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BFH-Urteil vom 24.8.2004 (VIII R 59/01)
BStBl. 2010 II S.
1048
1. Ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht, ist für jeden Monat gesondert zu
prüfen. Bei der Prüfung, ob ein behindertes Kind zum Selbstunterhalt
imstande ist, ist ein nicht monatlich anfallender notwendiger
behinderungsbedingter Mehrbedarf, der bei einer vorausschauenden
Bedarfsplanung vorhersehbar ist, auf einen angemessenen Zeitraum zu
verteilen und mit einer monatlichen Durchschnittsbelastung anzusetzen.
2. Zu den eigenen Mitteln eines behinderten Kindes gehört auch das
Pflegegeld nach § 69b BSHG. Dieses ist in der tatsächlich ausgezahlten Höhe
zu berücksichtigen.
3. Bei der Ermittlung, welche Aufwendungen zur Deckung des
behinderungsbedingten Mehrbedarfs notwendig sind, müssen eventuelle
Hilfeleistungen der Eltern außer Betracht bleiben und dafür die Beträge
angesetzt werden, die bei Inanspruchnahme fremder Dienstleister angefallen
wären.
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 33 Abs. 2; BSHG § 69b.
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 2. März 2001 3 K 2117/00
Sachverhalt
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Vater einer im Jahre 1975
geborenen Tochter D, die zu 100 v.H. schwerbehindert ist und in deren
Schwerbehindertenausweis die Merkmale "G", "aG" und "H" eingetragen sind.
Die Tochter ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie wohnt seit August 1999
in einer behindertengerecht ausgestatteten Eigentumswohnung des Klägers, für
die sie Miete zahlt. Sie wird dabei von einem mobilen Pflegedienst betreut.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) hob den Bescheid über die
Kindergeldfestsetzung für die Tochter D ab dem 1. Juli 1999 mit der
Begründung auf, die Tochter verfüge über ausreichende eigene Mittel, um sich
i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) selbst
zu unterhalten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt und entschied, dass dem
Kläger für die Tochter D bei gleich bleibenden Verhältnissen ab Januar 2000
kein Kindergeld mehr zustehe, weil die Tochter ab diesem Zeitpunkt zum
Selbstunterhalt in der Lage sei, da ihre eigenen Mittel ihren gesamten
Lebensbedarf überstiegen. Die erforderliche Gegenüberstellung des
Gesamtbedarfs einerseits und der zur Verfügung stehenden Mittel andererseits
sei auf das gesamte Kalenderjahr und nicht auf den Kalendermonat zu
beziehen.
Da die Differenz zwischen Bedarf und eigenen Mitteln so groß sei, könne
offen bleiben, ob Kosten für eine Begleitperson während des Urlaubs mit
jährlich 3.000 DM angesetzt werden könnten und ob die Kosten für die
Telefongrundgebühren als Mehrbedarf anzusehen seien.
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und
macht geltend:
1. Die Auffassung des FG, die Fahrtkosten für insgesamt 15.000 km könnten
nur mit dem Pauschbetrag von 0,52 DM abgerechnet werden, sei
rechtsfehlerhaft. Wegen der Notwendigkeit, einen Rollstuhl mitzuführen, sei
ein größeres Fahrzeug erforderlich. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass
er, der Kläger, zwei gehbehinderte Töchter habe und deshalb ein größeres
Fahrzeug für die gemeinsamen Familienfahrten erforderlich sei. Es sei
deshalb ein erhöhter Kilometersatz von 0,90 DM zugrunde zu legen. Deshalb
sei anstelle des Betrages von 7.800 DM ein Betrag von 13.500 DM anzusetzen.
Für die vom FG angesetzten Fahrtkosten zu den Ärzten sei anstelle des
Betrages von 1.560 DM ein Betrag von 2.700 DM zu berücksichtigen, so dass
sich gegenüber den Berechnungen des FG insoweit ein Mehrbedarf von 6.840 DM
ergebe.
2. Entgegen der Auffassung des FG stelle die zeitweise Übernahme der Pflege
durch ihn, den Kläger, keinen Verzicht auf Einkünfte und Bezüge i.S. des §
32 Abs. 4 Satz 8 EStG dar. Für die Zeit, für die er die Pflege übernehme,
bestehe überhaupt kein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen.
Der durchschnittlich zusätzlich von ihm, dem Kläger, erbrachte Pflegeaufwand
beziffere sich auf 4 Tage à 6 Stunden pro Monat, also 288 Stunden jährlich.
Dies ergebe bei einem Stundensatz von 15 DM 4.320 DM; richtigerweise sei
jedoch ein Stundensatz von 30 DM anzusetzen, so dass sich der Mehrbedarf auf
8.640 DM jährlich belaufe.
Ein weiterer Pflegebedarf ergebe sich dadurch, dass für die Tochter für die
PKW-Fahrten eine Begleitperson erforderlich sei. Setze man für die
Fahrleistung von 15.000 km 250 Stunden an, ergebe sich ein Mehrbedarf von
3.750 DM bei einem Stundensatz von 15 DM und von 7.500 DM bei einem
Stundensatz von 30 DM.
3. Das Pflegegeld nach § 69b BSHG gehöre nicht zu den eigenen Mitteln des
Kindes, da es sich nicht um Bezüge handele, die zur Bestreitung des üblichen
Unterhalts bestimmt seien.
4. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien nicht als
Einnahmen der Tochter zu erfassen, so dass sich deren eigene Mittel um
2.861,28 DM reduzierten.
5. Die Kosten für eine Begleitperson während des Urlaubs seien ebenfalls zu
berücksichtigen. Tatsächlich habe die Tochter für ihre Reise nach ... für
die Begleitperson Kosten von mehr als 3.000 DM aufgewendet.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz aufzuheben und den
Bescheid vom 28. Juni 1999 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und
Rückforderung von Kindergeld in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.
Juni 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -), soweit die Klage abgewiesen worden ist.
1. Der Senat hat nach Ergehen der Vorentscheidung mit Urteil vom 16.
Dezember 2002 VIII R 65/99 (BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593) entschieden,
dass bei der Prüfung, ob die gebotene steuerliche Freistellung eines
Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch das
Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt wurde und deswegen bei der
Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag unter Verrechnung des
Kindesgeldes anzusetzen ist, auf den Kalendermonat abzustellen ist. Wegen
der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt dieses Urteils Bezug
genommen. Aus diesem Urteil folgt, dass die Frage, ob ein Anspruch auf
Kindergeld besteht, entgegen der Auffassung der Vorinstanz grundsätzlich für
jeden Monat gesondert zu prüfen ist.
Das ändert aber nichts daran, dass eine Jahresberechnung bei gleich
bleibenden monatlichen Einnahmen und einem monatlich gleich bleibenden
behinderungsbedingten Mehraufwand während des gesamten Kalenderjahres zu
demselben Ergebnis führt wie eine Monatsberechnung. Auch ist ein
behinderungsbedingter Mehrbedarf, der - wie im Streitfall beispielsweise die
geschätzten Fahrtkosten für insgesamt 6 Arztbesuche - nicht in jedem Monat
anfällt, nicht ausschließlich dem Monat zuzuordnen, in dem die Kosten
angefallen sind. Denn die Fähigkeit zum Selbstunterhalt bleibt auch dann
bestehen, wenn die monatlichen Einnahmen eines längeren vorausgegangenen
Zeitraums so hoch gewesen sind, dass sie den nicht monatlich anfallenden
behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken können. Der Bundesgerichtshof
(BGH) hat bei der Prüfung, ob ein Sonderbedarf i.S. des § 1613 Abs. 2 Nr. 1
des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder ein durch die monatliche
Unterhaltszahlung abgegoltener Mehrbedarf des Unterhaltsberechtigten
besteht, darauf abgestellt, ob bei einer vorausschauenden Bedarfsplanung
unter Zugrundelegung einer monatlichen Durchschnittsbelastung der Mehrbedarf
aufgefangen werden kann (vgl. BGH-Urteile vom 11. November 1981 IVb ZR
608/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 328; vom 8. Februar
1984 IVb ZR 52/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1984,
470; vgl. auch Oberlandesgericht - OLG - Hamm, Urteil vom 1. März 1994 13 UF
435/93, FamRZ 1994, 1281).
Überträgt man den dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Gedanken auf § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG, dann bleibt ein behindertes Kind bei einem nicht
monatlich anfallenden notwendigen behinderungsbedingten Mehrbedarf zum
Selbstunterhalt imstande, wenn es diesen Mehrbedarf bei seiner Aufteilung
auf einen angemessenen vorangegangenen Zeitraum unter Zugrundelegung einer
monatlichen Durchschnittsbelastung auffangen kann.
Das FG wird im Streitfall im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die von
ihm vorgenommene Jahresberechnung zu einer angemessenen monatlichen
Zuordnung solcher Aufwendungen führt, die nicht monatlich angefallen sind.
2. Das FG ist bei der Prüfung, ob die eigenen Mittel der Tochter zum
Selbstunterhalt i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ausreichen, teilweise
von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind
erst dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines
gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreicht. Erst wenn die finanziellen
Mittel des Kindes ausreichen, um seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf
abzudecken, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher
Aufwand für das Kind entsteht, der ihre steuerrechtliche Leistungsfähigkeit
mindert (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442,
BStBl II 2000, 72, unter 1.c der Gründe).
a) Bei der Prüfung, ob das behinderte Kind zum Selbstunterhalt i.S. des § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG imstande ist, gehören zu den eigenen finanziellen
Mitteln des behinderten Kindes auch die Zahlungen der Sozialleistungsträger
für die Pflege gemäß § 69b BSHG. Dies gilt unabhängig davon, ob das Geld an
das Kind oder an den Pflegedienst unmittelbar ausgezahlt wird. Entgegen der
Auffassung des FG kann das Pflegegeld nach § 69b BSHG aber nur in der Höhe
als Einnahme des behinderten Kindes erfasst werden, in der es tatsächlich
ausgezahlt worden ist. Der Senat versteht die Ausführungen der Vorinstanz zu
dieser Frage dahin, dass es sich bei dem Betrag von 5.400 DM monatlich nicht
um eine auf jeden Fall geschuldete Pauschale, sondern um einen Höchstbetrag
für die Pflege der Tochter handelt, der sich verringert, wenn die Tochter
die Pflegeleistungen tatsächlich in einem geringerem als dem ihr zustehenden
Umfang in Anspruch nimmt. Das bedeutet, dass die Tochter keinen
Zahlungsanspruch gegenüber dem Träger der Sozialhilfe erlangt hat, soweit
sie den Pflegedienst nicht in Anspruch genommen hat. Sie hat dann aber nicht
auf einen bereits entstandenen Zahlungsanspruch verzichtet, sondern
lediglich eine Pflegeleistung nicht in Anspruch genommen, die ihr rechtlich
zugestanden hätte. Dieser Sachverhalt könnte dem tatsächlichen Zufluss von
Mitteln nur dann gleichgesetzt werden, wenn das Verhalten als
rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) anzusehen
wäre. Dies ist aber nicht der Fall.
b) Zu den eigenen Mitteln der Tochter zählen auch die Beiträge zur Kranken-
und Pflegeversicherung, da ihr diese Beträge zustehen und ihr mit der
Abführung an die Sozialversicherung auch zugeflossen sind. Diese Beträge
sind mit dem Ansatz des Grundfreibetrages abgegolten (vgl. Senatsurteil vom
4. November 2003 VIII R 59/03, BFHE 204, 126 , BStBl II 2004, 584).
3. Die Vorentscheidung ist hinsichtlich der Ermittlung des
behinderungsbedingten Mehrbedarfs auf der Grundlage der bisherigen
tatsächlichen Feststellungen des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der gesamte notwendige Lebensbedarf setzt sich aus dem Grundbedarf und dem
behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Zum behinderungsbedingten
Mehrbedarf gehören alle mit einer Behinderung unmittelbar zusammenhängenden
außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Wäsche, Hilfeleistungen, Erholung,
typische Erschwernisaufwendungen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 442, BStBl II
2000, 72, unter 1.d der Gründe).
Bei der Ermittlung, welche Aufwendungen zur Deckung des Mehrbedarfs
notwendig sind, müssen die Hilfeleistungen der Eltern außer Betracht
bleiben. Denn wenn die tatsächlich von den Eltern erbrachten Hilfeleistungen
als bedarfsmindernd berücksichtigt würden, könnten genau die
Unterhaltsbeiträge der Eltern zum Ausschluss des Kindergeldanspruchs oder
Kinderfreibetrags führen, die das Kindergeld abgelten soll.
a) Danach ändert der Umstand, dass die Tochter die Leistungen des
Pflegedienstes wegen der Hilfeleistungen des Klägers teilweise nicht in
Anspruch genommen hat, nichts daran, dass insoweit ein behinderungsbedingter
Mehrbedarf bestehen geblieben ist. Dieser Mehrbedarf ist mit dem Betrag zu
bewerten, der im Fall der Inanspruchnahme des Pflegedienstes entstanden
wäre. Der gesamte häusliche Pflegebedarf belief sich deshalb im Streitfall -
wie vom FG angenommen - auf 5.400 DM monatlich.
b) Soweit der Kläger für die Fahrten seiner Tochter mit dem Kfz als
behinderungsbedingten Mehraufwand den Ansatz von Fahrtkosten von mehr als
dem vom Beklagten und vom FG anerkannten Betrag von pauschal 7.800 DM
(15.000 km x 0,52 DM; vgl. dazu H 186 bis 189 - Fahrtkosten Behinderter -
EStH 2000) erstrebt, ist sein Begehren auf der Grundlage der bisherigen
Feststellungen des FG nicht gerechtfertigt. Denn die Kosten für Kfz-Fahrten,
die der allgemeinen Lebensführung einschließlich Freizeit- und
Erholungszwecken dienen und nicht wie beispielsweise die Fahrtkosten zum
Arzt zu den Krankheitskosten gehören (vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. Dezember
1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227), können bei
außergewöhnlich gehbehinderten und hilflosen Steuerpflichtigen nur insoweit
als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abgezogen werden, als sie
angemessen sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2003 III R 31/03, BFHE
205, 74, BStBl II 2004, 453). Nach der Rechtsauffassung des III. Senats des
BFH sind derartige Kosten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nur angemessen,
soweit sie die in den Einkommensteuer-Richtlinien und Lohnsteuer-Richtlinien
für die Berücksichtigung von Kfz-Kosten als Werbungskosten und
Betriebsausgaben festgesetzten Pauschbeträge nicht übersteigen; decken die
Pauschbeträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht, kann der Behinderte an
Stelle der Pauschbeträge die Kosten, die ihm für Fahrten mit einem -
behindertengerechten - öffentlichen Verkehrsmittel, ggf. auch mit einem
Taxi, entstanden sind, als außergewöhnliche Belastung geltend machen
(BFH-Urteil in BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453).
Die pauschale Berechnung der Kosten, die für die tatsächliche Fahrleistung
des Behinderten mit dem Kfz bis höchstens 15.000 km als außergewöhnliche
Belastung anerkannt werden, dient der Verwaltungsvereinfachung. Damit sind
sämtliche Mehraufwendungen des Behinderten für Fahrten, die nicht zu den
Krankheitskosten gehören, abgegolten, wenn der Behinderte nicht nachweist,
dass er für öffentliche Verkehrsmittel einen höheren Betrag aufgewendet hat.
Da die Tochter tatsächlich keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzt hat,
könnte ein den Betrag von 7.800 DM übersteigender Mehrbedarf im Rahmen der
Vergleichsberechnung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nur dann anerkannt
werden, wenn jemand, der mittellos und ebenso behindert ist wie die Tochter
des Klägers, für seine entsprechenden Fahrten von einem
Sozialleistungsträger insgesamt höhere Kosten erstattet bekäme. Denn nur
dann, wenn einem mittellosen und auf fremde Hilfe angewiesenen Behinderten
als Sozialleistung insgesamt höhere Beträge für derartige Fahrten erstattet
würden, wäre der notwendige Lebensbedarf nicht mit dem pauschal berechneten
Betrag abgedeckt.
c) Die Höhe der vom FG geschätzten Fahrtkosten einschließlich der Kosten
einer Begleitperson für 6 Fahrten zu Ärzten bzw. Kliniken ist entgegen der
Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Für derartige Fahrten könnte
ein höherer behinderungsbedingter Mehrbedarf als der bisher anerkannte nur
dann berücksichtigt werden, wenn der Kläger nachweist, dass seiner Tochter
dafür ohne seine Hilfe höhere Kosten entstanden wären. Das erfordert einen
Nachweis der einzelnen Arztbesuche und die Darlegung, welche Kosten
entstanden wären, wenn die Tochter dafür die Dienstleistungen Dritter, z.B.
eines Pflegedienstes oder eines Behindertentaxis, in Anspruch genommen
hätte. Die Höhe dieses Mehrbedarfs kann sich dabei an den Beträgen
orientieren, die von der Krankenkasse oder dem Träger der Sozialleistung
anerkannt worden wären, wenn die Tochter für ihre Arztbesuche auf fremde
Hilfe angewiesen gewesen wäre.
d) Wegen der vom FG offen gelassenen Frage, ob der Aufwand für eine
Begleitperson für Urlaubsreisen als behinderungsbedingter Mehraufwand zu
berücksichtigen ist, wird auf das BFH-Urteil vom 4. Juli 2002 III R 58/98
(BFHE 199, 400, BStBl II 2002, 765) verwiesen.
4. Da die Vorentscheidung teilweise von anderen Voraussetzungen ausgegangen
ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG
zurückzuverweisen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang unter Mitwirkung des
Klägers festzustellen haben, in welcher Höhe der Sozialleistungsträger
Zahlungen an die Tochter oder für die Tochter an den Pflegedienst geleistet
hat. Der Kläger wird ggf. die tatsächlichen Arztbesuche seiner Tochter mit
der Folge nachzuweisen haben, dass insoweit ein behinderungsbedingter
Mehrbedarf in Höhe der Kosten zu berücksichtigen ist, die ohne die Hilfe des
Klägers entstanden wären.
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