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BFH-Urteil vom 24.2.2010 (II R 6/08) BStBl. 2010 II S. 994
Maßgeblichkeit von zulässigem Gesamtgewicht und Nutzlast für PKW-Besteuerung
Fahrzeuge, die bauartbedingt weitgehend einem PKW entsprechen und sich auch
hinsichtlich des zulässigen Gesamtgewichts und der Nutzlast von einem PKW
nicht wesentlich unterscheiden, unterliegen der emissionsbezogenen
Hubraumbesteuerung nach § 8 Nr. 1 KraftStG. Eine Besteuerung solcher
Fahrzeuge als LKW nach dem Fahrzeuggewicht kommt nur in Betracht, wenn die
Fahrzeuge ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 2.800 kg und eine
Nutzlast von mehr als
KraftStG § 2 Abs. 2 Satz 1, § 8 Nr. 1 und
2; PBefG § 4 Abs. 4 Nr. 1.
Vorinstanz: FG des Landes Sachsen-Anhalt
vom 12. Dezember 2007 2 K 1099/06
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist Halter eines Kraftfahrzeugs vom Typ Opel
ASTRA-F-LFW. Das Fahrzeug hat werksseitig keine hinteren Sitze und eine
Trennwand zwischen dem Fahrgastraum und der Ladefläche. Befestigungspunkte
für Sicherheitsgurte und Sitze fehlen im Bereich der Ladefläche. Das
Fahrzeug hat zwei Türen und eine Heckklappe. Die hinteren Seitenfenster sind
verblecht. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 1.595 kg und die Nutzlast
2
Mit Bescheid vom 12. Oktober
2005 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die
Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab dem 16. August 2005 ausgehend von der
Fahrzeugart PKW auf jährlich 464 € fest.
3
Einspruch und Klage, mit
denen sich der Kläger gegen die Einordnung seines Fahrzeugs als PKW wandte,
blieben ohne Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass nach der objektiven
Beschaffenheit des Fahrzeugs dessen Eignung und Bestimmung zur
Lastenbeförderung die Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung nicht
deutlich überwiege. Die Größe der Nutzfläche und die erlaubte Zuladung seien
nicht nur im Verhältnis zu der Gesamtfläche bzw. zum Gesamtgewicht des zu
beurteilenden Fahrzeugs zu sehen; vielmehr müssten auch die absolute Größe
der Ladefläche und die absolut erlaubte Zuladung in die Gesamtwürdigung der
Beschaffenheitsmerkmale des Fahrzeugs einbezogen werden. Diesen Merkmalen
komme ein besonderes Gewicht zu, weil sie maßgeblich auf die Eignung und
Bestimmung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung Einfluss hätten.
4
Mit der Revision rügt der
Kläger fehlerhafte Anwendung des § 8 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
(KraftStG). Entgegen der Auffassung des FG sei bei der Gesamtbetrachtung
aller entscheidungserheblichen Merkmale davon auszugehen, dass sein Fahrzeug
als LKW einzustufen sei. Entscheidend seien hier die werksseitige
Verblechung der Fenster im Fondbereich, die Abtrennung des Fahrgastraumes
zum Laderaum, fehlende Befestigungspunkte für Sitze und Gurte im Laderaum,
das Verhältnis von Laderaum zum Fahrgastraum sowie die
Transportmöglichkeiten.
5
Der Kläger beantragt, das
Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2007 sowie die
Einspruchsentscheidung des FA vom 7. Juli 2006 aufzuheben und sein Fahrzeug
als LKW zu besteuern.
6
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
7
Das Bundesministerium der
Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Es hat auf Anfrage des Gerichts
mitgeteilt, dass es bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Behandlung des
Fahrzeugs des Klägers von Bundesland zu Bundesland eine sehr
unterschiedliche Rechtsanwendungspraxis gebe. Solche Fahrzeuge würden
überwiegend als LKW, häufig aber auch als PKW besteuert. Seiner Auffassung
nach handele es sich bei dem Fahrzeug des Klägers um einen PKW, weil die an
dem Fahrzeug vorgenommenen Modifikationen dem Grundmodell (PKW) keinen neuen
Charakter verliehen.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision des Klägers ist unbegründet
und deswegen zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO
-).
9
1. Das FG hat ohne Rechtsverstoß
entschieden, dass das Fahrzeug des Klägers nicht als "anderes Fahrzeug" i.S.
des § 8 Nr. 2 KraftStG (hier als LKW) nach dem Gewicht zu besteuern ist,
sondern als PKW der emissionsbezogenen Hubraumbesteuerung gemäß § 8 Nr. 1
KraftStG unterliegt. Es hat zutreffend erkannt, dass für die Abgrenzung
zwischen LKW und PKW dem Fahrzeuggewicht sowie der Zuladung maßgebliche
Bedeutung zukommt.
10
a) Das KraftStG enthält keine ausdrückliche
Definition des PKW; es verweist in § 2 Abs. 2 Satz 1 lediglich auf die
"jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften, wenn nichts anderes
bestimmt ist". Die verkehrsrechtlichen Vorschriften enthalten keine
ausdrücklichen Bestimmungen des Begriffs des PKW oder des LKW. Der
Bundesfinanzhof (BFH) hat insoweit mehrfach entschieden, dass sich weder aus
der Richtlinie 2001/116/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 zur
Anpassung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für
Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt noch
aus anderen verkehrsrechtlichen Vorschriften entsprechende
Begriffsbestimmungen ergeben (Entscheidungen vom 1. Oktober 2008 II R 63/07,
BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20; vom 23. Februar 2007 IX B 222/06, BFH/NV
2007, 1351; vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006,
721, und vom 28. November 2006 VII R 11/06, BFHE 215, 568, BStBl II 2007,
338, jeweils m.w.N.).
11
Der höchstrichterlichen Rechtsprechung
liegt vielmehr ein eigenständiger kraftfahrzeugsteuerrechtlicher PKW-Begriff
zugrunde, der auf die ursprüngliche Begriffsbestimmung in § 10 Abs. 2 des
KraftStG i.d.F. vom 30. Juni 1955 (BGBl I 1955, 418, 420) zurückgreift und
der nunmehr in § 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes enthalten
ist (BFH-Urteil in BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20). Danach ist ein PKW ein
Fahrzeug mit vier oder mehr Rädern, das nach seiner Bauart und Einrichtung
zur Personenbeförderung (zunächst höchstens sieben, heute höchstens neun
Personen einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt ist (BFH-Beschlüsse in
BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721, und vom 30. Oktober 2008 II B 60/08,
nicht amtlich veröffentlicht). Diese auf historischer Betrachtung beruhende
Rechtsanwendung wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen
Rechtsfindung und stellt eine anerkannte Methode der Gesetzesauslegung dar
(Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 2009
1 BvR 3227/08, BFH/NV 2009, 2124).
12
Der Eignung und Bestimmung zur
Personenbeförderung steht es dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass
Fahrzeuge neben der Beförderung von Personen auch dem Transport von Gepäck
oder anderer Güter im privaten oder gewerblichen Bereich dienen oder zu
dienen bestimmt sind, wie dies z.B. bei Kombinationskraftwagen der Fall ist.
Bestandteil des Regelungsplans des historischen Gesetzgebers war es nämlich,
unter bestimmten Voraussetzungen auch solche Kraftfahrzeuge als PKW zu
bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt
waren, nicht nur Personen (einschließlich ihres üblichen Gepäcks) zu
befördern, sondern einem weiteren Hauptzweck zu dienen (BFH-Urteil vom
22. Juni 1983 II R 64/82, BFHE 138, 493, BStBl II 1983, 747).
13
Die Abgrenzung zwischen LKW und PKW ist
nach der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs vorzunehmen. Als für die
Einstufung bedeutsame Merkmale sind von der Rechtsprechung z.B. die Zahl der
Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der
Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und
Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der
Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare
Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen
die Konzeption des Herstellers anerkannt worden (vgl. hierzu BFH-Beschluss
in BFH/NV 2007, 1351, und BFH-Urteil in BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20).
14
An dieser Rechtsprechung hält der Senat
grundsätzlich fest, präzisiert diese aber dahin, dass für die Abgrenzung
zwischen einem PKW und einem LKW dem verkehrsrechtlich zulässigen
Gesamtgewicht sowie der Zuladung (Nutzgewicht) eines Fahrzeugs jedenfalls
dann eine besondere und entscheidende Bedeutung zukommt, wenn bei
serienmäßig hergestellten Fahrzeugen durch werksseitige oder nachträglich
vorgenommene Modifikationen oder Ausstattungen (wie z.B. Verzicht auf eine
zweite Sitzreihe, Verblechung der hinteren Seitenscheiben, Trennwand
zwischen Fahrgastraum und Ladezone) die Möglichkeiten zur
Personenbeförderung eingeschränkt werden, die Fahrzeuge aber nach ihrem
äußeren Erscheinungsbild (Karosserieform) sowie ihrer technischen
Ausstattung (Fahrgestell und Motorisierung) einem annähernd baugleichen
PKW-Typ (gegebenenfalls in der Karosserieform eines Kombinationskraftwagens)
entsprechen.
15
Angesichts der Vorprägung solcher Fahrzeuge
als PKW kommt ihre Besteuerung als LKW nach dem Fahrzeuggewicht erst dann in
Betracht, wenn diese den typischen Gewichtsbereich und die regelmäßigen
Zuladungsmöglichkeiten eines PKW deutlich überschreiten. Denn ein LKW wird
maßgeblich durch die Möglichkeit geprägt, Lasten von erheblichem Umfang zu
befördern. Diesem Gesichtspunkt entspricht die Besteuerung der LKW nach dem
höchst zulässigen Fahrzeuggewicht, mit der der Gesetzgeber der durch das
regelmäßig höhere Fahrzeuggewicht von LKW progressiv ansteigenden
Beanspruchung der Straßen besondere Rechnung tragen will (BTDrucks 2/573
S. 9/10 – Begründung zum Verkehrsfinanzierungsgesetz 1954; BTDrucks 3/1247
S. 8 – Begründung zum Straßenbaufinanzierungsgesetz).
16
Diese gesetzgeberische Intention steht der
Annahme, es liege ein LKW vor, jedenfalls bei solchen Fahrzeugen entgegen,
die bauartbedingt weitgehend einem PKW entsprechen und sich auch
hinsichtlich des zulässigen Gesamtgewichts und der Nutzlast von einem PKW
nicht wesentlich unterscheiden. Eine Besteuerung solcher Fahrzeuge als LKW
nach dem Fahrzeuggewicht kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn sie den
typischen Gewichtsbereich und die gewöhnlichen Zuladungsmöglichkeiten von
PKW deutlich überschreiten. Ein deutliches Überschreiten des gewöhnlichen
Gesamtgewichts und der gewöhnlichen Zuladungsmöglichkeiten eines PKW liegt
nur bei solchen Fahrzeugen vor, die ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr
als 2.800 kg und eine Nutzlast von mehr als
17
Bei Fahrzeugen mit Ladepritsche sowie bei
Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2.800 kg und
einer Nutzlast von mehr als
18
b) Bei dem Fahrzeug des Klägers, einem Opel
ASTRA-F-LFW, handelt es sich um ein Fahrzeug, welches durch werksseitige
Ausstattung nur eine auf die vordere Sitzreihe beschränkte Möglichkeit zur
Personenbeförderung bietet, im Übrigen aber einem annähernd baugleichen
PKW-Typ entspricht. Es könnte deshalb nur dann nach dem Gewicht als LKW
besteuert werden, wenn es die unter II.
19
Auf die nach Auffassung des Klägers für das
Vorliegen eines LKW sprechenden Kriterien wie beispielsweise das Verhältnis
der Flächen von Laderaum und Fahrgastraum sowie die Transportkapazitäten und
Ähnliches kommt es nach den Ausführungen unter II. 1. a nicht an.
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