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BFH-Urteil vom 25.8.2009 (IX
R 3/09) BStBl. 2010 II S. 1030
Zahlt der Arbeitgeber seinem
Arbeitnehmer eine Abfindung, weil dieser seine Wochenarbeitszeit aufgrund
eines Vertrags zur Änderung des Arbeitsvertrags unbefristet reduziert, so
kann darin eine begünstigt zu besteuernde Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1
Buchst. a EStG liegen (Klarstellung der Rechtsprechung).
EStG § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 2.
Vorinstanz: FG
Berlin-Brandenburg vom 17. September 2008 11 K 1839/05
Sachverhalt
I.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war bei der X AG (AG) mit einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt. Am 2. März des Streitjahres (2004)
schlossen die AG und die Klägerin einen Vertrag zur Änderung des
Arbeitsvertrages und änderten darin die Wochenarbeitszeit ab dem 24. Februar
2004 um 19,25 Stunden unbefristet auf 19,25 Wochenstunden. In einer
Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom gleichen Tag vereinbarten sie, dass die
Klägerin für die Reduzierung der Wochenarbeitszeit eine Teilabfindung von
17.459,24 € erhalten sollte. Die AG zahlte die Abfindung im Streitjahr in
einer Summe.
In der
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte die Klägerin die
begünstigte Versteuerung der Teilabfindung als Entschädigung für mehrere
Jahre. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -)
ab und erfasste die Teilabfindung in vollem Umfang als Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit.
Diese Auffassung vertrat
auch das Finanzgericht (FG). Eine zu außerordentlichen Einkünften führende
Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) liege nicht vor, weil das ihr zugrunde
liegende Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der AG nicht beendet
worden sei. Nach der Aktenlage könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass
die Arbeitszeitreduzierung auf einem Entschluss der Klägerin beruhe. Auch
eine begünstigte Versteuerung nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG komme
nicht in Betracht. Die Teilabfindung sei keine Vergütung für eine
mehrjährige Tätigkeit, sondern für deren zukünftige Reduzierung.
Hiergegen richtet sich die
Revision der Klägerin, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützt.
Auch die Teilaufgabe einer Tätigkeit sei als Aufgabe oder Nichtausübung
einer Tätigkeit i.S. des § 24 Nr. 1 EStG zu beurteilen. Der Fall sei
vergleichbar mit einer Änderungskündigung. Die Klägerin habe dabei unter
Druck ihrer Arbeitgeberin gehandelt, die auf diese Weise ihre Personalkosten
habe reduzieren wollen.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die
Einkommensteuer 2004 unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides für 2004
vom 29. August 2005 unter Berücksichtigung der Tarifermäßigung nach § 34
EStG auf den Abfindungsbetrag der Klägerin von 17.459,25 € entsprechend
festzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet;
die angefochtene Entscheidung ist nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
1. Das FG hat unzutreffend
die Voraussetzungen einer begünstigt zu besteuernden Entschädigung nach § 24
Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG verneint und damit diese
Vorschriften verletzt.
a) Als außerordentliche
Einkünfte kommen danach Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in
Betracht. Eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG wird als Ersatz
für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt. Sie muss deshalb
unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu
bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen und auf einer neuen Rechts- oder
Billigkeitsgrundlage beruhen (vgl. die ständige Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH -, z.B. BFH-Urteil vom 10. Juli 2008 IX R 84/07,
BFH/NV 2009, 130, m.w.N.).
So verhält es sich, wenn -
wie hier - der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer abfindet, weil dieser seine
Wochenarbeitszeit aufgrund eines Vertrags zur Änderung des Arbeitsvertrags
unbefristet reduziert. Diese - auch hier so genannte - Teilabfindung dient
als Ersatz für die durch die Verminderung der Arbeitszeit entgehenden
Einnahmen und beruht mit dem Änderungsvertrag auf einer neuen
Rechtsgrundlage. Denn damit erfüllt der Arbeitgeber keine Leistung im Rahmen
des bisherigen Rechtsverhältnisses, sondern entgilt die in der Reduzierung
der Wochenarbeitszeit liegende Leistung des Arbeitnehmers.
b) Es ist entgegen der
Auffassung des FG und der Revisionserwiderung unerheblich, ob das
Arbeitsverhältnis zwischen der AG und der Klägerin auf reduzierter Grundlage
fortbesteht.
aa) Das Gesetz verlangt in
§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht, das zugrunde liegende Rechtsverhältnis
(hier: Arbeitsverhältnis) müsse gänzlich beendet werden. Der Arbeitnehmer
muss seine Tätigkeit nicht in vollem Umfang aufgeben. Das Gesetz setzt
lediglich voraus, dass Einnahmen wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet
wird. Dies ist der Fall, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags eine
Verminderung der Arbeitszeit vereinbaren, die Vollzeitbeschäftigung des
Arbeitnehmers also in eine Teilzeitbeschäftigung überführen und der
Arbeitnehmer dafür abgefunden wird. Der Senat folgt insoweit der
überwiegenden Auffassung, wie sie im Schrifttum z.B. für eine
Änderungskündigung vertreten wird (vgl. insbesondere Offerhaus, Deutsche
Steuerzeitung 1994, 225, 227; Geserich, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 24 Rz B 38; Sieker, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34
Rz B 80; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 24 Rz 11; Horn in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 24 EStG Rz 41 Stichwort "Änderungskündigung").
bb) Der BFH hat einen Fall
wie den Streitfall mit Abfindung für eine Verminderung der Arbeitszeit um
die Hälfte noch nicht entschieden. Insoweit weicht der Senat nicht von der
Rechtsprechung anderer Senate ab.
(1) Sollte die Rechtsprechung
des XI. Senats (vgl. z.B. die BFH-Urteile vom 10. Oktober 2001 XI R 54/00,
BFHE 197, 54, BStBl II 2002, 181, und vom 12. April 2000 XI R 1/99, BFH/NV
2000, 1195, m.w.N.) jedoch so verstanden werden, wie dies das FG und das FA
in dem Sinne getan haben, eine Entschädigung setze voraus, das zugrunde
liegende Arbeitsverhältnis müsse - in vollem Umfang - beendet werden (anders
aber - ohne Begründung im Sinne der oben dargestellten Grundsätze -
BFH-Urteil vom 29. Oktober 1998 XI R 63/97, BFHE 188, 143, BStBl II 1999,
588, bei Ausgleichszahlungen aus Anlass einer betriebsinternen Umsetzung auf
einen geringer entlohnten Arbeitsplatz), könnte der erkennende Senat dem
nicht folgen.
(2) Wenn der XI. Senat auf
den Zusammenhang des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG mit den Tatbeständen des § 24
Nr. 1 Buchst. a bis c EStG wie auch zu den in § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG
aufgeführten Tatbeständen abstellt, die zu erkennen gäben, dass eine
Entschädigung die Beendigung der Einkünfteerzielung verlange (so
insbesondere in seinem Urteil in BFH/NV 2000, 1195), führt dies zu einer
nicht systemgerechten Verengung des Kontextes: Wie die ebenso durch § 34
Abs. 2 Nr. 3 und 4 EStG begünstigten Einkünfte zeigen, verlangt das Gesetz
eben nicht generell die Aufgabe der bisherigen Erwerbstätigkeit (so
zutreffend Sieker, a.a.O.). Überdies können im Binnensystem des § 24 Nr. 1
EStG die Voraussetzungen der anderen Vorschriften (nämlich § 24 Nr. 1
Buchst. b und c EStG) nicht zur Voraussetzung des hier maßgebenden § 24
Nr. 1 Buchst. a EStG gemacht werden.
Ferner bedarf es einer
restriktiven Interpretation des Entschädigungsbegriffs nicht. Dem Zweck des
§ 34 Abs. 2 EStG, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen
(vgl. dazu Sieker, a.a.O., EStG § 34 Rz A 1, A 151 ff.) genügt es, wenn die
Zuordnung der Einkünfte zum Katalog des § 34 Abs. 2 EStG von einem
besonderen Ereignis abhängig gemacht (so zutreffend Geserich, a.a.O.) und
nur dann begünstigt besteuert werden, wenn es zu einer Zusammenballung von
Einkünften kommt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 85/07,
BFH/NV 2009, 558, m.w.N.).
(3) Einer Vorlage an den
Großen Senat nach § 11 Abs. 3 FGO wegen Abweichung von der Rechtsprechung
des XI. Senats bedarf es schon deshalb nicht, weil die Zuständigkeit für
Entschädigungen i.S. von § 24 Nr. 1 EStG bei Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für das
Jahr 2009 (BStBl II 2009, 175) auf den IX. Senat (vgl. dort A. Sachliche
Zuständigkeit der Senate, IX. Senat Nr. 1 Buchst. f) übergegangen ist (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 30. November 2005 I R 128, 129/04, BFH/NV 2006, 1261;
Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO
Rz 5, m.w.N.).
c) Nach diesen Maßstäben hat
das FG, indem es darauf abgestellt hat, ob das Arbeitsverhältnis zur Gänze
entfallen ist, eine Entschädigung unzutreffend abgelehnt. Das Urteil ist
deshalb aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht
spruchreif. Das FG wird in einer neuen Verhandlung und Entscheidung zu
prüfen haben, ob die Klägerin bei der Änderung ihres Arbeitsvertrags unter
rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat (vgl.
zu diesem Erfordernis die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. BFH-Urteil
vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044, m.w.N.). Das Vorliegen
oder Nichtvorliegen dieses Merkmals muss das FG feststellen. Es reicht nicht
aus, wenn das FG - wie im Streitfall - das Nichtvorliegen lediglich nicht
für ausgeschlossen hält und nur vermutet, dass die Initiative zur
Vertragsänderung von der Klägerin ausgegangen sei. Das FG wird ferner
ermitteln müssen, ob es im Streitjahr zu einer Zusammenballung der Einkünfte
der Klägerin gekommen ist (vgl. dazu insbesondere das BFH-Urteil in BFH/NV
2009, 558).
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