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BFH-Urteil vom 17.2.2010 (II R 5/08) BStBl. 2010 II S. 889
Zweitwohnungsteuer für Studentenwohnung in Berlin
1.
Nach dem Berliner Zweitwohnungsteuergesetz gilt sowohl für die Erst- oder
Hauptwohnung als auch für die Zweit- oder Nebenwohnung der melderechtliche
Wohnungsbegriff. Die Zweitwohnungsteuerpflicht ist nicht auf Inhaber einer
Erstwohnung mit eigener Verfügungsbefugnis beschränkt.
2.
Der Einbeziehung von Wohnungen in die Zweitwohnungsteuer, die aus Gründen
der Ausbildung bewohnt werden, steht der Charakter der Zweitwohnungsteuer
als Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG nicht entgegen.
GG Art. 105 Abs. 2a; BlnZwStG § 1, § 2, § 4
Abs. 2; BlnMeldeG § 16, § 17.
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 27.
November 2007 14 K 10476/02 B (EFG 2008, 578)
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) bewohnte in den Jahren 2001 bis 2003 studienbedingt
ein Zimmer in einem Studentenwohnheim in Berlin und war dort mit dem
Nebenwohnsitz gemeldet. Mit dem Hauptwohnsitz war der Kläger in der
elterlichen Wohnung in K gemeldet, wo ihm sein ehemaliges Kinderzimmer zur
Verfügung stand.
2
Mit Bescheid vom 25. Februar
2002 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen
den Kläger auf der Grundlage des Berliner Zweitwohnungsteuergesetzes vom 19.
Dezember 1997 - BlnZwStG - (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin - GVBl
Bln - 1997, 686) Zweitwohnungsteuer für 2001 in Höhe von 44,99 EUR und für
2002 und 2003 in Höhe von jeweils 45,43 EUR fest. Dabei legte das FA seiner
Steuerberechnung eine vom Kläger zu zahlende jährliche Kaltmiete von
1.777,32 DM zugrunde. Der Einspruch, den der Kläger mit dem fehlenden
Innehaben einer Erstwohnung im Wohnhaus seiner Eltern begründete, hatte
keinen Erfolg.
3
Das Finanzgericht (FG) hat
die Zweitwohnungsteuer aufgrund einer Neuberechnung der vom Kläger zu
zahlenden Nettokaltmiete unter Änderung des Zweitwohnungsteuerbescheids vom
25. Februar 2002 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28. August
2002 für das Jahr 2001 auf 42,71 EUR und für 2002 auf 44,85 EUR festgesetzt;
im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe in Berlin eine
Zweitwohnung innegehabt. Das BlnZwStG knüpfe allein an das Innehaben einer
Zweitwohnung und nicht an das Innehaben zweier Wohnungen an. Der
Zweitwohnungsteuer unterlägen daher auch Inhaber von Zweitwohnungen, die
ihre überwiegend genutzte Hauptwohnung mangels Verfügungsbefugnis nicht inne
hätten. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2008, 578 veröffentlicht.
4
Mit seiner Revision macht
der Kläger Verletzung des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG) sowie von
§§ 1 und 2 BlnZwStG geltend. Der Steuertatbestand des § 1 BlnZwStG sei nur
bei einem Innehaben sowohl einer Erst- als auch einer Zweitwohnung erfüllt;
in den sog. "Kinderzimmerfällen" fehle es jedoch typischerweise am Innehaben
der Hauptwohnung. Das im Haus seiner Eltern genutzte Kinderzimmer erfülle
mangels Vorhandenseins einer Küche oder Kochnische nicht die
bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 3
BlnZwStG und habe für ihn keinen abgeschlossenen Lebensbereich dargestellt.
5
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung, den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 25.
Februar 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 aufzuheben.
6
Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision betreffend die Zweitwohnungsteuer für 2001 zurückzuweisen und
die Zweitwohnungsteuer für 2002 und 2003 auf jeweils 42,71 EUR
herabzusetzen.
Entscheidungsgründe
II.
7
Die Revision ist teilweise begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur
Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Entscheidung in der Sache
selbst insoweit, als die Zweitwohnungsteuer für 2002 und 2003 auf jeweils
42,71 EUR herabgesetzt wird. Hinsichtlich der Zweitwohnungsteuer für 2001
ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO).
8
Das BlnZwStG ist revisibles Recht (§ 118
Abs. 1 Satz 2 FGO), dessen Auslegung durch das FG der Überprüfung durch den
Senat im Revisionsverfahren unterliegt (s. § 1 Nr. 4 des Berliner Gesetzes
über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung vom 21. Juni 1977, GVBl Bln
1977, 1394).
9
1. Das FG hat zutreffend erkannt, dass für
den Kläger aufgrund der von ihm in Berlin genutzten Zweitwohnung die
Voraussetzungen der Zweitwohnungsteuerpflicht gemäß §§ 1 und 2 BlnZwStG
erfüllt sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger am Wohnort seiner
Eltern lediglich sein früheres Kinderzimmer bewohnte und nicht
verfügungsberechtigter Inhaber der Erstwohnung war.
10
a) Der Kläger war aufgrund des für die
Zweitwohnungsteuerpflicht maßgebenden melderechtlichen Wohnungsbegriffs
wegen des von ihm in Berlin angemieteten und zum Wohnen oder Schlafen
benutzten Raums Inhaber einer Zweitwohnung.
11
aa) Gegenstand der Zweitwohnungsteuer ist
das Innehaben einer Zweitwohnung in Berlin (§ 1 BlnZwStG). Zweitwohnung ist
nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BlnZwStG jede Wohnung i.S. des § 2 Abs. 3 und 4
BlnZwStG, die dem Hauptmieter als Nebenwohnung i.S. des Berliner Gesetzes
über das Meldewesen vom 26. Februar 1985 - BlnMeldeG - (GVBl Bln 1985, 507)
dient. Nach § 16 Satz 1 BlnMeldeG ist Wohnung jeder umschlossene Raum, der
zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Auf diese Bestimmung verweist auch
der in § 2 Abs. 5 BlnZwStG definierte Begriff der Nebenwohnung. Diese liegt
vor, wenn sie - wie im Fall des Klägers - einer mit Nebenwohnung gemeldeten
Person i.S. des § 16 BlnMeldeG zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs
dient.
12
bb) Für die Rechtsansicht des Klägers, eine
Zweitwohnungsteuerpflicht bestehe nur für Inhaber einer Erstwohnung mit
eigener Verfügungsbefugnis, ist kein Raum. Auch für die Erst- oder
Hauptwohnung gilt der melderechtliche Wohnungsbegriff des § 16 BlnMeldeG.
Dies ergibt sich aus der Verweisung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BlnZwStG auf §§ 16
und 17 BlnMeldeG. § 17 Abs. 1 BlnMeldeG bestimmt für den Fall, dass ein
Einwohner mehrere Wohnungen im Inland hat, dass eine dieser Wohnungen seine
Hauptwohnung und jede weitere Wohnung seine Nebenwohnung ist. Damit gilt
sowohl für die Erst- oder Hauptwohnung als auch für die Zweit- oder
Nebenwohnung derselbe Wohnungsbegriff des § 16 BlnMeldeG (Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Oktober 2008 II B 16/08, BFH/NV 2009, 53).
Den in § 2 Abs. 3 und 4 BlnZwStG getroffenen Regelungen kann auch nicht
entnommen werden, dass hinsichtlich der Erstwohnung über den
melderechtlichen Wohnungsbegriff hinausgehende Anforderungen zu stellen
sind. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 5 und 6 BlnZwStG, die ebenfalls auf den
Wohnungsbegriff des § 16 BlnMeldeG ausgerichtet sind. Demgemäß genügt das
vom Kläger im Hause seiner Eltern zum Schlafen oder Wohnen "benutzte"
Kinderzimmer den an das Innehaben einer Hauptwohnung zu stellenden
Anforderungen.
13
Das Vorbringen des Klägers, das von ihm im
Hause seiner Eltern benutzte Kinderzimmer erfülle mangels vorhandener Küche
oder Kochnische nicht die an eine Wohnung zu stellenden
bauordnungsrechtlichen Anforderungen des § 2 Abs. 3 BlnZwStG, geht fehl. § 2
Abs. 3 BlnZwStG betrifft ausschließlich die an eine Zweitwohnung zu
stellenden Anforderungen und lässt den für die Erstwohnung geltenden
melderechtlichen Wohnungsbegriff unberührt.
14
b) Dieser Rechtslage steht Bundesrecht
nicht entgegen. Die Zweitwohnungsteuer ist als Aufwandsteuer i.S. des Art.
105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Steuer auf die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den
persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 19832 BvR 1275/79, BVerfGE 65,
325, 346). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen
Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Erstwohnung ist ein besonderer
Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert
und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt
(BFH-Urteile vom 5. März 1997 II R 28/95, BFHE 182, 243, BStBl II 1997, 469;
vom 27. August 2003 II R 53/01, BFH/NV 2004, 546).
15
Für den Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs.
2a Satz 1 GG ist es unerheblich, ob der Inhaber einer Zweitwohnung auch
verfügungsberechtigter Inhaber der Erstwohnung ist. Entscheidend ist allein,
dass mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen
Lebensbedarfs abgedeckt wird (vgl. z.B. Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 20089 C 14/07, Neue Zeitschrift
für Verwaltungsrecht - NVwZ - 2009, 532; vom 13. Mai 20099 C 7/08, NVwZ
2009, 1437).
16
Die Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer
verlangt auch nicht, dass das Innehaben der Zweitwohnung der Befriedigung
eines gehobenen Bedarfs dient. Die Zweitwohnungsteuer ist nicht mit einer
Luxussteuer gleichzusetzen (BFH-Entscheidungen vom 1. August 2001 II R
71/99, BFH/NV 2002, 232, und in BFH/NV 2009, 53). Daher können auch solche
Zweitwohnungen in die Besteuerung einbezogen werden, die aus Gründen der
Ausbildung bewohnt werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 53).
17
2. Für das Jahr 2001 hat das FG die
Zweitwohnungsteuer zutreffend auf 42,71 EUR festgesetzt; insoweit ist die
Revision unbegründet. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen findet
erstmals für das Jahr des Beginns der Steuerpflicht und sodann für jedes
dritte folgende Kalenderjahr statt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BlnZwStG).
Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1
BlnZwStG die auf Grund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldete
Nettokaltmiete. In Anwendung dieser Vorschriften beträgt die
Zweitwohnungsteuer, ausgehend von einer Nettokaltmiete von 870,21 DM und
einem Steuersatz von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, 42,71 EUR.
18
Hinsichtlich der für die Jahre 2002 und
2003 festgesetzten Zweitwohnungsteuer hat das FG nicht beachtet, dass gemäß
§ 4 Abs. 2 Satz 2 BlnZwStG auch für diese Jahre die vom Kläger im Jahr 2001
geschuldete Kaltmiete als Bemessungsgrundlage anzusetzen war. Insoweit war
die Vorentscheidung aufzuheben und die Zweitwohnungsteuer auch für 2002 und
2003 auf jeweils 42,71 EUR festzusetzen.
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