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BFH-Urteil vom 28.9.1979 (III R 12/78) BStBl. 1980 II S. 57

Die Erteilung eines spezifizierten Bauauftrags an den Bauunternehmer stellt auch dann den Beginn der Bauarbeiten (§ 4b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975) dar, wenn der Bauvertrag unter einer Bedingung abgeschlossen worden ist, auf deren Eintritt der Steuerpflichtige keinen Einfluß hat.

InvZulG 1975 § 4b Abs. 2.

Sachverhalt

Der Rechtsvorgänger der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) beantragte im Juni 1974 die Baugenehmigung für die Errichtung des Neubaues eines Verwaltungsgebäudes. Das zuständige Bauordnungsamt erteilte am 6. Dezember 1974 zunächst die vorläufige Baufreigabe für den Aushub der Baugrube und sodann am 30. Januar 1975 die endgültige Baugenehmigung. Bereits am 12. November 1974 hatte die Klägerin mit der "Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsgebäude X" (ARGE) einen Bauvertrag abgeschlossen. Als Baubeginn war der 15. Dezember 1974 vereinbart. Den Angaben der Klägerin zufolge war die Wirksamkeit des Bauvertrages davon abhängig, daß sowohl die Baugenehmigung als auch die Zustimmung des zuständigen Bundesaufsichtsamtes erteilt werden.

Die ARGE begann am 6. Dezember 1974 nach Weisung der Klägerin mit den Ausschachtungsarbeiten auf dem Grundstück.

Den Antrag der Klägerin, ihr für die im Jahre 1974 angefallenen Herstellungskosten und Teilherstellungskosten eine Investitionszulage gemäß § 4b des Investitionszulagengesetzes 1975 - InvZulG 1975 - (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) zu gewähren, lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit der Begründung ab, die Bauarbeiten hätten bereits vor dem 1. Dezember 1974, und zwar mit der Erteilung des spezifizierten Bauauftrages, begonnen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Seiner Ansicht nach beginnen die Bauarbeiten i. S. des § 4b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 erst mit den Bauarbeiten auf der Baustelle, d. h. regelmäßig mit dem Aushub der Baugrube, nicht aber bereits mit der Erteilung eines spezifizierten Auftrags über die Durchführung der Bauarbeiten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4b InvZulG 1975. Nach Ansicht des FA hat die Klägerin mit dem Abschluß des für sie verbindlichen Bauvertrages bereits vor Beginn des Begünstigungszeitraums den ersten erkennbaren Schritt zur Herstellung des Gebäudes getan und damit ihre Investitionsentscheidung nach außen sichtbar gemacht. Es widerspreche aber dem Sinn und Zweck des § 4b InvZulG 1975, derartige Investitionen zu fördern. Diese Vorschrift begünstige nur solche Investitionen, die ohne die in Aussicht gestellte Zulage nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen worden wären. Die in dem Bauvertrag vereinbarten Vorbehalte sind nach Ansicht des FA unbeachtlich. Es nimmt insoweit Bezug auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 15. März 1975 IV B 2 - S 1988 - 272/75 (BStBl I 1975, 294). Danach werde durch die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder eines sonstigen Vorbehaltes der Beginn der Herstellung i. S. des § 4b InvZulG 1975 nicht berührt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Nach § 4b Abs. 1 InvZulG 1975 wird Steuerpflichtigen i. S. des Körperschaftsteuergesetzes für begünstigte Investitionen, die sie in einem Betrieb (einer Betriebstätte) im Inland vornehmen, auf Antrag eine Investitionszulage gewährt. Zu den begünstigten Investitionen gehört nach § 4b Abs. 2 Nr. 2 InvZulG 1975 die Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Voraussetzung hierbei ist, daß der Steuerpflichtige mit der Herstellung der Wirtschaftsgüter nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 begonnen hat. Bei Gebäuden und Gebäudeteilen gilt als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird (§ 4b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975). Ist dieser vor dem 1. Dezember 1974 gestellt worden, gilt als Beginn der Herstellung der Beginn der Bauarbeiten (§ 4b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975).

Die Investitionszulage kann bereits für die im Wirtschaftsjahr aufgewendeten Teilherstellungskosten gewährt werden (§ 4b Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1975).

2. Was unter dem Begriff "Beginn der Bauarbeiten" zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Die Entscheidung im Streitfall erfordert auch nicht, den Inhalt des Begriffs abschließend abzugrenzen. Entscheidungserheblich ist in der Streitsache lediglich, ob auch die Erteilung eines spezifizierten Bauauftrags an den Bauunternehmer den Beginn der Bauarbeiten i. S. des § 4b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 darstellen kann. Dies hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom heutigen Tag III R 95/77 (BStBl II 1980, 56) bejaht. Die Erteilung des Bauauftrages ist aber auch dann als Beginn der Bauarbeiten anzusehen, wenn der Bauvertrag unter einer Bedingung abgeschlossen worden ist, auf deren Eintritt der Steuerpflichtige keinen Einfluß hat; denn in einem solchen Fall hat der Steuerpflichtige die Investition bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für sich bindend und unwiderruflich in Auftrag gegeben.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 hat.

Die Klägerin hatte vor dem 1. Dezember 1975 sowohl den Antrag auf Baugenehmigung gestellt als auch der ARGE den Bauauftrag erteilt. Die Wirksamkeit des Bauvertrages war zwar den Angaben der Klägerin zufolge von der Erteilung der Baugenehmigung und der Zustimmung des zuständigen Bundesaufsichtsamtes abhängig. Auf den Eintritt der genannten Vertragsbedingungen hatte die Klägerin aber keinen Einfluß mehr. Sie konnte nach Abschluß des Bauvertrags vom 12. November 1974 nicht mehr frei entscheiden, ob sie an diesem Vertrag festhalte. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Bauarbeiten ist damit der 12. November 1974.