| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 30.6.2010 (II R 60/08) BStBl. 2010 II S. 897
Bewertung eines Lebensmittelmarktes als Warenhaus - Verfassungsmäßigkeit der
Einheitsbewertung
1.
Lebensmittelmärkte sind der Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" der Anlage 15 zu
Abschn. 38 BewRGr zuzurechnen.
2.
Eine von der Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr abweichende Bewertung ist
nur möglich, wenn der nach dieser Einteilung maßgebliche Durchschnittswert
für den gemeinen Wert des Gebäudes bedeutsame Eigenschaften, z.B.
hinsichtlich Bauart, Bauweise, Konstruktion sowie Objektgröße, nicht
ausreichend berücksichtigt und um mindestens 100 % höher als die
durchschnittlichen tatsächlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke
ist.
3.
Die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens sind trotz
der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus den lange zurückliegenden
Hauptfeststellungszeitpunkten des 1. Januar 1964 bzw. - im Beitrittsgebiet -
des 1. Januar 1935 und darauf beruhenden Wertverzerrungen ergeben,
jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 noch verfassungsgemäß.
GG Art. 3 Abs. 1; BewG § 9, § 21 Abs. 1, §
22, § 23, § 27, § 83, § 86, § 92, § 129; GrStG § 10 Abs. 2.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 14. August
2008 11 K 900/06 BG (EFG 2009, 161)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin,
Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin), eine
Einzelhandelsdiscounterin, errichtete im Jahr 2004 im Erbbaurecht einen
Lebensmittelmarkt. Beim Erlöschen des auf 40 Jahre befristeten Erbbaurechts
erhält sie eine Entschädigung in Höhe von 50 % des dann bestehenden
Verkehrswerts des Bauwerks.
2
Bei dem Lebensmittelmarkt
handelt es sich um ein eingeschossiges, nicht unterkellertes Gebäude in
Massivbauweise mit einer abgehängten Decke mit Wärmedämmung und einem
umbauten Raum von 6 235 cbm bei einem Ansatz des nicht ausgebauten
Dachraumes mit einem Drittel seines Volumens. Das Gebäude besteht aus dem
Verkaufsraum mit der Kassenzone und dem Eingangsbereich (insgesamt 969 qm),
dem 47 qm großen Backshop eines Fremdanbieters, einem Lagerraum mit 272 qm,
dem 35 qm umfassenden Anlieferungsbereich mit separater Rampenanlage sowie
insgesamt 40 qm großen Akten-, Sozial- und sonstigen Nebenräumen. Diese
Räume sind abgesehen von dem
3
Der Beklagte,
Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte in der
Einspruchsentscheidung den Einheitswert für das Erbbaurecht auf den 1.
Januar 2005 auf 388.326 EUR (759.500 DM) fest. Das FA legte der Ermittlung
des Gebäudewerts (654.675 DM) einen Normalherstellungswert von 105 DM je cbm
umbauten Raumes zugrunde und führte zur Begründung aus, bei dem Gebäude
handle es sich um ein Warenhaus mit mittlerer Ausstattung - oberste Grenze -
i.S. der Gebäudeklasse Nr. 4.2 der Anlage 15 zu Abschn. 38 der Richtlinien
für die Bewertung des Grundvermögens - BewRGr - (Anlage 15) und nicht um
eine Markt- oder Messehalle im Sinne der Nr. 9.21 der Anlage 15. Die
abgehängte Decke nehme dem Gebäude den hallenartigen Charakter. Die Klägerin
habe verschiedene Maßnahmen ergriffen, um durch die Bauausführung eine
angenehme Verkaufsatmosphäre zu schaffen. Bei der Aufteilung des Gesamtwerts
des Grundstücks auf das Erbbaurecht einerseits und das belastete Grundstück
andererseits nahm das FA an, der Klägerin stehe bei Erlöschen des
Erbbaurechts eine Entschädigung von 75 % des Verkehrswerts zu.
4
Mit der Klage beantragte die
Klägerin, der Feststellung des Einheitswerts für das Erbbaurecht einen
Gebäudewert in Höhe von 386.570 DM (62 DM je cbm umbauten Raumes) zugrunde
zu legen. Das Gebäude sei zwar zu Recht im Sachwertverfahren bewertet
worden, könne aber wegen seines hallenartigen Charakters, seiner schlichten,
nicht zum Verweilen bei angenehmer Atmosphäre einladenden Gestaltung und der
tatsächlichen Wertrelationen nicht der Gebäudeklasse "Warenhäuser"
zugeordnet werden. Die Herstellungskosten einschließlich Nebenkosten und
Umsatzsteuer für das zu bewertende Gebäude sowie weitere 34 von ihr in den
Jahren 2005 bis 2007 errichtete Selbstbedienungsmärkte hätten umgerechnet
auf den 1. Januar 1964 durchschnittlich 61,28 DM je cbm umbauten Raumes
betragen. Es handle sich dabei um in Serienbauweise errichtete Gebäude, die
nach den Bau- und Ausführungsvorschriften in der firmeninternen, jährlich
weiterentwickelten Baubeschreibung auf die betrieblichen und logistischen
Anforderungen eines Lebensmittel-Discountbetriebs zugeschnitten seien. Die
Bauausführung erfolge auf der Grundlage von Generalunternehmerverträgen, die
alle Leistungen von der Grundstückserschließung bis zur schlüsselfertigen
Übergabe enthielten und einen Pauschalfestpreis vorsähen. Insgesamt habe sie
- die Klägerin - in den Jahren 2004 bis 2007596 Objekte selbst erstellt;
weitere 160 Objekte seien durch Vermieter errichtet worden. Die auf 62 DM je
cbm umbauten Raumes aufgerundeten durchschnittlichen tatsächlichen
Herstellungskosten seien der Bewertung zugrunde zu legen.
5
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 161
veröffentlichte Urteil insoweit statt, als es das FA verpflichtete, der
Feststellung des Einheitswerts des Erbbaurechts unter Änderung des
Einheitswertbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung bei der
Ermittlung des Gebäudewerts einen Raummeterpreis von 68 DM zugrunde zu legen
und die vertragliche Entschädigungspflicht für aufstehende Gebäude bei
Ablauf des Erbbaurechts in Höhe von 50 % des Verkehrswerts zu
berücksichtigen.
6
Das FG führte zur Begründung
aus, das FA habe das Grundstück zutreffend im Sachwertverfahren bewertet und
der Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" der Anlage 15 zugerechnet; denn das
Gebäude diene dem Einzel- und nicht dem gewerblichen Großhandel als
Ausstellungs- und Handelsplatz. Es lägen aber die Voraussetzungen vor, unter
denen ausnahmsweise eine von den BewRGr abweichende Bewertung, nämlich nach
den Raummeterpreisen für Markthallen, Messehallen und dergleichen (Nr. 9.21
der Anlage 15) vorgenommen werden könne. Von der Gebäudeklasseneinteilung
der BewRGr könne abgewichen werden, wenn die nach der
Gebäudeklasseneinteilung maßgeblichen Durchschnittswerte für den gemeinen
Wert des Gebäudes bedeutsame Eigenschaften, z.B. hinsichtlich Bauart,
Bauweise, Konstruktion sowie Objektgröße, nicht ausreichend berücksichtigten
und die Abweichung zwischen dem auf der Grundlage der Durchschnittswerte
nach den BewRGr und dem nach den durchschnittlichen tatsächlichen
Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten
Gebäudenormalherstellungswert außerhalb jeder bei Durchschnittswerten
üblichen und noch vertretbaren Toleranz liege. Dies sei hier der Fall.
Sowohl das zu bewertende Gebäude als auch die von der Klägerin benannten 34
anderen Objekte seien in Serienbauweise errichtet und nach den Bau- und
Ausführungsvorschriften in der firmeninternen, jährlich weiterentwickelten
Baubeschreibung sehr eng auf die betrieblichen und logistischen
Anforderungen des Lebensmittel-Discountbetriebs der Klägerin zugeschnitten.
Solche Bauwerke würden von den Raummeterpreisen in Anlage 15 nicht erfasst.
Standardisierte Baulichkeiten einfacherer Art seien im deutschen
Lebensmitteleinzelhandel weder im Jahr 1958 noch Anfang
7
Die von der Klägerin
mitgeteilten und auf den 1. Januar 1964 umgerechneten tatsächlichen
Herstellungskosten der Vergleichsobjekte einschließlich Umsatzsteuer führten
zu einem durchschnittlichen Raummeterpreis von 61,28 DM. Für das im Streit
befindliche Objekt ergebe sich ein Raummeterpreis von 60,81 DM. Bei der
Ermittlung des Raummeterpreises sei die Umsatzsteuer nicht abzuziehen. Die
Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin gehöre zu den ungewöhnlichen oder
persönlichen Verhältnissen i.S. von § 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes
(BewG), die bei der Ermittlung des gemeinen Werts nicht zu berücksichtigen
seien. Die vergleichende Wertfindung müsse auch deshalb nach Bruttopreisen
erfolgen, weil es zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 das System
des Vorsteuerabzugs noch nicht gegeben habe.
8
Die Klägerin habe die
Baukosten entsprechend der bewertungsrechtlichen Systematik ermittelt.
Sämtliche maßgeblichen Kostengruppen seien berücksichtigt worden. Zutreffend
sei auch die von der Klägerin vorgenommene Rückrechnung der tatsächlichen
Herstellungskosten auf die Verhältnisse des Jahres 1964 mit Hilfe des Index
des Statistischen Bundesamts für gewerbliche Betriebsgebäude. Dass diese
Rückrechnung über mehrere Jahrzehnte erfolgt sei, beruhe auf der
Gesetzgebung, die es bis heute bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar
1964 belassen habe, und könne sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken.
Der Heranziehung der von der Klägerin angegebenen durchschnittlichen
Herstellungskosten stehe auch nicht entgegen, dass sich diese lediglich auf
von der Klägerin selbst errichtete Gebäude bezögen. Die von der Klägerin
praktizierte kostengünstige Bauweise sei branchentypisch und gehöre daher
nicht zu den ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen i.S. von § 9
Abs. 2 BewG.
9
Der vom FA angesetzte
Raummeterpreis von 105 DM übersteige die durchschnittlichen tatsächlichen
Herstellungskosten der Vergleichsobjekte von 61,28 DM um rund 71 % und somit
in einem Umfang, der außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und
noch vertretbaren Toleranz liege. Gehe man von dem nunmehr vom FA für
zutreffend gehaltenen Raummeterpreis von 110 DM aus, sei die Abweichung
sogar noch größer.
10
Entgegen der Ansicht der
Klägerin könnten allerdings nicht die durchschnittlichen tatsächlichen
Herstellungskosten von rd. 62 DM der Einheitsbewertung zugrunde gelegt
werden. Vielmehr müssten die Raummeterpreise für Markthallen, Messehallen
und dergleichen nach Nr. 9.21 der Anlage 15 angesetzt werden. Dabei ergebe
sich unter Berücksichtigung der Ausstattung, die in einzelnen Punkten besser
als vom FA in der Einspruchsentscheidung angenommen sei, ein Raummeterpreis
von 68 DM. Dieser Wert liege in der Nähe des Raummeterpreises von 67,50 DM,
der in dem von der Klägerin betriebenen Revisionsverfahren II R 33/05 auf
Vorschlag des Bundesfinanzhofs (BFH) für einen von der Klägerin errichteten
Lebensmittelmarkt im Wege der tatsächlichen Verständigung festgelegt worden
sei.
11
Während des
Revisionsverfahrens setzte das FA durch Änderungsbescheid vom 26. November
2008 den Einheitswert für das Erbbaurecht auf den 1. Januar 2005 im Hinblick
auf den der Klägerin bei Erlöschen des Erbbaurechts zustehenden
Entschädigungsanspruch von lediglich 50 % des dann bestehenden Verkehrswerts
des Gebäudes auf 380.094 EUR (743.400 DM) herab und erhöhte zugleich den
Einheitswert des belasteten Grundstücks von bisher 30.500 DM auf 46.700 DM.
Den Einheitswert für das Erbbaurecht berechnete das FA unverändert mit der
Wertzahl 85 %.
12
Das FA rügt mit der Revision
Verletzung des § 85 BewG. Das FG habe der Ermittlung des durchschnittlichen
Raummeterpreises zu Unrecht nicht die Mittelwerte der Gebäudeklasse 4,
sondern diejenigen der Gebäudeklasse 9.21 der Anlage 15 zugrunde gelegt. Bei
dem Gebäude der Klägerin handle es sich um ein Warenhaus und nicht um eine
Markt- oder Messehalle. Eine außerhalb der noch vertretbaren Toleranz
liegende Wertdiskrepanz liege nicht vor.
13
Das FA beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben, die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 26.
November 2008 abzuweisen und die Revision der Klägerin als unbegründet
zurückzuweisen.
14
Die Klägerin beantragt, die
Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen und unter Änderung der
Vorentscheidung das FA zu verpflichten, den Gebäudewert unter
Berücksichtigung eines Raummeterpreises von 62 DM festzustellen.
15
Entgegen der Auffassung des
FG seien nicht die Raummeterpreise der Gebäudeklasse
16
An der im Revisionsverfahren
zunächst erfolgten Klageerweiterung hielt die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht mehr fest.
Entscheidungsgründe
II.
17
Die Revisionen der Klägerin und des FA sind
aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Sie führen zur Aufhebung der
Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der
Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden
hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). An die Stelle
des ursprünglichen Einheitswertbescheids in Gestalt der
Einspruchsentscheidung, über den das FG entschieden hat, ist während des
Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 26. November 2008 getreten,
der nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens
geworden ist. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und
aufzuheben (BFH-Urteile vom 17. Januar 2008 VI R 44/07, BFHE 220, 269, und
vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828). Da sich
aufgrund des Änderungsbescheids am streitigen Punkt der Bewertung des
Gebäudes nichts geändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung nach § 127
FGO. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor
die Grundlage für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung
des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, weil das finanzgerichtliche
Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet (BFH-Urteil vom 15. März
2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472).
III.
18
Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist als
unbegründet abzuweisen. Der während des Revisionsverfahrens ergangene
Änderungsbescheid ist rechtmäßig. Das FA hat der Ermittlung des Gebäudewerts
zutreffend die Gebäudeklasse "Warenhäuser" zugrunde gelegt. Der angesetzte
Gebäudewert ist jedenfalls nicht überhöht.
19
1. Die Vorschriften über die
Einheitsbewertung des Grundvermögens sind von der Rechtsprechung des BFH
trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus dem lange
zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) und darauf
beruhenden Wertverzerrungen ergeben, bislang als verfassungsgemäß beurteilt
worden (BFH-Urteile vom 2. Februar 2005 II R 36/03, BFHE 209, 138, BStBl II
2005, 428; vom 21. Februar 2006 II R 31/04, BFH/NV 2006, 1450; vom 30. Juli
2008 II R 5/07, BFH/NV 2009, 7, und vom 4. Februar 2010 II R 1/09, BFH/NV
2010,
20
Der Senat weist aber darauf hin, dass das
weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für
Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen,
insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes - GG -), nicht vereinbar ist. Das System der Hauptfeststellung
auf einen bestimmten Stichtag ist darauf angelegt, dass Hauptfeststellungen
in bestimmten, nicht übermäßig langen Abständen stattfinden (§ 21 Abs. 1 Nr.
1 BewG: Hauptfeststellungen in Zeitabständen von je sechs Jahren). Die
Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt ist
nur sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar, wenn der
Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreitet (s.
bereits BFH-Beschluss vom 11. Juni 1986 II B 49/83, BFHE 146, 474, BStBl II
1986, 782; Drosdzol, Deutsche Steuer-Zeitung 1999, 831, 832, und 2001, 689,
691; Dötsch in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, Einf. BewG Rz 110; Thöne
in Lange, Reform der Gemeindesteuern, 2006, 173,
21
a) Der dem Gesetzgeber im Bereich des
Steuerrechts zukommende weitreichende Entscheidungsspielraum wird vor allem
durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch die
Ausrichtung der Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen
Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit (Beschlüsse des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 4. Dezember 20022 BvR 400/98 und
1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, unter C.I.1.a und b; vom 7.
November 20061 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, unter C.I.1.
und 2., und vom 15. Januar 20081 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa,
je m.w.N.). Knüpft die Besteuerung an die Werte von Wirtschaftsgütern an,
müssen Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer
Relation realitätsgerecht abbilden (BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 19952 BvL
37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, unter C.II.2.; vom 22. Juni
19952 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.II.1., und in
BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, unter C.I.3.b aa, m.w.N.).
22
b) Das BVerfG hat im Hinblick auf diese
verfassungsrechtlichen Anforderungen im Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl
II 2007, 192, unter C.II.2.f bb, die durch § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, §
145 Abs. 3 Satz 2 BewG a.F. für die Bedarfsbewertung unbebauter Grundstücke
angeordnete, bis Ende 2006 geltende Festschreibung der Wertverhältnisse auf
den 1. Januar 1996 als nicht mehr mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG
vereinbar angesehen. Der Gesetzgeber habe damit den aus dem Gleichheitssatz
folgenden verfassungsrechtlichen Auftrag verfehlt, die Vermögensgegenstände
mit Gegenwartswerten zu erfassen oder vergangenheitsbezogene Werte
entwicklungsbegleitend fortzuschreiben, um eine in der Relation der
Vermögenswerte realitätsgerechte Bewertung sicherzustellen.
23
c) Hiernach verfehlt erst recht die über
mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes
nach Maßgabe des Hauptfeststellungszeitpunkts auf den 1. Januar 1964 die
sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen.
24
Als Grundlage für die Bemessung der
Grundsteuer bedarf es auch innerhalb der Vermögensgruppe des Grundvermögens
einer realitätsgerechten Bewertung. Es stellt sich hier zwar - anders als
bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer - nicht das Problem der
Gleichbehandlung mit anderen Gegenständen, die mit dem Verkehrswert (§ 9
BewG) angesetzt werden. Aber auch innerhalb des Grundvermögens können aus
verfassungsrechtlichen Gründen auf einem übermäßig langen
Hauptfeststellungszeitraum beruhende Wertverzerrungen nicht uneingeschränkt
hingenommen werden. Dem steht nicht entgegen, dass für die Bemessung der
Grundsteuer nicht nur die festgestellten Einheitswerte, sondern auch die von
den Gemeinden nach § 25 des Grundsteuergesetzes (GrStG) festgesetzten
Hebesätze maßgebend sind; denn aufgrund eines übermäßig langen
Hauptfeststellungszeitraums kann es auch innerhalb des jeweiligen
Gemeindegebiets zu einer deutlich unterschiedlichen Entwicklung der
Wertverhältnisse kommen, die nicht auf bei der Einheitsbewertung zu
berücksichtigenden Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse (§ 22 Abs. 4
Satz 3 Nr. 1 BewG), sondern auf unterschiedlichen Änderungen der
Wertverhältnisse in einzelnen Gemeindeteilen beruhen und nach § 27 BewG bei
Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte nicht zugrunde
zu legen sind.
25
d) Die mehrere Jahrzehnte umfassende Dauer
des Hauptfeststellungszeitraums führt zudem bei der Bewertung von Gebäuden
im Sachwertverfahren zu einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots
einer folgerichtigen Gesetzgebung. Aufgrund der Entwicklung des Bauwesens
gibt es eine immer größere Zahl von Gebäuden, die sich nach Bauart,
Bauweise, Konstruktion oder Objektgröße von den im Jahr 1958, dessen
Baupreisverhältnisse für die Einheitsbewertung maßgeblich sind (§ 85 Satz 1
BewG), vorhandenen Gebäuden so sehr unterscheiden, dass ihre Bewertung nicht
mehr mit einer verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden
Genauigkeit und Überprüfbarkeit möglich ist. Für derartige neue Gebäude ist
ein Vergleich mit den Herstellungskosten für bereits im Jahr 1958 bestehende
entsprechende Gebäude nicht möglich. Eine Schätzung, wie viel die Errichtung
neuartiger Gebäude im Jahr 1958 gekostet hätte, wenn es damals bereits
solche Gebäude gegeben hätte, kann nur zu mehr oder minder richtigen
Näherungswerten führen.
26
Auf unbegrenzte Dauer ist es auch nicht
hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem
Hauptfeststellungszeitpunkt gemäß § 85 Satz 3 i.V.m. § 86 BewG
ausgeschlossen ist.
27
e) Das jahrzehntelange Unterlassen einer
erneuten Grundstücksbewertung führt darüber hinaus zwangsläufig zu
verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug.
Ohne eine in regelmäßigen Abständen erfolgende Neubewertung sämtlicher der
Einheitsbewertung unterliegender Objekte ist nicht sichergestellt, dass
Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die Wertänderungen bewirken und
zu Fortschreibungen nach § 22 BewG führen müssten, im Sinne des
erforderlichen gleichmäßigen Gesetzesvollzugs durchgehend erfasst werden.
Umstände, die eine Fortschreibung auslösen können, werden den Finanzämtern
oft nur von dritter Seite mitgeteilt. Meistens erhalten die Finanzämter die
Mitteilung über den Grund für eine Fortschreibung erst nach längerer Zeit. §
22 Abs. 4 Satz 1 BewG verpflichtet die Finanzämter nicht, stets von sich aus
tätig zu werden. Die Ermittlungspflicht der Finanzämter setzt vielmehr erst
ein, wenn ihnen Umstände bekannt werden, die eine Fortschreibung
rechtfertigen könnten (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 22 Rz 66;
Bruschke in Gürsching/ Stenger, Bewertungsrecht, § 22 BewG Rz 219).
28
f) Verfassungsrechtlich geboten ist eine
erneute Hauptfeststellung auch im Beitrittsgebiet. Insoweit können die in §§
129 ff. BewG getroffenen Regelungen künftig wegen der inzwischen
verstrichenen Zeit nicht mehr - wie seinerzeit noch vom BFH (z.B. Beschluss
vom 12. Januar 2006 II B 56/05, BFH/NV 2006, 919) angenommen - mit
Übergangsschwierigkeiten nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit
Deutschlands gerechtfertigt werden. Da im Beitrittsgebiet die
Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben sind (§ 129 BewG),
wiegen die hiergegen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken nach Ablauf
einer angemessenen Übergangszeit noch schwerer als im alten Bundesgebiet.
Seit dem 1. Januar 1935 haben sich die für die Bewertung maßgeblichen
Verhältnisse noch wesentlich stärker entwickelt und verändert als seit dem
1. Januar 1964.
29
2. Die Bewertung des Erbbaurechts der
Klägerin durch das FA ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der
festgestellte Wert ist jedenfalls nicht überhöht.
30
a) Ist ein Grundstück mit einem Erbbaurecht
belastet, so ist nach § 92 Abs. 1 BewG sowohl für die wirtschaftliche
Einheit des Erbbaurechts als auch für die wirtschaftliche Einheit des
belasteten Grundstücks jeweils ein Einheitswert festzustellen. Bei der
Ermittlung der Einheitswerte ist von dem Gesamtwert auszugehen, der für den
Grund und Boden einschließlich der Gebäude und Außenanlagen festzustellen
wäre, wenn die Belastung nicht bestünde. Wird der Gesamtwert nach den
Vorschriften über die Bewertung der bebauten Grundstücke ermittelt, so gilt
jede wirtschaftliche Einheit als bebautes Grundstück der Grundstücksart, von
der bei der Ermittlung des Gesamtwerts ausgegangen wird. Nähere Regelungen
über die Aufteilung des Gesamtwerts enthält § 92 Abs. 2 bis 4 BewG. Der
Erbbauberechtigte schuldet die Grundsteuer nach § 10 Abs. 2 GrStG nicht nur
für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts, sondern auch für die
wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks.
31
b) Wird der Einheitswert wie im Streitfall
für eine nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt neu entstehende
wirtschaftliche Einheit nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BewG nachträglich
festgestellt, sind dieser Nachfeststellung gemäß § 27 BewG die
Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt und im Übrigen gemäß § 23
Abs. 2 BewG abgesehen von Sondervorschriften für das land- und
forstwirtschaftliche Vermögen die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres,
das auf die Entstehung der wirtschaftlichen Einheit folgt, zugrunde zu legen
(zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 7).
32
c) Ist ein Geschäftsgrundstück wie
beispielsweise eine Markt-, Ausstellungs- oder Messehalle oder ein
Warenhausgrundstück im Wege der Nachfeststellung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BewG
gemäß § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren zu bewerten (Abschn. 16
Abs. 6 Satz 3, Abs. 7 Sätze 1 und 7 BewRGr; vgl. dazu allgemein BFH-Urteile
vom 21. Februar 2002 II R 66/99, BFHE 198, 146, BStBl II 2002, 378, und vom
16. Mai 2007 II R 36/05, BFH/NV 2007, 1827), ist für den dabei gemäß § 83
BewG anzusetzenden Gebäudewert nach § 85 Satz 1 BewG zunächst ein Wert auf
der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den
Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen. Dieser Wert ist gemäß §
85 Satz 2 BewG nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt
1. Januar 1964 umzurechnen. Der so errechnete Gebäudenormalherstellungswert
wird nach § 85 Satz 3 i.V.m. § 87 BewG durch Berücksichtigung von
Wertminderungen zum Gebäudesachwert, der wiederum gemäß § 85 Satz 4 i.V.m. §
88 BewG zu ermäßigen oder zu erhöhen sein kann. Eine Wertminderung wegen des
Alters des Gebäudes nach § 85 Satz 3 i.V.m. § 86 BewG scheidet bei
Nachfeststellungen aus (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1994 II R 58/89, BFHE
176, 275, BStBl II 1995, 235, und in BFH/NV 2006, 1450). Der so ermittelte
Gebäudewert bildet bei der Einheitsbewertung eines im Erbbaurecht
errichteten Gebäudes nach § 83 Satz 1 BewG den Ausgangswert, der gemäß § 83
Satz 2 BewG i.V.m. § 90 BewG durch Anwendung einer durch Rechtsverordnung
festgesetzten Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen ist. § 2 Abs. 1
Satz 2 Abschn. A Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 90 des
Bewertungsgesetzes vom 2. September 1966 (BGBl I 1966, 553), die zuletzt
durch Art. 18 Nr. 3 des Steuer-Euroglättungsgesetzes vom 19. Dezember 2000
(BGBl I 2000, 1790) geändert wurde, sieht für Nachkriegsbauten von
Warenhäusern eine Wertzahl von 85 % und für Nachkriegsbauten bei den übrigen
Geschäftsgrundstücken, zu denen auch die Markt- und Messehallen gehören,
eine Wertzahl von 80 % vor. Nachkriegsbauten sind nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr.
3 der Verordnung Gebäude, die nach dem 20. Juni 1948 bezugsfertig geworden
sind.
33
aa) Unter den durchschnittlichen
Herstellungskosten i.S. des § 85 Satz 1 BewG sind die Kosten zu verstehen,
die erfahrungsgemäß nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 für
Gebäude bestimmter Nutzung (z.B. Fabrik-, Hotel- oder Lagergrundstücke),
Bauweise (eingeschossig/mehrgeschossig), Ausstattung und Bauart aufzuwenden
waren. Dazu sind in Anlage 15 für unterschiedliche Gebäudeklassen aufgrund
eingehender Ermittlungen und zahlreicher Probebewertungen durchschnittliche
Raummeterpreise festgelegt, die auf den Baupreisverhältnissen des Jahres
1958 beruhen und bereits auf die Baupreisverhältnisse im
Hauptfeststellungszeitpunkt umgerechnet sind. Die Durchschnittswerte sind
zum Zweck einer möglichst gleichmäßigen Bewertung grundsätzlich anzuwenden,
weil ihr Ansatz dem Zweck des Sachwertverfahrens dient, das in seinen
Grundzügen auf die Bewertung von bebauten Grundstücken mit einem
typisierenden gemeinen Wert ausgerichtet ist (BFH-Urteile vom 26. Juni 1981
III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643; vom 30. Januar 1991 II R
51/88, BFH/NV 1992, 371, und vom 12. Juni 2002 II R 15/99, BFH/NV 2002,
1282).
34
bb) Dies setzt notwendigerweise auch die
Maßgeblichkeit der Gebäudeklasseneinteilung jedenfalls für den Regelfall
voraus. Soweit die BewRGr für die Abgrenzung der verschiedenen
Gebäudeklassen voneinander Vorgaben machen, sind diese der Beurteilung
regelmäßig zugrunde zu legen. Für die Frage, ob ein Gebäude ein Warenhaus im
Sinne der Gebäudeklasse 4 der Anlage 15 darstellt, ist deshalb die
Definition in Abschn. 16 Abs. 7 Satz 7 BewRGr maßgebend, wonach
Warenhausgrundstücke Geschäftsgrundstücke sind, die im Ganzen oder weit
überwiegend dem Betrieb eines Einzelhandelsunternehmens dienen und die
üblichen Ladengrundstücke an Umfang übertreffen. Die Einordnung von
Gebäuden, die diese Voraussetzungen erfüllen, in die Gebäudeklasse 9.21
"Markthallen, Messehallen und dergleichen" scheidet in der Regel aus (ebenso
für kleinere und mittlere Lebensmittelmärkte Halaczinsky in Rössler/Troll,
BewG, § 85 Rz 52a).
35
Nach der Rechtsprechung des BFH dienen
Markt- und Messehallenin der Regel nicht dem Einzel-, sondern dem
gewerblichen Großhandel als Ausstellungs- und Handelsplatz. Sie hätten daher
typischerweise anderen Funktionserfordernissen als Warenhäuser zu genügen.
Ihre Ausführung erfordere - anders als bei dem Einzelhandel dienenden
Warenhäusern - keine aufwendige, sondern mehr eine schlichte, funktionale
Baugestaltung. Bei Markt- und Messehallen sei es gewöhnlich nicht
erforderlich, durch aufwendige, repräsentative Baukonstruktionen und
-ausführungen ein angenehmes Verkaufsklima zu schaffen und hierdurch die
Kauflust von Endverbrauchern anzuregen (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1282).
36
An dieser Rechtsprechung kann nach erneuter
Prüfung nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Zum einen wenden sich
zahlreiche Veranstaltungen in Messehallen an das breite Publikum
(beispielsweise Buch-, Einrichtungs- und Tourismusmessen, Mineralientage)
und dienen Markthallen vielfach dem Einzelhandel. Zum anderen ergeben sich
die Merkmale für die Beurteilung der baulichen Ausstattung, von der die
Anwendung der in Anlage 15 aufgeführten Raummeterpreise abhängt, sowohl für
Warenhäuser als auch für Markt- und Messehallen aus Anlage 13 zu Abschn. 38
BewRGr (Anlage 13). Für die pauschale Aussage, die Ausführung von Markt- und
Messehallen erfordere - anders als bei dem Einzelhandel dienenden
Warenhäusern - keine aufwendige, sondern mehr eine schlichte, funktionale
Baugestaltung, ist danach kein Raum. Sie erklärt nämlich nicht, warum bei
gleicher Qualität der baulichen Ausstattung nach Anlage 13 die
Raummeterpreise für Warenhäuser höher als diejenigen für Markt- und
Messehallen sind. Zudem gehen Nrn. 4.1 und 9.21 der Anlage 15 davon aus,
dass Warenhäuser schlichter ausgestattet sein können als Markt- und
Messehallen; denn in Nrn. 4.1 und 9.21 der Anlage 15 sind u.a.
Raummeterpreise einerseits für Warenhäuser mit einfacher und mit mittlerer
Ausstattung (55 bis 80 DM bzw. 80 bis 105 DM) und andererseits für Markt-
und Messehallen mit sehr guter und mit aufwendiger Ausstattung (80 bis 105
DM bzw. 105 bis 130 DM) vorgesehen.
37
Die bei gleicher Qualität der baulichen
Ausstattung im Sinne der Anlage 13 zum Ansatz verschieden hoher
Raummeterpreise für Warenhäuser einerseits und für Markt- und Messehallen
andererseits führenden Umstände müssen danach in Merkmalen bestehen, die in
den BewRGr nicht genannt sind und sich im Jahr 1958 sehr deutlich auf die
Herstellungskosten ausgewirkt haben. Auf Betriebsvorrichtungen, die nach §
68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind,
kann es dabei nicht ankommen.
38
Die unterschiedlichen Raummeterpreise
beruhen nach Ansicht des Senats darauf, dass die Räume bei Markt- und
Messehallen aufgrund ihrer Zweckbestimmung üblicherweise weit höher als bei
Warenhäusern sind und sich nach einer jedenfalls früher weit verbreiteten
Auffassung die Baukosten für den umbauten Raum mit zunehmender Geschosshöhe
verringern, da vor allem für das Erdgeschoss sowie das Dach kostenintensive
Bauleistungen anfallen und ansonsten mit zunehmender Geschosshöhe der
Luftraum erfasst wird (vgl. Kleiber in Kleiber/Simon, Verkehrswertermittlung
von Grundstücken, 5. Aufl. 2007, S. 1831 Rz 49, S.
39
Die Heranziehung der Raumhöhe als
Abgrenzungsmerkmal entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch. Danach
versteht man unter einer Halle einen weiten und hohen Raum als Teil eines
Bauwerks oder in einem gesonderten Bau, der dann auch als Halle bezeichnet
werden kann (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., und Brockhaus
Enzyklopädie, 21. Aufl., jeweils Stichwort "Halle").
40
cc) Die Einteilung in die unterschiedlichen
Gebäudeklassen ist nicht abschließend (BFH-Urteile in BFHE 133, 437, BStBl
II 1981, 643; vom 18. Mai 1988 II R 241/85, BFHE 154, 139, BStBl II 1988,
935; in BFH/NV 1992, 371, und in BFH/NV 2002, 1282). Zur Gewährleistung
einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, der Rechtssicherheit und der
Praktikabilität des Bewertungsverfahrens sind aber Abweichungen von der
Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr nur möglich, wenn die nach dieser
Einteilung maßgeblichen Durchschnittswerte für den gemeinen Wert des
Gebäudes bedeutsame Eigenschaften, z.B. hinsichtlich Bauart, Bauweise,
Konstruktion sowie Objektgröße, nicht ausreichend berücksichtigen und die
Abweichung zwischen dem auf der Grundlage der Durchschnittswerte nach den
BewRGr und dem nach den durchschnittlichen tatsächlichen Herstellungskosten
vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert außerhalb
jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt
(BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1282). Dies ist der Fall, wenn der
Durchschnittswert nach den BewRGr um mindestens 100 % höher als die
durchschnittlichen tatsächlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke
ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643) oder wenn, anders
ausgedrückt, die durchschnittlichen tatsächlichen Herstellungskosten
vergleichbarer Bauwerke um mindestens 50 % vom Durchschnittswert nach den
BewRGr abweichen. Bei einer geringeren Abweichung bleibt es bei dem Ansatz
des Durchschnittswerts nach den BewRGr. Eine solche Abweichung ist zur
Wahrung der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens hinzunehmen. Da die
Einheitsbewertung des inländischen Grundbesitzes nur noch für die
Grundsteuer von Bedeutung ist, sind Wertverzerrungen bei der
Bemessungsgrundlage wegen der geringeren steuerlichen Belastungswirkung
verfassungsrechtlich in höherem Ausmaß hinnehmbar als bei der
Erbschaftsteuer und der Schenkungsteuer (BFH-Urteile in BFHE 209, 138, BStBl
II 2005, 428, und in BFH/NV 2006, 1450; a.A. Zimmermann, EFG 2009, 165,
unter Hinweis auf die langfristige Wirkung der Einheitsbewertung). Die vom
FG angeführte Rechtsprechung zum Übermaßverbot bei der früher in § 148 BewG
vorgesehenen Ermittlung des Grundstückswerts für Grundstücke, auf denen sich
Gebäude auf fremdem Grund und Boden befinden (BFH-Urteil vom 2. Juli 2004 II
R 9/02, BFHE 207, 42, BStBl II 2004, 1039), lässt sich daher auf die
Einheitsbewertung von inländischem Grundbesitz nicht übertragen.
41
d) Das FA hat danach das zu bewertende
Gebäude zutreffend zu den Warenhäusern gerechnet; denn es dient dem Betrieb
eines Einzelhandelsunternehmens und übertrifft mit seiner Nutzfläche von 1
363 qm den Umfang üblicher Ladengrundstücke (BFH-Urteil in BFH/NV 2002,
1282). Eine Abweichung von dieser Gebäudeklassenzuordnung scheidet aus. Die
Geschosshöhe geht nicht über die übliche Geschosshöhe in Warenhäusern hinaus
und ist weit geringer als die übliche Geschosshöhe von Markt- und
Messehallen. Die von der Klägerin geltend gemachten und auf den 1. Januar
1964 umgerechneten durchschnittlichen tatsächlichen Herstellungskosten
vergleichbarer Gebäude weichen nicht um mindestens 50 % von dem
Raummeterpreis ab, den das FA der Ermittlung des Gebäudewerts nach Nr. 4.2
der Anlage 15 zugrunde gelegt hat (105 DM) oder der nach der berichtigten
Berechnung des FA anzusetzen wäre (110 DM).
42
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die
durchschnittlichen tatsächlichen Herstellungskosten einschließlich
Umsatzsteuer anzusetzen. Die der Klägerin zustehende Berechtigung zum
Vorsteuerabzug (§ 15 des Umsatzsteuergesetzes) steht dem nicht entgegen;
denn diese Berechtigung zählt zu den ungewöhnlichen und persönlichen
Verhältnissen i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG, die bei der Einheitsbewertung
nicht zu berücksichtigen sind. Der Wert eines Grundstücks ist objektiv zu
bestimmen und kann daher nicht von den steuerlichen Verhältnissen des
Eigentümers abhängen (ebenso Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 1991
XII ZR 109/90, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 3036, zur
Grundstücksbewertung nach der Wertermittlungsverordnung; Kleiber in
Kleiber/Simon, a.a.O., S. 999 Rz 22). Ein Abzug der Umsatzsteuer ist
entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht geboten, um einen Vergleich mit
den Raummeterpreisen nach den BewRGr zu ermöglichen. Anders als die Klägerin
meint enthalten diese Raummeterpreise die Umsatzsteuer, da es im Jahr 1964
aufgrund der Ausgestaltung der Umsatzsteuer als Allphasen-Bruttoumsatzsteuer
keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug gab und deshalb die entstandene
Umsatzsteuer in jedem Fall in die Herstellungskosten eingegangen ist (vgl.
Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, vor § 1 Rz 1). Aus den von der
Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2008 genannten Ausführungen bei
Simon/Cors/Troll (Handbuch der Grundstückswertermittlung, 3. Aufl. 1993, B.1
Rz 22 ff.), und den dort in Rz
43
Die Klägerin beruft sich zur Begründung
ihres Klagebegehrens zu Unrecht auf das Ergebnis des Revisionsverfahrens II
R 33/05. Die Klägerin und das seinerzeit zuständige Finanzamt haben sich in
diesem Verfahren damit einverstanden erklärt, dass der damals zu bewertende
Lebensmittelmarkt der Klägerin zur Gebäudeklasse "Warenhaus" und nicht
"Markt- oder Messehalle" zählt und unter Berücksichtigung der Besonderheiten
des Gebäudes eine einfache Ausstattung aufweist. Eine Gleichbehandlung
besser ausgestatteter Lebensmittelmärkte kann darauf nicht gestützt werden.
44
Es kann danach auf sich beruhen, ob das FG
allein aus den von der Klägerin mitgeteilten Baukosten für das zu bewertende
Gebäude und die von ihr ausgewählten weiteren Objekte auf durchschnittliche
tatsächliche Herstellungskosten vergleichbarer Gebäude schließen durfte oder
ob dies - was aus den vom FA angeführten Gründen näher liegt - nicht der
Fall ist.
45
Die Berechnung des Raummeterpreises von 105
DM im Einzelnen auf der Grundlage der in Anlage 13 bestimmten Merkmale
entspricht im Grundsatz den gesetzlichen Anforderungen und führt jedenfalls
nicht zu einem überhöhten Wert. Da die Klägerin insoweit keine Einwendungen
erhoben hat, wird von näheren Darlegungen dazu abgesehen.
|