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BFH-Urteil vom 17.10.1979 (I R 31/76) BStBl. 1980 II S. 160

Die Werte sog. Sonderbetriebsmittel, die einem Gewerbetreibenden aufgrund eines Vertrags besonderer Art oder aufgrund eines einem Leihverhältnis nahekommenden Rechtsverhältnisses von einem Auftraggeber unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden sind, sind dem Gewerbekapital des Nutzenden nicht hinzuzurechnen.

GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 2.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Unternehmen der ... industrie. Sie befaßt sich mit der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiete der ...

Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags 1969 entstand Streit über die Hinzurechnung sog. Sonderbetriebsmittel nach § 12 Abs. 2 GewStG in Höhe von ... DM.

Die Klägerin entwickelt und fertigt für öffentliche Auftraggeber ... systeme, die technischen und wissenschaftlichen Zwecken dienen. Dabei handelt es sich um Bauteile kleinsten bis größten Ausmaßes. Die dazu erforderlichen Arbeitsgeräte (Sonderbetriebsmittel) beschafft die Klägerin im Auftrag des Auftraggebers und übereignet sie diesem gegen Erstattung der Selbstkosten. Der Auftraggeber stellt dann die Sonderbetriebsmittel zur Durchführung des jeweiligen Auftrags der Klägerin kostenlos zur Verfügung. Der Begriff der Sonderbetriebsmittel ist in Nr. 14 Abs. 1 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) - Anlage zur Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (Bundesanzeiger - BAnz - vom 18. Dezember 1953 Nr. 244) - erläutert.

Der aufgrund einer Betriebsprüfung ergangene endgültige Gewerbesteuermeßbescheid 1969 des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) enthielt die genannten Hinzurechnungsbeträge. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 244 (EFG 1976, 244) veröffentlicht.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie Verletzung materiellen Rechts, hilfsweise die Verletzung formellen Rechts rügt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Der Wert der Sonderbetriebsmittel darf dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG hinzugerechnet werden, da sie der Klägerin nicht aufgrund eines Rechtsverhältnisses überlassen worden sind, das seinem wesentlichen rechtlichen Inhalt nach ein Miet- oder Pachtvertrag ist.

a) Das Erfordernis des Vorliegens eines Miet- oder Pachtverhältnisses ergibt sich aus dem Zusammenhang des § 12 Abs. 2 Nr. 2 mit § 8 Nr. 7 GewStG. Die im Streitjahr anzuwendende Fassung dieser Hinzurechnungsvorschriften beruht auf dem Steueränderungsgesetz 1961 (StÄndG 1961) vom 13. Juli 1961 (BGBl I, 981, BStBl I 1961, 444). In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf dieses Gesetzes (Bundestags [BT]-Drucksache 3/2.573 zu Art. 5 Ziff. 10 des Entwurfs) ist ausgeführt, daß die vorgesehene Neufassung des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG eine redaktionelle und materielle Änderung enthalte; die redaktionelle Änderung diene der Klarstellung, die materielle Änderung entspreche für die Ermittlung des Gewerbekapitals der Änderung der Vorschrift des § 8 Nr. 7 GewStG für die Ermittlung des Gewerbeertrags.

In den vorhergehenden Fassungen des Gewerbesteuergesetzes war der Zusammenhang des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG mit der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 7 (früher Nr. 8) GewStG nicht so deutlich wie in der jetzt anzuwendenden Fassung zum Ausdruck gekommen. Schon in der amtlichen Begründung zum Gewerbesteuergesetz 1936 (RStBl 1937, 693) ist aber bemerkt, daß § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG bei der Berechnung des Gewerbekapitals seine Entsprechung in § 8 Nr. 8 des Gesetzes (heute Nr. 7) habe.

b) Die ältere Rechtsprechung vertrat die Auffassung, daß es bei der Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG gleichgültig sei, aus welchem Rechtsgrund die Wirtschaftsgüter überlassen worden seien oder ob für die Überlassung ein Entgelt gezahlt werde; bei der Auslegung dieser Vorschrift seien bürgerlich-rechtliche Begriffsbestimmungen nicht anzuwenden (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 21. Februar 1939 I 468/38, RStBl 1939, 867; BFH-Urteile vom 7. Oktober 1958 I 199/57 U, BFHE 68, 10, BStBl III 1959, 5; vom 12. Mai 1960 IV 122/58 U, BFHE 71, 580, BStBl III 1960, 466).

Mit dem Urteil des I. Senats vom 17. Februar 1965 I 174/60 S (BFHE 81, 641, BStBl III 1965, 230), das zum Gewerbesteuergesetz 1950 erging, trat eine Wende in dieser Beurteilung ein. Zu entscheiden war, ob Lizenzgebühren, die aufgrund eines Vertrags über die zeitlich befristete Nutzung gewerblicher Schutzrechte gezahlt worden waren, nach § 8 Nr. 8 (7) GewStG dem gewerblichen Gewinn und die Werte der zugrunde liegenden Schutzrechte nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzuzurechnen seien. Der BFH wies darauf hin, daß schon in den Entscheidungen vom 23. Juli 1957 I 50/55 U (BFHE 65, 189, BStBl III 1957, 306) und vom 12. Juli 1960 I 96/59 S (BFHE 71, 368, BStBl III 1960, 387) darauf abgestellt worden sei, daß die Leistungen, deren Hinzurechnung nach § 8 Nr. 8 (7) GewStG in Frage stehe, aufgrund eines Rechtsverhältnisses erbracht werden müßten; das seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis i. S. des bürgerlichen Rechts sei. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG beruhe auf demselben Grundgedanken wie § 8 Nr. 8 (7) GewStG: ein Unternehmen, dessen Inhaber das Betriebsvermögen ganz oder im wesentlichen gehöre, solle gewerbesteuerlich nicht schlechter behandelt werden als ein Unternehmen, bei dem die Gegenstände des Betriebsvermögens größtenteils von Dritten überlassen seien. § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG sei das Gegenstück zu § 8 Nr. 8 (7) GewStG. Hinzu komme, daß § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GewStG ausdrücklich von Wirtschaftsgütern spreche, die ein Vermieter oder Verpächter dem Mieter oder Pächter zur Nutzung überlassen habe. Hieraus müsse gefolgert werden, daß die Werte von Wirtschaftsgütern, die aufgrund eines Lizenzvertrags als eines Vertrags besonderer Art überlassen worden seien, nicht nach § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzugerechnet werden sollten.

Dieser Entscheidung schloß sich der VI. Senat des BFH in dem Urteil vom 7. Mai 1965 VI 356/62 U (BFHE 82, 654, BStBl III 1965, 483) an. In der Entscheidung vom 14. Februar 1973 I R 85/71 (BFHE 108, 370, BStBl II 1973, 412) ist der I. Senat bei seiner Auffassung in der Entscheidung I 174/60 S verblieben.

Auch in der Entscheidung vom 29. August 1973 I R 146/71 (BFHE 110, 427, BStBl II 1974, 37) wird der enge Zusammenhang zwischen § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG betont. Satz 1 des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG spreche zwar dafür, daß alle Überlassungsverträge - also auch solche Verträge, die bürgerlich-rechtlich nicht als Miet- oder Pachtverträge anzusehen sind - die Hinzurechnung begründen. Dieser Satz dürfe nicht isoliert gesehen werden. Der Gesetzgeber habe den Zusammenhang zwischen § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG stets beachtet; beide Vorschriften seien immer gleichzeitig geändert und aufeinander abgestimmt geändert worden. Der Zusammenhang komme überdies im Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG zum Ausdruck. Satz 3 erwähne den Vermieter oder Verpächter seit dem Gewerbesteueränderungsgesetz 1951, Satz 2 seit dem Steueränderungsgesetz 1961. Diese beiden Sätze gäben einen Hinweis auf das Verständnis des Satzes 1.

Allerdings ist in den Gründen dieser Entscheidung bemerkt, daß die Korrespondenz zwischen § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG jedenfalls dann besteht, wenn es sich wie im zugrunde liegenden Fall um entgeltliche Überlassungsverträge handelt; offen geblieben ist, wie bei einer unentgeltlichen Überlassung zu entscheiden ist, da über diese Frage seinerzeit nicht zu befinden war.

c) In den Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) wird die Auffassung vertreten, daß es für die Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG einerlei sei, ob für die Überlassung ein Entgelt gezahlt werde (Miete, Pacht) oder nicht (Leihe); allerdings solle die Überlassung von Lizenzrechten in keinem Fall zu einer Hinzurechnung führen (Abschn. 77 Abs. 2 GewStR 1969, GewStR 1978). Gleicher Ansicht wie die Gewerbesteuer-Richtlinien sind die Kommentare zum Gewerbesteuergesetz von Lenski-Steinberg (5. Aufl., § 12 Anm. 40), Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl (8. Aufl., § 12 Anm. 7 [4]), Wihtol (§ 12 Anm. 6).

d) Der Senat ist der Auffassung, daß es bei der Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG auf den Rechtsgrund der Nutzung des überlassenen Wirtschaftsguts ankommt. Satz 1 der Nr. 2 ist, worauf die oben angeführte Rechtsprechung hingewiesen hat, nicht isoliert zu betrachten. Er ist aus dem Wortlaut der folgenden Sätze 2 und 3 zu interpretieren, die vom Vermieter und Verpächter, Mieter und Pächter sprechen. Er ist ferner in Korrespondenz mit der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 7 GewStG in der Weise auszulegen, daß die Werte (Teilwerte) nur solcher Wirtschaftsgüter beim Gewerbekapital hinzugerechnet werden können, die aufgrund eines Vertragsverhältnisses überlassen worden sind, das seinem wesentlichen Inhalt nach sich als Miet- oder Pachtverhältnis i. S. des bürgerlichen Rechts darstellt. Rechtsverhältnisse, deren wesentliche Merkmale sich nicht unter ein Miet- oder Pachtverhältnis i. S. des bürgerlichen Rechts einordnen lassen, müssen demnach bei der Hinzurechnung, sei es nach § 8 Nr. 7 GewStG, sei es nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG ausscheiden.

Hinsichtlich der entgeltlichen Nutzungsüberlassung von gewerblichen Schutzrechten hat die Rechtsprechung seit der Entscheidung I 174/60 S an dieser Auffassung festgehalten. Sie muß auch für Fälle gelten, in denen andere Wirtschaftsgüter als Lizenzrechte aufgrund von Verträgen überlassen werden, die sich bürgerlich-rechtlich nicht unter ein Miet- oder Pachtverhältnis einordnen lassen. Der in den Gewerbesteuer-Richtlinien vertretenen Auffassung, daß der oben aufgezeigte Rechtssatz nur seine Bedeutung für die Überlassung von Lizenzrechten habe, kann nicht gefolgt werden. Im Fall der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern entfällt zwar die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG beim Gewerbeertrag. Der von der Rechtsprechung erarbeitete Rechtssatz, daß eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG nur in Betracht kommt, wenn das Wirtschaftsgut aufgrund eines Rechtsverhältnisses zur Nutzung überlassen worden ist, das seinem wesentlichen Inhalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis i. S. des bürgerlichen Rechts ist, bleibt aber auch dann bestehen. Die aus der Korrespondenz der Vorschriften des § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG und aus dem Wortlaut der Sätze 2 und 3 des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG gewonnene Auslegung des Satzes 1 dieser Vorschrift wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß im Falle der unentgeltlichen Überlassung eines Wirtschaftsguts beim Gewerbeertrag nichts nach § 8 Nr. 7 GewStG hinzuzurechnen ist. Bei einer anderen Auslegung ergäben sich folgende Schwierigkeiten: Fände im Falle der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung oder ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der Überlassung des Wirtschaftsguts eine Zurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG statt, würde sich ergeben, daß ein Wirtschaftsgut gewerbesteuerrechtlich möglicherweise zweimal, nämlich beim Gewerbekapital des Nutzenden und beim Gewerbekapital des Überlassenden zu erfassen wäre, da der Zurechnungsausschluß des § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG nur im Falle einer Vermietung oder Verpachtung eingreifen kann (Bestgen, Der Betrieb 1979 S. 1.579). Eine derartige doppelte Erfassung will das Gesetz nicht.

Im Streitfall sind die Sonderbetriebsmittel, um deren wertmäßige Zurechnung es geht, aufgrund eines Vertragsverhältnisses überlassen worden, das sich seinem wesentlichen Inhalt nach nicht als Miet- oder Pachtvertrag i. S. des bürgerlichen Rechts darstellt. Nach dem unstreitigen Sachverhalt liegt ein Vertrag besonderer Art oder ein dem Leihverhältnis nahekommendes Rechtsverhältnis vor, wonach der öffentliche Auftraggeber der Klägerin gestattete, die Sonderbetriebsmittel unentgeltlich bei der Erledigung der Fertigungsaufträge einzusetzen. Eine Hinzurechnung des Werts dieser Sonderbetriebsmittel beim Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG entfällt somit. Auf die weitere in der Revisionsbegründung aufgeworfene Frage, ob die Sonderbetriebsmittel schon deshalb nicht dem Betrieb der Klägerin gedient hätten, weil bei der Preiskalkulation keine Nutzungsentgelte für die überlassenen Sonderbetriebsmittel angesetzt werden dürfen, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.