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BFH-Urteil vom 9.10.1979 (VIII R 103/76) BStBl. 1980 II S. 184

Der Ersterwerber eines Einfamilienhauses kann im Jahr der Anschaffung als erhöhte Absetzungen i. S. des § 7b Abs. 3 EStG 5 v. H. der Anschaffungskosten geltend machen; auf diesen Betrag muß er sich die vom Bauherrn für dasselbe Jahr in Anspruch genommenen und von den Herstellungskosten berechneten erhöhten Absetzungen anrechnen lassen.

EStG § 7b Abs. 3.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Sie erwarben im Streitjahr 1972 für 150.000 DM zu je 1/2 ein Einfamilienhaus, das der Veräußerer im Jahr 1966 für 94.638 DM errichtet hatte. Dieser hatte als Bauherr in der Steuererklärung für das Veräußerungsjahr erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) von 4.730 DM (5 v. H. der Herstellungskosten) beantragt, die sich aber steuerlich nur in Höhe von 2.430 DM auswirkten. Die Kläger beantragten gleichfalls erhöhte Absetzung gemäß § 7 b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die ihnen jedoch der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung 1972 zunächst versagte. Im Einspruchsverfahren gewährte das FA den Klägern 2,45 v. H. AfA auf ihre Anschaffungskosten, weil sich die Absetzungen des Veräußerers nur in Höhe von 2,55 v. H. der Herstellungskosten ausgewirkt hätten.

Mit der dagegen erhobenen Klage machten die Kläger geltend, daß sie sich die vom Veräußerer in Anspruch genommenen AfA nur betragsmäßig anrechnen lassen müßten. Nicht zulässig sei es dagegen, den ihnen zustehenden AfA-Satz von 5 v. H. um den vom Veräußerer verbrauchten Vomhundertsatz zu mindern. Ihre AfA errechneten sie hiernach wie folgt:

5 v.H. von 150.000 DM

7.500 DM

abzüglich verbrauchte AfA

 

des Veräußerers

2.430 DM

eigene AfA

5.070 DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 544 (EFG 1976, 544) veröffentlichten Entscheidung statt. Es vertrat die Ansicht, daß die erhöhten Absetzungen der Kläger um die vom Bauherrn in Anspruch genommenen AfA-Beträge, nicht aber um die von diesem verbrauchten Vomhundertsätze zu mindern seien.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es vertritt die Ansicht: Nach der Regelung des § 7b EStG dürften der Bauherr und der Ersterwerber zusammen höchstens 8 x 5 v. H. der Herstellungskosten bzw. Anschaffungskosten absetzen. Die vom FG vorgenommene Berechnung führe hingegen dazu, daß die Höchstgrenze von 40 v. H. der Bemessungsgrundlagen überschritten werde. Denn bei Zugrundelegung der vom FG gewährten AfA von 5.070 DM (3,38 v. H. der Anschaffungskosten) ergebe sich für die Jahre 1966 bis 1973 ein AfA-Volumen von 40,93 v. H., wovon auf den Bauherrn 32,53 v. H. und auf die Kläger 8,38 v. H. entfielen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten. Er hat im wesentlichen ausgeführt: Die erhöhten AfA stünden den Klägern gemäß § 7b Abs. 3 EStG nur zu, soweit sie der Bauherr nicht geltend gemacht habe. Das Wort "soweit" könne sich wegen der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen (Herstellungskosten bzw. Anschaffungskosten) nur auf den gemeinsamen AfA-Satz des Bauherrn und des Ersterwerbers beziehen. Es bringe weiterhin zum Ausdruck, daß der Ersterwerber nur dann die erhöhten Absetzungen in Anspruch nehmen könne, wenn sie der Bauherr nicht vorrangig in Anspruch genommen habe. Da aber der Bauherr von seinen Herstellungskosten abschreibe, dürfe die gesetzliche Anordnung nur in dem Sinne verstanden werden, daß der Ersterwerber in Höhe des noch nicht vom Bauherrn ausgenutzten Vomhundertsatzes von seinen Anschaffungskosten abschreiben könne.

Während des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof (BFH) hat das FA bislang noch nicht berücksichtigte Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt und zugunsten der Kläger den angefochtenen Bescheid gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung (AO 1977) geändert. Die Kläger haben beantragt, den geänderten Bescheid vom 8. Mai 1979 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

I.

Der Bescheid vom 8. Mai 1979 ist auf Antrag der Kläger gemäß den §§ 123, 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden, denn durch ihn wurde der angefochtene Bescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 1975 geändert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die erhöhten AfA der Kläger zutreffend berechnet.

Nach § 7b Abs. 3 Satz 1 EStG kann der Rechtsnachfolger des Bauherrn (Ersterwerber), sofern das Eigentum an einem begünstigten Einfamilienhaus innerhalb von acht Jahren nach der Fertigstellung übergeht, die erhöhten Absetzungen vornehmen, soweit sie der Bauherr nicht geltend gemacht hat. Für den Ersterwerber treten an die Stelle der Herstellungskosten die Anschaffungskosten. Der Ersterwerber rückt also hinsichtlich des Begünstigungszeitraums in die Rechtsstellung des Bauherrn ein und darf die Absetzungen grundsätzlich von seinen - in der Regel gegenüber den Herstellungskosten höheren - Anschaffungskosten vornehmen. Einschränkend ist in § 7b Abs. 3 Satz 1 EStG zum Begünstigungsumfang bestimmt, daß der Ersterwerber die erhöhten Absetzungen nur geltend machen kann, "soweit der Bauherr sie nicht geltend gemacht hat". Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß unter den erhöhten Absetzungen in diesem Sinne die erhöhten Absetzungsbeträge zu verstehen sind, die sich aus dem AfA-Satz und der jeweiligen Absetzungs-Bemessungsgrundlage errechnen und um den tatsächlich vom Bauherrn in Anspruch genommenen Absetzungsbetrag zu mindern sind. Der von den unterschiedlichen Bezugsgrößen losgelöste Vomhundertsatz hat als reiner Rechenfaktor keine darüber hinausgehende Bedeutung.

Die Kläger müssen sich im Streitfall demzufolge den im Jahr der Anschaffung vom Bauherrn in Anspruch genommenen Absetzungsbetrag, nicht aber den verbrauchten Vomhundertsatz anrechnen lassen.

Die gegenteilige Auffassung des BdF, das Wort "soweit" könne sich wegen der unterschiedlichen AfA-Bemessungsgrundlagen von Bauherrn und Ersterwerber nur auf den gemeinsamen Vomhundertsatz beziehen, ist weder vom Wortlaut des Gesetzes her zwingend, noch ist vom Zweck des Gesetzes her eine Auslegung in diesem Sinne geboten. Denn auch die erhöhten Absetzungsbeträge sind einheitliche Bezugsgrößen. Unterschiedlich ist ihre Höhe. Das aber hat seinen unvermeidbaren Grund darin, daß beim Ersterwerber die Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage seiner erhöhten Absetzungen an die Stelle der Herstellungskosten treten, die für den Bauherrn als Bemessungsgrundlage maßgebend sind. Aus der Fassung des Gesetzes folgt aber nicht, daß beim Ersterwerber statt der betragsmäßigen Anrechnung der erhöhten Absetzungen des Rechtsvorgängers ein Betrag anzurechnen sei, der sich aus dem verbleibenden Vomhundertsatz des Rechtsvorgängers und der neuen eigenen Bemessungsgrundlage des Ersterwerbers als Rechenfaktoren zu errechnen habe.

Ein derartige Auslegung ist auch nicht nach dem Zweck des Gesetzes geboten. Sie hätte zur Folge, daß der Ersterwerber, wenn der Bauherr im Jahr des Ersterwerbs 5 v. H. AfA auf seine Herstellungskosten in Anspruch genommen hat, keine erhöhten Absetzungen gemäß § 7b Abs. 3 EStG erhielte, und zwar auch nicht auf den Betrag, um den seine Anschaffungskosten die Herstellungskosten übersteigen. Im Übergangsjahr würde bei einer solchen Auslegung der AfA-Anspruch des Ersterwerbers im Regelfall auf die Herstellungskosten des Bauherrn begrenzt, obwohl das Gesetz selbst vorschreibt, daß beim Ersterwerber die erhöhten Absetzungen von seinen höheren Anschaffungskosten zu berechnen sind.

Das Vorbringen, bei dieser Auslegung würden die AfA-Sätze vom Bauherrn und Ersterwerber zusammen ein Absetzungsvolumen von 40,93 v. H. erreichen, statt eines auf 40 v. H. beschränkten Absetzungsvolumens, verkennt, daß die Bezugsgrößen für Hersteller (Herstellungskosten) und Ersterwerber (Anschaffungskosten) unterschiedlich sind und die 40-v.H.-Grenze demgemäß bezogen auf die Herstellungskosten einen anderen Betrag ergeben muß, als wenn sie auf die Anschaffungskosten bezogen wird, es sei denn, Herstellungskosten und Anschaffungskosten wären gleich.

Die Kläger müssen sich nur die vom Bauherrn tatsächlich in Anspruch genommenen erhöhten Absetzungen von 2.430 DM und nicht die von ihm in der Steuererklärung beantragten 4.730 DM anrechnen lassen. Denn für die Kläger sind vom Rechtsvorgänger i. S. des § 7b Abs. 3 EStG nur die erhöhten Absetzungen geltend gemacht, die bei ihm zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer geführt haben. Dies ergibt sich daraus, daß der Gesetzgeber bei der Regelung der AfA-Befugnis des Ersterwerbers die Begriffe "AfA geltend machen" und "AfA vornehmen" gleichbedeutend nebeneinander verwandt und damit zu erkennen gegeben hat, daß es ihm allein auf das wirtschaftliche Ergebnis und nicht auf den formellen Antrag ankommt. Damit im Einklang steht auch der Zweck der Regelung, dem Ersterwerber die erhöhten Absetzungen in dem Umfang zuzugestehen, soweit sie nicht der Bauherr in Anspruch genommen hat (vgl. auch Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7b EStG Anm. 251).