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BFH-Beschluß vom 3.10.1979 (VII B 95/78) BStBl. 1980 II S. 10

Der Steuerpflichtige kann von seinem Wahlrecht, die Aussetzung der Vollziehung beim FG entweder durch Klage gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD oder unmittelbar durch Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO zu erstreben, auch in der Weise Gebrauch machen, daß er die zuerst erhobene Klage zurücknimmt und an dem nach Klageerhebung gestellten Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO festhält.

FGO § 69 Abs. 2 und 3.

Sachverhalt

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt - HZA -) forderte von der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) für in der Zeit von 1968 bis zum 31. März 1970 aus Jugoslawien eingeführte Kirschen, die in ein Alkohol-Wasser-Gemisch eingelegt waren, Monopolausgleich nach. Mit Verfügung vom 8. Februar 1973 setzte das dem HZA unterstehende Zollamt (ZA) die Vollziehung des angefochtenen Bescheids ohne Sicherheit bis zum Abschluß des Rechtsbehelfsverfahrens aus. Mit Verfügung vom 18. März 1975 machte es die Aussetzung von der Bedingung abhängig. daß eine Sicherheit in Höhe des festgesetzten Monopolausgleichs geleistet werde. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) am 9. Juni 1975 zurück. Mit ihrer danach erhobenen Klage beantragte die Antragstellerin, die Vollziehung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Mit Schriftsatz vom 23. November 1977 beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Vollziehung des Bescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Ihre Klage nahm sie mit Schriftsatz vom 6. Januar 1978 zurück. worauf das FG dieses Verfahren mit Beschluß vom 11. Januar 1978 gemäß § 72 Abs. 2 FGO einstellte.

Mit Beschluß vom 26. Mai 1978 setzte das FG die Vollziehung gegen Sicherheitsleistung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils in der Hauptsache aus und legte die Kosten des Verfahrens jedem Beteiligten zur Hälfte zur Last. Es bejahte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, hielt aber eine Sicherheitsleistung für erforderlich, weil die Antragstellerin ihre Vermögenslosigkeit selbst herbeigeführt habe.

Mit Beschluß vom 27. Oktober 1978 änderte das FG seinen Beschluß vom 26. Mai 1978 und setzte die Vollziehung ohne Sicherheitsleistung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils in der Hauptsache aus. Es legte die Kosten des Verfahrens dem HZA auf und ließ die Beschwerde zu.

Nachdem das HZA Beschwerde eingelegt hatte, entschied des FG durch Urteil vom 27. Oktober 1978 über die Klage in der Hauptsache. Beide Beteiligten erklärten daraufhin im Hinblick darauf, daß das FG die Vollziehung nur bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils in der Hauptsache ausgesetzt hatte, die Hauptsache für erledigt. Sie beantragen jeweils, die Kosten des Verfahrens dem anderen Beteiligten aufzuerlegen, das HZA zusätzlich, auch die Kostenentscheidung des FG entsprechend zu ändern.

Entscheidungsgründe

Die Hauptsache ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten erledigt. Dabei braucht der Senat nicht zu der in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilten Frage Stellung zu nehmen, ob Erledigungserklärungen in einem von Anfang an unzulässigen Klageverfahren oder Antragsverfahren bzw. nach einem inzwischen in der Sache ergangenen Urteil oder Beschluß - nach Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels - im Rechtsmittelverfahren abgegeben werden können (vgl. zum Streitstand Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 138 Rdnr. 2 B III). Denn der von der Antragstellerin beim FG gemäß § 69 Abs. 3 FGO gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war zulässig, obwohl im Zeitpunkt der Antragstellung beim FG noch das ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung betreffende Klageverfahren anhängig war. Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67 (BFHE 90, 461, BStBl II 1968, 199) hat der Steuerpflichtige die Wahl, ob er gegen die ablehnende Beschwerdeentscheidung der OFD Klage beim FG erheben oder einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unmittelbar beim FG als Gericht der Hauptsache stellen will. Hat er eines der beiden gerichtlichen Verfahren bei demselben Gericht gewählt, so ist während des Schwebens dieses Verfahrens die Einleitung des anderen gerichtlichen Verfahrens bei demselben Gericht unzulässig. In den Gründen hat der Große Senat unter 5. zum Wahlrecht des Steuerpflichtigen ausgeführt, er müsse sich für die Durchführung eines der beiden gerichtlichen Verfahren entscheiden und dürfe dann, solange dieses gerichtliche Verfahren vor dem FG schwebt, nicht ein weiteres gerichtliches Verfahren einleiten. Erhebe er gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD beim FG Klage, so müsse er alles, was er zur Begründung dieses Antrags auf Aussetzung der Vollziehung vorzutragen habe, in diesem Verfahren vortragen und sei nicht berechtigt, durch einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO über denselben Streitpunkt ein weiteres gerichtliches Verfahren vor demselben Gericht anhängig zu machen, solange er seine Klage nicht zurücknehme. Erhebe der Steuerpflichtige, wie die Antragstellerin im Streitfall, zunächst gegen die ablehnende Beschwerdeentscheidung der OFD Klage und stellt er später während der Anhängigkeit dieser Klage beim FG den Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO, so ist nach der vom Senat gebilligten Entscheidung des Großen Senats die Klage zulässig und der Aussetzungsantrag unzulässig "solange er seine Klage nicht zurücknimmt". Bis zu diesem Zeitpunkt hätte das FG den gemäß § 69 Abs. 3 FGO gestellten Antrag als unzulässig zurückweisen können. Nimmt aber der Steuerpflichtige vor einer solchen möglichen Entscheidung, wie im Streitfall, seine Klage zurück, so besteht kein Grund mehr, dem Antragsteller die Berechtigung abzusprechen, daß das FG nunmehr über den allein noch anhängigen Antrag zu entscheiden hat. Man kann vom Steuerpflichtigen nicht verlangen, daß er sowohl die Klage als auch seinen Antrag zurücknimmt, um letzteren danach mit gleichem Inhalt erneut zu stellen. Er kann von seinem Wahlrecht auch in der Weise Gebrauch machen, daß er die zuerst erhobene Klage zurücknimmt. Der zunächst unzulässige Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO ist nach der Zurücknahme der Klage in die Zulässigkeit hineingewachsen. Gegen diese rechtliche Beurteilung bestehen um so weniger Bedenken, als der Antrag, die Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO auszusetzen, nicht fristgebunden ist.