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BFH-Urteil vom 23.11.1979 (III R 78/77) BStBl. 1980 II S. 92

1. Die Richtigkeit des Zahlenwerks der Tabellen L 18 und L 30 in Abschn. 2.11 und 2.20 BewRL läßt sich nicht aufgrund einer Auswertung nach einer statistisch-mathematischen Methode von nur wenigen Betrieben mit Erfolg in Zweifel ziehen. Die auf der Grundlage dieser Tabellen ermittelten Zurechnungen und Zuschläge für verstärkte Tierhaltung beruhen auf Durchschnittswerten, die rechtlich nicht zu beanstanden sind.

2. Ist es gegendüblich, daß ein größerer Tierbestand vorhanden ist, als er durch die auf der Bodenschätzung beruhenden Ertragsmeßzahl abgegolten ist, so ist dies durch Zurechnung zu den Ertragsmeßzahlen aller in Betracht kommenden Betriebe dieser Gegend zu berücksichtigen.

BewG 1965 §§ 38 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 41 Abs. 1, 50 Abs. 1, 51; BewRL Abschn. 2.11 Abs. 5 und Abschn. 2.20.

Sachverhalt

Streitig ist die Zurechnung für Viehhaltung gemäß Abschn. 2.11 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BewRL) bei der Feststellung des Einheitswerts des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964.

Der Kläger ist Eigentümer eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft in der Größe von ... ha. Bei der Einheitswertfeststellung zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 wurde ausweislich der Niederschrift über die Angleichungsgespräche zur Bewertung der landwirtschaftlichen Nutzung ein Ortsbewertungsstützpunkt als typisch und ausreichend für die Durchführung des vergleichenden Bewertungsverfahrens angesehen. Bezüglich der Viehhaltung wurde der gegendübliche Tierbestand für die Betriebsgrößengruppe über 20 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN) auf 200 Vieheinheiten (VE) je 100 ha LN festgestellt. Entsprechend dem Ansatz beim Ortsbewertungsstützpunkt wurde für alle Betriebe eine Zurechnung von 34 v. H. für den gegendüblichen Tierbestand angesetzt, der in der bereinigten Ertragsmeßzahl (bEMZ) nicht berücksichtigt war. Hierdurch erhöhte sich der Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung um ... DM. Demgemäß stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) unter Einbeziehung des Vergleichswerts der forstwirtschaftlichen Nutzung und des Wohnungswertes den Einheitswert auf ... DM fest.

Nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhob der Kläger Klage und begehrte Herabsetzung des Einheitswerts. Er machte geltend, daß der Ansatz von Viehzurechnungen gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoße, da diese Hinzurechnungen in anderen FA-Bezirken nicht vorgenommen worden seien. Auch sei der gegendübliche Viehbestand nicht im einzelnen festgestellt worden. Je nachdem, nach welcher Methode man den Wertansatz je VE errechne, komme man zu einem Betrag von 480 bis 1.300 DM. Allein diese verschiedenen Ergebnisse ließen erkennen, daß das vergleichende Verfahren im Streitfall nicht angewendet werden könne.

Das Finanzgericht (FG) hob den Einheitswertbescheid und die Einspruchsentscheidung insoweit auf, als ein höherer Einheitswert als ... DM festgestellt worden war. Es erkannte damit die Zurechnung von 34 v. H. nicht an. Das FG ist der Auffassung, die verstärkte Viehhaltung führe nicht zu einer Steigerung des Reinertrages. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 522 (EFG 1977, 522) abgedruckt.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung von Bundesrecht, insbesondere die unrichtige Anwendung der §§ 33 Abs. 1 und 2, 36 und 38 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) gerügt wird. Das angefochtene Urteil weiche von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Es lägen auch Verfahrensmängel vor. Die Vorinstanz habe sachliche und methodische Fehler begangen, allgemeine wirtschaftliche Erfahrungssätze außer acht gelassen und den Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß erforscht.

Das FA hält die in den Richtlinien vorgesehene Zurechnung bei gegendüblich verstärkter Tierhaltung für Rechtens, da die Wertansätze je VE bei Zurechnungs- und Zuschlagsverfahren (§ 41 BewG) nahezu identisch seien. Das FG habe bei seinen statistischen Untersuchungen nur die reinen Zurechnungsfälle ausgewertet. Es liege aber ein Verfahrensmangel darin, daß das FG bei seiner statistischen Auswertung nur acht Betriebe systematisch ausgewertet habe, obwohl ihm Unterlagen von 244 Statistikbetrieben des Oberfinanzbezirks X vorgelegen hätten. Die statistische Auswertung einer so geringen Anzahl von landwirtschaftlichen Betrieben sei nicht typisch und könne daher nicht der Wertermittlung der Viehbestände zugrunde gelegt werden. Das vom FG gefundene Ergebnis stehe im krassen Widerspruch zu jeglicher betriebswirtschaftlicher Erfahrung und Vernunft. Im Ergebnis führe die statistische Berechnung des FG dazu, einen Tiermehrbestand unbewertet und damit den aufgrund der verstärkten Tierhaltung nachhaltig erzielbaren höheren Reinertrag unberücksichtigt zu lassen.

Das FA rügt sodann mangelndes rechtliches Gehör. Das FG habe in der mündlichen Verhandlung die Einzelheiten seiner Untersuchungsmethoden, die konkreten Einzelergebnisse und das Ausmaß der von ihm errechneten Ertragsminderung bei steigendem Tierbestand nicht bekanntgegeben.

Die angefochtene Entscheidung stehe auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 4. Juli 1975 III R 66/73 (BFHE 116, 183, BStBl II 1975, 687), wonach die durch Rechtsverordnung festgesetzten Vergleichszahlen die Wirkung materiellen Rechts hätten, an die die Steuergerichte gebunden seien. Die in § 51 BewG vorgenommene Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der gewerblichen Tierhaltung sei durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des Einkommensteuergesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl I 1970, 1118) zugunsten der landwirtschaftlichen Tierhalter verändert worden. Dies beruhe auf der Veränderung der sog. bodenunabhängigen Veredelungszweige (Schweine- und Geflügelhaltung), was zu einer sehr günstigen Entwicklung der Ertragslage dieser Betriebe geführt habe.

Weiter wird - unter Vorlage einer Reihe von Übersichten und grafischen Darstellungen zur Ertragslage der landwirtschaftlichen Betriebe mit verstärkter Tierhaltung aus einer Reihe von Wirtschaftsjahren vor dem Hauptfeststellungsstichtag 1. Januar 1964 und später - vorgetragen, daß die verstärkte Tierhaltung einen beachtlichen Einfluß auf die Höhe des Reinertrags des landwirtschaftlichen Betriebs habe. Diese statistischen Ergebnisse seien dem FG durch weitere bei ihm anhängige Fälle bekannt gewesen, in denen es um dieselbe Rechtsfrage gegangen sei. Soweit sich das FA hierzu auf die Berücksichtigung der Entwicklung nach dem Bewertungsstichtag bezieht, weist es auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 7. Oktober 1977 III R 13/75 (BFHE 123, 519, BStBl II 1978, 89) hin, wonach die aus der Sicht des Stichtags in überschaubarer Zukunft sich abzeichnende Änderung der Verhältnisse berücksichtigt werden könne und müsse.

Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Der Einheitswert der landwirtschaftlichen Nutzung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft wird auf der Grundlage des Ertragswertes ermittelt, wobei von der Ertragsfähigkeit auszugehen ist. Die Unterschiede in der in einem vergleichenden Verfahren zu ermittelnden Ertragsfähigkeit werden durch Vergleich der Ertragsbedingungen beurteilt (§§ 36, 37, 38 BewG). Die natürlichen Ertragsbedingungen drücken sich in den Bodenschätzungsergebnissen aus (§ 38 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 BewG). Nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 BewG werden einige der wirtschaftlichen Ertragsbedingungen bei der Einheitsbewertung nicht nach individuellen, sondern nach gegendüblichen Verhältnissen berücksichtigt. Zu diesen wirtschaftlichen Ertragsbedingungen gehört auch der Viehbestand. Der als gegendüblich abgegoltene Besatz mit Tieren ergibt sich hierbei aus Tabelle L 18 BewRL. Ist es in einer bestimmten Gegend üblich, daß ein höherer Tierbestand vorhanden ist, als er durch die auf der Bodenschätzung beruhenden Ertragsmeßzahlen (EMZ) abgegolten ist, so ist dies durch Zurechnung zu den EMZ aller Betriebe der Gegend, die einen gegendüblichen Mehrbestand an Vieh haben, zu berücksichtigen.

2. Die Vorinstanz hat insoweit zutreffend erkannt, daß es für den Wert der einzelnen landwirtschaftlichen Nutzung unbeachtlich ist, ob in einer Gegend allgemein ein höherer Tierbestand vorhanden ist, als er in den EMZ abgegolten wird, oder ob nur ein einzelner Landwirt einen höheren Tierbestand hat, als er in der Gegend üblich ist. Die Zurechnung im ersteren Falle und der Zuschlag gemäß § 41 BewG im zweiten Falle müssen in etwa zu demselben Ergebnis führen.

Ohne nähere Begründung hat die Vorinstanz bezweifelt, daß eine allgemein intensive Tierhaltung und eine nur individuell intensive Tierhaltung zu demselben Ergebnis führen müßten. Das FA hat hierzu in der Revision zu Recht gerügt, daß das FG nur acht Betriebe ausgewählt und mit Hilfe dieser Betriebe und eines statistisch-mathematischen Berechnungsverfahrens den Beweis zu führen versuchte, daß Intensivtierhaltung nicht zu einer Reinertragssteigerung führe. Wenn das FG aufgrund seiner Argumentation zu dem Ergebnis kommt, daß mit zunehmendem Tierbestand der Reinertrag abnimmt, so widerspricht eine solche Schlußfolgerung allgemeingültigen Erfahrungssätzen. Die Methode des FG steht im Widerspruch dazu, daß der Gesetzgeber durch Förderung der Intensivtierhaltung den Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung im Verhältnis zur gewerblichen Tierhaltung ausgeweitet hat (§ 51 BewG). Diese Ausweitung der Landwirtschaft kann nur den Sinn haben, die Ertragslage der deutschen Landwirtschaft durch Tierveredelung zu verbessern. Würde durch die Intensivtierhaltung, wie das FG meint, der Ertrag absinken, so wäre es unverständlich, daß die Landwirtschaft auf diese großzügige Ausweitung der landwirtschaftlichen Tierhaltung und Tierproduktion gedrängt hat. Zu beanstanden ist auch, daß das FG seiner Bewertungsmethode nur acht Betriebe zugrunde gelegt hat. Eine solche Anzahl ist, auch statistisch gesehen, zu gering, um eine so weitreichende Folgerung ziehen zu können, wie sie das FG gezogen hat. Jedenfalls kann nach Auffassung des Senats die Bewertung nicht allein auf Ergebnisse statistisch-mathematischer Berechnungen gestützt werden; sie muß vielmehr auch Untersuchungen, Auswertungen und Berechnungen in herkömmlicher und allgemeinverständlicher Weise sowie die im Gesetz zum Ausdruck kommenden allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungssätze berücksichtigen. Da die Einheitsbewertung eine Massenbewertung ist und die Bewertung im Rahmen der Landwirtschaft nach dem vergleichenden Verfahren gesetzlich vorgeschrieben ist, kann das Ziel einer gleichmäßigen Bewertung nur durch gewisse Vereinfachungen und Typisierungen erreicht werden. Diese Erkenntnis gebietet es, von übersteigerten und individualisierenden betriebswirtschaftlichen Verfeinerungen des Verfahrens abzusehen (vgl. auch Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 38 BewG Anm. 8).

Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben.