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BFH-Urteil vom 16.1.1980 (I R 1/77) BStBl. 1980 II S. 381

Mögliche Rechtsfolgen bei Übertragung eines einem Gesellschafter (Vater) gehörenden, der Personengesellschaft zur Nutzung überlassenen Grundstücks gegen Nießbrauchsvorbehalt an einen anderen Gesellschafter (Sohn).

EStG §§ 4, 6; EStDV § 7; StAnpG § 11 Nr. 4.

Sachverhalt

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Streitig ist, ob im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung von Grundstücken unter Vorbehalt des Nießbrauchs ein Entnahmegewinn verwirklicht wurde.

Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger) und sein Sohn, der Beigeladene und Revisionskläger zu 2. (Beigeladener), unterhielten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Gewerbebetrieb. Die von den Gesellschaftern betrieblich genutzten Grundstücke standen im Alleineigentum des Klägers. Durch notariellen Vertrag vom 21. Dezember 1970 übertrug der Kläger sein in vollem Umfang betrieblich genutztes Grundstück und den betrieblich genutzten Teil eines weiteren ihm gehörigen Grundstücks unentgeltlich auf seinen Sohn. Nach Ziff. 5 des Vertrags räumte der Beigeladene dem Kläger auf Lebenszeit den Nießbrauch an den übertragenen Grundstücken ein. Am 28. Dezember 1970 vereinbarten die Gesellschafter privatschriftlich, daß der Kläger zum 31. Dezember 1970 aus der Gesellschaft ausscheide und mit dem Buchwert seines Kapitalkontos abgefunden werde. Die mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücke verpachtete der Kläger an den Beigeladenen zu einem Pachtzins von monatlich 2.500 DM.

Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 1970 wich der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) von der Gewinnerklärung der Gesellschaft in der Weise ab, daß es in dem Nießbrauchsvorbehalt eine dem Kläger zuzurechnende Entnahme erblickte und diese mit 48.000 DM bewertete.

Die im ersten Rechtsgang unmittelbar zum Finanzgericht (FG) erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Der erkennende Senat hob auf die Revision des Klägers die angefochtene Entscheidung durch Urteil vom 17. März 1976 I R 106/74 (nicht veröffentlicht) aus verfahrensrechtlichen Gründen (fehlende Beiladung) auf. Nach Beseitigung des Mangels wies das FG die Klage erneut im wesentlichen mit der Begründung ab, daß der Nießbrauch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht durch den Vertrag entstanden, sondern nur abgespalten worden sei. Eine Schenkung unter Auflage liege nicht vor. Die Zusammenfassung beider Rechtsgeschäfte (Grundstücksübertragung und Nießbrauchseinräumung) in einer Urkunde spreche gegen eine solche gekünstelt wirkende Konstruktion. Der Sohn habe das Nutzungsrecht am Grundstück nur eine "logische Sekunde" lang, also in Wirklichkeit nicht innegehabt und habe es dem Kläger deshalb auch nicht übertragen können. Vielmehr habe er nur das bereits mit dem Nießbrauch belastete Grundstück erworben; der Kläger habe das Nießbrauchsrecht zurückbehalten.

Mit ihrer Revision rügen der Kläger und der Beigeladene unrichtige Anwendung materiellen Rechts, insbesondere des § 4 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). In die vertraglichen Vereinbarungen des Streitfalls könne nicht ein "ausgehöhltes Eigentum" hineininterpretiert werden. Der Sohn habe vom Vater das volle Eigentumsrecht über die Grundstücke unentgeltlich erhalten; er schulde ihm lediglich gleichsam als Auflage hierfür bis an sein Lebensende eine gewisse Leistung, die nicht anders beurteilt werden könne als die (auch möglich gewesene) Zahlung einer Rente.

Die Revisionskläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und den Anteil am Gewinn aus Gewerbebetrieb um einen Betrag von 48.000 DM zu ermäßigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten. Er führt im wesentlichen aus: Der Kläger sei weiterhin wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke geblieben. Er habe die Grundstücke wirtschaftlich unverändert, insbesondere in gleicher Weise, auf die gleiche Dauer, in gleichem Maße und gegen Entzug gleich gesichert wie zuvor, nutzen können. - Sollte das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken vor dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft auf den Sohn übergegangen sein, so läge beim Kläger keine Entnahme und beim Beigeladenen keine Wiedereinlage vor; die Grundstücke blieben dem Betriebsvermögen verhaftet (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Mai 1966 VI 238/64, BFHE 86, 357, BStBl III 1966, 505, und vom 28. August 1974 I R 18/73, BFHE 114, 180, BStBl II 1975, 166). Das Wirtschaftsgut "Nießbrauchsrecht" entstehe erst nach dem Eigentumsübergang durch die Nießbrauchsbestellung. Der Nießbrauch sei nicht betrieblich veranlaßt, da er im Zusammenhang mit einer vorweggenommenen Regelung der künftigen Erbschaft bestellt worden sei. Beim Beigeladenen komme weder eine Passivierung der Nießbrauchslast noch ein um den Nießbrauch geminderter Ansatz der Betriebsgrundstücke in Betracht. Beim Kläger sei das Nießbrauchsrecht nicht mit dem Betrag 0 in das (Sonder-)Betriebsvermögen wieder einzulegen gewesen und später mit dem Teilwert entnommen worden. Abgesehen davon, daß ein solches wirtschaftliches Ergebnis kaum vertretbar sei, wenn man die Höhe des dann zu versteuernden Entnahmegewinns mit der Dauer der betrieblichen Nutzung vergleiche, halte er - der BdF - bereits dem Grunde nach die Notwendigkeit einer Einlage nicht für gegeben, weil zwischen der Entstehung des Wirtschaftsguts und dem Ausscheiden des Klägers nur wenige Tage verstrichen seien, beide Vorgänge also praktisch gleichzeitig geschehen seien.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Im Streitfall kommen mehrere Möglichkeiten rechtlicher Würdigung in Betracht. Die vom FG festgestellten Tatsachen ermöglichen keine abschließende Entscheidung.

a) Der kurze Zeitraum zwischen dem Abschluß des Vertrags vom 21. Dezember 1970 und dem Ausscheiden des Klägers am 31. Dezember 1970 erwecken Zweifel, ob die für den bürgerlich-rechtlich wirksamen Eigentumsübergang erforderliche Eintragung in das Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) am 31. Dezember 1970 bereits vorgelegen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der Kläger bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft die ihm noch gehörenden Grundstücke (durch Auflösung seines Sonderbetriebsvermögens) entnommen hat (BFH-Urteil vom 24. April 1975 IV R 115/73, BFHE 115, 495, BStBl II 1975, 580). Das gleiche gilt für den Fall, daß im Zeitpunkt des Ausscheidens die Grundstücke zwar bürgerlich-rechtlich wirksam auf den Beigeladenen übertragen waren, der Kläger jedoch noch (mindestens bis zu seinem Ausscheiden) wirtschaftlicher Eigentümer (§ 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) geblieben wäre. Ein am 31. Dezember 1970 noch bestehendes wirtschaftliches Eigentum des Klägers ist unter dem Gesichtspunkt in Betracht zu ziehen, daß der Kläger die Grundstücke bis zu diesem Zeitpunkt unverändert wie bisher nutzen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 8. März 1977 VIII R 180/74, BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629; vom 21. Juni 1977 VIII R 18/75, BFHE 124, 313, BStBl II 1978, 303).

b) Anders wäre der Fall dann zu beurteilen, wenn der Beigeladene schon vor dem 31. Dezember 1970 bürgerlich-rechtlich Eigentümer der Grundstücke geworden wäre. In diesem Fall käme die unentgeltliche Übertragung eines betrieblich genutzten Grundstücks von einem Gesellschafter (Vater) auf den anderen Gesellschafter (Sohn), die mit einer vorweggenommenen Erbauseinandersetzung im Zusammenhang gestanden haben dürfte, in Betracht. Nach den vom BFH in BFHE 114, 180, BStBl II 1975, 166 dargelegten Grundsätzen läge in diesem Fall eine Gewinnrealisierung nicht vor. Das gleiche wäre anzunehmen, wenn der Beigeladene vor dem 31. Dezember 1970 zwar nicht rechtlicher, aber doch wirtschaftlicher Eigentümer geworden wäre. Die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Eigentums des Sohnes kann gleichfalls nicht ausgeschlossen werden, insbesondere im Hinblick darauf, daß unmittelbar nach dem Vertrag vom 21. Dezember im Vertrag vom 28. Dezember die Grundstücke vom Kläger an seinen Sohn verpachtet wurden.

Der Umstand, daß sich der Kläger das Nießbrauchsrecht vorbehalten hat, steht der Anwendung dieser Grundsätze nicht entgegen. Zwar hat der IV. Senat des BFH im Urteil vom 28. Februar 1974 IV R 60/69 (BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481) ausgesprochen, daß derjenige, der ein zu seinem Betriebsvermögen gehörendes Grundstück in Vorwegnahme der Erbfolge einem Kind schenke, das Grundstück mit dem vollen Teilwert entnehme. Dem stimmt auch der erkennende Senat für den vom IV. Senat entschiedenen Fall zu, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Beschenkte (Tochter der Alleinunternehmerin) an dem Betrieb selbst nicht beteiligt war. Demgegenüber beruht das Urteil des erkennenden Senats in BFHE 114, 180, BStBl II 1975, 166 wesentlich auf der Überlegung, daß das geschenkte Grundstück auch nach der Schenkung unverändert im gemeinschaftlichen Betrieb genutzt wird. So lägen die Verhältnisse auch im Streitfall, wenn davon auszugehen wäre, daß der Beigeladene noch im Jahre 1970 rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke geworden ist. Der Nießbrauchsvorbehalt zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung.

2. Da das FG von einer abweichenden Rechtsauffassung ausgegangen ist, muß seine Entscheidung aufgehoben werden. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird nach Zurückverweisung den Streitfall auf der Grundlage der vom erkennenden Senat dargelegten Rechtsauffassung erneut prüfen und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholen müssen.