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BFH-Urteil vom 15.6.2010 (VIII R 14/09) BStBl. 2010 II S. 909
Berufsbetreuer und Verfahrenspfleger: keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
sondern Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit
Eine Volljuristin ohne anwaltliche Zulassung, die als Berufsbetreuerin und
Verfahrenspflegerin tätig ist, erzielt Einkünfte aus sonstiger selbständiger
Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Änderung der Rechtsprechung).
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3.
Vorinstanz: FG Münster vom 21. August 2007
6 K 2787/03 G
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Volljuristin und war im Streitjahr als
berufsmäßige Betreuerin und Verfahrenspflegerin tätig. In ihrer
Einkommensteuererklärung 2000 deklarierte sie die von ihr erzielten
Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA -) beurteilte die von der Klägerin erzielten Einkünfte indes
als solche aus Gewerbebetrieb und setzte für das Streitjahr einen
entsprechenden Gewerbesteuermessbetrag fest. Den gegen den
Gewerbesteuermessbescheid 2000 eingelegten Einspruch der Klägerin wies das
FA mit Einspruchsentscheidung vom 28. März 2003 als unbegründet zurück.
Nachdem das FA den Gewerbesteuermessbescheid 2000 bereits im August 2002
geändert hatte, korrigierte es den Gewerbesteuermessbescheid nochmals am 3.
Juli 2007.
2
Mit der dagegen erhobenen
Klage machte die Klägerin geltend, sie erziele als Berufsbetreuerin und
Verfahrenspflegerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie übe einen einem
Katalogberuf gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlichen Beruf aus; dieser
entspreche in den typischen wesentlichen Merkmalen demjenigen eines
Rechtsanwalts. Als Volljuristin würden ihr speziell Betreuungen übertragen,
die einen starken juristischen Bezug hätten; bei ihrer Tätigkeit als
Verfahrenspflegerin sei zu beachten, dass sie diese ohne detaillierte
Kenntnisse des Unterbringungsrechts und des Sorgerechts nicht ausüben
könnte. Sie vertrete die Betreuten gegenüber Dienstleistern und Behörden,
führe vor Gericht Rechtsstreitigkeiten für sie durch, entwerfe Verträge und
sei als Vertreterin von Betreuten an Erbauseinandersetzungen beteiligt. Als
Verfahrenspflegerin vertrete sie die Betroffenen wie ein Rechtsanwalt nach §
50 Abs. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit (FGG); sie übe daher mindestens eine sonstige selbständige
Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus. Sie habe zudem im Streitjahr
mindestens 3/4 ihrer Einkünfte mit Betreuungen erzielt, die überwiegend in
der Vermögensverwaltung bestünden.
3
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage mit Urteil vom 21. August 20076 K 2787/03 G ab. Es entschied, die
Klägerin habe als berufsmäßige Betreuerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß
§ 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) erzielt. Weder ihre Tätigkeit als
Berufsbetreuerin noch als Verfahrenspflegerin erfüllte die Voraussetzungen
des § 18 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 EStG.
4
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihre Tätigkeit sei eine
freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, zumindest aber als sonstige
selbständige Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu bewerten.
5
Die Klägerin beantragt, das
Urteil des FG Münster vom 21. August 20076 K 2787/03 G und den
Gewerbesteuermessbescheid
6
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
7
Die Beteiligten haben
übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Aufzuheben sind ferner der
angefochtene Gewerbesteuermessbescheid in der Fassung der
Einspruchsentscheidung sowie der letztmalige Änderungsbescheid vom 3. Juli
2007.
9
Zu Unrecht hat das FG die Tätigkeit der
Klägerin als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin als gewerblich i.S.
des § 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG beurteilt. Vielmehr hat die Klägerin
Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt.
10
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. §
15 Abs. 2 EStG unterliegen der Gewerbesteuer nur (inländische) gewerbliche
Unternehmen i.S. des EStG; nicht gewerblich sind danach Unternehmen, deren
Betätigung als Ausübung eines freien Berufs oder als eine selbständige
Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG) anzusehen ist.
11
2. Entgegen der Auffassung des FG gehört
die hier zu beurteilende Tätigkeit der Klägerin als berufsmäßige Betreuerin
und Verfahrenspflegerin zu den Tätigkeiten, die den Einkünften aus
selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG zuzurechnen sind.
12
a) Berufsbetreuer übernehmen rechtliche
Betreuungen (§§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -), ohne dass
dafür eine bestimmte Ausbildung oder ein Studium erforderlich ist. Deshalb
nehmen nicht nur Juristen oder Steuerberater (vgl. Bundesgerichtshof - BGH
-, Beschluss vom 21. Oktober 2009 XII ZB 66/08, Zeitschrift für das gesamte
Familienrecht - FamRZ - 2010, 199; Zimmermann, Deutsches Steuerrecht 2007,
1322), sondern auch andere Berufsgruppen (wie Sozialarbeiter/-pädagogen,
Alten- und Krankenpfleger sowie Erzieher, aber auch Verwaltungsfachkräfte
und Kaufleute) diese Aufgabe wahr. Berufsbetreuer werden durch die
Vormundschaftsgerichte (heute: Betreuungsgerichte) als Betreuer (§ 1836 Abs.
1 BGB, § 1897 Abs. 6 BGB) bestellt; im Bestellungsbeschluss wird die
Betreuung als beruflich geführt bezeichnet.
13
Gegenstand des Berufsbilds der
Berufsbetreuer ist die Unterstützung und Beratung volljähriger Menschen, die
in ihrer Entscheidungs- oder Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind und
deshalb nicht selbst für ihre Angelegenheiten sorgen können. Die Betreuer
unterstützen die Betroffenen rechtlich oder handeln "stellvertretend für
sie, zum Beispiel durch Regelung der Finanzen, Vertretung gegenüber
Behörden, Organisation von pflegerischen Diensten oder Einwilligung in
ärztliche Behandlungen" (vgl.
www.bdb-ev.de/2_Informationen_zu_Betreuung.php). Dabei gehört zur Betreuung
insbesondere auch die Vertretung in Vermögensangelegenheiten (vgl.
BGH-Urteile vom 9. Januar 2008 VIII ZR 12/07, FamRZ 2008, 680; vom 30. April
2008 XII ZR 110/06, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2008, 2333;
BGH-Beschluss in FamRZ 2010, 199; Sonnenfeld, FamRZ 2009, 1027; Wilde,
GmbH-Rundschau 2010, 123).
14
b) Ob diese danach schon zu einem eigenen
Berufsbild verdichtete Tätigkeit als "Berufsbetreuer" den Einkünften aus
selbständiger Arbeit zuzuordnen ist, ist streitig.
15
aa) Der in der Vergangenheit für die
Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit zuständig gewesene IV.
Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat die Berufsbetreuertätigkeit mit Urteil
vom 4. November 2004 IV R 26/03 (BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288 mit Anm.
Habscheidt, NJW 2005, 1257) unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 2.
September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24; vom 28. August
2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112) als gewerbliche und nicht
als sonstige selbständige Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG
angesehen, weil diese Vorschrift nur vermögensverwaltende Tätigkeiten
erfasse. Diese Voraussetzung erfülle die Tätigkeit eines berufsmäßigen
Betreuers nicht, da sie nicht nur Vermögensfragen, sondern auch persönliche
Angelegenheiten (z.B. Gesundheitsangelegenheiten, Wohnungsfragen, Bestimmung
des Aufenthalts oder des Umgangs; vgl. etwa MünchKommBGB/Schwab, 5. Aufl., §
1896 Rz 62 ff.) umfasse.
16
Diese Auffassung wird auch in einer
Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen (vgl. FG Mecklenburg-Vorpommern,
Urteil vom 25. August 19991 K 472/98, Entscheidungen der Finanzgerichte -
EFG - 1999, 1080; FG Köln, Urteil vom 16. Oktober 20037 K 1576/02, EFG 2004,
119; FG Düsseldorf, Urteil vom 23. September 20039 K 7943/00 F, AO, EFG
2004, 36; FG Münster, Urteil vom 12. Mai 20041 K 842/03 G, EFG 2004, 1459;
vom 17. Juni 2008 1 K 5087/06 G, EFG 2008, 1729 als Vorinstanz dieses
Verfahrens; FG Hamburg, Urteil vom 17. November 20086 K 159/06, EFG 2009,
412; FG Münster, Urteil vom 21. August 20076 K 2787/03 G, juris, Rev. VIII R
14/09) und von der Finanzverwaltung vertreten (vgl. Verfügungen der
Oberfinanzdirektion - OFD - Koblenz vom 30. Januar 2006 -S
17
bb) Davon abweichend hat das FG Thüringen
mit Urteil vom 27. September 2000 IV 1485/98 (Deutsches
Steuerrecht/Entscheidungsdienst - DStRE - 2001, 965, rechtskräftig) unter
Hinweis darauf, dass für die Zuordnung zum Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1
Nr. 3 EStG eine Gruppenähnlichkeit zu den Tätigkeiten des
Testamentsvollstreckers, Vermögensverwalters und Aufsichtsratsmitglieds
genüge, auch für die Tätigkeit der Berufsbetreuer eine Anwendbarkeit der Nr.
3 bejaht, weil sie ebenso wie diese drei Regelbeispiele deren gemeinsames
Leitbild der Fremdnützigkeit, der Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis
und der weitestgehenden selbständigen Ausübung aufweise.
18
c) Verfahrenspfleger wurden im Streitjahr
nach den Vorschriften des FGG bestellt. Heute gilt insoweit das Gesetz über
die Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 - FamFG - (BGBl I 2008, 2587).
Verfahrenspfleger werden von den Gerichten bestellt in Betreuungssachen (§
276 FamFG), Unterbringungssachen (§ 317 FamFG) und
Freiheitsentziehungssachen (§ 419 FamFG). In Betracht kommt eine Bestellung
ferner in Kindschaftssachen (§ 50 FGG, nunmehr Verfahrensbeistand i.S. des §
158 FamFG) und in Adoptionssachen (§
19
In Betreuungssachen ist der
Verfahrenspfleger als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen mit allen
Rechten und Pflichten eines Beteiligten ausgestattet (vgl. Rausch in
Schulte-Bunert/ Weinreich, a.a.O., § 274 Rz 10); im Unterbringungsverfahren
wie im Freiheitsentziehungsverfahren hat der Verfahrenspfleger ebenfalls die
Rechtsstellung eines Beteiligten (vgl. Dodegge in Schulte-Bunert/Weinreich,
a.a.O., § 317 Rz 10, § 419 Rz 10); das gilt gleichermaßen im
Adoptionsverfahren (Sieghörtner in Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 191
Rz 10).
20
Ob die Tätigkeit als Verfahrenspfleger zu
Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG führt, ist
höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Bei der Bewertung dieser
Tätigkeit ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Verfahrenspfleger ähnlich
wie ein Betreuer die (objektiven) Interessen des Betroffenen wahrzunehmen
und diese im jeweiligen Verfahren zu wahren hat. Im Betreuungsverfahren z.B.
kann es um die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die
Erweiterung des Aufgabenkreises hierauf gehen (vgl. § 276 Abs. 1 Nr. 2
FamFG) einschließlich der mit der Betreuung im Zusammenhang stehenden
weiteren Verfahren, wie z.B. der Kostenentscheidungen und des
Festsetzungsverfahrens gegen den Betroffenen (vgl. Rausch in
Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 276 Rz 2). Unterbringungssachen hingegen
betreffen die zivilrechtliche Unterbringung Volljähriger gemäß § 1906 BGB,
die Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB bzw.
die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Volljährigen
nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker (§ 312
FamFG). Im Freiheitsentziehungsverfahren nach § 415 FamFG, einem Verfahren,
aufgrund dessen einer Person gegen ihren Willen oder im Zustand der
Willenlosigkeit die Freiheit entzogen wird, hat der Verfahrenspfleger als
Beteiligter in vollem Umfang die Belange des Betroffenen zu gewährleisten
und diesen fachkundig zu beraten und zu vertreten. Auch wenn es im
Unterbringungsverfahren wie im Verfahren der Freiheitsentziehung vornehmlich
um Eingriffe in höchstpersönliche Angelegenheiten des Betroffenen, seine
persönliche Freiheit, geht, hat das zwangsläufig Konsequenzen auch für
dessen vermögensrechtliche Position. Insgesamt umfasst die
Interessenwahrnehmung für den Betroffenen damit rechtliches wie
tatsächliches Handeln einschließlich der Wahrnehmung von
Vermögensangelegenheiten; es handelt sich um eine selbständige fremdnützige
Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis.
21
d) Der erkennende Senat, auf den die
alleinige Zuständigkeit für die Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger
Arbeit übergegangen ist, geht unter Aufgabe der bisherigen
BFH-Rechtsprechung (im Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 208, 280, BStBl
II 2005, 288) davon aus, dass die Einnahmen eines Berufsbetreuers ihrer Art
nach nicht den Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern den Einkünften aus
selbständiger Arbeit zuzuordnen sind. Das gilt gleichermaßen für den
berufsmäßigen Verfahrenspfleger, der Kraft seiner speziellen Kenntnisse -
wie hier die Klägerin - insbesondere für Verfahren bestellt wird, die
besondere Sachkunde erfordern.
22
Die Einnahmen aus Berufsbetreuung sind
ebenso wie diejenigen, welche die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als
Verfahrenspflegerin erzielt hat, den Einkünften aus sonstiger selbständiger
Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen.
23
Danach gehören zu den freiberuflichen
Einkünften auch
"Einkünfte aus sonstiger selbständiger
Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für
Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied".
24
aa) Die Vorschrift enthält keinen
abschließenden Katalog in Betracht kommender "Einkünfte aus sonstiger
selbständiger Arbeit", sondern lediglich die Auflistung der Regelbeispiele
"Testamentsvollstreckervergütung", "Vermögensverwaltung",
"Aufsichtsratstätigkeit" (vgl. Brandt in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 18 EStG
Rz 251). Weitere Tätigkeiten fallen danach in den Anwendungsbereich der
Regelung, wenn sie ihrer Art nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG ähnlich sind (Grundsatz der sog. Gruppenähnlichkeit; vgl. BFH-Urteil
vom 28. Juni 2001 IV R 10/00, BFHE 196, 84, BStBl II 2002, 338). Das ist
z.B. der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder Vermögensinteressen
umfasst, aber darüber hinaus auch dann, wenn es sich um eine selbständig
ausgeübte fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis handelt (so
FG Thüringen, Urteil in DStRE 2001, 965).
25
bb) Auf dieser Grundlage ist die Tätigkeit
eines Berufsbetreuers den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit
zuzuordnen, weil sie ebenso wie die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezeichneten
Regelbeispiele - berufsbildtypisch - durch eine selbständige fremdnützige
Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis sowie durch Aufgaben der
Vermögensverwaltung geprägt ist.
26
An der Auffassung des IV. Senats im Urteil
in BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288, dass eine Zuordnung der Betreuung zur
sonstigen selbständigen Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht in
Betracht komme, weil die Betreuung durch den Umfang der Personensorge über
die Vermögensverwaltung hinausreiche, hält der erkennende Senat nicht mehr
fest. Die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele erschöpfen
sich nicht in der bloßen Vermögensverwaltung, sondern umfassen zusätzliche
Aufgaben, wie etwa Leistung von Rechtsbeistand durch den
Testamentsvollstrecker (Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 68.
Aufl., § 2203 Rz 1; vgl. auch § 2209 Satz 1 BGB) oder unternehmerische
Kontrolle durch das Aufsichtsratsmitglied.
27
Hinzu kommt, dass bei einer umfassend
angeordneten Betreuung eine Trennbarkeit der vermögensbetreuenden und
sonstigen persönlichen Tätigkeiten in einer Vielzahl von Fällen kaum gegeben
ist. So stellt die Entscheidung über eine mögliche Heilbehandlung zugleich -
wegen der damit verbundenen Kosten für den Betreuten - stets auch eine
vermögensrelevante Entscheidung dar. Im Hinblick darauf, dass
vermögensrechtliche Aspekte in derartigen Fällen zumindest mittelbar mit
berührt werden, steht der Zurechnung der Berufsbetreuertätigkeit zum
Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nichts entgegen, selbst wenn im
Einzelfall die Betreuung in Vermögens- und sonstige persönliche
Angelegenheiten aufgeteilt worden ist.
28
cc) Nämliches gilt für die von der Klägerin
ausgeübte Tätigkeit eines Verfahrenspflegers, der seine Tätigkeit ebenfalls
fremdnützig und selbständig in einem fremden Geschäftskreis ausübt. Für
Betreuungsverfahren hat der Senat vorstehend unter II.2.d bb bereits
ausgeführt, dass eine Trennbarkeit zwischen vermögensbetreuenden und
sonstigen persönlichen Tätigkeiten in einer Vielzahl von Fällen kaum möglich
ist. Das gilt naturgemäß auch für den für solche Verfahren bestellten
Pfleger. Z.B. bei Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 3 FamFG, d.h. bei
freiheitsentziehenden Unterbringungen Volljähriger nach den Landesgesetzen
über die Unterbringung psychisch Kranker, bei denen die Klägerin mehrfach
als Pflegerin bestellt wurde, hat eine Entscheidung des Betreuungsgerichts
für den Betroffenen nicht nur persönliche, sondern auch vermögensrechtliche
Konsequenzen; vermögensrechtliche Aspekte werden in derartigen Fällen
zumindest mittelbar mit berührt. Angesichts dieser Umstände unterfällt die
Tätigkeit der Klägerin als Verfahrenspflegerin ebenfalls dem
Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
29
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin
hat nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2
FGO) - im Umfang zwischen den Beteiligten unstreitige -
Betreuungstätigkeiten nach dem Betreuungsgesetz sowie
Verfahrenspflegschaften in Unterbringungs- und Betreuungsverfahren
wahrgenommen. Sie hat damit Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit
gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt.
30
Der Senat kann ohne Anfrage bei anderen
Senaten entscheiden, da er zum einen die Zuordnung der Betreuungstätigkeit
zur anwaltstypischen Berufstätigkeit in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des V. Senats verneint hat (vgl. BFH-Urteile vom 4. Dezember
1980 V R 27/76, BFHE 132, 136, BStBl II 1981, 193, und vom 28. Februar 1991
V R 63/86, BFH/NV 1991, 632) und zum anderen - soweit er von der
Entscheidung des IV. Senats in BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288 zur
fehlenden Freiberuflichkeit einer Betreuertätigkeit abweicht - aufgrund
geänderter Geschäftsverteilung ausschließlich für die Auslegung des § 18
EStG zuständig geworden ist.
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