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BFH-Urteil vom 27.2.1980 (II R 48/77) BStBl. 1980 II S. 404

Die Steuerbefreiung nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVStG 1972 setzt bei Aufstockung des Kommanditkapitals einer als Kapitalgesellschaft geltenden KG (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972) voraus, daß in der letzten, der Erhöhung der Kommanditeinlage vorausgehenden Jahresbilanz der Gesellschaft offen eine gesamthänderisch gebundene Rücklage ausgewiesen ist.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH ist. Die Gesellschafter der Klägerin faßten am 4. Januar 1974 den Beschluß, die Kommanditeinlagen von bisher 200.000 DM durch Umwandlung offener Rücklagen zum 1. Januar 1974 um 100.000 DM auf 300.000 DM zu erhöhen. Am 5. Dezember 1975 beschlossen die Gesellschafter, die Kommanditeinlagen zum 31. Dezember 1975 und zum 1. Januar 1976 jeweils um insgesamt 100.000 DM durch Umwandlung weiterer offener Rücklagen zu erhöhen. Die Bilanzen der Klägerin zum 31. Januar 1973, 1974 und 1975 weisen keine Rücklagen auf. Die Verlust- und Gewinnrechnungen zum 31. Dezember 1974 sowie zum 31. Dezember 1975 weisen jeweils folgendes aus:

Jahresüberschuß

X DM

Zuführung zu den Rücklagen

100.000 DM

 

----------------

Bilanzgewinn

x abzügl. 100.000 DM

Auf dem Konto "Rücklagen" sind folgende Buchungen enthalten:

Vortrag 1. Januar 1974

- DM

Zuführung aus Jahresüberschuß

100.000 DM

 

----------------

 

100.000 DM

Zuführung zum Kommanditkapital

100.000 DM

31. Dezember 1974

- DM

Die nämlichen Buchungen enthält das Rücklagenkonto 1975. Nach dem Gesellschaftsvertrag erhält die Komplementärin einen Gewinnvorab und wird der nach Verzinsung der Nebenkosten der Kommanditisten verbleibende Restgewinn auf diese im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesellschaftskapital verteilt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte mit zwei Bescheiden vom 13. April 1976 gegen die Klägerin Gesellschaftsteuer in Höhe von 1.000 bzw. 2.000 DM fest. Als Besteuerungsgrund gab es in den Bescheiden an: "Zuführungen zu den gesamthänderisch gebundenen offenen Rücklagen aus dem Jahresüberschuß 1974 (bzw. 1975) ohne entsprechende Anordnung oder Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag."

Nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens begehrt die Klägerin mit der Klage die Aufhebung der Gesellschaftsteuerfestsetzungen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung, die in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 233 (EFG 1977, 233) veröffentlicht ist, ausgeführt, zwar habe die Klägerin keine Rücklagen gebildet, weil weder die Bilanzen einen derartigen Posten auswiesen noch die in der Verlust- und Gewinnrechnung erfolgte Abbuchung vom Jahresgewinn genüge, um eine Rücklagenbildung anzunehmen. Die Erfüllung der Einzahlungspflicht aus den Beschlüssen über die Erhöhung der Hafteinlagen unterliege jedoch nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 der Gesellschaftsteuer und sei nicht nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a KVStG steuerfrei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist, soweit sie sich dagegen wendet, daß das FG die Klage gegen den Gesellschaftsteuerbescheid vom 13. April 1976 KVLi Nr. 437/74 über 1.000 DM in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. August 1976 abgewiesen hat, unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zutreffend hat das FG den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 für erfüllt angesehen und die Steuerfreiheit des Vorgangs nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVStG 1972 verneint, soweit bei Erlaß des angefochtenen Steuerbescheides die zusätzlichen Kommanditeinlagen bereits bewirkt waren.

1. Nach den bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG hat die Klägerin in den Bilanzen zum 31. Januar 1973, 1974 und 1975 keine offenen (gesamthänderisch gebundenen) Rücklagen ausgewiesen. Sie hat vielmehr Gewinnanteile unmittelbar (wenn auch buchungsmäßig über ein "Rücklagenkonto") dem Kommanditkapital zugewiesen. Da die Kommanditisten von ihrer unmittelbaren Haftung (§ 171 Abs. 1 HGB) befreit werden sollten, wurde auf diese Weise ihrer Einlageverpflichtung aus den Erhöhungsbeschlüssen genügt.

2. Für die Kapitalgesellschaften i. S. des Handelsrechts (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (KapErhG) vom 23. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 789) die unmittelbare Umwandlung bestimmter Rücklagen (§ 2 KapErhG, vgl. auch § 208 des Aktiengesetzes - AktG - 1965) in Nennkapital (§ 1 KapErhG, vgl. auch § 207 AktG 1965) gesetzlich möglich. Die Erhöhung der Einlage eines Kommanditisten aus "Gesellschaftsmitteln" bedarf dagegen im Hinblick auf § 171 Abs. 1 HGB stets einer Doppelmaßnahme: nämlich der Auflösung einer gebildeten gesamthänderisch gebundenen Rücklage und der Erfüllung der Einlageverpflichtung des Kommanditisten. Während es für den Bereich der Kapitalgesellschaften dahingestellt bleiben kann, ob die Kapitalerhöhung gemäß §§ 1 ff. KapErhG bzw. §§ 207 ff. AktG 1965 unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung der Kapitalverstärkung überhaupt noch der Gesellschaftsteuer unterliegt, kann die den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 erfüllende Erhöhung der Kommanditeinlage bei einer als Kapitalgesellschaft geltenden Kommanditgesellschaft (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972) nur nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVStG 1972 von der Steuer befreit sein. Die Steuerbefreiung setzt dabei unabdingbar voraus, daß in der letzten, der Erhöhung der Kommanditeinlage vorausgehenden Jahresbilanz der Gesellschaft eine offene Rücklage ausgewiesen ist, weil § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a KVStG an § 2 KapErhG bzw. § 208 AktG 1965 anknüpft.

3. Das FG wird noch zu prüfen haben, ob die nach dem Gesellschafterbeschluß vom 5. Dezember 1975 zum 1. Januar 1976 vorzunehmende Aufstockung des Kommanditkapitals bei Erlaß des diesen Lebenssachverhalt betreffenden Gesellschaftsteuerbescheides bereits verwirklicht war (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972).