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BFH-Urteil vom 14.11.1979 (I R 143/76) BStBl. 1980 II S. 96

Scheidet der Vater aus einem mit seinem Sohn betriebenen Unternehmen unentgeltlich aus und wird dabei sein negatives Kapital in eine Forderung des Sohnes gegen ihn umgewandelt, so gehört diese Forderung zum Privatvermögen des Sohnes. Ihre Zinslosigkeit kann deshalb nicht zu einer Abzinsung zu Lasten des Gewinns führen.

EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2; EStDV § 7 Abs. 1.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und sein Vater betrieben als Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) eine ... agentur. Am 1. Januar 1963 schied der Vater aus dem Betrieb aus. Der Kläger führte ihn als Einzelunternehmen weiter. Zugrunde lag ein Vertrag vom 29. Dezember 1962, in welchem der Kläger und sein Vater u. a. vereinbart hatten, daß ein etwa sich zum 1. Januar 1963 ergebendes negatives Kapitalkonto des Vaters in eine Forderung des Klägers gegen den Vater umgewandelt werden solle und daß der Vater verpflichtet sei, den geschuldeten Betrag an den Kläger zu zahlen. Die Auseinandersetzungsbilanz der GdbR zum 1. Januar 1963 wies ein negatives Kapitalkonto des Vaters von 91.961,58 DM aus. Diesen Betrag stellte der Kläger in die Eröffnungsbilanz seines Einzelunternehmens zum 1. Januar 1963 als Darlehnsforderung ein. In der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1963 führte er sie unverändert fort. In der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1964 wies der Kläger die Forderung nur noch mit dem abgezinsten Betrage von 53.837 DM aus. Den Unterschiedsbetrag von 38.124,58 DM machte der Kläger unter Hinweis auf die 10jährige Unverzinslichkeit der Forderung als Betriebsausgabe geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Gewinnminderung nicht an.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ließ dahingestellt, ob die Darlehnsforderung des Klägers gegen seinen Vater nicht zum Betriebsvermögen des Klägers gehörte, wie das FA meinte, so daß sie überhaupt nicht in die Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1963 hätte eingestellt werden dürfen. Denn auch bei Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen hätte der Kläger die Abzinsung der Forderung nicht bei der Gewinnermittlung 1964 (Streitjahr) geltend machen können. Denn die Forderung wäre in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1963 nicht mit dem Nennwert von 91.961,58 DM, sondern nur mit dem Teilwert anzusetzen gewesen, welcher in dem Betrag von 53.837 DM zu sehen sei, auf den der Kläger die Forderung im Hinblick auf ihre Unverzinslichkeit zum 31. Dezember 1964 abgezinst habe (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

In seiner Revision beantragt der Kläger die Aufhebung der Vorentscheidung und anderweite Festsetzung der Einkommensteuer 1964 unter Anerkennung des Abzinsungsbetrages von 38.124,58 DM als Betriebsausgabe. Er macht geltend, daß die Versagung der Abzinsung mit gewinnmindernder Wirkung für das Streitjahr gegen Treu und Glauben verstoße. Denn das FA habe eine entsprechende Zusage gegeben, an die es sich bei der Veranlagung 1963 gehalten habe. Erst bei der Veranlagung 1964 seien dem FA Zweifel gekommen. Es habe deshalb eine Abzinsung des Darlehens entgegen der ursprünglichen Zusage nicht mehr zugelassen. Er, der Kläger, habe indes jene Zusage zur Grundlage seiner wirtschaftlichen Disposition gemacht. Er habe alles Erforderliche zur Sachaufklärung getan und habe deshalb darauf vertrauen dürfen, daß die Darlehnsforderung künftig wie jede andere betriebliche Forderung behandelt werden könne.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. Es bestreitet das Vorliegen einer nach Treu und Glauben bindenden Zusage.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Vorentscheidung ist im Ergebnis zu bestätigen, obschon der erkennende Senat dem FG im Ausgangspunkt nicht folgt. Für eine Abzinsung der Forderung mit gewinnmindernder Wirkung ist im Streitfall kein Raum, da die Forderung nicht zum Betriebsvermögen des Klägers gehörte.

a) Es handelte sich um eine unentgeltliche Betriebsanteilsübertragung gemäß § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Der Kläger hat den Mitunternehmeranteil seines Vaters übernommen. Es ist davon auszugehen, daß der Vater bei seinem Ausscheiden das negative Kapitalkonto auszugleichen hatte. Das negative Kapitalkonto als solches stellte indes noch keine Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter (Vater) dar. Bei dem negativen Kapital handelt es sich zunächst nur um einen Rechnungsposten, der u. U. die Gewinnverteilung und den Gewinnauszahlungsanspruch des Gesellschafters beeinflußt. Jedenfalls stellt er keine Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter dar (vgl. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 265 f., 283). Eine Ausgleichsverpflichtung kann sich grundsätzlich erst dann ergeben, wenn der Gesellschafter ausscheidet.

Der Vater des Klägers ist von seiner Verpflichtung zum Ausgleich des negativen Kapitals nicht entbunden worden. Andererseits hat er nichts vom Kläger erhalten, was als Entgelt für die Übertragung des Gesellschaftsanteils (Betriebsanteils) zu werten wäre. Die Übertragung war daher im ganzen unentgeltlich.

b) Aufgrund des Vertrags vom 29. Dezember 1962, welcher die Umwandlung des negativen Kapitals in eine Forderung des Klägers gegen den Vater für den Fall des Ausscheidens regelte, entstand diese Forderung als eine Privatforderung des Klägers. Dabei geht der Senat von der Ernsthaftigkeit der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung der Vertragsbeteiligten aus. Für die steuerrechtliche Beurteilung ist entscheidend, daß der Gesamtvorgang sich - als unentgeltliche Vermögensübertragung - nicht in der betrieblichen Sphäre, sondern in der privaten Vermögenssphäre der Vertragspartner abspielte. Daher ist die Forderung des Klägers gegen seinen Vater, die bei diesem Vorgang zur Entstehung gelangte, von vornherein als eine private Forderung zu werten, ganz abgesehen davon, daß auch die Modalitäten der Begründung der Forderung, nämlich die Stundung auf zehn Jahre, die Zinslosigkeit, das Fehlen von Sicherheiten, nicht den Bedingungen entsprachen, die im Rechtsverkehr zwischen fremden Personen üblich wären.

Hiernach konnte sich die Unverzinslichkeit der Forderung nicht auf die Gewinnermittlung des Klägers auswirken. Die in der Unverzinslichkeit der Forderung liegende Minderung des Vermögenswerts kann bei der Ermittlung nichtbetrieblicher Einkünfte, als welche hier nur Einkünfte aus Kapitalvermögen in Betracht kommen, nicht berücksichtigt werden.

2. Eine Bindung des FA dergestalt, daß seine für den Veranlagungszeitraum 1963 vertretene Rechtsauffassung auch für das Streitjahr maßgebend sei, hat das FG zu Recht verneint. Das FA hat nach dem Grundsatz der Abschnittbesteuerung die Rechtslage für jeden Veranlagungszeitraum selbständig zu prüfen. Eine verbindliche Zusage für die Sachbehandlung hinsichtlich des Streitjahres hat es nicht gegeben. Das FA war deshalb nicht gehindert, die Forderung des Klägers mit Wirkung vom Streitjahr an als nicht zum Betriebsvermögen gehörend zu behandeln.