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BFH-Urteil vom 17.10.1979 (II R 32/77) BStBl. 1980 II S. 53

Ein Unternehmen ist auch dann ein freies Wohnungsunternehmen i. S. von § 8 Abs. 9 GrEStG Berlin, wenn es keine eigene Bautätigkeit entfaltet, sein Zweck aber überwiegend auf die wohnwirtschaftliche Betreuung gerichtet ist.

GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d, § 8 Abs. 9.

Sachverhalt

Die Klägerin bezeichnet sich als freies Wohnungsunternehmen. Sie hat seit ihrer Gründung keine eigene Bautätigkeit entwickelt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. Dezember 1974 erwarb sie ein Grundstück mit nicht bewohnten Gebäuderesten in Berlin. Unter Ablehnung der von der Klägerin begehrten Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Berlin setzte das Finanzamt (FA) mit Bescheid vom 24. April 1975 für diesen Erwerb gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 14.175 DM fest. Die Ablehnung des Befreiungsantrages begründete das FA damit, daß die Klägerin mangels eigener Bautätigkeit nicht als freies Wohnungsunternehmen i. S. § 8 Abs. 9 GrEStG Berlin anzusehen sei. Der Einspruch, mit dem die Klägerin vortrug, es genüge für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des freien Wohnungsbauunternehmens, daß das Unternehmen - wie sie - wohnwirtschaftliche Betreuung betreibe, blieb erfolglos.

Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung von § 8 Abs. 9 GrEStG Berlin.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG Berlin ist von der Besteuerung auf Antrag ausgenommen der Erwerb eines nicht bebauten Grundstückes durch ein Unternehmen, das als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt ist oder durch ein freies Wohnungsunternehmen zur Weiterveräußerung ohne Gewinn an einen Erwerber, der auf dem Grundstück durch planmäßige Bebauung ein Wohngebäude im Gesetz näher bezeichneter Art errichtet. Ein Grundstück gilt auch dann als nicht bebaut, wenn infolge Zerstörung oder Verfalls der Gebäude auf die Dauer benutzbarer Raum nicht mehr vorhanden ist (§ 8 Abs. 6 Satz 1 GrEStG Berlin). Nach § 8 Abs. 9 GrEStG Berlin sind freie Wohnungsunternehmen "inländische Unternehmen, die im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Zweck überwiegend auf den Bau und die Verwaltung oder Übertragung von Wohnungen oder die wohnwirtschaftliche Betreuung gerichtet ist".

1. Der Senat vermag dem FG nicht beizupflichten, daß als freies Wohnungsunternehmen i. S. des Berliner Grunderwerbsteuerrechtes nur solche Unternehmen anzusehen sind, die sich selbst tatsächlich mit dem Bau von Wohnungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung befassen. Vorbild für die Begriffsbestimmung in § 8 Abs. 9 GrEStG Berlin mag zwar, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, § 11 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1953 gewesen sein (Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin V. Wahlperiode Nr. 472 S. 20). Während jedoch § 11 Abs. 1 Nr. 3 EStDV 1953 verlangte, daß der satzungsmäßige Zweck des Unternehmens "ausschließlich auf den Bau von Wohngebäuden sowie auf deren Instandhaltung und dauernde Verwaltung gerichtet sein" müsse und das Unternehmen beim Bau von Wohngebäuden als Bauherr für eigene Rechnung handle, bezieht § 8 Abs. 9 GrEStG Berlin die wohnwirtschaftliche Betreuung mit ein. Die Zweckrichtung "wohnwirtschaftliche Betreuung" umfaßt auch den Bau von Wohnungen, aber nicht im eigenen Namen und für eigene Rechnung, sondern im Wege der Baubetreuung. Sie ist damit mit dem Bau von Wohnungen verknüpft, steht aber als Alternative neben dem Eigenbau. Die "wohnwirtschaftliche Betreuung" ist weder sprachlich noch grammatikalisch eine Alternative zu der "Verwaltung und Übertragung von Wohnungen", die nach dem Gesetzeswortlaut mit einer eigenen Bautätigkeit verbunden sein muß. Ein Unternehmen ist auch dann ein freies Wohnungsunternehmen i. S. des Gesetzes, wenn sein Zweck überwiegend auf die wohnwirtschaftliche Betreuung gerichtet ist.

Etwas anderes läßt sich auch nicht daraus ableiten, daß das Zweite Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) im Zusammenhang mit der Förderung von Bauvorhaben mit öffentlichen Mitteln als Betreuungsunternehmen freie Wohnungsunternehmen i. S. des § 11 EStDV 1953 aufführt. Einmal beschränkt § 37 Abs. 2 Buchst. b II. WoBauG den Bereich der Betreuungsunternehmen außerhalb der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und der gemeinnützigen Siedlungsunternehmen nicht auf diese Kategorie von Unternehmen. Zum anderen aber ist die Frage, ob sich ein Unternehmen mit wohnwirtschaftlicher Betreuung befaßt, unabhängig von der Möglichkeit der Förderung von Bauvorhaben, die von ihm betreut werden, durch öffentliche Mittel zu sehen.

Auch die Anführung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen als Erwerber, die die Steuerbefreiung aus § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG Berlin in Anspruch nehmen können, rechtfertigt nicht den vom FG gezogenen Schluß, daß ein freies Wohnungsunternehmen nur bei Befassung mit Bauten im eigenen Namen und für eigene Rechnung die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllen könne. Gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen müssen sich nach § 6 Abs. 1 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) vom 29. - Februar 1940 (RGBl I, 438) in der bis 31. Dezember 1976 geltenden Fassung satzungsgemäß und tatsächlich mit dem Bau von Kleinwohnungen im eigenen Namen befassen und können nur daneben den Bau von Kleinwohnungen betreuen. Sie sind damit auf einen von den Zwecken eines freien Wohnungsunternehmens schon i. S. des § 11 EStDV 1953 abweichenden Zweck fixiert. Darüber hinaus wird die Befreiung aber in subjektiver Hinsicht auch Gebilden gewährt, die häufig nicht selbst als Bauherren tätig werden, nämlich den als Organe der staatlichen Wohnungspolitik anerkannten Unternehmen. In subjektiver Hinsicht wird damit die Befreiung Unternehmen gewährt, die unterschiedliche Zwecke verfolgen.

2. Da das FG von seinem Standpunkt aus zu Recht keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Zweck der Klägerin nach Satzung (Gesellschaftsvertrag) und tatsächlicher Übung überwiegend auf die wohnwirtschaftliche Betreuung gerichtet war und ob die übrigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG Berlin erfüllt sind, ist die Sache nicht spruchreif.