltigen und gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeit bezogen wird, die im
Übrigen steuerpflichtig sein muss, damit der Vorsteuerabzug nicht nach § 15
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist.
17
2. Ein Unternehmer bezieht eine Leistung
für Zwecke seiner besteuerten Umsätze (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 UStG i.V.m. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG),
wenn die Eingangsleistung direkt und unmittelbar mit den zum Vorsteuerabzug
berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängt.
18
a) Der erforderliche Zusammenhang kann nach
der Rechtsprechung des EuGH zu einzelnen Ausgangsumsätzen oder zur
wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers (Steuerpflichtigen)
bestehen.
19
aa) Für den Vorsteuerabzug kommt es
zunächst darauf an, ob der erforderliche Zusammenhang zu einzelnen
Ausgangsumsätzen des Unternehmers (Steuerpflichtigen) vorliegt und ob diese
Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigen.
20
(1) Erforderlich ist ein direkter und
unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und
einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug
eröffnen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und
der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Juni
2000 C-98/98, Midland Bank, Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 24; vom 22. Februar 2001
C-408/98 Abbey National, Slg. 2001, I-1361 Rdnr. 26, und vom 3. März 2005
C-32/03, Fini H, Slg. 2005, I-1599 Rdnr. 26). Das Recht auf Abzug der für
den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten
Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen zu
den Kostenelementen der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören
(EuGH-Urteile Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 30; Abbey National in
Slg. 2001, I-1361 Rdnr. 28; vom 27.
September 2001 C-16/00, Cibo Participations, Slg. 2001, I-6663 Rdnr. 31, und
vom 8. Februar 2007 C-435/05, Investrand, Slg. 2007, I-1315 Rdnr. 23).
21
(2) Soweit die von einem Steuerpflichtigen
bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter
Umsätze oder solcher Umsätze verwendet werden, die nicht vom
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es demgegenüber
weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der
Vorsteuer kommen (vgl. EuGH-Urteile vom 30. März 2006 C-184/04,
Uudenkaupungin kaupunki, Slg. 2006, I-3039 Rdnr. 24; vom 14. September 2006
C-72/05, Wollny, Slg. 2006, I-8297 Rdnr. 20; vom 12. Februar 2009 C-515/07,
VNLTO, Slg. 2009, I-839 Rdnr. 28). Dementsprechend berechtigen Aufwendungen
eines Steuerpflichtigen nicht zum Vorsteuerabzug, wenn sich diese auf
Tätigkeiten beziehen, die aufgrund ihres nichtwirtschaftlichen Charakters
nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/388/EWG fallen (EuGH-Urteil
vom 13. März 2008 C-437/06, Securenta, Slg. 2008, I-1597, Rdnr. 30).
22
bb) Besteht kein direkter und unmittelbarer
Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder
mehreren Ausgangsumsätzen, ist der Unternehmer (Steuerpflichtige) gleichwohl
zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Kosten für die fraglichen
Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und - als solche
- Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder
erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen dann direkt und
unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen
zusammen (vgl. EuGH-Urteile Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnrn. 23 und
31; vom 26. Mai 2005 C-465/03, Kretztechnik, Slg. 2005, I-4357 Rdnr. 36, und
Investrand in Slg. 2007, I-1315 Rdnr. 24). Voraussetzung ist hierfür
allerdings, dass diese Gesamttätigkeit zu zum Vorsteuerabzug berechtigenden
Umsätzen führt.
23
cc) Geht der Unternehmer (Steuerpflichtige)
schließlich zugleich steuerpflichtigen oder steuerfreien wirtschaftlichen
Tätigkeiten und nichtwirtschaftlichen, nicht in den Anwendungsbereich der
Richtlinie 77/388/EWG fallenden Tätigkeiten nach, ist der Abzug der
Vorsteuer auf Aufwendungen für bezogene Leistungen nur insoweit zulässig,
als diese Aufwendungen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen
i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zuzurechnen sind
(EuGH-Urteil Securenta in Slg. 2008, I-1597 Rdnr. 31).
24
b) Dieser Abgrenzung nach der
Umsatztätigkeit des Unternehmers (Steuerpflichtigen) entspricht die
Rechtsprechung des Senats, nach der ein Unternehmer wie z.B. ein Verein, der
einerseits in einem wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich steuerbare Leistungen
erbringt und andererseits in nichtwirtschaftlicher Weise seinen ideellen
Vereinszweck verfolgt, ohne dabei steuerbare Leistungen zu erbringen (zur
Erbringung entgeltlicher Leistungen bei der Verfolgung des ideellen
Vereinszwecks vgl. aber EuGH-Urteil vom 21. März 2002 C-174/00, Kennemer
Golf, Slg. 2002, I-3293, Leitsatz 3), nur hinsichtlich seines
wirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs zum Vorsteuerabzug berechtigt ist
(BFH-Urteil vom 20. Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985,
176, Leitsätze 1 und 2; ebenso das EuGH-Urteil VNLTO in Slg. 2009, I-839).
25
Dagegen erhält eine Gesellschaft mit
besteuerten Umsätzen grundsätzlich z.B. auch für Dienstleistungen bei der
Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage oder beim Erwerb einer
Beteiligung den Vorsteuerabzug, obwohl dies für sich betrachtet keine
wirtschaftlichen Tätigkeiten sind, weil die Kosten dieser Dienstleistungen
zu ihren allgemeinen Kosten gehören und deshalb grundsätzlich direkt und
unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen (BFH-Urteil
vom 1. Juli 2004 V R 32/00, BFHE 205, 555, BStBl II 2004, 1022, unter II.3.c
bb).
26
3. Wie das FG zu Recht entschieden hat, ist
die Klägerin aus den für die Begebung der Schuldverschreibungen angefallenen
Kosten dem Grunde nach zum Vorsteuerabzug berechtigt.
27
a) Die Klägerin hat entgegen der Auffassung
des FA mit der Begebung der Schuldverschreibungen keine steuerbare Leistung
erbracht.
28
aa) Schuldverschreibungen sind Wertpapiere
i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG. Zwar definiert das UStG den Begriff des
Wertpapiers nicht. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG beruht jedoch auf Art. 13 Teil B
Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG. Bei richtlinienkonformer
Auslegung entsprechend dieser Bestimmung sind neben Aktien insbesondere auch
Schuldverschreibungen als Wertpapiere anzusehen.
29
bb) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist
zwischen der erstmaligen Begebung von Wertpapieren und der Übertragung
bereits bestehender Wertpapiere (nach ihrer Begebung) zu unterscheiden.
Während es sich z.B. bei der Aktienveräußerung durch einen Unternehmer um
einen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG
steuerfreien Umsatz handeln kann (EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 C-29/08,
SKF, BFH/NV 2009, 2099, Leitsatz 2 zu Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347, 1), will
eine Gesellschaft, die neue Aktien ausgibt (begibt), ihr Vermögen durch die
Beschaffung zusätzlichen Kapitals vergrößern, wobei sie den neuen
Anteilseignern ein Eigentumsrecht an einem Teil des auf diese Weise erhöhten
Kapitals einräumt. Vom Standpunkt der ausgebenden Gesellschaft aus besteht
das Ziel im Erwerb von Kapital und nicht in der Erbringung einer
Dienstleistung. Aus der Sicht des Anteilseigners stellt die Zahlung der zur
Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine
Investition oder Kapitalanlage (EuGH-Urteil Kretztechnik in Slg. 2005,
I-4357 Rdnr. 26).
30
cc) Da im Hinblick auf die
Wertpapiereigenschaft nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie
77/388/EWG nicht zwischen Schuldverschreibungen und Aktien zu differenzieren
ist, kommt der originären Begebung von Schuldverschreibungen ebenso wenig
Leistungscharakter zu wie der erstmaligen Ausgabe von Aktien. War die
Tätigkeit der Klägerin bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen somit
bereits nicht steuerbar, stellt sich die Frage einer Steuerfreiheit nach § 4
Nr. 8 UStG nicht.
31
b) Dass die Klägerin die von ihr für die
Begebung der Schuldverschreibungen bezogenen Leistungen nicht unmittelbar
für eine steuerbare Ausgangsleistung verwendet hat, steht dem Vorsteuerabzug
der Klägerin nicht entgegen, da sie das durch die Schuldverschreibungen
erhaltene Kapital für ihre umsatzsteuerpflichtige Umsatztätigkeit zu
verwenden beabsichtigte.
32
aa) Die Klägerin ist nicht bereits aufgrund
ihrer Unternehmerstellung zum Vorsteuerabzug, sondern nur im Umfang ihrer
besteuerten Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigt.
33
bb) Für die Klägerin bestand auch kein
Recht auf Vorsteuerabzug im Hinblick auf die Begebung der
Schuldverschreibungen, da diese Tätigkeit nicht steuerbar ist und deshalb
kein unmittelbarer Zusammenhang mit einem Ausgangsumsatz vorliegt, anhand
dessen über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug entschieden werden könnte.
34
cc) Gibt der Unternehmer (Steuerpflichtige)
aber nichtsteuerbare Aktien - oder wie im Streitfall Schuldverschreibungen -
aus, um sein Kapital zugunsten seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im
Allgemeinen zu stärken, sind die Kosten der Dienstleistungen, die er hierfür
bezieht, Teil seiner allgemeinen Kosten und gehören damit zu den
Preiselementen seiner Produkte. Die bezogenen Dienstleistungen hängen dann
direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des
Steuerpflichtigen zusammen (vgl. EuGH-Urteile vom 6.
April 1995 C-4/94, BLP, Slg. 1995, I-983 Rdnr. 25; Midland Bank in Slg.
2000, I-4177 Rdnr. 31; Abbey National in Slg. 2001, I-1361 Rdnrn.
35 und 36; Cibo Participations in Slg.
2001, I-6663 Rdnr. 33, und Kretztechnik in Slg. 2005, I-4357 Rdnr. 36;
BFH-Urteil in BFHE 205, 555, BStBl II 2004, 1022).
35
Das Recht der Klägerin auf Vorsteuerabzug
ergibt sich somit - wie das FG zu Recht entschieden hat - daraus, dass trotz
des Fehlens eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zu einem
bestimmten zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz gleichwohl ein
direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu ihrer wirtschaftlichen und zum
Vorsteuerabzug berechtigenden Gesamttätigkeit besteht, da die Klägerin mit
der Begebung der Inhaberschuldverschreibungen beabsichtigte, ihre
steuerpflichtige Tätigkeit zu finanzieren.
36
4. Die Sache ist gleichwohl nicht
spruchreif. Der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass die Steuer für den
berechneten Umsatz auch gesetzlich geschuldet wird (BFH-Urteil vom 2. April
1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, Leitsatz 1). Hierzu sind
weitere Feststellungen zu treffen.
37
a) Der Senat vermag mangels Feststellungen
des FG nicht zu entscheiden, ob die Leistungen der B-Bank als Umsatz im
Zahlungs- und Überweisungsverkehr nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei
oder als Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren gemäß § 4 Nr. 8 Buchst.
e UStG steuerpflichtig sind. Für die Steuerfreiheit spricht, dass Umsätze im
Überweisungsverkehr vorliegen, wenn die Leistung eine Weiterleitung von
Geldern bewirkt und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führt
(BFH-Urteil vom 13. Juli 2006 V R 57/04, BFHE 214, 451, BStBl II 2007, 19,
Leitsatz 1). Eine Steuerfreiheit könnte sich auch daraus ergeben, dass bei
Leistungen, die an den Emittenten von Wertpapieren erbracht werden, keine
nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerpflichtige Verwahrung und Verwaltung
vorliegt (vgl. Abschn. 65 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000/2005).
38
b) Sollte sich die Steuerpflicht der von
der B-Bank an die Klägerin erbrachten Leistungen erst aufgrund eines
Verzichts nach § 9 Abs. 1 UStG ergeben, ist weiter zu berücksichtigen, dass
zumindest die in den zwischen der B-Bank und der Klägerin geschlossenen
Verträgen enthaltene Formulierung, dass sich die Entgelte zuzüglich
gesetzlicher Mehrwertsteuer verstehen, für sich allein die Annahme einer
Verzichtserklärung nicht rechtfertigt (BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 XI R
94/96, BFHE 183, 301, BStBl II 1997, 670, unter II.1.).
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