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BFH-Urteil vom 21.11.1979 (II R 79/77) BStBl. 1980 II S. 109

Der Erwerb eines Grundstückes mit Einfamilienhaus ist nicht gemäß § 1 Nr. 3 Buchst. a des bremischen GrESWG als erster Erwerb steuerfrei, wenn ihm ein Erwerbsvorgang vorausgegangen war, der nur zum Übergang des Besitzes an dem Grundstück mit fertiggestelltem Haus und nicht zum Eigentumsübergang geführt hatte, aber nicht innerhalb der Frist des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG "aufgehoben" worden war (Anschluß an das Urteil vom 2. Oktober 1974 II R 69/73, BFHE 113, 575, BStBl II 1975, 151).

Bremisches GrESWG 1961 § 1 Nr. 3 Buchst. a; GrEStG 1940 § 17 Abs. 1 Nr. 1.

Sachverhalt

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine damalige Ehefrau kauften mit notariell beurkundetem Vertrag vom 9. Juli 1970 ein Grundstück mit einem Einfamilienreihenhaus in Bremen zu je 1/2 Anteil von einem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Der Vorgang blieb gemäß § 1 Nr. 3 Buchst. a des bremischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer in der Fassung vom 19. Dezember 1961 - GrESWG - (Gesetz- und Verordnungsblatt 1961 S. 217 - GVBl 1961, 217 -) steuerfrei. Das Haus wurde am 1. August 1970 bezogen.

Nach der Auflassung im Juni 1974, aber vor der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch schlossen der Kläger und seine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau mit dem vorgenannten gemeinnützigen Wohnungsunternehmen am 20. Dezember 1974 einen weiteren notariell beurkundeten Vertrag. Danach wurde der Vertrag vom 9. Juli 1970 einschließlich der Auflassung hinsichtlich des Anteils der geschiedenen Ehefrau "aufgehoben"; dieser Miteigentumsanteil wurde nunmehr an den Kläger verkauft und aufgelassen. Dieser trat in alle Rechte und Pflichten seiner geschiedenen Ehefrau hinsichtlich des Miteigentumsanteiles ein.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte gegen den Kläger für den Erwerb des Miteigentumsanteils, den ursprünglich seine geschiedene Ehefrau gekauft hatte, Grunderwerbsteuer fest. Steuerbefreiung gemäß § 1 Nr. 3 Buchst. a GrESWG versagte er mit der Begründung, es handele sich insoweit um einen Zweiterwerb. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid auf. Der vorangegangene Erwerb des Miteigentumsanteils durch die geschiedene Ehefrau des Klägers sei rückgängig gemacht worden. Er sei daher kein Ersterwerb im Sinne der genannten Vorschrift, so daß der Kläger nunmehr diese Steuervergünstigung noch in Anspruch nehmen könne. Dabei sei es unerheblich, daß der vorangegangene Erwerb nicht innerhalb der Frist des § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) rückgängig gemacht worden sei. Gehe man mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Oktober 1974 II R 69/73 (BFHE 113, 575, BStBl II 1975, 151) grundsätzlich davon aus, daß ein vor der Grundstücksübereignung rückgängig gemachter vorangegangener Kaufvertrag nicht als Ersterwerb zähle und dem Nacherwerber daher die Vergünstigung des Ersterwerbes erhalten bleibe, so könne es nicht darauf ankommen, ob der Vorerwerb innerhalb der Frist des § 17 GrEStG rückgängig gemacht worden sei.

Mit seiner Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die vom FG zugelassene Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Kauf des Miteigentumsanteils ist nicht gemäß § 1 Nr. 3 Buchst. a GrESWG steuerfrei. Er ist kein erster Erwerb im Sinne dieser Vorschrift.

Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 1 Nr. 3 Buchst. a GrESWG, weiten Bevölkerungskreisen Besitz und Eigentum an neuerrichtetem Wohnraum zu verschaffen, hindert allerdings nicht jeder vorangegangene Kaufvertrag von derartigem Wohnraum den "ersten" Erwerb. Hat ein vorangegangener und wieder aufgehobener Vertrag weder zum Besitzübergang noch zur Eigentumsübertragung geführt, dann schließt das einen nachfolgenden "ersten" Erwerb nicht aus (BFH-Urteil vom 22. Mai 1974 II R 71/68, BFHE 113, 127, BStBl II 1974, 687). Das gleiche gilt für den Fall, daß aufgrund des vorangegangenen und wieder aufgehobenen Vertrages zwar das Grundstück übereignet, das Haus oder die Wohnung aber nicht fertiggestellt und mit dem Grundstück übergeben wurde; denn auch hier war der vorangegangene Kauf "mißglückt" (BFH-Urteil vom 12. Februar 1975 II R 135/71, BFHE 115, 282, BStBl II 1975, 455). Wird dagegen wie im vorliegenden Fall dem Käufer - das ist hier die geschiedene Ehefrau des Klägers - das bezugsfertige Haus mit Grundstück zu Allein- oder Mitbesitz übergeben, so ist ein wesentlicher Teil des vorgenannten Zweckes des § 1 Nr. 3 Buchst. a GrESWG erfüllt. Der fehlende Übergang des Eigentums kann daher - zumindest wenn er entsprechend dem Willen des Vorerwerbers unterbleibt - nicht mehr in jedem Falle dem nachfolgenden Erwerber den "ersten" Erwerb erhalten. Zwar trifft das dann noch zu, wenn in solchen Fällen der vorangegangene Kaufvertrag innerhalb der Frist des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufgehoben wird. Denn wenn das Gesetz in diesem Fall den vorangegangenen Kaufvertrag grunderwerbsteuerrechtlich durch Verzicht auf entstandene Grunderwerbsteuer "ungeschehen" macht, dann ist es auch gerechtfertigt, ihn bei der Frage nach dem "ersten" Erwerb gemäß § 1 Nr. 3 Buchst. a GrESWG außer Betracht zu lassen (BFH-Urteil II R 69/73). Im vorliegenden Fall wurde dagegen der Kaufvertrag vom 9. Juli 1970 mit der früheren Ehefrau des Klägers erst am 20. Dezember 1974 - mithin außerhalb der Frist des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG - "aufgehoben". Er kann deshalb bei der Frage, ob der Erwerb des Klägers hinsichtlich des vorher von der geschiedenen Ehefrau gekauften Miteigentumsanteils der "erste Erwerb" ist, nicht mehr außer Betracht bleiben.

Das Urteil vom 15. Januar 1975 II R 96/70 (BFHE 115, 65, BStBl II 1975, 390) behandelt einen Sonderfall (Ausübung des Vorkaufsrechtes), der für den vorliegenden Sachverhalt keinen Vergleichsmaßstab abgeben kann.

2. Das FG hat - aus seiner Sicht zu Recht - nicht ermittelt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d GrEStG vorliegen. Die nicht spruchreife Sache geht daher zurück an das FG. Dieses wird insbesondere auch zu prüfen haben, ob wirklich ein "Rückerwerb" im Sinne der genannten Vorschrift vorliegt.